Mittwoch, 16. September 2009
Dienstag, 15. September 2009
Gott verstehen
Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen. -Galileo GalileiMancher behauptet von sich, Gott zu verstehen. Daraus leitet er dann Rezepte und Anleitungen ab, wie der Rest der Menschheit Gott verstehen kann und soll.
Womöglich haben solche Gottversteher Erlebnisse gehabt und Erfahrungen gemacht, die durchaus echt sind. Anschließend gehen sie davon aus, dass ihnen ein Wissen zuteil geworden ist, das sie nun weitergeben sollen und müssen.
Ich halte es gar nicht für verkehrt, von solchen Ereignissen zu berichten, gefährlich wird es nur dann, wenn aus der persönlich erlebten und zutreffenden Erkenntnis etwas entwickelt wird, was allgemein verbindlich sein soll.
Warum sich über das Verstehen Sorgen machen? Wenn Du es verstehst, ist es nicht Gott. -Augustinus von Hippo

Der sprichwörtliche kindliche Glaube an den »lieben Gott« - wenn er im Leben nie erschüttert wird, dann kann man den Menschen, dem ein solches Leben beschieden ist, nur für einen ausgesprochenen Glückspilz halten. Doch das dürfte die Ausnahme sein. Die meisten Menschen werden irgendwann - und meist mehr als einmal - feststellen, dass Gott nicht so handelt, wie wir es gerne hätten oder wie er unserem Gottesbild gemäß eigentlich handeln müsste.
Selbst derjenige, dem selbst nichts derartiges widerfährt, muss zum Beispiel angesichts dessen, was William Stearns beziehungsweise seiner Familie zugestoßen ist, nachdenklich werden:
William und Amy Stearns sind die Autoren des Buches »2020 Vision: Amazing Stories of What God Is Doing Around the World«, neben zahlreichen anderen Publikationen. Sie haben weltweit Gemeinden gegründet und Mitarbeiter geschult, sind beteiligt an Projekten, die Menschen in der missionarischen Arbeit schulen. Vor einem Jahr konnten William und Amy nach glücklicher, aber lange kinderloser Ehe endlich und überraschend zwei Kinder adoptieren. Dann folgte eine Augenoperation, die William vor dem Erblinden bewahrte. Am 1. Juli 2009 wurde ein Hirntumor diagnistiziert, der schnell aggressiv wurde. Am 3. September bat Amy Freunde um Gebet, weil sich der Tumor auf das Gedächtnis und die Wortfindung auszuwirken begann - für William als Autor eine Katastrophe. Dann ging es sehr schnell, er starb vor wenigen Tagen. Zurück bleiben seine Frau, die beiden kleinen Kinder und viele Pläne für Missioneinsätze und Schulungen, die der Tod zertrümmert hat. (Mehr dazu bei Kerstin Hack: Trauer)
Im Grunde hat man zwei Möglichkeiten, wenn Gott mit seinem Handeln oder Nichthandeln unverständlich ist. Man kann entweder dem Verstand vertrauen und folglich nicht mehr an Gott glauben, oder man entscheidet sich, trotzdem und weiter an den zu glauben, der so unbegreiflich ist.
Dazu muss man den Verstand noch nicht einmal ausschalten, sondern im Gegenteil sogar benutzen. Man muss nämlich verstehen, dass Gott nicht zu verstehen, aber dennoch da und sogar bei uns ist.
Natürlich passt das nicht zur einfältigen »Theologie«, die von vielen Menschen verkündet wird, von solchen nämlich, die Rezepte parat haben, wie Gott »funktioniert«.
Diese Leute würden sagen, dass Amy und William Stearns »nicht genug Glauben« hatten, oder dass da eine »verborgene Sünde« das heilende Eingreifen Gottes verhindert hat. Sie würden, die deutsche Sprache verhunzend »Unvergebenheit« wittern oder zum letzten Strohhalm greifend behaupten, dass William durch diesen unzeitigen Tod »vor Schlimmerem bewahrt« wurde. So kann man nämlich den Schwarzen Peter ganz bequem weiterreichen und das eigene Glaubenskonstrukt bleibt stehen.
Falls Gott die Welt geschaffen hat, war seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu machen, dass wir sie verstehen können. -Albert EinsteinMir sind Menschen wie Reinhard Bonnke lieber. In seiner zum Jahresende 2009 erscheinenden Autobiographie schildert er zahlreiche Heilungswunder, die seinen evangelistischen Dienst begleiten. Genauso schildert er den langsamen und für die ganze Familie qualvollen Tod seiner eigenen Mutter, die trotz jahrelanger Gebete keine Heilung erlebte. Er schildert auch die schleichende Krankheit seines eigenen Bruders, die sich nicht aufhalten lässt; beim Erscheinen des Buches ist sein Bruder, schreibt Bonnke, vermutlich bereits tot. Es ist der gleiche Reinhard Bonnke mit dem gleichen Glauben, der für die Mutter, den Bruder und diejenigen betet, die tatsächlich geheilt werden. Er schreibt unumwunden und ehrlich, dass er Gott nicht versteht. Und glaubt immer noch. Und geht weiter hinaus, um das Evangelium zu verkünden.
Ich nehme mir lieber an solchen Menschen - ob nun prominent wie Bonnke oder nicht - ein Beispiel, als an Gottverstehern, die ihre famosen Rezepte aus der Tasche ziehen und alles wissen. Oder zu wissen meinen.
Montag, 14. September 2009
Freundschaftliche Langeweile

Was sollte man auch anderes erwarten von zwei gebildeten und zivilisierten Menschen, die in weiten Bereichen das Gleiche wollen und vier Jahre hervorragender Zusammenarbeit hinter sich gebracht haben.
Allerdings hätten womöglich Moderatoren, die interessantere Fragen stellen und die etwas besser vorbereitet sind, mehr aus den 90 Sendeminuten machen können. Doch diesen vier Gestalten fiel nichts anderes ein, als den Standard abzuhaken: Steuern rauf oder runter? Atomkraft? Böse Banker und Manager? Opel? Krankenkassenhabsucht? Afghanistan?
Alles Bereiche, bei denen jeder auch nur flüchtige Zeitungsleser oder Nachrichtenhörer längst verstanden hat, dass SPD und CDU das gleiche wollen, lediglich mit unterschiedlichen Nuancen. Die Steuern wollen beide Parteien (in unterschiedlichen Prozentzahlen) senken, um Arbeitsplätze zu schaffen. Aus der Atomkraft aussteigen wollen beide Parteien, die SPD mit festem Datum, egal ob Alternativen da sind, die CDU erst dann, wenn es ausreichende andere Energiequellen gibt. Habgierige Banker und Manager finden Steinmeier wie Merkel zum Kotzen, und beide wissen, dass in einem Rechtsstaat mit Marktwirtschaft nicht so einfach die Regierung bestimmen kann, wer wann welche Zahlungen einkassiert. Für Opel haben beide Parteien gemeinsam gekämpft, obwohl Steinmeier sich bei diesem Thema die einzige Frechheit des Abends erlaubt: »Stellen Sie sich vor, Schwarz-Gelb hätte regiert - dann wäre Opel heute mausetot.« Darauf antwortet Merkel nicht direkt, wozu auch. Jeder Zuschauer weiß sowieso, dass das Unfug ist, denn die FDP wird ja auf absehbare Zeit nicht allein regieren können oder den Kanzler stellen ...
Na ja. Fernsehen eben, öffentlich rechtliches, gekoppelt mit zwei schon von Haus aus niveauloseren Kommerzkanälen. Moderatoren, die sonst mit seichter Unterhaltung zu tun haben müssen, sonst wären sie nicht dermaßen ahnungslos und weichgespült in die Sendung gegangen. Und zwei Kandidaten, die mit Recht auf ihre bisherige Zusammenarbeit stolz sein dürfen. Was will man da schon erwarten außer Langeweile? Eben.
Foto: stern.de
Samstag, 12. September 2009
† Frieda Ryklik
24.10.1940 - 11.09.2009
Der Tod einer Mutter ist der erste Kummer, den man ohne sie beweint.
-Jean Antoine Petit-Senn
Meine Schwiegermutter Frieda Ryklik war Lehrerin. Nicht nur im Berufsleben vor ihrer Pensionierung, sondern auch mit Herz und Seele in der Familie. Zu Gesprächen, Erlebnissen und Ereignissen gab sie ihr Wissen und ihre Meinung kund, jedoch immer auf liebvolle und respektvolle Weise, selbst wenn sie Korrektur der anderen für nötig hielt.
Ihre festen Überzeugungen, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit und Glaubenskraft – das waren für mich ihre hauptsächlichen Eigenschaften. Sie ließ sich in ihrem Vertrauen auf Gott auch nicht beirren, als ihr Ehemann im Februar 2007 durch die gleiche tückische Krankheit von ihrer Seite gerissen wurde, die nun auch zu ihrem Tod geführt hat. Ihre Glaubensfestigkeit hielt in ihren letzten zweieinhalb Jahren ohne ihren Mann. Ihr Glaube war sogar stark genug für die letzten zehn Monate, in denen der Krebs trotz aller medizinischen Maßnahmen, Gebete und Hoffnungen, Glaubensschritte und -bekundungen rapide ihren Körper vernichtete. Die letzten Wochen ihres Lebens waren qualvoll und schrecklich; dennoch hielt Frieda an Gott fest, bis zuletzt.
Viele Menschen hofften, glaubten und beteten mit ihr und für sie, vergeblich. Sie gab auch in ihren letzten Tagen nicht auf. Sie wollte gesund werden, wollte sich nicht von der Krankheit besiegen lassen, hatte noch viele Pläne für die Zukunft, wollte unter anderem nach der Genesung erzählen und berichten, wie sie Heilung am eigenen Leib erlebt hatte.
Ihre und unsere Hoffnung auf einen Sieg über den Krebs wurde am 11. September 2009 in den Morgenstunden vernichtet.
Wir sind sehr traurig. Frieda hinterlässt eine Lücke in der Familie und in unseren Herzen, die nicht zu schließen ist, aber ich bin dankbar für die Jahre, die ich sie kennen durfte, dankbar für die Aufnahme in den Kreis ihrer Lieben, die Freundschaft, die vielfältige Hilfe und Unterstützung, die sie wieder und wieder bewiesen hat.
Uns bleibt nur der Trost, dass Sie nun von den Qualen und Schmerzen erlöst meinem Schwiegervater in eine bessere Ewigkeit ohne Tränen und Leid folgen durfte.
Freitag, 11. September 2009
9/11 - acht Jahre sind vergangen

Donnerstag, 10. September 2009
Sorgfalt bei der Pressearbeit? Nö.
Die Deutsche Presse-Agentur dpa meldete heute morgen um 9:38 Uhr:
Los Angeles (dpa) – In der kalifornischen Kleinstadt Bluewater soll es nach einem Bericht des örtlichen Senders vpk-tv zu einem Selbstmordanschlag gekommen sein. Es habe in einem Restaurant zwei Explosionen gegeben, berichtete der Sender. Die Polizei sei im Einsatz und habe das Restaurant evakuiert. Ob Menschen zu Schaden kamen, sei unklar. Das Restaurant wirkte auf ersten Bildern nicht zerstört. Die Täter wurden von dem Sender als arabisch-stämmig beschrieben.
Um 9:59 Uhr ergänzte die Nachrichtenagentur ihre Meldung mit:
Ein Sprecher der Feuerwehr in der Kleinstadt Bluewater an der Grenze zum Bundesstaat Arizona bestätigte der Deutschen Presse- Agentur dpa, dass es in einem Restaurant zwei Explosionen gegeben habe. Sie hätten sich gegen 2300 Uhr Ortszeit (0800 MESZ Donnerstag) ereignet.
Um dann um 10:06 Uhr alles zu dementieren:
Los Angeles (dpa) – TV-Berichte über einen Anschlag in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater scheinen falsch zu sein. Ein Polizeisprecher in Bluewater dementierte, dass es einen Anschlag gab. Vermutlich habe es sich um einen gefälschten Bericht gehandelt.
Passiert ist: gar nichts. Berichte über den Anschlag gibt es nach der Meldung durch die dpa: einige.
Gehen wir auf die Suche nach dem TV-Sender "vpk-tv", der von der dpa als Quelle genannt wird. Wer auf Google oder Bing nach "vpk-tv" sucht, findet den Sender nicht. Vielleicht aber stösst er auf den Wikipedia-Eintrag KPVK-TV, der gestern, am 9. September 2009, angelegt wurde. Dort wiederum findet sich ein Link zur Website vpk-tv.com, wo gleich ein Video in Endlosschlaufe startet, das, was für ein Zufall, ein Selbstmordattentat in Bluewater, Kalifornien zum Thema hat.
In diesem Video tritt eine Nachrichtensprecherin auf, die einen aufgeregten Bericht ansagt, in dem Reporter, Polizisten, Opfer und sogar Täter vorkommen. Es wird erklärt, dass sich eine deutsche Gruppe von Rappern namens "Berlin Boys" in einem Video im Internet zur Tat bekannt hätten. Das Video gibt es tatsächlich, bereits seit gestern ist es auf MySpace und auch auf YouTube zu sehen.
Es fragt sich, warum denn ein "Sprecher der Feuerwehr in der Kleinstadt Bluewater an der Grenze zum Bundesstaat Arizona" der dpa bestätigte, dass es um 23 Uhr Lokalzeit zwei Explosionen gegeben habe. Auf der Website bluewatercity.com steht im Abschnitt "Public Safety" eine Telefonnummer der Feuerwehr (weit wichtiger und grösser darüber die "Mosquito & Vector Control"). Hat der dpa-Journalist diese angerufen?
Leider ist die Domain bluewatercity.com (whois.net) so echt wie vpk-tv.com (whois.net), nämlich gar nicht. Beide Websites wurden am 29. Juni 2009 registriert, lediglich die Adressen und die E-Mails unterscheiden sich, die Fax-Nummer ist sogar die Gleiche.
Doch auch ohne diese Indizien könnte man zum Schluss kommen, dass es diesen TV-Sender gar nicht gibt. Denn aus all diesen Quellen (inklusive den Videos der angeblichen Rapgruppe "Berlin Boys") schreit ein Wort: Fälschung! Es gibt keine Quelle, die
tatsächlichfür ein einigermassen geübtes journalistisches Auge so aussieht, als wäre sie echt. Auf amerikanischen Nachrichtenseiten ist auch nichts dazu zu finden. In Deutschland hingegen verbreitet sich die Meldung noch immer, der dpa und ihren blinden Kopierern wegen. Als unter Dutzenden herausgepickte Beispiele sind welt.de, morgenpost.de, nordsee-zeitung.de, sz-online.de oder das wiesbadener-tagblatt.de zu nennen.Auf Twitter produzieren die Nutzer @JFKindling (erste Twitter-Nutzung: 16. Juni 2009), @kimmieblu (erste Twitter-Nutzung: 26. Mai 2009) und @NormanKlein75 (erste Twitter-Nutzung: 23. Juni 2009) die Berichterstattung zum Stichwort #bluewater im Alleingang.
Von dort aus verlinkt wird ein Augenzeugenbericht auf YouTube, angelegt vom Nutzer KindlingerEscapePlan, der bisher noch nie ein Video hochgeladen hatte.
Um 10:48 Uhr, als allen schon klar ist, dass es sich bei der Meldung nur um eine virtuelle Realität handelt, kommt eine weitere dpa-Meldung:
Los Angeles (dpa) – Entwarnung in der kalifornischen Kleinstadt Bluewater: Am späten Mittwochabend (Ortszeit) berichtete der örtliche Sender vpk-tv, es habe einen Selbstmordanschlag in dem Restaurant Artisan Diner gegeben. Die Täter seien arabisch-stämmig.
Nach einer Stunde stand fest, es war ein böser Scherz: Drei deutsche Rapper hätten sich Bombenattrappen umgebunden und seien in das Restaurant gestürmt, um Medienaufmerksamkeit zu erlangen. Die Behörden kündigten ein hartes Vorgehen gegen die Deutschen an, berichtete der Sender.
Ein Sprecher der örtlichen Polizei bestätigte der Deutschen Presse-Agentur dpa, dass die drei Männer festgenommen wurden. Details des Vorfalls seien weiterhin nicht ganz klar. Es habe jedenfalls keine echte Explosion gegeben.
(Achtung Redaktionen: Bei den drei deutschen Rapper soll es sich nach Angaben des Senders um die Berlin Boys handeln. Die weitere Berichterstattung läuft im Ressort Vermischtes)
Warum sich die dpa auch im dritten Bericht noch auf einen "örtlichen Sender" verlässt, den es offenkundig gar nicht gibt, ist ein Rätsel. Ebenso liegt noch im Dunklen, wer der dpa von der angeblichen Festnahme von drei Männern erzählte.
Vor zwei Tagen meldete die dpa, sie wolle sich künftig zunehmend für User Generated Content öffnen. Warum? Das ist doch, wie sich heute gezeigt hat, längst der Fall.
Dieses Lehrstück in Sachen journalistische Sorgfalt gab es heute. Selbst seriöse Medien wie »Die Zeit« fielen auf die Falschmeldungen herein.
Es scheint, dass der Wettlauf um die schnellsten Schlagzeilen im Internet (und damit zur besten Google-Platzierung) zu immer mehr Fahrlässigkeit bei den Journalisten führt.
... Nur an Jesus sollte man schon glauben.

Zur Zeit habe ich ein 14tägiges kostenloses Probeabonnement der Berliner Tageszeitung »Der Tagesspiegel« - also eine »richtige« Zeitung, auf Papier gedruckt und so weiter.
Eben fand ich auf Seite 18 der heutigen Ausgabe einen fast ganzseitigen und rundum positiven Bericht über die Berliner »Jesus Freaks«.
Sehr gut recherchiert, sehr fair geshrieben. Lesenswert: Der Tagesspiegel über die Jesus Freaks Berlin
Der Berliner und die Kanzler-Direktwahl
Natürlich kann keiner, auch nicht der Berliner, den Kanzler direkt wählen. Aber da es bei der Frage »wen würden Sie wählen« um die Beliebtheit der beiden Spitzenkandidaten geht, offenbart die neueste Umfrage in Berlin erstaunliche Präferenzen.
Dass bei Schwarz & Gelb die Kanzlerin vorne liegt, verwundert ja nicht weiter. Jedoch: Mehr als ein Drittel der Anhänger der SED-Nachfolgepartei und fast ein Drittel der SPD-Freunde würden Frau Merkel vorziehen, und die Grüngefärbten sind halbe-halbe gestimmt.
Kommunisten Linke, Grüne und Sozialdemokraten, die Merkel vorziehen? Nanu? Aber hallo! Irgendwas muss der Herr Steinmeier wohl falsch machen? Oder seine Partei? Oder wie jetzt?
Mittwoch, 9. September 2009
Auch kein Patentrezept: Gesund ohne Glauben
Die einen lieben solche Rezepte, weil sie reichlich Geld damit verdienen: »Ihr Leben wird sich lohnen, wenn Ihr Penis ein Stück wächst«, »Mit uns wachen Sie gesund auf, auch wenn sie krank ins Bett gehen«, »So bekommen Sie jetzt ein Beförderung«… - einige Beispiele aus dem Spam-Ordner von heute.
Die anderen sind genervt, weil sie wissen, dass derartiger Unsinn nicht zur versprochenen und teuer bezahlten Wirkung führt.
Und dann gibt es offenbar auch noch diejenigen, die auf solche Rezepte hereinfallen – sonst wären die diesbezüglichen Anbieter längst pleite.
Jedoch nicht jeder, der Patentrezepte verteilt, ist ein Gauner. Es gibt zwar einerseits die knallhart kalkulierenden Geschäftemacher, aber es gibt auch diejenigen, bei denen etwas funktioniert hat, und die nun ihr Erlebnis oft genug in gutem Glauben als Rezept anpreisen, das für alle Menschen funktioniert. Auch in manchen christlichen Kreisen findet man solche und solche Rezeptverkünder. Zum Beispiel: »Jede Krankheit wird geheilt, wenn XXX und YYY gegeben sind«. Entweder XXX oder YYY wird in der Regel so umschrieben, dass »genug Glaube« vorhanden sein muss.

(1) Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. (2) Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; (3) in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. (5) Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. (6) Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? (7) Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. (8) Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! (9) Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin. Es war aber an dem Tag Sabbat.Jesus stellt eine ganz einfache Frage, auf die eine ganz einfache Antwort möglich wäre. »Willst du gesund werden?«
Darauf reicht ein simples »Ja« oder »Nein«.
Statt dessen gibt jedoch der Kranke eine längere Erklärung ab: »Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.«
Eine etwas irritierende Antwort auf die einfache Frage, ob der Mann gesund werden möchte oder nicht.
Ach ja, noch etwas ist hier irritierend: Wo ist eigentlich Vers 4 geblieben? Normalerweise kommt in der Bibel nach einem Vers 3 und vor einem Vers 5 ein mit der 4 nummerierter Textteil. An dieser Stelle in den meisten Übersetzungen nicht. Man findet ihn allerdings bei Luther und in der Elberfelder als Fußnote, da steht dann nämlich:
… lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte und warteten auf eine bestimmte Bewegung des Wassers, (4) denn von Zeit zu Zeit kam ein Engel des Herrn und bewegte das Wasser. Und wer danach als Erster ins Wasser stieg, wurde geheilt.Mit dieser (umstrittenen und deshalb in vielen Bibelausgaben nicht enthaltenen) Ergänzung scheint dann die Antwort des Kranken schon etwas verständlicher zu sein. Er sagt sinngemäß: »Ich würde ja wollen, sonst läge ich nicht hier an diesem Tümpel herum, und wenn du die Umstände kennen würdest, hättest du nicht solch eine komische Frage gestellt. Man muss darauf warten, dass da ein paar Wellen schwappen und dann der erste im Wasser sein. Ich habe einfach keine Chance, und je länger ich hier krank herumliege, desto schwächer werde ich.«
Das Ganze ist schon eine absonderliche Episode im Johannesevangelium. So eine Art Wettlauf: Der erste wird geheilt, egal welches Gebrechen ihn plagt, der Pokal für den besten Sprinter ist Gesundheit. Silber- und Bronzemedaillen gibt es leider nicht. (Manch ein Theologiegebäude müsste bei solchen Texten in sich zusammenstürzen.)
Doch zurück zum Gespräch am Teich. Wie mag der Kranke sich gefühlt haben? 38 Jahre wartet er krank in Betesda, mit der Hoffnung, dass ihn irgendwann jemand freundlicherweise als ersten ins Wasser trägt. Pustekuchen, wer von den Kranken laufen kann, wird selbst lossprinten, sobald sich da etwas im Teich bewegt – schließlich liegt hier niemand aus Barmherzigkeit auf der Lauer, sondern weil er selbst ein Leiden hat.
Und nun kommt dieser Unbekannte und fragt den Mann, ob er geheilt werden möchte oder nicht.
Eigentlich eine angesichts der Situation ziemlich unangebrachte Frage, auf die man nicht unbedingt überhaupt antworten muss. Vermutlich hat er aber aus der Stimme des Fragenden Mitleid, Anteilnahme herausgehört, womöglich hat er das auch als Motivationsversuch eines Unwissenden verstanden: »Reiss dich mal zusammen, warum liegst du hier nach 38 Jahren immer noch krank herum?«
Daher seine defensive Erklärung, die man ihm ja nicht vorwerfen kann: »Hey, Moment mal, mich trägt ja keiner runter zum Wasser und bis ich selbst hingekrochen bin, ist es zu spät. Ich habe es tausendmal versucht, aber es hat nie geklappt.«
Er bittet mit seiner Antwort um Verständnis, um Nachsicht mit seiner Situation, die er vermutlich nicht (durch ungesunden Lebenswandel oder ähnliches) verschuldet hat – und die er auch nicht ändern kann. Die Regeln sind ja nicht auf seinem Mist gewachsen: The winner takes it all. Es fehlt dem Mann, und auch das ist ihm nicht vorzuwerfen, an Vorstellungsvermögen bezüglich dessen, was Jesus ihm hier anbietet.
Aus dem weiteren Bericht im Evangelium geht hervor, dass der Kranke keine Ahnung hat, wer ihm diese unpassende Frage stellt. Er wird später gefragt, wer ihn denn geheilt hätte. »Der aber gesund geworden war, wusste nicht, wer es war; denn Jesus war entwichen, da so viel Volk an dem Ort war«, heißt es in Vers 13.
Der Kranke ist völlig außer Stande, zu verstehen, dass derjenige, der vor ihm steht, das lebendige Wasser ist, dass gar keine Notwendigkeit besteht, auf jenen ominösen Wasserengel zu warten und dann blitzschnell in den Teich getragen zu werden.
Daher sagt er weder ja noch nein auf die einfache Frage, ob er geheilt werden möchte.
Der Mann besitzt mit Sicherheit keinen Glauben an seine Heilung oder an die Vollmacht des Fragenden. Vielleicht hofft er, dass dieser kräftige und dem Augenschein nach gesunde Mann ihn ins Wasser trägt, aus Mitleid, aber da sich dort gerade nichts bewegt, ist das aussichtslos. Man muss ja den richtigen Wellengang abwarten.
Das überraschende an dieser Situation ist, dass Jesus ihn trotzdem heilt – obwohl oder weil er weiß, dass dieser Mann gar nicht über die Möglichkeit verfügt, eine einfache Antwort »ja, ich will gesund werden«, zu geben.
Jesus heilt ihn darüber hinaus ungefragt. Weder der Kranke noch sonst jemand hat darum gebeten. Niemand hat den Mann zu Jesus gebracht mit dem Wunsch, dass er ihn gesund machen würde.
Es geht im Johannesevangelium an dieser Stelle gar nicht so sehr um diese Heilung, sondern um den zweifachen Tabubruch: Der Mann trägt seine Matratze am Sabbat nach Hause und wird prompt damit erwischt. Aufgefordert zu diesem Gesetzesverstoß hat ihn derjenige, dessen Namen er nicht einmal erfragt hat und der jetzt verschwunden ist. Jesus hat wieder einmal die eisernen Gebote seiner Religion verletzt (indem er am Sabbat heilt) und noch dazu jemanden angestiftet, ein Gesetzesbrecher zu werden (indem er ihm aufträgt, die Matratze mitzunehmen, wenn er geht).
Auf etliche Fragen gibt dieser Text keine Antworten her:
- Wieso wird nur dieser eine Mann geheilt, wenn dort »viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte« am Teil liegen?
- Wie haben sich diejenigen gefühlt, die Jesus krank am Teich hat liegen lassen?
- Kann dieser ominöse Engel, der gelegentlich eine Heilungslotterie in Form eines Wetterennens zum Teich veranstaltet, eigentlich ein Engel Gottes sein?
- Wenn ja, ist das gerecht?
- Muss man selbst, muss irgendjemand unbedingt Glauben haben, damit eine Heilung geschieht?
Bildquelle: Hungertuch Betesda von Sieger Köder
Dienstag, 8. September 2009
Innehalten
Der Schmerz ist der große Lehrer der Menschen. Unter seinem Hauche entfalten sich die Seelen. -Marie von Ebner-Eschenbach, Aphorismen