Freitag, 12. September 2014

Du hast keine kreative Ader? Von wegen!

So gib mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch selbst im Werden war,
Da sich ein Quell gedrängter Lieder
Ununterbrochen neu gebar.
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)

Es ist gar nicht so schwer, kreativ zu sein, etwas zu erschaffen, sich etwas vorzustellen und die Vorstellung Wirklichkeit werden zu lassen. Das Einzige, was uns oft davon abhält, sind all die Ablenkungen durch elektronische Medien, die einen Großteil unserer eigentlich freien Zeit verschlingen können, wenn wir es zulassen. Wer aber immer nur konsumiert, beraubt sich selbst. Unser Geist, unsere Seele sind aus Sicht der Schöpfung schöpferisch. Der erste Schritt ist immer eine Entscheidung: Ich will kreativ sein oder werden.

Unabhängig davon, auf welchem Gebiet oder auf welchen Gebieten du kreativ sein willst, als Autor, Maler, Musiker, Fotograf, Blogger, Designer, Elternteil, Geschäftsinhaber … du wirst nach einer Weile fast automatisch ständig auf der Suche nach Inspiration sein, danach Ausschau halten, wie du deine Kreativität einsetzen kannst. Wenn du deine kreative Ader erst einmal aktiviert hast, fängt der schöpferische Blutstrom an, selbstständig zu pulsieren.

Es gibt unzählige Kreativtipps im Internet, in Zeitschriften, Büchern und sogar im Fernsehen, das eigentlich ein eher kreativitätsfeindliches Medium ist. Ich habe in meinem Leben bereits etliche Kreativratgeber gelesen; manches war realitätsfern, manches praktisch anwendbar. Ein paar Tipps, die ich für wirklich hilfreich erachte, will ich heute meinen geschätzten Blogbesuchern anvertrauen. Was sie damit anfangen oder nicht, sei ihrer Kreativität überlassen.

Die Reihenfolge der Aufzählung hat übrigens absolute keine Bedeutung.

  • Spielerisch experimentieren, nicht verbissen arbeiten. Wenn das kreative Hobby zur Qual wird, ist es das falsche Hobby. Das heißt nicht, dass man nicht an seiner Kreativität arbeiten und feilen muss (siehe weiter unten). Den Unterschied zwischen Mühewaltung und Qual wirst du schon herausfinden, da bin ich zuversichtlich.
  • Nicht gleichzeitig konsumieren und kreieren. Der eine Prozess sollte immer vom anderen getrennt sein. Ich lese durchaus Fachbücher, über das Schreiben, das Fotografieren zum Beispiel. Um die Anregungen daraus beim Lesen umzusetzen müsste ich »multitaskingwillig« sein, und genau das ist kreativitätsschädlich.
  • Abkapseln, soweit möglich und sachdienlich, nicht gleichzeitig gesellig und kreativ sein. Selbst wenn ich in Gesellschaft anderer die Kamera mitführe und ein geselliger Mensch bin – im Augenblick des Fotografierens, wenn ich ein Motiv gefunden und ausgewählt habe, gibt es nur den Sucher, das Licht und mich.
  • Bewusst leben und Kreativität zum täglichen Thema machen. Sogar das Warten in der endlosen Schlange am Postschalter kann Inspiration sein, wenn man bewusst die griesgrämigen Gesichter, die genervten Angestellten, die Körpersprache von Kindern, Eltern, Geschäftsleuten, Rentnern … betrachtet.
  • Überall nach Inspirationen Ausschau halten, auch im scheinbar Unscheinbaren. Das Gras, das sich zwischen Pflastersteinen ins Leben zwängt … das Mauerblümchen … das Kind auf dem Straßenfest, das seinen Ballon anstrahlt als wäre es der größte Schatz der Welt. Eine eingedrückte Motorhaube, die ich bei einem Spaziergang im Industriegebiet von Neukölln in der Mittagspause gesehen habe, war die Inspiration, die zum Roman »Sabrinas Geheimnis« geworden ist.
  • Erschaffe dein Werk, egal wie gelungen oder misslungen es am Anfang aussieht. Wenn ich heute alte Fotos betrachte oder alte Texte lese, muss ich manches Mal den Kopf schütteln. Aber ich habe sie damals geschaffen, habe probiert und probiert – das zählt. Auch heute noch.
  • Perfektion muss nicht sein und wird nicht sein. Sei schöpferisch und lass dir Kritik gefallen, solange sie konstruktiv ist und dir weiterhilft. Wenn die beste aller Ehefrauen mich ermahnt, bei der Moderation einer Veranstaltung nicht so viel abzulesen, dann hat sie recht, weil ich gerne in die Falle tappe, mich zu sehr an meinen Zetteln auf dem Pult festzuhalten. (Jawohl, auch Moderation ist Kreativität.)
  • tumblr_nbobhwhomN1tqm1uvo2_400Werde immer besser. Das geht natürlich nur dadurch, dass man etwas tut. Die Fotos sind alle misslungen? Gut so. Dann werden nämlich die nächsten besser. Du weißt ja jetzt, wie es nicht geht. Die Ausbeute beim nächsten Ausflug mit der Kamera ist wieder ziemlich bescheiden? Prima. Nun weißt du schon zwei Konstellationen, die nicht funktionieren. Also brich auf zur nächsten Expedition.
  • Ignoriere alle Nörgeleien. Wer dir nicht konstruktiv weiterhelfen kann oder will, sondern nur herummeckert, muss keine Aufmerksamkeit von dir ernten.
  • Bring anderen etwas bei – du lernst dabei vielleicht sogar am meisten. Ob du nun einem Freund erklärst, was es mit ISO, Blende und Belichtungszeit auf sich hat oder einer Freundin die Seidenmalerei zeigst … oft genug profitierst du selbst mehr, als erwartet. Mir jedenfalls ging es schon öfter so.
  • Es schadet nichts, mal alle Gewohnheiten durcheinanderzuwirbeln und zu schauen, was dabei herauskommt. Wenn alle Lieder, die du komponierst, im dreiviertel-Takt und in C-Dur erklingen … ist das nicht auf Dauer etwas ermüdend? Mal ein gewagtes a-Moll wagen?
  • Probiere aus, ob ein Trick aus einem Kreativbereich nicht auch bei einem anderen funktioniert. Zum Beispiel der Perspektivwechsel beim Fotografieren – was bewirkt der beim Schreiben einer Kurzgeschichte? Beim Dichten einer Ode?
  • Trink jede Menge guten Kaffee.
  • Notier dir Ideen für deine Kreativität sofort – sonst sind sie weg, wenn du Zeit dafür hättest. Wenn mir etwas einfällt und ich habe absolut nichts bei mir, womit ich den Einfall notieren könnte, dann versuche ich, ihn mir als kleine Melodie einzuprägen. Bei mir funktioniert das meistens – probiere es mal bei Gelegenheit aus.
  • Geh raus in die Natur, in die Stadt, unter Menschen, in die Einsamkeit, entdecke Neues abseits der gewohnten Pfade und Umgebung. Und wenn du da draußen bist, dann schau auch hin. Siehe oben – der verbeulte Kotflügel und Sabrinas Geheimnis.
  • Lies eine große Bandbreite an unterschiedlicher Literatur und Texten. Auch und vor allem zu Themen, bei denen du anderer Meinung bist als der Autor.
  • Ruhe und Schlaf sollten nicht zu kurz kommen. Wer überarbeitet ist, wird nicht mehr kreativ sein können.
  • Erzwingen kannst du nichts. Wenn die Inspiration fehlt, dann entspann dich, spiele ein bisschen mit Ideen und vielleicht entwickelt sich etwas. Oder auch nicht, dann geht die Welt trotzdem nicht unter. Wenn ich etwas schreiben möchte und über den ersten Satz nicht hinauskomme, dann lasse ich es nach einer Weile sein und lege statt dessen eine Schallplatte auf oder CD ein. Dann ist eben in dem Moment die Zeit zum Genießen da, nicht zum Kreieren.
  • Beim kreativen Prozess sollten deine Gedanken nicht abschweifen, aber auf der Suche nach Inspirationen dürfen sie frei umherwandern.
  • Wenn dich eine Idee begeistert, dann setze sie möglichst sofort um.
  • Hab keine Angst, albern und verrückt zu wirken. Natürlich war es eine völlig verrückte Idee, mit elektrischem Strom Licht erzeugen zu wollen. Selbstverständlich war es albern, wie ein Vogel in die Lüfte aufsteigen zu wollen. Und heute verreisen wir in elektrisch beleuchteten Flugzeugen.
  • Kleine Ideen sind prima. Man muss nicht gleich die ganze Welt aus den Angeln heben, es reicht ein kleiner Schritt. Es muss nicht gleich eine Oper in vier Aufzügen sein, es genügt vielleicht ein Menuett.
  • Was deine Kreativität erstickt, solltest du ersticken. Man kann auch zu viel Theorie ansammeln, so viel, dass man entmutigt wird. ISO, Blende, Belichtungszeit und Autofokus sind zu viel auf einmal? Dann fang damit an, zu erkunden, wie die ISO-Einstellung sich auf das Bild auswirkt. Dann erst kombinierst du sie mit der großen Blende, die durch eine kleine Zahl zu erkennen ist …
  • Hör jetzt auf, Tipps zur Kreativität zu lesen und fang an, etwas zu erschaffen!

Das Geheimnis der Kreativität liegt darin, dass man seine Quellen zu verstecken weiß.
(Albert Einstein)

.