Montag, 2. April 2012

Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus /// Teil 3

Bevor der nächste Text aus dem Krankenhaus folgt, eine kurze aktuelle Meldung: Seit Samstag Nachmittag bin ich ja zu Hause, und das tut mir sichtlich gut. Meine Stimmung hellt sich auf, das Essen schmeckt besser (wird ja auch von der besten aller Ehefrauen zubereitet statt aus einer Großküche geholt) und in den Nächten kann ich abgesehen von zwei oder drei Besuchen auf der Toilette (hat sich meine Blase verkleinert oder trinke ich mehr?) durchschlafen.

Ich bedanke mich weiterhin für alle guten Wünsche, Gedanken, Daumen drücken, Gebete, Zuschriften … es tut gut, nicht allein zu sein mit all den Problemen.

 

27. März 2012, 14 Uhr

Täglich ein paar Sätze aufzuschreiben war ein Vorsatz, dessen Erfüllung nicht Realität wurde. Es war und ist doch vieles zu anstrengend, um dann noch die Kraft zu finden, den Computer aus dem Nachttisch zu nehmen. Zum Beispiel das Erbrechen ohne Vorwarnung in der Nacht vom 25. zum 26. März. Als ich wach wurde, es mag gegen 1 Uhr oder 2 Uhr gewesen sein, bemerkte ich, dass es wohl geboten war, sich in die Nähe der Toilettenschüssel zu begeben.

imageDas ist nun in meinem Fall nicht so einfach wie im normalen Leben. Ich muss zunächst die Klammer, an der der Beutel befestigt ist, in dem sich die Wundsekrete aus dem Bauchraum sammeln, links von vom Bettzeug lösen und am Nachthemd befestigen. Dann rechts am Infusions- und Geräteständer den Netzstecker des Novalgin-Perfusors lösen (die Akkus reichen für rund 40 Minuten). Langsam und vorsichtig wegen diverser Kabel und Schläuche am und im Körper zu Geräten und Beuteln kann ich mich dann aufsetzen und aufstehen. Als nächstes muss ich die Schmerzmittelpumpe, die wegen der recht kurzen Leitung zum Rückenmark am Galgen über dem Bett hängt, an den Infusionsständer hängen und den Urinbeutel, der am Bett befestigt ist, in die Hand nehmen, damit er nicht am Blasenkatheder zieht. Dann erst kann ich mich in Richtung Toilette in Bewegung setzen.

In jener Nacht nun reichte es nach der Prozedur einen Schritt vom Bett weg, dann ergoss sich schwallartig Erbrochenes auf den Boden, die Füße, die Hausschuhe. An die Klingel auf dem Nachttisch kam ich nicht mehr heran – zum Glück war mein Bettnachbar wach geworden und drückte auf seinen Alarmknopf. Ich holte krampfhaft Luft, schon kam der zweite Schwall. Mein Bettnachbar befürchtete, dass ich umkippen könnte, und er als wie ich relativ frisch Operierter konnte mich sicher nicht auffangen oder halten. Daher eilte er zur Tür und rief in den leeren Gang: „Schwester, es ist wirklich ein Notfall! Dringend!“ Nun wurden eilende Schritte hörbar, und bei meinem vierten Schwall (fünf wurden es) betrat die Nachtschwester den Raum.

Als die ganze Schweinerei rund zwanzig Minuten später beseitigt war, bekam ich eine Infusion wegen des erheblichen Flüssigkeitsverlustes und schlief bald ein. Jegliche Übelkeit war verschwunden. Gegen vier Uhr drehte ich mich dann von der einen Seite auf die andere (auf dem Rücken kann ich nur sehr schlecht schlafen) und fühlte dabei, dass mein Po nass war. Ein unangenehmer Gestank kam unter der Bettdecke hervor. Sollte ich etwa – hatte ich womöglich – ach du liebe Güte! So ungern ich auch die Pflegekräfte mittels Alarmknopf holte, in diesem Fall hielt ich es für angebracht, nicht selbst das Unheil noch zu vergrößern, sondern Hilfe in Anspruch zu nehmen. Um es kurz zu machen: Ich hatte ins Bett gemacht, allerdings war es sehr dünne Flüssigkeit und die Nachtschwester versicherte mir, dass ich das im Schlaf ganz einfach nicht merken hätte können, dass ich Patient und im Krankenhaus sei, eine schwere Operation hinter mir hätte und dass ich mich für nichts schämen müsse.

Als ich gesäubert wieder in meinem Bett lag und auf den Schlaf wartete, fiel mir auf, für wie selbstverständlich ich es immer gehalten hatte, Ausscheidungsvorgänge, Körperhygiene und überhaupt die täglichen Dinge wie Duschen, Hände waschen, Pinkeln gehen, selbst und diskret zu erledigen, ohne überhaupt darüber nachzudenken. Und nun, auf einmal auf Hilfe sogar beim Abwischen nach dem Stuhlgang angewiesen, konnte ich es mir nicht leisten, irgend etwas zu peinlich zu finden. Nun konnte ich mich nicht dagegen wehren, dass mein Körper keine Rücksicht auf meine Hemmschwellen nahm. Natürlich versicherten mir die Pflegekräfte, dass sie mit allen menschlichen Befindlichkeiten und Ausscheidungen umzugehen gelernt hatten, dass ich mich nicht schämen müsse und wirklich in meinem Zustand nichts dagegen tun konnte. Aber wesentlich leichter fiel es mir trotzdem nicht, mich damit abzufinden.

Für die nächsten Nächte und während der Schlafphasen der Tage zumindest trage ich nun ein vermutlich absolut sexy wirkendes Höschen mit Einlage, damit im Fall des Falles nicht das ganze Bett frisch bezogen werden muss.

Nach solchen Nächten kommen dann Tage, die sowieso ja andere Anstrengungen und Unbill mit sich bringen … zusätzlich die Tatsache, dass wenig Schlaf möglich war … da schreibt man dann nichts mehr auf.

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