Mittwoch, 19. November 2008

Nettes Spielzeug

Wordle nennt sich ein nettes Spielzeug (nicht nur) für Blogger, das die Verwendung von Begriffen nach Häufigkeit visualisiert. Die Resultate für diesen Blog am 15. November sieht man auf dem oberen Bild.
Mein anderer Blog offenbart zum gleichen Zeitpunkt abweichende Inhalte, siehe unteres Bild. Und das ist ja wohl auch gut so, sonst erschlösse sich mir kaum der Sinn der Sache... 


...der Sinn zweier Blogs natürlich, nicht der Sinn von Wordle.

Dienstag, 18. November 2008

Franz Kafka: Amerika

Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war, weil ihn ein Dienstmädchen verführt und ein Kind von ihm bekommen hatte, in dem schon langsam gewordenen Schiff in den Hafen von New York einfuhr, erblickte er die schon längst beobachtete Statue der Freiheitsgöttin wie in einem plötzlich stärker gewordenen Sonnenlicht. Ihr Arm mit dem Schwert ragte wie neuerdings empor, und um ihre Gestalt wehten die freien Lüfte.
So beginnt ein Roman, der kein Ende hat. Die Erzählung bricht ab, unvermittelt, weil der Autor nicht dazu gekommen ist, einen Schluss zu verfassen. Er hat das Fragment unvollendet beiseite gelegt. Der Leser wird am Ende des Buches mitten auf der Strecke allein gelassen. Die letzten Sätze:
Am ersten Tag fuhren sie durch ein hohes Gebirge. Bläulich-schwarze Steinmassen gingen in spitzen Keilen bis an den Zug heran, man beugte sich aus dem Fenster und suchte vergebens ihre Gipfel, dunkle, schmale, zerrissene Täler öffneten sich, man beschrieb mit dem Finger die Richtung, in der sie sich verloren, breite Bergströme kamen, als große Wellen auf dem hügeligen Untergrund eilend und in sich tausend kleine Schaumwellen treibend, sie stürzten sich unter die Brücken, über die der Zug fuhr, und sie waren so nah, daß der Hauch ihrer Kühle das Gesicht erschauern machte.
Und dann? Und nun? Wohin geht die Reise? Was wartet am Zielbahnhof auf uns? Kommen wir wirklich im Theater in Oklahoma an? Wir werden es von Franz Kafka nicht erfahren, es bleibt uns allerdings unbenommen, mittels unserer Phantasie diese Geschichte fortzusetzen.

Zwischen diesem Anfang und diesem offenen Ende entfaltet sich ein in vielfacher Weise zeitloser Roman, den ich mit großem Vergnügen gelesen habe. Es ist, so meint der Leser zunächst, der amerikanische Traum, der hier geträumt wird. Der Weg aus dem engen, dunklen, bedrängenden Europa in die Weite, Freiheit, Helligkeit Amerikas, in das Land, in dem man vom Tellerwäscher zum Millionär werden könnte. Auch unserem Helden Karl scheint sich diese Möglichkeit zu eröffnen, auch und erst recht, nachdem er beim ersten Anlauf in New York gescheitert ist. Denn er bekommt eine Anstellung im Hotel:
Die Oberköchin schien das als eine angenehme Nachricht aufzufassen. »Dann sind Sie also frei?« fragte sie.
»Ja, frei bin ich«, sagte Karl, und nichts schien ihm wertloser.
»Hören Sie, möchten Sie nicht hier im Hotel eine Stelle annehmen?« fragte die Oberköchin.
»Sehr gern«, sagte Karl, »ich habe aber entsetzlich wenig Kenntnisse. Ich kann zum Beispiel nicht einmal auf der Schreibmaschine schreiben.«
»Das ist nicht das Wichtigste«, sagte die Oberköchin. »Sie bekämen eben vorläufig nur eine ganz kleine Anstellung und müßten dann zusehen, durch Fleiß und Aufmerksamkeit sich hinaufzubringen. Jedenfalls aber glaube ich, daß es für Sie besser und passender wäre, sich irgendwo festzusetzen, statt so durch die Welt zu bummeln. Dazu scheinen Sie mir nicht gemacht.«
›Das würde alles auch der Onkel unterschreiben‹, sagte sich Karl und nickte zustimmend. Gleichzeitig erinnerte er sich, daß er, um den man so besorgt war, sich noch gar nicht vorgestellt hatte. »Entschuldigen Sie, bitte«, sagte er »daß ich mich noch gar nicht vor gestellt habe, ich heiße Karl Roßmann.«
»Sie sind ein Deutscher, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Karl, »ich bin noch nicht lange in Amerika.«
»Woher sind Sie denn?«
»Aus Prag in Böhmen«, sagte Karl.
»Sehen Sie einmal an«, rief die Oberköchin in einem stark englisch betonten Deutsch und hob fast die Arme, »dann sind wir ja Landsleute, ich heiße Grete Mitzelbach und bin aus Wien. Und Prag kenne ich ja ausgezeichnet, ich war ja ein halbes Jahr in der Goldenen Gans auf dem Wenzelsplatz angestellt. Aber denken Sie nur einmal!«

Jedoch wäre Kafka nicht Kafka, wenn Karl gelänge, was nun zu erwarten wäre. Im Gegenteil: Wir werden Zeugen seines kontinuierlichen Abstieges. Karl kommt mit dieser neuen Welt, in die er geschickt wurde, nicht zurecht. Er wird erniedrigt, missbraucht, misshandelt. Ihm widerfährt eine kafkaeske Situation nach der anderen, und das ist - rein literarisch gesehen natürlich - auch gut so. Wäre Karl eine reale Person, müsste man zutiefst Mitleid mit ihm empfinden.

Es ist die unvergleichliche Sprache Kafkas, die dieses Romanfragment so lesenswert macht. Wer ein Gespür dafür hat, wird dies aus den obigen Zitaten unschwer erkennen. Reizvoll an der Handlung ist natürlich das Absurde, das immer wieder unvermittelt so ganz normal daherkommt. Menschen verhalten sich selten so, wie man es erwarten würde, Umstände gestalten sich surreal, Gespräche nehmen aberwitzige Wendungen...
Ich schrieb neulich bei der Rezension eines anderen Buches, dass es mir beim Lesen nicht so sehr auf den Schluss, sondern auf den Weg an und für sich ankommt, auf den ein Autor mich mitnimmt. Bei Franz Kafka gestaltet sich dieser Weg - auch ohne Schluss im eigentlichen Sinne - abwechslungsreich, bunt geschmückt mit Irrungen und Wirrungen, Überraschungen und Zwangsläufigkeiten, mal gibt es Erfreuliches, dann wieder Entsetzliches... - jedoch niemals Langeweile.

Den Erkenntnissen und Mutmaßungen der Kafka-Forschung, der literaturwissenschaftlichen Beschäftigung mit den Texten dieses unvergleichlichen Dichters, verweigere ich mich an dieser Stelle. Das ist mehr etwas für das Abitur oder Literaturstudium. Ob nun die eine Szene ein Sinnbild für Himmel und Hölle sein mag, oder die andere ein Spiegel des eigenen Exilantenschicksals, können wir getrost beiseite lassen, wenn wir ein Buch aus dem Grund in die Hand nehmen, aus dem es jemand geschrieben hat: Zum Lesen! Und das Lesevergnügen ist bei diesem Werk ein ganz beträchtliches. Obwohl Kafka damit nicht ganz fertig geworden ist.

Mein Fazit: Auch für jüngere Semster, die womöglich Kafka noch nicht kennen, wäre dies nach meinem Empfinden ein geeigneter Einstieg in ein einzigartiges literarisches Universum, in dem man nie weiß, was hinter der nächsten Galaxie liegen mag. Man wird es auch oft genug nicht erfahren, denn wenn Kafka uns Lesern irgend etwas schuldig bleibt, dann sind es logische Erklärungen.

Montag, 17. November 2008

Dilettanti und Co

Brauchen wir in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich Politikier, die Stasi-Mitarbeiter waren? Und vor allem solche, die das gerne unter den Teppich zu kehren versuchen? Können solche Menschen nicht als Schuster oder Verwaltungsfachangestellte ihr Brot verdienen?

In Hessen gibt es in einer ehemals großen Volkspartei wenigstens vier Abgeorndnete, für die ein Nein vor der Wahl zur Zusammenarbeit mit solchen Leuten auch nach der Wahl ein Nein bleibt. Vier von wievielen? Egal, die Bilanz ist ernüchternd.Ein Abgeordneter der SED PDS Linken hat nun eine Totalsperre von Wikipedia.de verursacht, über die Hintergründe berichtet der Spiegel ausführlich: Spektakuläre Sperrung
Der Schuss des Abgeordneten geht wohl nach hinten los, wie der von Frau Y in Hessen. Und das ist auch gut so. Ein Abgeordneter, dessen Partei sich gerne demokratisch geläutert gibt, sorgt für die Sperrung eines Online-Lexikons, weil dort von seinen Stasi-Diensten die Rede ist.

Erinnert mich irgendwie an China und den Umgang mit dem Zugang zur freien Informationsbeschaffung...

Yes, we can!

Neulich fragte ein Kunde, ob wir - gemeint war MatMil - auch Videos und Animationen herstellen können. Ich war ja versucht, zu antworten: »Wir können alles, außer teuer«, das wäre jedoch ein unfeines Plagiat einer fremden Werbekampagne gewesen. Also habe ich mit eigenen Worten kunstvoll formuliert: »Yes, we can.«

Nun kann ich das nicht persönlich, aber immerhin haben wir einen studierten und kreativen Media-Producer an Bord, der solche Aufträge erledigt. Das sieht dann zum Beispiel so aus:





Oder auch so:





Quod erat demonstrandum.

Sonntag, 16. November 2008

Der Fremde

Gestern abend ist mir überraschend eine kleine Erzählung aus den Fingern in die Tasten geflossen. Daher gibt es eine Abweichung von der Prognose in Form eines weiteren Beitrages. Nämlich dieses Beitrages hier, der darauf hinweisen soll.
Hier ein alles und nichts sagender Ausschnitt:
»Ich hätte nämlich«, meinte der Fremde, »eine Frage zu stellen.«
Die Kurzgeschichte wohnt nebenan auf dem literarisch orientierten Blog. Bittesehr: Der Fremde

Kommentare zur Erzählung bitte freundlicherweise dort, nicht hier, damit sie beim Text stehen, wo sie ja auch hingehören...

Fernsehtipp: Der glückliche Tod

Heute wird zu später Stunde die Tatort-Folge wiederholt, die mich neulich - erstmalig in der Geschichte der Menschheit - dazu veranlasst hatte, über einen Fernseh-Krimi zu schreiben.

Auf 3sat um 22:25 läuft noch einmal »Der glückliche Tod«. Mein Tipp: Aufnehmen (wegen später Sendezeit und falls technisches Gerät zu diesem Zweck verfügbar) oder live anschauen. Taschentücher bereitlegen. Auf Erschütterung einstellen.

Mein Beitrag vom 6. Oktober zu diesem Film: Ein Krimi, der kein Krimi war

Samstag, 15. November 2008

Freitag, 14. November 2008

Prognose für die nächsten 6 Tage

Ein blutiger Downloadtipp


Die »Theme Time Radio Hour with your host Bob Dylan« dieser Woche ist eine ziemlich blutige Angelegenheit. Kein Wunder, stand doch das Thema »Blood«auf dem Programmzettel. Das Cover zur CD zeigt »Ecce Agnus Dei« von Dierick Bouts dem Älteren, entstanden 1464. Johannes der Täufer deutet auf Jesus und sagt: »Siehe, das Lamm Gottes«.

1. Intro
2. Flesh, Blood and Bones - Little Esther
3. Are You Washed In The Blood Of The Lamb? - Da Costa Woltz's Southern Broadcasters
4. Cold Blooded Woman - Memphis Slim
5. Lust Of The Blood - Jerry Lee Lewis
6. She Made My Blood Run Cold - Ike Turner & The Kings of Rhythm
7. Transfusion - Nervous Norvus
8. Bloodstains On The Wall - Honeyboy
9. Go Down You Blood Red Roses - Paul Clayton
10. Blood On The Moon - Danny Barker
11. Bucket O Blood - Big Boy Groves And Band
12. Bloodshot - The String Kings
13. The Blood - Zion Travelers
14. I've Got Blood In My Eyes For You - Mississippi Sheiks
15. Outro

Die Musikmischung ist wie gewohnt vielfältig. Bob Dylan plaudert gut gelaunt über Songs und Künstler, Historisches und Aktuelles, erzählt uns, wie viele Liter Blut durch unseren Leib pulsieren, aus welchen Bestandteilen es zusammengesetzt ist und warum es so wichtig ist. Wir erfahren, wie man eine »Bloody Mary« zubereitet und dass »Horse Reddish« (Horseradish) ein Zungenbrecher ist. Jerry Lee Lewis singt Shakespeare und Bob Dylan fragt sich, warum Muddy Waters eigentlich nicht »Death of a Salesman« aufgenommen hat...
Für mich die bisher beste Sendung in der noch jungen dritten Saison. Ellen Barkin gönnt uns in den ersten Sekunden einen Fünfzeiler statt des üblichen Vierzeilers:

It's nighttime in the big city
The hotel room smells from cigarettes and cheap perfume
A woman shops for food in a trenchcoat
I don't know if this city is more like Sodom or Gomora
It's Theme Time Radio Hour with your host Bob Dylan

Und dann? Selber hören!

Download via Expecting Rain: TTRH - 0305 - 12-11-08

Donnerstag, 13. November 2008

Häufig gestellte Fragen 3

In dieser kleinen Serie greife ich Fragen auf, die mir von Lesern meiner Bücher und Artikel immer wieder gestellt werden. Bei aller Vielfalt der Formulierungen tauchen einige Grundfragen regelmäßig auf; hier möchte ich nun meine Antworten vor- und zur Diskussion stellen. Der erste Beitrag galt dem Thema Glaube versus Verstand. Um den Willen Gottes ging es in der zweiten Folge.

Heute die dritte exemplarische Frage:
Kannst Du mir beweisen, dass es Gott gibt?
Meine Antwort:
Nein.
Ich habe Gottes Realität erlebt, Auswirkungen der Tatsache, dass es ihn gibt, aber ich kann und will keine Beweise liefern.
Warum? Weil, so die Bibel, der Glaube entscheidend ist. Ich lade Dich gerne ein, das »Abenteuer Glaube« zu wagen, aber diese Entscheidung musst Du selbst treffen. Ohne vorher Beweise zu haben. Die Auswirkungen werden sich zeigen.
Kann einer meiner Leser womöglich gar einen Beweis liefern?