Freitag, 15. März 2013

12 Monate später

infHeute vor einem Jahr brachte mich am Abend die Berliner Feuerwehr mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus … die folgenden Tage, Wochen und Monate werden unvergesslich bleiben. Ich habe ja ausführlich berichtet, wer noch einmal die ganze Geschichte lesen oder Teile daraus in Augenschein nehmen möchte, kann dies nebenan auf dem textlastigen Blog tun: [Mein Leben mit dem Darmkrebs]. Immer wieder und immer noch erreichen mich Zuschriften von Krebspatienten oder deren Angehörigen, die aus meinen Berichten Kraft und Hoffnung schöpfen konnten, ermutigt wurden … aber auch oft genug Fragen an mich haben, die ich leider nicht beantworten kann.

Ich würde ja, wenn es sinnvoll wäre, gerne Anleitungen verfassen und denjenigen, die Rat und Hilfe suchen, zur Verfügung stellen. Zum Beispiel ...

  • wie man angesichts der Diagnose »Krebs« nicht verzweifelt und kapituliert
  • wie man nach einer Krebsoperation zügig wieder auf die Beine kommt
  • wie man aus den Lektionen einer Rehabilitationsmaßnahme sinnvolle Lehren für den künftigen Alltag zieht
  • wie man trotz Chemotherapie am Leben teilnimmt und keine weiteren Kräfte verliert
  • wie man nach der Chemotherapie ins Leben ohne Medikamente zurückkehrt
  • wie man schließlich doch noch hartnäckige Schäden los wird oder mindert und sich mit bleibenden Schäden arrangiert
  • ... und manches mehr.

Aber es wäre töricht, solche Ratgeber aufzuschreiben, denn wir Menschen sind und reagieren und fühlen und denken unterschiedlich. Keiner der Ärzte, mit denen ich es seit jenem 15. März 2012 zu tun hatte und noch zu tun habe, würde derartige Patentrezepte verkünden.

Natürlich gibt es Erfahrungswerte und Forschungsergebnisse, die bestimmte Verhaltensweisen oder Behandlungen aussichtsreicher machen als andere, aber Garantien sind damit niemals verbunden.

  • Zum Beispiel hat sich in meinem Fall bewahrheitet, dass regelmäßige und hauptsächlich auf Ausdauer abzielende sportliche Betätigung die Nebenwirkungen der Chemotherapie mindern beziehungsweise erträglicher machen kann. Aber das muss beim nächsten Patienten deshalb nicht zwangsläufig ebenso zutreffen.
  • Zum Beispiel hat mir vor allem meine Frau dabei geholfen, mit den psychischen Belastungen durch eine solche Diagnose weiter zu leben anstatt zu verzweifeln, daneben der Zuspruch und das Mittragen von vielen Menschen weltweit, die ich zum Teil noch nicht einmal persönlich kannte. Aber das hilft dem nächsten Patienten, der womöglich alleine lebt, gar nichts.
  • Zum Beispiel hat mir ein zunächst etwas mühseliges Programm geholfen, die durch geschädigte Nervenbahnen verursachte Impotenz zu überwinden. Aber beim nächsten Patienten kehren womöglich Libido und Erektionsfähigkeit nicht zurück.

Nein, es wäre nicht sinnvoll, solche oder ähnliche Anleitungen zu verfassen. Sachbücher aus seriöser Quelle gibt es genug zum Thema Krebs, zum Beispiel die [blauen Ratgeber], die mir zum Teil sehr hilfreich waren.

Aber nicht nur mir, sondern auch der besten aller Ehefrauen, die durch die schlimmen Zeiten hindurch mein fester Halt war, obwohl die psychische und emotionale Belastung für sie ja keineswegs geringer war, haben Menschen mitgeteilt, dass ihnen durch ihre entsprechenden Berichte und Äußerungen via Facebook und E-Mail viel Gutes widerfahren ist. Das hat zu unserem Entschluss geführt, ein Buch aus unserem Erleben und den Reaktionen darauf zusammenzustellen. Das kann zwar noch etwas dauern, aber wir wollen das Projekt angehen.

Wir wissen ja beide nicht, ob ich in einem, in zwei, in drei Jahren noch leben werde. Wenn in den nächsten vier Jahren kein Krebs auftritt, habe ich wieder die gleichen Chancen wie der Bevölkerungsdurchschnitt auf Gesundheit und Lebenserwartung. Aber einstweilen gilt es, sich mit der ungeheuren Bandbreite von 30 bis 70 Prozent Heilungschancen abzufinden. Es liegt nicht in meiner, in unserer Hand. Ich kann durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise nur sicherstellen, dass ich mir nicht eines Tages sagen muss: Hättest du nur ... - aber das ist auch alles. Der Rest ist Gnade und Geschenk. Voller Dankbarkeit kann ich heute wieder meiner Arbeit nachgehen, lebe so gut wie beschwerdefrei und bin guter Hoffnung, dass die Gesundung in eine dauerhafte Heilung münden wird.

Und seien wir mal ehrlich: Wer von uns kann dafür garantieren, morgen noch am Leben zu sein? Eigentlich hätten wir doch alle Grund genug, unser Hiersein und Verweilen nicht für eine Selbstverständlichkeit zu halten…

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