Daniel K. ging zum Jobcenter, um Hilfskräfte für die Sonderproduktion von Holzpaletten zu suchen. Ein überraschender Auftrag war hereingekommen, den er angenommen hatte, obwohl er wusste, dass mit seinem Stammpersonal der Liefertermin unmöglich zu halten war. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit dürfte es kein Problem sein, die zusätzlichen Arbeiter zu finden, hoffte er. Die notwendige Qualifizierung bestand darin, mit Hammer und Nagel umgehen zu können, das war es dann auch schon.
Im Wartesaal befanden sich um 9 Uhr bereits etwa 50 Personen, die meisten männlichen Geschlechts. Herr K. stellte sich mitten in den Raum und unterbreitete sein Angebot: »Ich brauche sofort Hilfskräfte, die aus zugeschnittenen Holzlatten und Klötzen Paletten herstellen. Ich zahle Ihnen 85 Euro für den Tag.«
»Bar auf die Kralle?«, fragte ein bärtiger Muskelprotz.
»Jawohl, zum Feierabend bekommen Sie das Geld ausgezahlt.«
Ein Jugendlicher mit rot-gelb-grün gefärbtem Haarschopf wollte wissen: »Bin ick denn ooch vasichert?«
»Wenn etwas passiert, wovon ich nicht ausgehe, sorge ich dafür, dass Sie bestmöglich behandelt werden. Ich stelle natürlich Werkzeuge und Schutzhandschuhe. Sie müssten nur den Nagel statt die Finger treffen, wenn Sie einen Hammer in die Hand nehmen.«
Einige der Arbeitssuchenden waren bereit, den Job zu übernehmen. Herr K. gab jedem die Anschrift der Firma, sagte ihnen, bei wem sich sich melden sollten und die Männer gingen zur nahen U-Bahn-Station, um sich auf den Weg zur unverhofften Arbeit zu machen.
Um 11 Uhr machte Daniel K. einen Rundgang durch die Produktionshalle. Die vormittags angeworbenen Aushilfen waren fleißig bei der Arbeit, allerdings waren es bei weitem nicht genug Männer, um den gewaltigen Auftrag zu schaffen. So kehrte Herr K. zum Jobcenter zurück. Es gelang ihm erneut, einige der dort wartenden Arbeitssuchenden anzuweben. Er versprach ihnen eine gerechte Entlohnung und sie machten sich sofort auf den Weg zur Firma.
Dort ging die Arbeit nun zügiger voran, doch als Herr K. um 12:30 Uhr die fertigen Paletten zählte, wurde ihm klar, dass er noch mehr Hilfskräfte brauchen würde. Um 13 Uhr und um 15 Uhr gelang es ihm wiederum, die Mannschaft aufzustocken.
Auf dem Rückweg nach dem letzten Besuch im Jobcenter kam er am Herrmannplatz vorbei, wo etliche Männer vor einem Imbiss standen, Bierflaschen in der Hand und Trübsinn im Gesicht.
»Haben Sie keine Arbeit?«, fragte Herr K.
»Nö. Uns will ja keener haben.«
»Würden Sie denn bereit sein, mir zu helfen, einen großen Auftrag heute noch fertig zu stellen? Es geht um das Zusammennageln von Paletten.«
»Kommt uff die Knete an.«
»Sie werden es nicht bereuen!«
Tatsächlich kamen vier der Müßigen mit zur Firma, nahmen Hämmer in die Hand und nagelten munter drauf los.
Um 19 Uhr war es geschafft. 750 Holzpaletten standen zum Versand bereit.
Herr K. fing an, den Hilfskräften ihren Lohn auszuhändigen. Jeder bekam 100 Euro in bar.
Nun entstand erhebliche Unruhe. Diejenigen, die morgens die Arbeit begonnen hatten, wurden sauer. Der bärtige Muskelprotz maulte: »Ich schufte hier den ganzen Tag, bekomme 100 Euro, und der Heini, der gerade mal drei Stunden den Hammer geschwungen hat, bekommt genauso viel? So eine Schweinerei!«
Ein schmächtiger Türke stimmte zu: »Ist nischt gerecht! Isch habe ganzen Tag Staub geatmet, bin nicht Pause gegangen, und nun nicht mehr als Faulpelz da drüben?«
Herr K. schüttelte den Kopf. Er meinte: »Waren wir uns nicht einig, dass Sie 85 Euro für den Tag bekommen? Und nun sind es sogar 100, weil die ganze Lieferung pünktlich geschafft ist. Wo hätte ich Sie denn bitteschön übervorteilt? Es ist doch wohl meine Sache, wie ich mein Geld verteile, oder?«
»Trotzdem, das ist fies«, schimpfte der Punk mit dem Jamaika-Schopf.
»Weil ich großzügig bin, bin ich fies?«, fragte Herr K. »Manchmal verstehe ich die Welt nicht mehr...«