Montag, 13. September 2010

Neuland – Teil 5

Ich habe gezögert und gezaudert. Diese Geschichte könnte ich eigentlich besser erzählen, manches ganz neu schreiben… – die Änderungen und Verbesserungen, die ich an diesem über 20 Jahre alten Text durchführe, scheinen nicht weitgehend genug.

Doch andererseits ist dies hier ja eine kostenlose Lektüre für meine geschätzten Blogbesucher, und einem geschenkten Gaul sollte man nicht allzu tief ins Maul schauen. Oder, wenn man doch schaut, kein makelloses Gebiss erwarten. Falls ich diese Erzählung mal in einem Buch verkaufen wollte, müsste noch sehr viel Arbeit investiert werden. Womöglich wäre sogar Potential für einen Roman auffindbar, mich deuchte es zumindest so zu sein.

Jedenfalls habe ich die gröbsten Holprigkeiten entfernt, die schlimmsten stilistischen Ausrutscher beseitigt und wünsche nun –Interesse vorausgesetzt – viel Vergnügen mit der Fortsetzung. Die ist verhältnismäßig lang, aber dafür ein komplettes Kapitel.

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Angekommen

Abgesehen von der Stille nach dem Lärm der Explosionen und Schüsse, waren es die Farben. Klare, saubere, angenehme Farben, die ganz anders, viel freundlicher wirkten, als die auf der Welt, die sie hinter sich gelassen hatten. Fritz erinnerte sich an Ferien in seiner Kindheit, im Allgäu. An den Anblick der Landschaft nach einem Sommergewitter. Alles wirkte dann wie reingewaschen, befreit vom Grauschleier des Alltags. Nicht nur sauber, sondern rein – ein Werbespruch aus seiner Kindheit. Hier, jenseits des Tores, wirkte alles noch eine Spur reiner, lebendiger, wirklicher als damals, vor so vielen Jahren, in einer anderen Welt. Die Stille und die Farben. Beide Männer waren wie betäubtdavon.

Die Sonne war nicht zu sehen, der Himmel mit einem hellen Schleier überzogen, angenehmes Licht erhellte die Umgebung. Es mochte ein Morgen sein, wenn vertraute Zeitabläufe noch galten. Diesbezüglich waren sich beide nicht sicher, denn eben war es noch Nacht gewesen. Die Temperatur war wohltuend, nicht kalt, nicht heiß; Wohlfühltemperatur für ihre bloßen Körper. Alles wirkte angenehm, genau richtig, vollkommen.

Sie waren noch in dem gleichen kleinen Tal, möglicherweise. Hinter ihnen, durch das Baumtor betrachtet, lag der See ruhig, von Bäumen umstanden. Weit und breit keine brennenden Hubschrauber oder das, was von ihnen übrig bleiben mochte. Keine verkohlten Baumstümpfe, kein verbranntes Gras. Leise Vogelstimmen waren zu hören statt der gierigen Wut des prasselnden Feuers.

»Was würde passieren«, fragte Robert, »wenn wir die wenigen Schritte zurück gingen? Würden wir wieder in unsere Welt treten? Gibt es die überhaupt noch?«

Sie gingen nicht zurück, natürlich nicht, sondern tiefer in den Wald, dann einen leichten Hang hinauf, aus dem Tal heraus. Was sie in der Nacht des Grauens und des Gerichtes gesehen und empfunden hatten, lockte sie wahrlich nicht zurück. Sie wanderten vielleicht zehn Minuten, dann brach Robert erneut das Schweigen: »Was meinst du, wo wir sind?«

»In Sicherheit.«

»Ja, das stimmt. Vermutlich. Man weiß ja nie… Aber wo? Was ist das hier?«

»Wir werden es herausfinden, vermute ich. Ich habe keine Ahnung. Sind wir tot, erschossen oder verbrannt? Dann ist das hier so etwas wie das Paradies. Wie die Hölle sieht es jedenfalls nicht aus. Einstweilen nennen wir es vielleicht Zuflucht?«

»Zuflucht. Neuland. Paradies. Wie auch immer. Es gefällt mir hier jedenfalls, bisher.« Robert runzelte die Stirn und fügte hinzu: »Obwohl mir meine Armbanduhr abhanden gekommen ist. Die hatte ich anbehalten, als wir in den See stiegen.«

Das freudlich zutrauliche RehAls sie das Tal hinter sich hatten, endete auch der Wald. Sie blickten auf ein weites, leicht hügeliges grünes Land. Am Horizont erhoben sich halbrechts hohe Berge; soweit sie es erkennen konnten, waren die Gipfel mit Schnee bedeckt. Fritz und Robert ließen sich am Waldrand nieder, um den Anblick der unberührten Natur ringsherum zu genießen und sich über ihre weitere Wanderung Gedanken zu machen. Ihre neue Welt war irritierend. So vieles war anders hier als dort, wo sie herkamen.

Im Wald war ihnen ein Reh begegnet, das sich ungewöhnlich benommen hatte. Es schaute auf, als sie in seine Nähe kamen, aber es hatte keinerlei Furcht und floh nicht vor ihnen. Es ließ sich sogar von den beiden Männern streicheln und stupste sie freundlich mit seiner feuchten Nase. Jetzt sahen sie ein Rudel von etwa 30 Tieren, die am Waldrand irgendwelche Köstlichkeiten verspeisten. Kein einziges der Reh zeigte Furcht.

Die Sonne brach durch den Dunstschleier. Ein kleiner bunter Vogel einer ihnen unbekannten Art flatterte zu ihnen herab und begann, von den hohen Grashalmen winzige Samenkörner abzupflücken. Sie hätten das Tier mit der Hand greifen können.

Robert schaute fasziniert zu. Er sagte: »Wenn das nicht das Paradies ist, dann will ich nicht mehr Robert heißen.«

Hinter ihnen sagte eine freundliche Stimme: »Du wirst auch nicht mehr Robert heißen, Freund des Freundes des Waldes.«

Fritz und Robert wandten sich um. Er? Sie? war hochgewachsen, etwa 3 Meter groß, hatte ein freundliches Gesicht, dem man nicht ablesen konnte, ob es weiblich oder männlich war. Lange, weiße Haare fielen bis über die Schultern, die schlanke Gestalt war in ein hellgraues, knielanges Gewand gehüllt. Die Hautfarbe glich der eines europäischen Menschen, der sich überwiegend im Freien aufhält.

»Wer sind Sie?«, fragte Fritz.

»Ich bin ein Wächter des Waldes und zunächst euer Führer.«

»Wo sind wir?«

»Ihr habt den Ort nicht gewechselt, als Ihr hierher gekommen seid, nur die Zeit ist eine andere. Eure Welt ist vergangen.«

Fritz überlegte, aber seine Gedanken sträubten sich gegen das Undenkbare. Waren sie in die Zukunft gesprungen? Und wenn ja, wie weit? Oder in eine ferne Vergangenheit? Das Auftauchen der Gestalt hatte ihn nicht beunruhigt oder irritiert. Seit der ersten Begegnung mit den Säulen? hatte er ausreichend Zeit gehabt, sich an Sonderbares zu gewöhnen. Robert dagegen war deutlich zusammengezuckt, als plötzlich die Stimme hinter ihnen laut wurde. Nun fragte er unsicher: »Ich verstehe Sie – dich nicht ganz. Sind wir in Polen?«

»Es gibt hier keine Länder, Freund des Freundes des Waldes. Hier wäre Polen, und hinter Euch läge Deutschland, aber das war vor eurem Wechsel.«

Also war es keine Vergangenheit, in der sie sich befanden, sondern eine parallele Welt oder die Zukunft. Fritz stellte sich vor, in einem Science-Fiction Film zu sein – allerdings gab es dort in der Regel irgendwelche Kameratricks, die dem Zuschauer den Zeitsprung begreiflich machten. Nun gut, das Rennen hinein ins Feuer zwischen den Baumriesen und das Heraustreten in diesen friedlichen Morgen mochte als Überblendung durchgehen. Das ganze Geschehen war ja ohnehin irrational. Er hatte Science-Fiction nicht sonderlich viel abgewinnen können.

Roberts nächste Frage war naheliegend. »Wie viele Jahre sind wir denn von unserer Welt entfernt?«

Die Führer-Wächter-Gestalt lächelte. »Nach Eurer Zeitrechnung würden wir das Jahr 3057 schreiben.«

Mehr als 1000 Jahre. Unvorstellbar für den menschlichen Verstand. Ratlos sahen sie das graugewandete Wesen, genauso unvorstellbar außerhalb eines Kinos, an und hofften auf weitere Erklärungen.

Er? Sie? schwieg.

»Bist du ein Mensch wie wir?« fragte Fritz schließlich. »Etwas größer als zu unserer Zeit üblich? Oder sind wir die einzigen, die es von unserer Art noch gibt?«

»Ihr seid die beiden männlichen Vertreter der Menschheit. Ich werde euch zu euren beiden Frauen führen. Darum bin ich hier. Ihr könnt von vorne anfangen, eine neue Geschichte beginnen.«

»Du bist also kein Mensch?«

»Nein, ich bin ein Wächter, wir haben viele Formen. Ich hielt es für angemessen, Euch so zu begegnen, wie ich jetzt erscheine, damit Ihr keine Furcht bekommt.«

»Ich versuche mal, das zu sortieren«, antwortete Fritz. »Robert und ich, und zwei Frauen, die wir noch nicht kennen, sind die einzigen Menschen. Auf dem ganzen Erdball oder nur in Europa? Sind die Frauen hier geboren oder auch aus unserer Welt – also ich meine per Zeitsprung – du verstehst schon was ich meine, oder? Und hast du einen Namen? Und wie alt bist du? Ein – äh – männlicher Wächter oder eher eine Dame?«

Das feine Lächeln auf den gütigen Zügen des Wächters machte einem herzhaften Lachen Platz. Er erklärte: »Dein Name ist Anron, das bedeutet Freund des Waldes, und der deines Freundes ist Bersan. Und ihr habt beide viele Fragen. Aber gut, das ist ja in eurer Lage verständlich. Ich werde versuchen, so einfach wie möglich Auskunft zu geben.

Es gibt hier vier Menschen, die durch drei Tore gekommen sind. Ihr habt zusammen das eine Tor durchschritten. Die beiden Frauen werden sich bald treffen, noch bevor ihr sie kennenlernt. Ihre Tore liegen weit auseinander, aber sie sind unterwegs zu einem Punkt, an dem sie sich begegnen werden.

Euer Kontinent war der erste, der im Feuer verging, aber es dauerte dann nicht lange, verhältnismäßig betrachtet, bis die Menschen sich endgültig ausgelöscht hatten. Ein Teil starb an der Strahlung, die ihr freigesetzt hattet. Ein Teil brachte sich andernorts gegenseitig um. Viele verhungerten, kamen durch Naturkatastrophen ums Leben. Ungefähr 50 Jahre nach eurem Übergang, gemäß eurer Zeitrechnung, war der letzte Mensch tot.

Mein Name ist Yondil, und ich habe kein Alter; seit der Schöpfung bin ich einer der Wächter des Waldes. Bevor Du fragst: Ja, es gibt noch andere Wächter, in den Ebenen, auf den Höhen, ihr werdet sie kennenlernen, wenn es jeweils notwendig ist. Und ein Geschlecht in eurem Sinne haben wir nicht, da wir uns nicht fortpflanzen. Aber wenn es euren Gedanken, eurem gewohnten Sprachverständnis bequemer ist, könnten wir als männlich gelten.«

»Warum heiße ich Bersan?«, wollte der ehemalige Robert auf diese lange Rede hin wissen.

»Es ist dein Name.«

»Aha, alle Rätsel werden also nicht gelöst.«

»Nicht sofort. Habt ihr Hunger, Anron und Bersan?«

Sie hatten Hunger. Anron fand das nicht weiter verwunderlich in Anbetracht der Tatsache, dass sie seit mehr als zehn Jahrhunderten nichts gegessen hatten.

»Gibt es ein empfehlenswertes Restaurant in der Nähe, Yondil?«, fragte er lächelnd.

»Kommt einfach mit«, lud der Führer sie ein und wies mit dem Finger auf die schneebedeckten Bergspitzen in der Ferne. »Dies ist eure Richtung. Ein Stück weiter könnt ihr den Hunger stillen.«

Sie wanderten in das Land hinein, das einmal Polen gewesen war, steuerten auf das Gebirge zu. Die beiden Menschen konnten sich nicht erinnern, dass es in Polen solche Berge gegeben hatte, aber in dieser Welt war offenbar nichts unmöglich und alles anders. Warum sollte es dann also keine Alpen in Polen geben? Anron schätzte, dass sie vier bis fünf Tage wandern würden, falls ihr Ziel jene Berge waren und der Weg zu Fuß zurückzulegen war. Er fragte nicht danach, ihr Führer würde ihnen schon den rechten Weg weisen und Eile schien nicht geboten.

Etwa dreißig Minuten später, falls sie ihrem Zeitgefühl hier überhaupt noch trauen konnten, erreichten sie einen Hügel, der mit üppiger Vegetation bewachsen war.

Yondil ging ihnen ein paar Schritte voraus und blieb dann vor einem dichten Gebüsch stehen. Vor ihren Augen verwandelte einer der Sträucher seine Form und nahm die Gestalt eines rundlichen, etwa einen Meter großen, in ein grünes Gewand gehüllten Wesens an, dessen Gesicht und Hautfarbe dem ihres Führers sehr ähnlich war.

»Ich bin ein Hüter dieser Ebenen«, stellte sich der Kleine vor. »Herzlich willkommen in meinem Reich, Yondil, Anron und Bersan.«

»Äh, danke, ja, sehr erfreut...« stotterte Anron.

Auf Yondils Zügen zeigte sich sein stilles Lächeln, als er dem kleinen Gastgeber erklärte: »Sie sind gerade angekommen und kennen die Welt noch nicht. Wir müssen Geduld mit ihrer Verwirrung haben. Die beiden Menschen haben Hunger. Dürfen sie deine Gäste sein?«

»Gerne, Hüter des Waldes, folgt mir.«

Er führte sie den Hügel hinauf und bat sie, auf einer prächtigen Wiese Platz zu nehmen, die auf halber Höhe in der Sonne lag.

Dann verschwand er und kehrte kurz darauf mit vier weiteren Gestalten seiner Art zurück, die Tonschalen mit Wasser und eine Vielfalt von Früchten und Gebäck herbeibrachten. Sie nickten den Menschen freundlich zu und breiteten die Speisen vor ihnen aus.

Bersan hob ein Teighörnchen auf, es war warm und duftete. »Woher habt ihr das Gebäck?«, wollte er wissen.

Yondil antwortete: »Die Hüter dieses Ortes wussten, dass ihr kommt; wir alle kennen euren Weg. Wir kennen auch eure Nahrung. Ihr werdet lernen, selbst für euch zu sorgen, nach und nach. Einstweilen wollen wir euch anbieten, was euch vertraut ist. Doch merkt euch bitte: Bevor ihr etwas esst, was ihr am Wegesrand, in den Wäldern, in den Ebenen, in den Bergen, an den Wassern findet, fragt zunächst die Hüter, ob es euch gehört. Es ist genug für alle da, aber wiederholt nicht den Fehler der Menschen aus eurer Zeit, anzunehmen, alles gehöre nur euch.«

Bersan verteidigte tapfer die gewesene Menschheit: »Die Menschen kannten die Hüter nicht.«

»Sie hatten vieles verlernt und vergessen. Sie sahen nur noch sich selbst. Die Hüter waren immer da.«

Anron fragte: »Was ist mit Fleisch? Gibt es auch Hüter der Tiere?«

»Fleisch gibt es, und ihr könnt fragen, wenn ihr welches essen wollt. Meist werden euch aber die Schätze genügen, die aus dem Reich der Pflanzen stammen.«

»Ich weiß noch immer nicht, wie man die Hüter erkennen kann. Unser Gastgeber hier schien mir ein normaler Busch zu sein…«

»Ihr werdet es lernen. Doch nun genießt die Speisen, euer Weg ist noch weit.«

Sie griffen herzhaft zu, die Hüter saßen still dabei und betrachteten die beiden Männer. Sie selbst schienen keine Nahrung zu brauchen, zumindest nicht in der den Menschen gewohnten Weise. Möglicherweise verwandelten sie gegebenenfalls ihre Form und nahmen über Wurzeln das Notwendige zu sich, obwohl, falls das mit der Alterslosigkeit stimmte, Stoffwechselvorgänge eher unwahrscheinlich schienen. Aber man konnte die früheren Forschungsergebnisse und Naturgesetze wohl allesamt getrost vergessen. Jedenfalls schmeckte ihnen das Mahl vorzüglich, wo immer auch der Backofen versteckt sein mochte.

Als sie satt waren, verabschiedete sie der kleine grüngewandete Gastgeber. »Ich wünsche euch Erfolg auf eurem Weg«.

Sie bedankten sich und zogen mit ihrem grauen Führer weiter.

Bald darauf wurde Bersan unruhig. Er blickte sich immer wieder um, sagte aber nichts. Schließlich meinte Yondil beiläufig: »Du kannst hinter diesem Gebüsch verschwinden und dich dann mit seinen Blättern abwischen. Die Verdauung ist doch nichts, was man verschweigen muss.«

Bersan grinste verschämt. »Ein Campingklo wäre mir ja lieber, aber ich fürchte, das ist hier nicht vorrätig.«

Auch Anron musste sich ziemlich dringend erleichtern. Er hatte sich in den sieben Jahren seines Einsiedlerlebens daran gewöhnt, dies in der Natur zu tun, allerdings hatte ihm dabei niemand zugeschaut. Er wartete, bis Bersan sichtlich entspannter wieder auftauchte und verschwand dann selbst hinter den Büschen.

Als sie weiter wanderten, sagte Yondil: »Ihr beide braucht euch nicht zu schämen. Scham und Schuld liegen nicht auf euch, es gibt also keinen Grund, sich zu verbergen. Eure Körper sind gesund. Eure Organe funktionieren.«

Mittags rasteten sie in einem kleinen Birkenwäldchen, es gab wieder reichlich Nahrung von einem ähnlichen Wesen, kühles Wasser in Tonschalen und freundliche Worte und Wünsche für ihren Weg. Sie fühlten sich überall herzlich willkommen und gaben sich Mühe, nach und nach diese merkwürdige Welt zu verstehen.

Yondil erklärte ihnen gerne, was sie wissen wollten. Einige seiner Aussagen waren rätselhaft, aber meist begriffen sie, was er ihnen sagte.

Als am Abend die Schatten länger wurden, erreichten sie einen kleinen See, der von Bäumen umstanden war.

Anron wird nassYondil ließ sich am Ufer nieder und beobachtete schmunzelnd, wie sie ins Wasser sprangen und ein paar Runden schwammen. Es war angenehm erfrischend, nach der langen Wanderung.

Sie setzten sich anschließend in die Abendsonne, um zu trocknen.

»Können wir eigentlich Kleider bekommen, bevor wir die Frauen treffen? Du hast zwar gesagt, wir sollten uns nicht schämen, aber es wäre mir etwas – äh – unangenehm, so im Adamskostüm, wenn du verstehst, was ich meine«, sagte Bersan nach einer Weile.

»Kleider? Nun, wenn ihr welche haben wollt, wird sich das machen lassen, aber es ist nicht notwendig. Die Frauen haben keine.«

Bersans Mine zeigte sich bedenklich nach dieser Auskunft. Er hatte eine Frage auf der Zunge, ließ sie aber einsteilen beiseite, um nicht wie ein Tollpatsch zu wirken.

Anron überlegte: »Im Paradies gab es ja wohl auch keine Kleidung, soweit ich mich an die biblischen Geschichten erinnern kann.«

»Du erinnerst dich recht«, sagte Yondil. »Der Zustand der Schöpfung ist jetzt wieder wie am Anfang. Die Nacht wird euch nicht mit Kälte quälen und die Sonne wird euch nicht verbrennen. Ihr seid aber frei und könnt mit euren Frauen entscheiden, ob ihr Kleider haben möchtet. Ihr könnt sie herstellen, sobald ihr die Fertigkeiten lernt, die man dazu braucht. Aber notwendig wird es nicht sein.«

»Gut, wir werden sehen«, sagte Anron. Er war sich überhaupt nicht sicher, dass er überhaupt eine Frau kennenlernen und mit ihr zusammenleben wollte, aber er beschloss, abzuwarten. Er wechselte das Thema. »Ich habe leider schon wieder Hunger.«

»Dann frag den Hüter, der hier herrscht«, empfahl Yondil.

Die beiden sahen sich um. Sie konnten beim besten Willen nicht erkennen, ob irgendeines der Gewächse ringsum als sich verwandelndes Wesen in Frage kam.

Bersan versuchte es einfach. »Hüter dieses Platzes, wo bist Du?«

Neben ihnen tauchte eine Gestalt in menschlicher Größe aus dem See auf, gekleidet in ein silbriges Gewand, von dem das Wasser hinunterperlte.

»Hier bin ich, Bersan. Herzlich willkommen in meinem Reich. Willkommen auch du, Anron, und du, Yondil, Hüter des Waldes.«

Er bot ihnen an, Fisch zu essen, wenn sie es wünschten. Yondil erklärte, dass ein kleines Feuer für die Zubereitung kein Problem sei und forderte sie auf, trockene Zweige zu sammeln. Sie folgten den Anweisungen, schichteten die Hölzer, und waren gespannt, wo das Feuer herkommen sollte.

Yondil betrachtete den Holzstapel kurz und nickte dann. Augenblicklich brannte das Holz. Die beiden Männer starrten ihn entgeistert an.

»Ihr werdet ein Feuer bekommen, wenn ihr Eure Heimat erreicht. Bis dahin werden eure Führer für euch sorgen.«

Sie akzeptierten auch diese Angelegenheit, wie sie war, und der silbrige Hüter forderte sie auf, in der Bucht zwei Fische zu fangen, mehr nicht. »Der morgige Tag wird für sich selber sorgen«, erklärte er. »Vorräte braucht ihr nicht zu sammeln.«

Es ging ganz leicht, die Fische aus dem Wasser zu greifen. Anron hatte auch die notwendige Erfahrung aus seinem Hüttenleben, was man nach dem Fang mit der Beute zu tun hatte, und schließlich konnten sie ihr Abendessen zu sich nehmen, gegrillten Fisch und verschiedene Früchte. Das klare Wasser aus dem See war genießbar, »wie alles Wasser, das ihr findet«, erklärte Yondil. Der silbrigschimmernde Hüter des Ortes reichte ihnen Tonschalen von der Art, die sie schon kennengelernt hatten. Sie wurden satt und schliefen bald ein, erschöpft von dem Tagesmarsch, aber zufrieden und zuversichtlich. Es gab nichts auf dieser Welt, was ihnen Angst gemacht hätte.

Sie kannten noch nicht alles, was es zu kennen galt.

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Fortsetzung folgt