Donnerstag, 7. Mai 2009

Sie wollen nicht hören, was du glaubst.

Craig Groeschel, Seniorpastor der LifeChurch.tv, hat sich kürzlich Gedanken bezüglich der jungen Generation gemacht. Damit meint er die 20-30-jährigen. Ich habe bereits ein paar Überlegungen dazu unter dem Titel »Was tun gegen schrumpfende Gemeinden?« beschrieben. Hier mein zweiter Beitrag zu seinen Schlussfolgerungen. Groeschel schreibt:
Wer die nächste Generation für Christus gewinnen will, darf sie nicht auffordern, das zu glauben, was er glaubt. Er muss sie vielmehr einladen, das zu tun, was er vorlebt.

Den Glauben halten sie für billig. Diese Generation hat unzählige Ausprägungen des Glaubens gesehen, alle Variationen von Formen der Religion, die du dir vorstellen kannst - und etliche, die deine Vorstellung übersteigen. Diese Leuten sind von Menschen, die das, was sie angeblich glauben, nicht auch vorleben, extrem abgestoßen. Sie wollen nicht hören, was du glaubst, sondern sie wollen die Auswirkungen deines Glaubens in Aktion sehen. Wenn du dich allerdings traust, wie Jesus zu leben, dann hast du die größten Chancen, die junge Generation zu erreichen.
  • Wenn deine Version des Christseins sich darauf beschränkt, gegen dieses und jenes zu sein, wirst du auf taube Ohren stoßen.
  • Wenn andererseits dein Glaube so lebendig ist, dass du den Hungernden Speise geben, die Nackten bekleiden, die Kranken heilen, die Ausgegrenzten lieben musst - alles im Namen Christi - dann wirst du Interesse wecken.
So merkwürdig es klingen mag: Wenn du wirklich ein missionales und vom Heiligen Geist durchdrungenes Leben führst, dann kann es sein, dass die jungen Menschen dir nachfolgen. Und dann irgendwann später auch glauben, was du glaubst.

Um diese Generation zu erreichen, musst du sie wertschätzen und in sie investieren. Viele von uns älteren Christen glauben nicht an das Potenzial in denen, die nach uns kommen (wie unsere Väter und Mütter auch nichts von unsere wilden Ideen hielten). Einige Gedanken dazu:
  • In den meisten Fällen haben beide Elternteile dieser Menschen gearbeitet. Den Kindern und Heranwachsenden wurden viele Freiheiten gegeben, aber wenig Zeit. Die meisten sehnen sich tief innen nach Zuwendung.
  • In ihrer überwiegend aus Grautönen bestehenden Welt hungern sie nach jemandem, der Schwarz und Weiß definieren kann.
  • Viele wurden mit materiellem Segen überhäuft, sie mussten sich nicht sonderlich anstrengen, um etwas zu bekommen. Man erwartete das auch nicht von ihnen. Sie wollen gefordert werden.
Unsere Herausforderung lautet, in diese Generation zu investieren. Sie wollen von uns lernen. Und sie können übrigens uns eine ganze Menge beibringen. Bertrachte dich als Paulus, der nach einem Timotheus sucht. Selbst wenn du erst 23 bist, dann halte eben Ausschau nach jemandem, der 18 ist und sprich Leben in ihn hinein.
(Hier Quelle 1 / Quelle 2 - Übersetzung von mir.)
Ich meine, dass Craig Groeschel in vielen Punkten recht hat. In meiner Generation war es üblich, dass sich jemand aufgrund der frontal-einseitigen Verkündigung des Evangeliums - sei es nun privat oder in einer öffentlichen Veranstaltung - bekehrte (um mal dieses etwas angestaubte Wort zu benutzen). Daher lud man Freunde und Bekannte zu Evangelisationen und besonderen Gottesdiensten ein, wo es dann einen Aufruf gab, dem die Ungläubigen Folge leisten sollten (was auch recht häufig der Fall war).
Man kannte in der Regel den Redner gar nicht, wusste also nicht, ob das, was er da über seinen Glauben erzählte, irgend etwas mit seinem täglichen Leben zu tun hatte oder nicht.

Heute glauben die Menschen nicht einfach, was ihnen erzählt wird. »Wer die nächste Generation für Christus gewinnen will, darf sie nicht auffordern, das zu glauben, was er glaubt. Er muss sie vielmehr einladen, das zu tun, was er vorlebt«, schreibt Groeschel. Ein Ansatz, der vielen von uns auch deshalb fremd ist, weil es (in meiner Generation) häufig hieß: »Glaube ist Privatsache«. Anders formuliert: »Christ ist man am Sonntag beim Kirchgang und während der Woche im Kreis von Gleichgesinnten (Bibelstunde, Hauskreis, Jugendmeeting), ansonsten lebt man ein ganz normales Leben in Beruf und Freizeit, das sich (äußerlich) kaum vom Leben derer unterscheidet, die Christus nicht kennen.« Womöglich hat man noch einen Fisch auf das Auto geklebt.
Folgerichtig aus dieser Einstellung haben wir uns fromme Parallelwelten geschaffen: Christliche Bücher, christliche Musik, christliche Freizeiten, christliche Zeitschriften, christliche Blogs neuerdings, sogar bibeltreue Parteien soll es geben... - alles Dinge, von denen unsere Mitmenschen so gut wie keine Kenntnis nehmen. Da können die Texte auf der frommen CD noch so geistlich sein, unser Nachbar wird sich die Scheibe nicht in den CD-Spieler schieben, da sie im »weltlichen« Musikgeschäft nicht angeboten wird. Da kann der fromme Roman noch so gut geschrieben sein, unsere Nachbarin wird ihn nicht zur Hand nehmen, da sie nichts davon erfährt.

Ich gebe es zu: Es fällt mir persönlich sehr schwer, missional zu leben. Ich erkenne, dass Groeschels Ansatz richtig und sehr sinnvoll ist. Ich bejahe seine Schlussfolgerungen, über die junge Generation hinaus: Ich meine, dass auch Menschen meines Alters kaum noch durch klassische evangelistische Aktivitäten in Berührung mit Jesus kommen können. Ich sehe jedoch Defizite in meinem Alltag, in meinem Leben, bis hinein in die Familie.

»Walk the walk before you talk the talk« - das müsste mich eigentlich zum Schweigen bringen. Zu wenig von dem, was ich glaube und vertrete, setze ich um. Das beschämt. Das schmerzt, das ist unangenehm, da möchte ich gar nicht hinschauen. Jeder Blick auf das eigene »geistliche Leben« gleicht einem Finger, der in offener Wunde bohrt.

Also lieber abwarten und schweigen, bis die Früchte im persönlichen Leben erkennbar sind? Oder besteht dann die Gefahr, dass man sich bis zum Sankt Nimmerleinstag verkriecht und auf andere - bessere - Zeiten wartet? Was meinen denn meine geschätzten Blogbesucher?