Craig Groeschel, Seniorpastor der LifeChurch.tv, hat sich kürzlich Gedanken bezüglich der jungen Generation gemacht. Damit meint er die 20-30-jährigen. Er schreibt:
Hier sind einige meiner Beobachtungen beim Betrachten der jungen Generation:
- Ihre Welt ist kleiner, während ihre Perspektive weiter ist. Durch die Technologie sind die meisten dieser Menschen mit einer globalen Mentalität aufgewachsen. Mein bester Freund wohnte in der Nachbarschaft. Ihr bester Freund kann genausogut jenseits des Ozeans wohnen.
- Sie haben eine weiter gefasste Definition von »Freundschaft«. Für mich war ein Freund jemand, mit dem ich Zeit verbrachte, dem ich mich anvertraute. Heute kann ein Freund jemand sein, den du noch nie getroffen hast, bevor er auf deinen Facebook-Eintrag geklickt und dich als Freund eingeladen hat.
- Sie sind experimentierfreudiger. Die meisten Menschen meiner Generation waren darauf aus, Besitz anzuhäufen. Viele junge Menschen sind eher darauf aus, Erfahrungen zu sammeln. Ich lernte fremde Länder durch Schullektüre kennen. Die Mehrzahl der jungen Generation hat die Länder besucht, von denen ich nur gelesen habe.
- Die meisten jungen Menschen sind unterfordert. Ihnen wurde viel gegeben, ohne dass viel von ihnen verlangt worden wäre. Sie haben wesentlich mehr Potential, als man ihnen meist zutraut.
- Ihre Welt ist grau. Ich wurde so erzogen, dass es absolute Wahrheit gibt. Viele junge Menschen glauben, dass die Wahrheit relativ sei. »Was für mich Wahrheit ist, muss für dich nicht zutreffen.«
- Sie suchen nach einem Grund. Sie suchen nach etwas, wofür es sich zu leben lohnt. Wenn sie eine entsprechende Angelegenheit gefunden haben, gehen sie durch dick und dünn, um etwas in dieser Welt zu verändern.
Wenn ich diese Unterschiede zwischen meiner Generation und den jungen Menschen betrachte, sehe ich eine Generation, die bereit ist, Christus und die Kraft seiner Auferstehung kennen zu lernen.
(Quelle: Lifechurch.tv, Übersetzung von mir)
So weit, so gut, könnte man meinen. Wir müssen nur noch das Evangelium predigen. Doch machen gerade viele freikirchliche Gemeinden (allerdings nicht nur diese) die Erfahrung, dass ihre Versammlungen schrumpfen. In den Jugendgruppen und Teeniegottesdiensten tummelt sich fast ausschließlich der »gemeindeinterne« Nachwuchs: Kinder und Teenager aus frommem Elternhaus. Gelegentliche missionarische Ausflüge in Fußgängerzonen oder an Badestrände bringen keine neuen Menschen in die Gemeinden. Womöglich kommt mal jemand aus Neugier, aber er geht auch schnell wieder.
Neulich erzählte jemand aus einer Berliner Gemeinde, wie stark die Jugendgruppe beziehungsweise deren monatliche Abendveranstaltung gewachsen sei. Auf Nachfrage bei einem Mitarbeiter stellte sich heraus, dass das Wachstum beim Event, der den Begriff »Export« im Namen trägt, jedoch durch Zustrom aus frommen Kreisen, nämlich Gemeinden und Kirchen ohne entsprechende Angebote für Jugendliche, zustande kommt. Also eher Import als Export?
Je nach Gemeindementalität versuchen nun manche Pastoren, durch Rezepte von früher oder neue Ideen ihre Gemeinden attraktiver zu machen, damit sich die Reihen zumindest nicht weiter lichten.
Aber wenige scheinen zu verstehen, dass das Problem ganz woanders liegt. Gemeinde in ihrer traditionellen Ausprägung ist für unsere Gesellschaft, jedenfalls für die jüngere Generation, weitgehend uninteressant. Unsere Mitmenschen sehen keinerlei Veranlassung, sich zwei Stunden oder gar noch länger in einem Gottesdienst berieseln zu lassen, bei dem auf der Bühne / Kanzel ein Frontalprogramm abläuft und der eigene Beitrag höchstens im Mitsingen oder Einwerfen von Geld in den Opferbeutel besteht.
Einer Predigt von 60 Minuten Länge zuzuhören ist für junge Erwachsene schlicht und ergreifend nicht mehr möglich. Im Gespräch mit einem Freund, der Lehrer am Gymnasium ist, erfuhr ich kürzlich, dass eine Schulstunde von 45 Minuten etwa so aussieht: Die ersten fünf bis zehn Minuten mindestens dauert es, bis die Mobiltelefone in den Taschen verstaut sind. Dann stellt er das jeweilige Thema vor und beantwortet rund zehn Minuten lang die Frage, warum man sich denn ausgerechnet damit beschäftigen müsse. Anschließend kann er, wenn er etwas referieren muss, mit Aufmerksamkeit rechnen - maximal zehn Minuten. Nach dieser Zeitspanne muss er unterbrechen, abwechseln, irgend etwas Interaktives mit den Schülern tun. Sie etwas tun lassen. Dann kann er vielleicht noch einmal mit zehn Minuten Aufmerksamkeit rechnen, bevor die Schulstunde endet. Nicht, dass die Gymnasiasten nicht interessiert wären, nichts lernen wollten. Sie wollen und möchten, aber 15 Minuten konzentriertes Zuhören überfordert bereits viele.
Das kann man bedauern, darüber lamentieren so viel man will. Es ändert nichts an der Tatsache. Die jungen Erwachsenen sind geprägt von Videocliplänge und Short Message Service, von Film- und Showschnipseln zwischen Werbeblöcken. Ihnen wurde als Kind nicht vorgelesen, sie haben kaum selbst Bücher gelesen, und Spielfilme im Kino sind nur dann interessant, wenn dauernd etwas passiert. Dies ist natürlich verkürzt und sehr pauschaliert ausgedrückt, aber ich meine, dass die Tendenz genau so aussieht.
Heißt das nun, dass wir unsere gemeindlichen Veranstaltungen entsprechend umgestalten müssen? Ich würde empfehlen: Nein. Denn damit würden die eher traditionell geprägten Gläubigen heimatlos. Es wäre vielmehr sinnvoll, zusätzlich zum Althergebrachten neue und ungewohnte Arten von Gemeinde oder Kirche oder Zusammenkünften von Gläubigen zu akzeptieren. Und nicht mehr so sehr auf die eigene kleine Herde zu schielen, die es zu vermehren gilt, sondern zu akzeptieren, dass sie nur ein kleiner Teil des gesamten Spektrums an Glaube und Frömmigkeitsstilen ist. Und dass sie nach und nach womöglich überflüssig wird, weil die Menschen, die sich in solchen Strukturen wohl fühlen, aussterben.
Unsere Gesellschaft hat sich verändert, daher wird und muss es veränderte Formen von Gemeinde und Glaubensleben geben.
Mehr von Craig Groeschel und meine Gedanken dazu in den nächsten Tagen.