Donnerstag, 29. Mai 2014

Eine ungewohnte Fremdsprache

Fremdsprachen lernen - dem einen fällt es leicht, dem anderen schwer. Die eine versteht zügig viele Worte, die andere müht sich lange mit dem Lernen von Vokabeln ab. Und nicht jede Sprache lernt sich gleichermaßen mühelos oder ähnlich beschwerlich.

Mir geht es mit der Fremdsprache, in der ich mich seit rund zwei Jahren zurechtzufinden versuche, unterschiedlich. Vieles erschließt sich sehr leicht, weil die schulischen Kenntnisse aus dem Lateinunterricht erstaunlicherweise noch recht präsent und daher abrufbar sind. Bei manchen Begriffen und Formulierungen muss ich allerdings die Bedeutung nachschauen - was dank Internet ja heutzutage ein Kinderspiel geworden ist.

ärztischUm welche Sprache es hier geht, fragt sich und mich der irritierte Blogbesucher womöglich an dieser Stelle. Da sei mit einer Antwort nicht länger hinter dem Berg gehalten: Ich versuche, mehr und mehr Ärztisch zu verstehen. Weil ich all die Befunde und Analysen gerne so lesen möchte, dass ich auch begreife, was da über mich beziehungsweise meinen Körper geschrieben wird. Die Mediziner wissen am besten, welche Schlüsse aus den Befunden zu ziehen sind, und da vertraue ich mich den Ärzten auch gerne an. Aber verstehen, was gegebenenfalls gefunden und diagnostiziert wurde, möchte ich schon.

Ein Beispiel aus der ärztischen Geheimsprache? Bitteschön:

Z.n. Resektion von zwei Leberfiliae bei Z.n. Colon-CA

Manches im ärztischen Wortschatz ist (wie bei abkürzungswütigen Schreiberlingen in anderen Sprachen gleichermaßen) pure Faulheit. Wenn ich »Z.n.« oder gar »Zn« lese, dann weiß ich: »Zustand nach« ist gemeint. In obigem Beispiel ist sogar von einem »Z.n. bei Z.n.« die Rede, also vom Zustand nach einem Ereignis beim gleichzeitigen Zustand nach einem anderen Ereignis. Eine hübsche Konstruktion, das muss ich anerkennen.

»Resektion«, das weiß der Latein gelernt habende Mensch, bedeutet Zurückschneiden und auch die »filia«, die Tochter, kennt man auch noch aus dem Unterricht auf dem Gymnasium. Der Plural bei lateinischen Vokabeln, die auf a enden, wird bekanntlich mit ae gebildet; »filiae« sind also Töchter, das ist ganz leicht. Kombiniert man nun die deutsche Leber mit den lateinischen Töchtern, hat man im zitierten Satz »Lebertöchter« und einen »Zurückschnitt« beim primären »Zustand nach«.

Nun hat allerdings nicht etwa meine Leber zwei kleine Lebermädchen auf die Welt gebracht. Es handelte sich vielmehr um Töchter aus dem anderen »Z.n.«, dem Zustand nach »Colon-CA«.

Was ein Semikolon ist, weiß man ja. Wenn man ihm nun das Semi wegstreicht und den Rest, das kolon beziehungsweise colon, vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt, bleibt der Darm übrig. »CA« steht im Ärztischen nicht für die Texitlvertriebskette C&A und auch meist nicht für das chemische Element Calcium, sondern für Carzinom - Krebs. Zusammenfassend heißt also »Z.n. Resektion von zwei Leberfiliae bei Z.n. Colon-CA«, dass ich mich im »Zustand nach der Entfernung zweier Tochtertumore des Darmkrebs aus der Leber« befinde.

So weit, so simpel - alles ohne Nachschlagen zu verstehen. Wenn ich aber dann weiter unten im Befund auf den Begriff »Suszeptibilitätsartefakte« stoße, komme ich ins Grübeln und an meine sprachlichen Grenzen. Natürlich ist mir der Begriff Artefakt geläufig und verständlich, aber was eine Suszeptibilität sein soll - … keine Ahnung. Ein Rezeptor wäre ein Empfänger - doch was ist ein Suszeptor? Fängt der auch irgend etwas?

In diesem Fall ist die ärztische Zunge also nicht so einfach zu verdolmetschen. Aber Tante Google hilft wie meist und ich lese:

»Verschiedene Ursachen können das Entstehen eines MRT-Bildes stören. Vor allem eisenhaltige Metalle können zu dieser Bildstörung führen. Diese Bildstörung heißt auch Suszeptibilitätsartefakt. Suszeptibilitätsartefakte können die Auswertung der MRT-Bilder schwieriger machen. Sie können aber auch nützlich sein. So können beispielsweise kleinste Blutungen im Gehirn gefunden werden, weil eisenhaltiges Material beim Abbau von Blut im Gewebe zurückbleibt.«

Aha. So so. Danke, Tante Google und Onkel Wikipedia.

Endlich verstehe ich, dass es in diesem Befund darum geht, dass an den beiden Stellen, an denen aus der Leber Stücke herausgeschnitten wurden, Reste kleiner Blutungen zu sehen sind. Und das ist ja nun vollkommen normal und kein Grund zur Beunruhigung.

Wir sehen, liebe Blogbesucher, so kann man sich recht unterhaltsam und durchaus horizonterweiternd mit Dokumenten befassen, die auf Ärztisch verfasst sind. Man lernt eben im Leben nie aus – und das ist auch gut so.

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