Montag, 18. Februar 2008

Der die das Infocounter

Wohlan, laßt uns herabfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß sie einer des anderen Sprache nicht mehr verstehen! (1. Mose 11, 7)
Das muss kürzlich wieder passiert sein. Nicht wie damals zu Babel, sondern in Berlin. Die Zeichen, dass Gott erneut herabgefahren ist, um die Sprache seines Volkes zu verwirren, sind eindeutig:

Zum Beispiel gab es in der Gemeinde, die ich besuche, früher mal »Einladungen«, wenn eine Veranstaltung kundgetan werden sollte. Heute gibt es statt dessen »Flyer«.
Wir hatten auch mal eine »Theke«, an der Besucher sich Ìnformationen abholen konnten, heute haben wir einen »Info-Counter«.
Beim Glaubensgrundkurs wurde früher Material zum Studium ausgehändigt, im aktuellen Grundlagenseminar gibt es nur noch »Handouts«.
In der Freizeit konnte man einst zusammen mit anderen aus der Gemeinde Fahrradausflüge unternehmen, im letzten Jahr dagegen »Family-Bike-Tours«.
Manche Kirche und Gemeinde mag noch Bücher oder gar CDs im Angebot haben, bei uns gibt es statt dessen »books, music and more«.
Ein Arbeitszweig der Gemeinde lädt ein zu einer Veranstaltungsreihe mit dem Motto »tell us ...!« - einschließlich Leerschritt zwischen Wort und Pünktchen und Ausrufezeichen nach den Pünktchen; im Verlauf des Abends wird jeweils auch eine »Pause mit Snack« angekündigt.
Pflegte man einst die Anbetung, um Gott zu loben, veranstaltet man heute eine »worship night«.
Merkwürdig, dass eine Taufe noch eine Taufe ist und ein Gottesdienst noch ein Gotesdienst. Obwohl... immer häufiger ist vom »Godi« die Rede.

Aus anderen Gemeinden und Kirchen berichten mir aufmerksame Zeitgenossen ähnliche Sprachverwirrung. Die eine bietet eine Gruppe namens »Dancing Girls« an, die andere öffnet mit falschem Apostroph zu bestimmten Zeiten die »Türen des Foyer's« für ein Frühstück. Eine Kirche bietet eine »After Church Time« an, in einer anderen »darf gebruncht werden«.

Die Zeichen sind also untrüglich. Die Geschichte hat sich wiederholt:
Wohlan, laßt uns herabfahren und dort ihre Sprache verwirren, daß sie einer des anderen Sprache nicht mehr verstehen! (1. Mose 11, 7)

6 Kommentare:

Achti hat gesagt…

Sehr geil.
Danke für diese treffenden Beobachtungen.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Achti,

bitteschön, gerne, ich härtte noch mehr gewusst und gefunden... - wollte mich aber mal ausnahmsweise kurz fassen.

:-)

storch hat gesagt…

ich wollt nur mal sagen, dass ich den begriff "handout" erfunden habe. ebenso "suboptimal". mit hoher wahrscheinlichkeit stimmt das zwar nicht, aber ich kann mich bei beiden worten an keinen erinnern, den ich sie vorher sagen hörte oder schreiben las.
bin ich der deutschen sprache todesstoss? das täte mir leid, immerhin hatte ich mal einen aufnahmeantrag für einen verein zur erhaltung der deutschen sprache auf dem schreibtisch. ich bin nicht beigetreten - "meuchelpuffer" wurde als deutsche umschreibung für "pistole" oder "revolver" vorgeschlagen. das war mir zu sperrig.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Moin Storch!

Ach Du warst das? Na warte...

Vielleicht solltest Du Dich bei Wikipedia dann als Urheber eintragen lassen und den Begriff »handout« urheberrechtlich schützen lassen. Das wäre, wenn Du für jede Benutzung wo auch immer Tantiemen bekommst, das Ende aller Geldverlegenheiten...

Deine Schöpfung »suboptimal« wurde ja immer hin auf Platz 8 gewählt, als es um das Wort des Jahres 2005 ging.

Im Übrigen werde ich nicht den Meuchelpuffer auf Dich richten, selbst wenn Du durch solch frevelhaftes Tun der deutschen Sprache Pein bereitet hast, sintemal Du ja ein Mann Gottes bist . Ein solcher darf schließlich alles...

:-)

Anonym hat gesagt…

Hmm... Entschuldige bitte, aber müsste dir, einem, wie ich verstanden habe, enthusiastischen "Mitwirkenden" der Volxbibel, diese genannte Sprachverwirrung anhand solches Werkes nicht am deutlichsten aufgefallen sein?
Die Zeichen sind also untrüglich.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Alec,

die »Volxbibel« ist, was die Sprache betrifft, jenseits von Gut und Böse - aber das ist ja Absicht. So was wie eine Mundart. In sich ist das Ganze wiederum schlüssig, aber nicht mit »normalem« Deutsch vergleichbar...