Es begab sich aber zu der Zeit, die heute niemand mehr so genau auf den Tag zu bestimmen sich die Mühe machen würde, dass eine Gruppe von Menschen sich täglich versammelte, um unter der Anleitung eines weisen Mannes gemeinsam über Gott nachzudenken und, soweit verfügbar, heilige Schriften zu studieren.
Eines Tages fand sich eine Katze in dem Raum ein und strich neugierig umher. Als die Gruppe aufbrach, verschwand auch die Katze. Beim nächsten Zusammenkommen war auch die Katze wieder zur Stelle. Ihr unaufhörliches Rumoren im Raum irritierte die Gottsuchenden und hielt sie davon ab, sich angemessen auf das Studium der Schriften zu konzentrieren. Daher ordnete der Weise nach einigen Tagen an, dass die Katze für die Dauer der täglichen Versammlung vor der Tür an einem Baum angebunden werden sollte.
So verfuhr man und konnte sich nun wieder ungestört der geistlichen Erbauung widmen.
Einige Jahre später starb der alte Weise und ein Nachfolger wurde bestimmt. Die Gruppe, die immer wieder neue Mitglieder gefunden hatte und fand, sogar gewachsen war, versammelte sich weiter regelmäßig. Treu der Tradition band man jedes Mal vor der Tür die Katze am Baum fest, nach der Versammlung wurde sie befreit.
Die Katze war jedoch auch nicht mehr die jüngste und starb ein Jahr nach dem ursprünglichen Leiter der Gruppe. Unverdrossen hielt die Gruppe an der Überlieferung fest: Man besorgte sich eine neue Katze, die während der Treffen angebunden wurde.
Etliche Jahrzehnte später wusste schon niemand mehr zu sagen, warum eigentlich während der Besinnung auf Göttliches eine Katze vor der Türe angebunden werden musste, aber da die Tradition nachweislich auf den verehrten Gründer der Gruppe zurückzuführen war, entstanden nach und nach viele theologische Abhandlungen, die stichhaltig erklärten, warum man Gott nur suchen und finden konnte, wenn vor dem Versammlungsraum eine Katze angebunden war.
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Quelle: Diese Parabel hat mir kürzlich so ähnlich mein Cousin in Hamburg erzählt. Eine kurze Google-Suche brachte etliche Versionen zum Vorschein, mal mit indischen Gurus, mal mit Philosophen, mal mit Buddhisten … der Volksmund siedelt die Geschichte je nach Kontext und Zeit an. Und das ist auch gut so. Meine Version ist nun meine Version. Wer mag, darf sie gerne kopieren, verändern, weiter erzählen … dazu sind Parabeln ja da.
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P.S.: Wer angebundene Katzen sucht, wird sie auch in christlichen Gemeinden und Kirchen zuhauf finden.
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