Sonntag, 31. Oktober 2010

Vierzehn mal Hundertvierzig – Eine Liebe und ihr Ende

image Regelmäßige Blogbesucher wissen, dass ich mich vor einer Weile ins Twitterland verirrt habe, in ein Paralleluniversum, dessen Sinn sich mir noch immer nicht erschließen will. Doch muss ja nicht alles im Leben, in diesem oder in anderen Universen, sinnvoll sein.

In jenem Twitterland habe ich zwischen all den anderen komischen Vögeln in den letzten zwei Wochen eine Ballade in 14 Versen zu je 140 Zeichen vorgesungen. Die 140 Zeichen sind eherne Grenze im Twitterland, die 14 Verse habe ich mir selbst als Rahmen verordnet.

Hat das irgendjemand als fortgesetzte Geschichte wahrgenommen? Wohl kaum.

Jeder Vers ist, das geht im Twitterland nicht anders, da zwischen den einzelnen Episoden nicht nur Hinz und Kunz, sondern auch ich selbst anderes zwitscherten, eine abgeschlossene Geschichte in sich. Dass daraus diese Ballade werden würde, hatte ich am Anfang nicht gewusst. Das erkannte ich erst nach dem fünften Vers.

So. Genug geplaudert. Wer Augen hat zu lesen, der lese, was der Autor im Twitterland gezwitschert hat.

---- - ---- -- ---- --- ---- --- ---- -- ---- - ----

Wir sehen Olaf, Detlef, Bernd und Samuel. Auch Sandra, Iris, Ute und Gabi. Doch Timo hat nur Augen für Nadine. Sie schenkte ihm ein Lächeln.

Er duscht, derweil sie schon die Zähne putzt. Ein Schimmern durch den Vorhang, nur schemenhaft. Er senkt den Blick, sein Penis strebt empor.

Das Bett, zwei ebene Flächen, belegt von bauschigen Kissen und Decken in strahlendem Weiß. Sie werden keine Decke brauchen, die Liebe wärmt.

Sie legt die Hand auf seinen Bauch. Er atmet tief. Ob sie erspürt, wie sehnlich er die Zentimeter überwunden wünscht? Sanft. Zart. Ausatmen.

Verschmolzen ist die Zeit nun mit der Ewigkeit. Keine Minuten zählt das Herz wenn zwei vereint verschmelzen. Fühlen. Schenken. Schrankenlos.

Sie schläft noch als das Tagwerk ihn ins Leben ruft. Er duscht und träumt dabei, sie wäre nah. Dann könnten seine Hände sie berühren, kosen.

Die Stunden seines Tages rinnen zäh. Gedanken eilen vor, zu ihr. Sein Herz will ohne sie sich nicht zufrieden geben. So zäh der Tag. Zu ihr!

Wie schön sie ist. Verzaubert muss er staunen, und ihre Augen sprechen, was der Mund nicht sagt. Wird ewig ihre Liebe sein wie frischer Tau?

Gewöhnung setzt wohl ein, doch niemals Überdruss. Er hat sie in seinem Herzen eingeschweißt die Liebe, nur zu ihr, versiegelt für ein Leben.

Die Bilder, die er sieht, wenn er die Augen schließt. Die Bilder. Sie werden niemals alt, sind immer wieder neu. Sie ist ihm unerschöpflich.

Wann fragte je das Schicksal nach der Liebe? Nach jedem schönen Tag lauert gefräßig eine Nacht. Er kann und will nicht glauben, was er weiß.

Noch glüht ein Funke Hoffnung, doch die Wahrheit löscht ihn aus. Werden da wenigstens noch Bilder sein, in seinem Kopf, von ihr? Was bleibt?

Sie durfte nicht bleiben. Der Tod riss sie in seinen Schlund. Erlöst vom Schmerz – doch welche Qual zuvor! Frieden wünscht und gönnt er ihr.

Wie leer sein Blick, als alles ihm genommen wurde. Erinnerung ist flüchtig. Was bleibt, ist Wissen um Verlust, sein Schmerz – womöglich Wut?

---- - ---- -- ---- --- ---- --- ---- -- ---- - ----

Samstag, 30. Oktober 2010

Nichts.

Heute gibt es hier so viel Neues wie gestern. Nichts.

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Projekt der Hoffnung: »Haus der guten Taten«

In Deutschland stellen in weit über 900 Werkstätten Menschen mit Behinderungen hochwertige Produkte her. Die Artikel werden häufig in kleinen Läden, bei Aktionen oder Märkten angeboten. Nicht selten landen sie im Lager.

Ein neues Konzept für den Aufbau und Betrieb eines Filialnetzes zur Vermarktung dieser Erzeugnisse in bester Marktlage entsteht bei der gemeinnützigen GmbH »Shop der guten Taten«. Zu den Gesellschaftern gehört auch Gemeinsam für Berlin. Die erste Filiale wird am 18. November im Forum Steglitz unter dem Namen COEO Haus der guten Taten eröffnet. Es sollen vor allem Produkte von behinderten Menschen, internationalen Hilfsprojekten und Fair Trade Organisationen angeboten werden. 50% der Gewinne fließen in soziale Projekte. Behinderte Menschen bilden einen Teil der Belegschaft.

Hier entsteht also auf Basis christlicher Überzeugungen ein neues Geschäftsmodell, das nachhaltig, sozial und ökologisch ist – und zusätzlich die Gewinne wieder in soziale, auch christliche, Projekte investieren kann.

Mehr zum Haus der guten Taten und Bildquelle: COEO

(Textquelle: Gebet für Berlin – November 2010)

Mittwoch, 27. Oktober 2010

Aus einem bis heute unveröffentlichten Roman

You may call my love Sophia
I call my love Philosophy
Van Morrison

Feuchtes Laub raschelte unter den Füßen der beiden Spaziergänger im Berliner Tiergarten. Beide waren 13 Jahre alt, das Mädchen wirkte jedoch älter. Ihr Gesicht ließ ahnen, dass sie ihre Kindheit nicht ohne Wunden und Schmerzen hinter sich gebracht hatte. Dunkle Locken fielen bis auf die Schultern, sie trug weiße Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem HARD ROCK CAFÉ Logo auf der Brust.
Ihr Begleiter war hochgewachsen, schlank, dunkelblond, ein vergnügtes Lächeln spielte auf seinem Gesicht.
Sie schlenderten schweigend den Weg am Kanal entlang. In der Ferne hörte man, wenn man die Ohren spitze, Verkehrsgeräusche.
Die beiden nahmen auf einer Bank Platz und sahen auf das träge fließende Wasser des Landwehrkanals.

Der Junge brach nach etwa zehn Minuten das Schweigen.
»Sophia, weißt du, was mir an dir besonders gefällt?«
»Nein. Aber du wirst es mir gleich sagen.«
Sie lächelte erwartungsvoll.
»Dass man mit dir auch schweigen kann. Stundenlang, wenn es passt. So was ist selten.«
»Danke, Patrick.«
Sie saßen auf der Bank, sahen den Enten zu, die ohne Eile über das Wasser glitten, beobachteten müßige Spaziergänger.
Sophia genoss den Nachmittag. Sie hatten gemeinsam die Arbeiten für die Schule erledigt und waren anschließend mit der U-Bahn zum Bahnhof Zoo gefahren. Von dort aus durchwanderten sie den Tiergarten und sammelten Blätter für den Biologieunterricht. Der Park glänzte nach dem Gewitter, das am Mittag gewütet hatte, frisch gewaschen in der wärmenden Sonne.
Schließlich standen sie auf und schlenderten weiter.
»Du kannst andererseits auch reden wie ein Wasserfall, wenn es passt. Je nach Bedarf dummes Zeug oder kluge Einsichten.«
Patrick blickte auf die herbstlich verfärbten Baumkronen. Dann fuhr er fort: »Du bist wie ein Baum, der einem geben kann, was man braucht. Schatten in der Hitze, Schutz beim Regen, Früchte gegen den Hunger.«
Sophia grinste: »Und wenn es dann kalt wird, holzt du mich ab und verheizt mich in deinem Kamin, ja?«
Der Junge lachte und meinte: »Okay, Ende der Philosophiestunde. Lass uns ein Eis essen gehen, am Ku'damm. Okay?«
»Okay. Eis kann aber auch philosophisch sein. Ich esse Eis, also bin ich.«
»Nee. Ich bin, also esse ich Eis.«
Sophia schüttelte den Kopf.
»Nein, Patrick. Ich weiß nicht, welches Eis ich essen werde, also weiß ich nicht, wer ich bin. Ob ich bin.«

Sie beschleunigten ihre Schritte und verließen den Tiergarten. Quer über den Hardenbergplatz strebten sie dem Europacenter zu.

Dienstag, 26. Oktober 2010

Damals. – Der Schluss

Die vorausgegangenen Teile: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3] [Teil 4]

----- ---- --- -- - -- --- ---- ----

Während Johannes im Gefängnis ausharren musste, wurde Jesus immer bekannter im Land. Seine Wunder waren Gesprächsstoff überall. Wenn es hieß, dass er an einem bestimmten Ort sei, strömten die Menschen dorthin und brachten ihre Kranken mit, damit diese geheilt würden, und je mehr Wunder man berichtete, desto stärker wurde der Zulauf.

Johannes rechnete damit, dass der Messias, über den er selbst dem Volk gesagte hatte, dass »in seiner Hand die Worfschaufel sei, dass er die Spreu mit unauslöschlichem Feuer verbrennen würde«, in absehbarer Zeit mit seinem eigentlichen Wirken beginnen würde. Feuer vom Himmel sollte auf die Unterdrücker und die renitenten Sünder fallen, das Volk würde wieder zu einem freien Königreich werden. Auch das Ereignis bei der Taufe des Messias bestärkte Johannes in dieser Annahme.

Als Johannes eines Tages am Jordan gepredigt und getauft hatte, war Jesus gekommen, um sich taufen zu lassen. Johannes hatte ihn zuerst nicht erkannt, es war ziemlich lange her, dass sie sich gesehen hatten und beide hatten sich verändert. Selbstverständlich wusste Johannes über die sonderbaren Umstände der Schwangerschaft von Maria bescheid, immerhin waren seine Mutter und die Mutter Jesu Verwandte und die Ereignisse, die weit ringsum bekannt geworden waren, kannte man in der Familie natürlich am besten. Aber Johannes hatte sich, wir haben das bereits betrachtet, als Jugendlicher in die Wüste zurückgezogen und daher auch keinen Kontakt zur Verwandtschaft mehr gehabt.

Eines Tages war dann Jesus zu Johannes gekommen, um sich wie all die anderen taufen zu lassen. Als er getauft war und anschließend betete, wurde der Himmel geöffnet und der Heilige Geist stieg in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf ihn herab. Manche Zeugen des Vorfalls hatten andere Erinnerungen, meinten einen Donner zu hören oder etwas wie eine Feuerflamme zu sehen, aber Johannes sah die Taube und hörte eine Stimme aus dem Himmel: »Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.«

Doch nun saß Johannes im Gefängnis, seine Jünger berichteten ihm über alles, was sie von Jesus hörten, und wir können uns vorstellen, welche Fragen und Zweifel den Täufer umtrieben. Er hatte der Volksmenge diesen Jesus angekündigt: »Er wird seine Tenne fegen …« - aber statt irgendwen mit Feuer zu verbrennen, statt die Spreu nun vom Weizen zu trennen und Gericht zu halten, tat der Messias dem Vernehmen nach allen nur Gutes, ohne Unterschiede. Statt Sünder zu bestrafen, vergab er ihnen ihre Schuld. Er ließ sogar eherne Gesetze außer Acht, zum Beispiel wenn es darum ging, am heiligen Ruhetag einen Kranken zu heilen. Johannes als Sohn eines frommen und untadeligen Priesters hatte damit erhebliche Probleme, denn wie sollte jemand den Thron Davids wieder aufrichten, der die ewigen Gesetze des Bundes seines Volkes mit Gott missachtete?

Johannes grübelte und zweifelte und rätselte, schließlich rief er zwei seiner Jünger herbei und sandte sie zu Jesus. Sie sollten ihm eine simple Frage stellen: »Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«

Es war nicht schwer, Jesus zu finden, und die beiden Männer sprachen ihn an: »Johannes der Täufer hat uns zu dir gesandt und lässt dir sagen: Bist du der Kommende, oder sollen wir auf einen anderen warten?«

Eine klare Antwort, ein Ja oder ein Nein, erhielten sie nicht. Jesus heilte an diesem Tag des Zusammentreffens viele Menschen von Krankheiten und Plagen und bösen Geistern, und vielen Blinden schenkte er das Augenlicht. Nun hatten die beiden Boten des Johannes das mit eigenen Augen gesehen und wussten jetzt mit Sicherheit, dass keine Übertreibung in dem zu finden war, was man sich landauf, landab erzählte.

Jesus antwortete ihnen: »Geht hin und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote werden auferweckt, Armen wird gute Botschaft verkündigt! Und glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet, weil er Anstoß daran nimmt.«

Was mag Johannes gedacht haben, als er den Bericht seiner beiden Jünger im Gefängnis hörte? Davon ist uns nichts überliefert, leider.

Er hatte ja seine beiden Boten geschickt, weil er mit dem, was er über Jesus hörte und dem, was er selbst über den Messias gesagt hatte, nicht zurecht kam. Das passte nicht zusammen. Deshalb hatte er eine klare Frage gestellt – und keine klare Antwort bekommen. Natürlich deutete das »glückselig ist, wer sich nicht von mir abwendet« an, dass man nicht auf einen anderen Messias warten musste, und vielleicht reichte das ja auch, um Johannes von seinen Fragen und Zweifeln zu befreien?

Johannes wird geköpft. Wir wissen nicht, wie und ob Johannes mit der Botschaft zurecht kam. Jedenfalls gab es keine Befreiung für ihn aus dem Gefängnis. Herodes ließ den Täufer hinrichten.

Jesus wirkte weiter und wurde immer bekannter. Die Menschenmassen, die zu ihm strömten, waren größer als die, die zur Taufe im Jordan gepilgert waren.

Das erregte auch die Aufmerksamkeit der Obrigkeiten. Herodes hörte alles, was rings um Jesus vor sich ging. Er geriet in Verlegenheit, weil von einigen gesagt wurde, dass Johannes aus den Toten auferweckt worden sei; von einigen aber, dass Elia erschienen, von anderen aber, dass einer der alten Propheten auferstanden sei. Auf jeden Fall war klar, dass dieser Jesus kein Mensch wie alle anderen war.

Herodes überlegte: Johannes habe ich enthauptet. Wer aber ist dieser, von dem ich solches höre? Und er wünschte sich, ihn zu sehen – zu ihm hinaus pilgern wollte er jedoch lieber nicht.

Es sollte noch eine Weile dauern, bis die Begegnung stattfinden würde.

Vor vielen Jahren hatte ein Engel zu einem alten Priester im Tempel gesagt: »Dein Sohn wird wie damals Elia mit bemerkenswerter Kraft und im Geist Gottes wirken. Die Kinder und die Eltern wird er miteinander versöhnen, den Ungläubigen wird er aufschließen können, wie klug die Gerechtigkeit Gottes ist. Er wird das ganze Volk vorbereiten.«

Hatte sich diese Voraussage erfüllt? Einige meinten, da sei etwas schief gegangen, andere sprachen davon, dass Johannes genau das getan hatte. Dass das Volk von dem Messias zunächst begeistert war, weil er so viel Gutes tat und weil er Sünden vergab, ohne zuerst teure und langwierige Opfer zu fordern – bedurfte das einer Vorbereitung durch einen Täufer, der Buße und Gericht verkündete? Dass das Volk schließlich seinen Messias verwerfen und vom römischen Statthalter »kreuzige ihn!« fordern würde, war das ein Beweis misslungener Vorbereitung?

Es gäbe vielleicht noch so manches zu erzählen, aber was Johannes betrifft, sind dies die Dinge, die von einem der Menschen, die damals, in jener anderen Zeit und in jenem anderen Land, gelebt haben, aufgeschrieben wurden. Dieser Chronist hieß Lukas, er hat seinerzeit für seinen Freund Theophilus einen langen Bericht verfasst. Er hat dann nur noch angemerkt, dass viele Jahre später ein gewisser Paulus, der Jesus nachfolgte, in der Stadt Ephesus, also recht weit weg vom Ort des Geschehens, das wir uns hier angeschaut haben, auf eine Gruppe von Jüngern des Johannes traf. Paulus fragte sie: »Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, nachdem ihr gläubig geworden seid?«

Sie antworteten etwas ratlos: »Wir haben nicht einmal gehört, ob der Heilige Geist überhaupt da ist.«

Paulus fragte zurück: »Worauf seid ihr denn getauft worden?«

Die Antwort war: »Auf die Taufe des Johannes.«

Wir sehen an diesem kurzen Dialog, dass nach der Hinrichtung des Täufers offenbar einige seiner Jünger seinen Dienst fortgeführt hatten, vermutlich mit der gleichen Botschaft verbunden, dass die Ankunft eines Messias kurz bevor stand, der sollte dann ja bekanntlich mit Geist und Feuer taufen und mit der Worfschaufel für Ordnung sorgen.

Paulus erklärte diesen Menschen in Ephesus: »Johannes hat mit der Taufe der Buße getauft, indem er dem Volk sagte, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm komme, das ist an Jesus.«

Die Gläubigen ließen sich dann auf den Namen des Herrn Jesus taufen; und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, es waren insgesamt etwa zwölf Männer.

Mehr ist uns von jenem Lukas nicht überliefert, was den Johannes betrifft. Damals, da hat man über Gefühle, Gedanken und Empfindungen der beteiligten Personen noch ziemlich wenig aufgeschrieben. Schade.

----- ---- --- -- - -- --- ---- ----

Fortsetzung? Nein. Oder doch: wer mag, kann diese und weitere Geschichten, die Lukas damals aufgeschrieben hat, in einer Bibel nachlesen und sich seine eigenen Gedanken machen.

Samstag, 23. Oktober 2010

Damals. – Teil 4

Die Verweise auf die vorherigen Teile: [Teil 1] [Teil 2] [Teil 3]

- -- --- ---- --- -- -

Anstatt seine Mission zu beginnen, öffentlich zu predigen, womöglich gar Widerstand gegen die römische Besatzung anzuschüren, zog er sich völlig zurück. Er ging in die Wüste und blieb in der Wüste. Seine Zeit war, obwohl er zum jungen Mann geworden war, noch nicht gekommen.

War er allein in der Wüste? Ja, er war allein, aber er redete mit seinem Gott. Was er redete, ob er Antworten bekam, wie viel er von den kommenden Ereignissen ahnte oder wusste, ist uns nicht überliefert. Wir wissen nur, dass im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, endlich ein Wort Gottes zu Johannes geschah. Wie wir uns das vorzustellen haben, bleibt uns überlassen. Hörte er eine Stimme mit seinen Ohren? Bekam er Besuch von Gabriel, wie sein Vater damals? Wir wissen es nicht.

Aber jetzt verließ er seine Einöde und kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. Natürlich kannte er – sein Vater war immerhin Priester gewesen – die Reden des Propheten Jesaja. Dort hieß es: »Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.«

Nun konnte man das nicht wörtlich nehmen, denn wenn die Täler erhöht werden und die Erhebungen erniedrigt, dann bleibt ja nur eine flache Ebene übrig, und niemand in Judäa hatte ernsthaft die Absicht, die Landschaft einzuebnen. Auch die krummen Wege hatten ihren Zweck, denn wenn das Ziel um die Ecke liegt, führt ein gerader Weg daran vorbei. Das ganze war als geistliche Metapher zu begreifen.

Mit drastischen Worten sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: »Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.«

Für das Volk war das eine ziemlich herausfordernde Rede. Immerhin hatte Abraham einen Bund mit Gott geschlossen, und zwar einen ewigen Bund. Darauf konnte man sich verlassen, meinten die Zuhörer, denn schließlich waren sie Abrahams Kinder. Sie waren doch das auserwählte Volk? Nichts anderes hatten sie und ihre Vorfahren seit Jahrhunderten gehört und geglaubt. Und nun tauchte ein ziemlich verwilderter Prediger auf, der nicht einmal Priester war, um ihnen diese Gewissheit, dass Gott sie auf jeden Fall in seine Arme schließen würde, zu erschüttern und zu rauben. Das hätte eigentlich zu erheblichem Widerspruch und Widerstand führen müssen. Seine Bußpredigten sollten auch nicht ohne bittere Folgen für Johannes bleiben, aber in jenen Wochen und Monaten reagierten seine Zuhörer nicht feindselig, sondern betroffen und Rat suchend.

Die Menge fragte ihn: »Was sollen wir denn tun?«

Armut gab es reichlich...Johannes antwortete, indem er sie daran erinnerte, dass Gott an ihrer Einstellung dem Mitmenschen gegenüber mehr interessiert war als an ihrer Abstammung von Abraham: »Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.«

Das Gebot der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit war nichts neues, sondern es stand schon seit Jahrhunderten in den heiligen Schriftrollen. Aber Armut gab es reichlich, offensichtlich wurde weithin ignoriert, dass Gott seinem Volk Regeln gegeben hatte, damit niemand in extremer Armut leben musste.

Die Römer hatten als Besatzer des Landes unter anderem Zöllner, heute und hier würden wir von Zollbeamten sprechen, eingesetzt. Diese Handlanger waren beim Volk nicht beliebt, mit gutem Grund, denn so gut wie alle wirtschafteten kräftig in die eigene Tasche. Und nun kamen auch die Zöllner zu Johannes, um sich taufen zu lassen. Auch sie wollten wissen, was er ihnen raten konnte: »Meister, was sollen denn wir tun?«

Die Antwort war eigentlich vorhersehbar: »Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!«

Vielleicht hatten manche in den Volksmengen gehofft, dass Johannes den Zöllnern auftragen würde, ihren Dienst zu verlassen, aber er dachte gar nicht daran, einen Aufstand gegen Rom anzuzetteln.

Auch Soldaten kamen, um sich taufen zu lassen. »Was sollen denn wir tun?«

Ähnlich wie die Zöllner waren die Soldaten nicht sonderlich angesehen im Volk. Sie dienten erstens einer fremden Macht, denn sie standen unter dem Befehl der Römer, und zweitens erpressten sie gerne Schutzgelder, bereicherten sich wo es nur ging, denn sie hielten sich – und waren es ja auch – für ziemlich unangreifbar.

Johannes antwortete: »Tut niemandem Gewalt oder Unrecht an und begnügt euch mit eurem Sold!«

Wir erinnern uns: Es hatte sich nach seiner Beschneidung weit herumgesprochen, dass Johannes kein Mensch wie alle anderen war, dass ihm etwas Besonderes, etwas Gottgegebenes anhaftete. Inzwischen waren viele Jahre ins Land gezogen, aber vergessen waren die Umstände seiner Geburt und die Worte seines Vaters über Johannes nicht.

Das Volk wartete auf einen Erlöser, einen Messias, der die Besatzung durch die Römer beenden und das jüdische Könighaus des David wieder aufrichten würde. Nun trat Johannes, um dessen Geburt und Beschneidung solch ungewöhnliche Geschehnisse erzählt wurden, auf. Er kam mit einer ziemlich unerhörten und aufsehenerregenden Botschaft. Die Menschen waren voll Erwartung und alle dachten in ihren Herzen von ihm, ob er vielleicht der Christus, der versprochene Erlöser, wäre, zumal er den Propheten Jesaja, der einiges über den Christus gesagt hatte, häufig zitierte.

Aber Johannes wies das von sich. Er erklärte öffentlich: »Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.«

Die Worfschaufel muss man heutzutage erklären, wenn man diese Geschichte erzählt. Dieses Gerät kennt keiner mehr, außer vielleicht aus einem landwirtschaftlichen Museum. Mit einer Worfschaufel, einer Art Schippe mit flachem Blatt aus Holz oder Metall, wurde das ausgedroschene Getreide gegen den Wind in die Höhe geworfen und dadurch von der Spreu gereinigt. Die Spreu flog im Wind davon, das Getreide fiel zu Boden. Mit seiner Metapher sagte also Johannes, dass jemand nach ihm kommen würde, der das Wertvolle im Volk vom Wertlosen im Volk trennen würde, die einen würde er bei sich behalten, die anderen vernichten. Und dann, das erwarteten das Volk und der Täufer, würde die Königsherrschaft wieder installiert, die Feinde aus dem Land vertrieben und endlich alles so sein, wie Gott es versprochen hatte in den uralten Prophetenrollen.

Johannes predigte dauernd Buße und Umkehr, er ermahnte das Volk und verkündigte ihm das Heil durch Umkehr und Änderung des Lebenswandels. Gott sei nicht an der Abstammung von Abraham interessiert, sondern daran, ob jeder einzelne Mensch Recht oder Unrecht tut, das war der Kern seiner Lehre. »Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso. … Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist! … Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!« Er nannte Unrecht beim Namen und scheute auch nicht davor zurück, öffentlich den Landesfürst Herodes zu kritisieren.

Dieser Mann regierte nicht souverän; natürlich hatten die Römer das Sagen. Er genoss aber seinen Status und seine begrenzte Macht und fand auch nichts dabei, mit der Frau seines Bruders ein erotisches Verhältnis zu pflegen. Deswegen und wegen alles Bösen, das er sonst noch getan hatte, wurde er von Johannes gescholten. Herodes zögerte nicht lange, er warf Johannes ins Gefängnis.

Dort sollten ihn bald Zweifel beschleichen an der Person des Messias, ganz erhebliche Zweifel sogar.

- -- --- ---- --- -- -

Fortsetzung folgt

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Ruhe in Frieden, Loki.

Helmut und Loki Schmidt In der TV-Dokumentation »Wir Schmidts« sprach das Ehepaar auch über das Alter und den Tod. Sie legte ihm die Hand sachte auf das Knie und sagte: »Ich möchte lieber, dass wir beide gemeinsam davongehen.«

»Das hast Du nicht zu entscheiden. Und ich auch nicht«, antwortete Helmut Schmidt.

Loki nach kurzer Denkpause: »Und das ist auch gut so.«

Nun ist sie vor ihm in die Ewigkeit gegangen. Sie war eine aufrechte Frau, die ich sehr geschätzt und hoch geachtet habe. Mein Mitgefühl gilt Helmut Schmidt – eine so haltbare Ehe ist leider eine Seltenheit geworden. Ich würde mich nicht wundern, wenn er ihr bald folgen dürfte in die Ewigkeit zu seinem und ihrem Gott.
.

Von dem Mann, der im Sommer nach der Arbeit seine Frau am Strand traf

Mancher mag ja keine langen Geschichten, noch dazu in Fortsetzungen. Deshalb unterbreche ich die Serie und biete heute eine kurze Erzählung an, die an den inzwischen vergangenen ziemlich heißen Sommer erinnern soll:

- -- --- ---- ----- ------ ----- ---- --- -- -

ò Der Mann spaziert zum Strand.

ø Er freut sich schon, er denkt an seine hübsche Frau.

ð Er sieht sie schon von weitem aus dem Wasser kommen.

ö Seine Herzensdame ist ihm nun ganz nah und kaum bekleidet.

ñ Ein Kuss zur Begrüßung. Und eine Umarmung.

ö Er ist recht ratlos. Sie empfiehlt: Ins kalte Wasser.

ø Er schwimmt, der See ist wirklich kühl.

ò Nun ruht er aus, im Abendsonnenschein.

Bild wie meist von sxc.hu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ach ja. Der Sommer…

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Nee, nee und nee!

Wegen eines Beitrages einer freundlichen Person in meinem »News Feed« bei Facebook habe ich eine Suchmaschine namens Benefind ausprobiert:

benefind

Dass die besten Bücher bei Amazon meine sind, schmeichelt natürlich meiner Eitelkeit. Feines Benefind!

Doch bei eBay wird mich niemand finden. Ziemlich daneben. Komisches Benefind!

Aber mich kann man – das wäre ja noch schöner! – weder »billig wie nie« noch zu sonstigen Preisen käuflich erwerben. Böses Benefind!

Immerhin: Wegen dieser Suchanfrage scheint Benefind was gespendet zu haben. Da kann man nicht meckern.

Damals. – Teil 3

Bevor ich es vergesse, dass bei Fortsetzungserzählungen ein Link zu den vorherigen Teilen zum guten Ton gehört, seien die Verweise hiermit erteilt: [Teil 1] [Teil 2]

Und was kommt nun? Na klar: Teil 3.

-- --- ---- ---- --- --

Natürlich war Maria neugierig. Ausgerechnet Elisabeth sollte im sechsten Monat schwanger sein. Niemand hatte darüber geredet, kein Mensch schien etwas davon zu wissen. Man hatte geredet, die Leute redeten ja dauernd, aber nur über Elisabeths Mann, der aufgrund eines Erlebnisses beim Priesterdienst stumm geworden war. Aber Schwangerschaft im hohen Alter? Da musste sich Maria selbst ein Bild von der Lage machen.

Sie brach eilig auf, um Zacharias und seine Frau in deren Heimatstadt zu besuchen. Als Maria in das Haus ihrer Verwandten kam, griff Elisabeth unwillkürlich mit der Hand an ihren Bauch, dessen Wölbung keinen Zweifel daran zuließ, dass der Engel die Wahrheit gesagt hatte. Maria hatte nicht sonderlich an den Worten Gabriels gezweifelt, aber nun war sie doch sehr überrascht, sich mit eigenen Augen überzeugen zu können.

Elisabeth spürte, dass ihr Kind förmlich in ihrem Bauch hüpfte, als das Mädchen sie begrüßt hatte. Sie wollte den Gruß in gewohnter Weise erwidern, aber als sie den Mund aufmachte, fühlte sie sich auf einmal wie von einem göttlichen Geist erfüllt und sprach Worte aus, die sie sich nicht zurechtgelegt hatte. Es war, als spräche der heilige Geist durch ihren Mund, und doch war sie es selbst, die rief: »Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes!«

Schon wieder so ein Wort, mit dem wir wenig anzufangen wissen. Gepriesen… Was müssen wir uns dabei vorstellen? Es gibt diverse Menschen, die heutzutage gepriesen werden. Ein Autor schreibt ein wunderbares Buch und wird von den Kritikern und Lesern gepriesen, womöglich nicht von Herrn Reich-Ranicki, aber das sei beiseite gelegt. Ein Spitzenkandidat wird von seiner Partei für die nächste Wahl aufgestellt und dann von den Parteimitgliedern gepriesen – zumindest so lange, bis er die Wahl verloren hat. Som ungefähr können wir uns die Bedeutung von gepriesen vorstellen.

Elisabeth war noch nicht fertig mit ihrer unerwarteten Begrüßung: »Und womit habe ich das verdient, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Weißt du was, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.«

Ob Maria wohl so ganz begriff, was ihr da statt eines »Hallo Maria, toll, dass du mich besuchen kommst« entgegen schallte? Sie hatte ja noch nichts erzählt von der Engelserscheinung, von ihrer eigenen angekündigten Schwangerschaft ohne männliches Zutun, von jenem rätselhaften Königsthron. Wir erinnern uns, dass Maria ein ganz normales frommes Mädchen war, nicht etwa eine sonderlich begabte Person mit geistlichen Einsichten und Aussichten. Zacharias immerhin war Priester, hatte mit dem Tempel, den religiösen Verrichtungen und Gebeten jede Menge Erfahrung, seine Frau Elisabeth war demzufolge sicherlich recht vertraut mit dem, was man von Gott wusste oder glaubte. Aber Maria?

Sie beantwortet Elisabeths Begrüßung mit einer Art Lobgesang: »Meine Seele erhebt den Herrn, und mein Geist freut sich Gottes, meines Heilandes; denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen.«

Marias ziemlich lange Antwort ist fast wie ein Blick in die Zukunft, denn sie beschreibt das, was Gott in der Vergangenheit getan hat, ohne dass sie bereits wissen kann, was ihr eigener Sohn rund dreißig Jahre später tun wird. »Seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht bei denen, die ihn fürchten«, sagt sie, »er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hochmütig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen.«

Worüber sich Elisabeth und Maria so unterhalten haben in den nächsten Wochen, ist uns nicht überliefert. Maria blieb etwa drei Monate; danach kehrte sie wieder heim, kurz bevor Elisabeth ihr Kind auf die Welt brachte.

Elisabeth und Zacharias bekamen einen Sohn. Nun war es aus mit der Geheimniskrämerei, denn das freudige Ereignis musste gefeiert werden. Die Nachbarn und Verwandten hörten, vermutlich mit ziemlichem Erstaunen, dass die Schmach der Kinderlosigkeit vorüber war, und sie freuten sich mit ihr. Sie hätten sich wohl schon vorher gefreut, wenn sie von der Schwangerschaft erfahren hätten, aber man kann ja verstehen, dass Elisabeth in ihrem hohen Alter diesbezüglich so zurückhaltend war.

Beschneidung, Bild in Regensburg c1300.jpgAm achten Tag kamen Freunde und Verwandte, das Kind zu beschneiden. Dies war nicht nur üblich, sondern es gehörte zum Leben der Juden als Selbstverständlichkeit dazu, seit Gott mit dem Stammvater ihres Volkes einen Bund geschlossen hatte. Wenn ein Junge auf die Welt kam, fand acht Tage später die Beschneidung seiner Vorhaut statt, und bei dieser Gelegenheit bekam das Kind dann auch seinen Namen. Das Fest nannte man Brit Mila.

Die versammelte Festgesellschaft wollte es nach seinem Vater Zacharias nennen. Die Tradition ließ eigentlich kaum eine andere Wahl zu. Aber Elisabeth widersprach energisch: »Nein, sondern er soll Johannes heißen.«

Das war der Name, den Gabriel genannt hatte, als er Zacharias am Räucheraltar mit der unglaublichen Botschaft aufgesucht hatte. Wir verstehen, dass weder Elisabeth noch Zacharias daran dachten, von dieser Vorgabe abzuweichen, nachdem nun alles andere, was der Engel verkündet hatte, sich als richtig erwiesen hatte, einschließlich der Beraubung des Vaters um seine Stimme.

Die Gäste versuchten, Elisabeth zur Vernunft beziehungsweise zur Tradition zu bewegen: »Es ist doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt!«

Elisabeth blieb stur. Sie winkten schließlich dem Vater des frisch beschnittenen Säuglings, wie er ihn denn wohl nennen lassen wollte.

Zacharias, seit neun Monaten daran gewöhnt, sich mittels Gesten und notfalls schriftlich auszudrücken, forderte eine kleine Tafel und schrieb: Er heißt Johannes.

Nun wunderten sich alle um so mehr, denn er als Priester hätte doch Tradition und Gebräuche um so höher achten müssen?

In diesem Moment erfüllte sich auch der letzte Rest der Voraussagen am Räucheraltar. Sein Mund wurde aufgetan und seine Zunge gelöst. Er redete und lobte Gott.

Selbstverständlich kannte er als Priester die Schriftrollen der Propheten, aus denen in den Synagogen vorgelesen wurde. Er zitierte in seiner Rede einige dieser Voraussagen, aber was er nun, als er nach mehr als neun Monaten wieder sprechen konnte, über seinen Sohn Johannes sagte, ging doch deutlich über das hinaus, was er rein menschlich betrachtet wissen konnte.

»Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und erlöst und hat uns eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David aufgerichtet. Das hat er bereits vor sehr langer Zeit durch den Mund seiner heiligen Propheten angekündigt, dass er uns errettet von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen.« Die Zuhörer nickten womöglich, denn sie kannten ja auch die uralten Prophetien, auf deren Erfüllung das Volk hoffte, seit die Römer die Herrschaft übernommen hatten. Man tröstete sich mit dieser Hoffnung über die trostlose Realität hinweg, doch warum Zacharias daran ausgerechnet bei der Beschneidung seines Sohnes erinnerte, war nicht ganz verständlich.

Zacharias fuhr fort: »Gott hat versprochen, unsern Vätern Barmherzigkeit zu erzeigen und an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er unserm Vater Abraham geschworen hat, zu denken.«

Nun war der Zusammenhang schon etwas verständlicher, denn seit Abraham diesen ewigen Bund mit Gott geschlossen hatte, gab es die Beschneidung, die man gerade feierte.

»Gott hat uns versprochen, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienen werden. Und zwar ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen«, fügte Zacharias noch hinzu.

Vielleicht dämmerte einigen Verwandten und Freunden, dass der stolze Vater der Geburt seines Sohnes mehr Bedeutung beimaß als – bei aller Freude über den so spät im Leben noch erfüllten Kinderwunsch – zu erwarten war. Sollte die Namensgebung eine tiefere Bedeutung haben? Meinte Zacharias, dass die Erlösung aus der Hand der Feinde, der Römer, unmittelbar bevorstand?

Nun sah Zacharias seinen Sohn Johannes an und erklärte: »Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und seinem Volk Erkenntnis des Heils gibst in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.«

Es war eine merkwürdige Stimmung, die sich jetzt breit machte in der Festtagsrunde. Furcht kam über alle Nachbarn; und diese ganze Geschichte wurde bekannt auf dem ganzen Gebirge Judäas, also weit über die nächste Nachbarschaft hinaus. Und alle, die es hörten, nahmen es sich zu Herzen und sprachen: »Was, meinst du, will aus diesem Kindlein werden?«

»Denn die Hand des Herrn war mit ihm«, hat jemand aufgeschrieben, der diese Geschichte auch schon erzählt hat. Woran das in der Kindheit und Jugend des Johannes erkennbar war, wissen wir leider nicht, aber wir können immerhin glauben, dass Johannes wuchs und stark im Geist wurde.

Und dann verschwand er.

-- --- ---- ---- --- --

Die Fortsetzung? Die folgt demnächst.

Sonntag, 17. Oktober 2010

Damals. – Teil 2

Bevor ich mich wieder erinnern lasse, dass bei Fortsetzungserzählungen ein Link zu den vorherigen Teilen zum guten Ton gehört, sei der Verweis hiermit erteilt: [Teil 1]

Und was kommt nun? Na klar: Teil 2.

-- --- ---- ---- --- --

Elisabeth wurde schwanger, gegen alle Erwartungen und Wahrscheinlichkeiten. Nun hätte man meinen mögen, dass sie von ihren Zustand voller Freude Freunden, Nachbarn und Verwandten erzählt hätte, denn immerhin war nun die Schande, die zu jener Zeit mit der Kinderlosigkeit einher ging, Vergangenheit geworden. Doch sie versteckte sich vor den Menschen, nur Zacharias wusste, dass Gabriel ihm tatsächlich eine Botschaft Gottes gebracht hatte.

Fünf Monate lang zog sich Elisabeth zurück und war zufrieden damit, dass der Herr sie mit Wohlgefallen angesehen und »die Schmach von mir genommen« hatte, wie sie sich ausdrückte. Sie freute sich und wollte ihre Freude mit niemandem teilen. Oder wollte sie ihre Freude von niemandem trüben lassen?

Eigentlich ging es ja niemanden etwas an, ob ein alt gewordenes Paar das nächtliche Ruhelager nur noch für den Schlaf nützte oder nach wie vor Gefallen am Verschmelzen der beiden Körper fand. Aber die Nachbarn, sie redeten eben gerne und viel und nicht immer freundlich … da war es wohl besser, sich nicht zum Gegenstand der Unterhaltungen zu machen.

Als Elisabeth im sechsten Monat ihrer Schwangerschaft war, hatte Gabriel in einer Nachbarstadt eine weitere Botschaft zu überbringen.

 Maria, frisch verlobt.Er suchte in Nazareth ein Mädchen auf, eine gewisse Maria. Seine Botschaft war noch um einiges unerhörter, als die Nachricht an Zacharias, aber dazu kommen wir gleich. Erst wollen wir noch festhalten, dass Maria verlobt war, mit einem jungen Mann namens Joseph. Seinerzeit und in jener Gegend gab es zwischen verlobt und verheiratet manche Unterschiede, und einer davon bestand darin, dass ein Verschmelzen der Körper – profan würde man wohl das Wort Sex wählen – und somit eine Schwangerschaft ausgeschlossen war. Es gab zwar Frauen, die das Bett mit Männern teilten, mit denen sie nicht verheiratet waren, genauso wie es Männer gab, die ständig auf der Suche nach solchen Frauen waren, aber für Maria wäre das undenkbar gewesen, wie für die meisten jungen Menschen. Wir sind, wie gesagt, weit in der Zeit zurück gereist und mancher mag das heute für unvorstellbar halten. Jedoch – es war nun einmal so.

Als der Engel bei Maria auftauchte, erschrak sie nicht so sehr über das unerwartete Erscheinen des Boten, sondern mehr über seine merkwürdigen Worte.

»Gegrüßet seist du, Holdselige«, sprach Gabriel das Mädchen nämlich an, »der Herr ist mit dir, du Gebenedeite unter den Frauen.«

Holdselig, gebenedeit – solche aus unserem aktiven Wortschatz verschwundenen Wörter machen es uns etwas schwer. Aber sie sind immerhin bei jemandem zu finden, der diese Geschichte vor längerer Zeit erzählt hat, und er hat seine Worte stets mit Bedacht gewählt. Wir wollen versuchen, uns begreiflich zu machen, warum Maria bei dieser Anrede erschrak.

Sie war ein ganz normales Mädchen, keine Fürstentochter, nicht verlobt mit einem Königssohn, sondern mit einem Tischler. Doch der unvermutete und unheimliche Besucher grüßte sie wie eine hochgestellte Persönlichkeit. Was sollte diese übertriebene Anrede, welchen Zweck verfolgte der sonderbare Mann, der da vor ihr stand? Maria war zu Recht erschrocken. Wie Zacharias vor seinem Räucheraltar natürlich wegen des unerwarteten und unerklärlichen Auftauchens einer Gestalt, aber eben auch angesichts der völlig unpassenden Worte für ein junges, normales, überhaupt nicht außergewöhnliches Mädchen.

Hatte Gabriel vor lauter Ehrerbietung das Naheliegende, nämlich ein paar beruhigende Worte, übersehen? Immerhin sagte er nun im zweiten Satz: »Fürchte dich nicht, Maria, denn du hast Gnade gefunden bei Gott.«

Göttliche Gnade – das war nun durchaus ein Grund, sich nicht zu fürchten, oder sich wenigstens nicht mehr allzu sehr zu fürchten, so irritierend auch der Beginn der Ansprache gewesen war. Marias Herz klopfte wohl etwas weniger wild, als sie weiter zuhörte.

»Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen, dem sollst du dann den Namen Jesus geben. Er wird ein bedeutender Mensch sein, man wird ihn als Sohn des Höchsten bezeichnen. Gott der Herr wird ihm den Königsthron seines Vaters David geben.«

David? Maria war nun noch verwirrter als zuvor. Sie sollte und wollte doch Joseph heiraten, aber wenn der Vater ihres Kindes David hieß, dann wurde aus der geplanten Hochzeit wohl nichts? Und warum sollte ausgerechnet ihr Sohn, wenn sie irgendwann, in drei oder vier Jahren vielleicht, einmal einen bekommen würde, ein bedeutender Mann werden, den die Leute noch dazu als Sohn des Höchsten bezeichnen würden? Darüber hinaus war es irritierend, dass von einem Königsthron die Rede war. Der Königsthron Davids stand für die Herrschaft über dieses Volk, und die war nun schon eine ganze Weile vorbei, da die Römer nun das Sagen hatten. Maria schüttelte den Kopf angesichts der vielen Ungereimtheiten. Sie versuchte, weiter zuzuhören, denn der Engel war noch nicht fertig.

»Er wird für immer König sein über das Haus Jakob, sein Königreich wird nämlich kein Ende haben.«

Nun, als das Mädchen die Gelegenheit hatte, etwas zu dieser unverständlichen Botschaft zu sagen, fiel ihr zuerst die biologische Voraussetzung für das ganze Gedankengebäude ein: »Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?«

Von keinem Mann wissen, das bedeutete nichts anderes, als dass sie weder mit ihrem Joseph noch sonst einem Mann eine intime Beziehung hatte, und auch nicht haben wollte, bevor sie rechtmäßig und ordnungsgemäß verheiratet war. Einen David, der als Bräutigam in Frage kommen sollte, kannte sie noch nicht einmal. Ganz zu schweigen von einem David, der Anspruch auf das Königtum hätte.

Gabriel hatte den Priester Zacharias ein paar Monate zuvor mit einer temporären Verstummung bedacht, als dieser Einwände gegen die Botschaft vorgebracht hatte. Mit Maria ging er nun doch behutsamer um. Anstatt ihre Frage als Unglaube oder Widerborstigkeit auszulegen und zu ahnden, erklärte er ihr geduldig, wie sie zu einem Sohn kommen würde.

»Der heilige Geist wird über dich kommen, die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Aus diesem Grund wird auch das Heilige, das du zur Welt bringen wirst, Sohn des Höchsten genannt werden.«

Vorstellen konnte sich das Mädchen nach dieser Erklärung immer noch nichts, obwohl der Begriff heiliger Geist ihr aus dem Tempel und der Synagoge nicht ganz fremd war. Vermutlich las Gabriel die Verwirrung in ihren Augen und gab ihr noch ein Zeichen mit auf den Weg, an dem sie erkennen konnte, dass er ihr wirklich eine Botschaft von Gott gebracht hatte. Er verriet Maria ein Geheimnis: »Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn. Und das in ihrem hohen Alter. Alle gingen davon aus, dass sie unfruchtbar wäre, und jetzt ist sie im sechsten Monat. Bei Gott ist nämlich kein Ding unmöglich.«

Elisabeth sollte schwanger sein? Ausgerechnet diese nette alte Dame? Maria beschloss, nicht weiter nachzudenken, was alles möglich oder unmöglich war. Sie glaubte an Gott und kannte die Geschichten von den Wundern, die in der Vergangenheit geschehen waren. Vom Wasser in der Wüste für ein ganzes Volk bis zum lodernden Feuer auf einem Altar, der vorher samt Opfer darauf mit Wasser geradezu überflutet worden war. Selbstverständlich konnte dieser Gott tun, was er sich vorgenommen hatte, ob man das als Mensch nun begriff oder nicht. Also antwortete das Mädchen nur: »Ich bin eine Dienerin des Herrn, mir geschehe, was du eben angekündigt hast.«

Der Engel war zufrieden, er hatte seinen Auftrag erfüllt, Maria hatte eingewilligt. Er verließ die Holdselige.

-- --- ---- ---- --- --

Die Fortsetzung? Die folgt demnächst.

Freitag, 15. Oktober 2010

Damals. Eine alte Geschichte, die nicht alt werden will.

Es ist so eine Sache mit den Fortsetzungsgeschichten… – der eine schätzt sie, die andere hat lieber alles auf einmal. Das ginge in diesem vorliegenden Erzählfall gar nicht, weil ich noch längst nicht fertig bin mit dem Schreiben. Viele Leser werden trotzdem wissen, wie es weiter geht, denn diese Geschichte ist schon alt. Viele haben sie erzählt. Und diesen vielen schließe ich mich an.

-- --- ---- ---- --- --

Damals – ach ja, liebe Leser, wir reisen ziemlich weit zurück und auch noch in eine andere Weltgegend – damals also regierte ein gewisser Herodes als König in Judäa. Im Tempel verrichtete ein Priester namens Zacharias seinen Dienst. Der war mit Elisabeth verheiratet, ein Zölibat für Priester kannte man noch nicht, das wurde erst viel später ersonnen. Außerdem sind wir ja in Judäa, und bei den Juden war und blieb die Ehe der wünschenswerte Fall für jeden Menschen.

Zacharias und Elisabeth waren fromme Menschen, sie hielten sich an die Gebote und Satzungen ihres Volkes. Niemand konnte ihnen irgendwelche Verstöße dagegen vorwerfen, und das wollte etwas heißen angesichts der vielen und detaillierten Vorschriften, die es zu befolgen galt.

Es war zu der Zeit, von der wir reden, so etwas wie ein Fluch, keine Kinder zu haben, aber da Elisabeth unfruchtbar war und von künstlicher Befruchtung ungefähr die nächsten etwa 2000 Jahre noch nicht die Rede sein würde, hatte sich das mittlerweile betagte Paar damit abgefunden. Schweren Herzens, sicher, aber es blieb den beiden ja nichts anderes übrig.

Zum Dienstplan eines Priesters gehörte das sogenannte Räuchern. Zacharias ging an jenem Tag, der so vieles änderte, pünktlich in den Tempel, um in einem bestimmten Raum auf dem Räucheraltar die vorgeschriebenen Verrichtungen durchzuführen. Das Volk durfte nicht hinein; die Leute warteten draußen und sprachen die für diese Stunde üblichen Gebete.

Bild wie fast immer von SXC.huZacharias ahnte und bemerkte nichts Ungewöhnliches. Es war dies ein Dienst wie viele zuvor und noch viele weitere – dachte er zumindest. Bis er aufschaute und eine Gestalt sah, die rechts neben dem Räucheraltar stand. Sein Gesicht wurde ungefähr so weiß wie der Kalk an der Wand hinter dem Altar, die vom Alter gebeugten Beine wollten fast ihren Dienst versagen, die Hände zitterten und der Schweiß brach ihm aus. Es war ja nicht nur verboten, sondern buchstäblich unmöglich, dass sich jemand außer ihm selbst zur vorgeschriebenen Räucherstunde in diesem Raum aufhielt. Es gab schließlich nur einen Zugang, und wenn jemand nach ihm durch die Tür gekommen wäre, hätte Zacharias das bemerken müssen. Einen Augenblick zuvor war er noch allein gewesen mit seinem Rauchwerk.

Sein erster Impuls war natürlich die Flucht. Naheliegend, aber wohin? Durfte er denn seinen Räucherdienst mittendrin abbrechen? Konnte man vor einer derartigen Erscheinung überhaupt davonlaufen? War es grundsätzlich denkbar, dass ein Geist sich im Tempel des Herrn, noch dazu beim Räucheraltar, aufhalten konnte? Hätte die Heiligkeit Gottes das nicht verhindert? Oder war dies womöglich…

Im Gegensatz zum panischen Zacharias wissen wir, dass ein Engel dort stand, denn diese Geschichte haben schon andere erzählt, mündlich zunächst, weil Schreibmaterialien kostbar und kaum zur Hand waren. Später wurde alles aufgeschrieben in Schriftrollen, noch viel später sogar in Büchern und – was Zacharias wie Hexenwerk hätte vorkommen müssen – in Form von Nullen und Einsen, aus denen vor dem Auge des Betrachters dann auf Knopfdruck Worte auf einem Bildschirm entstehen. Schon die Beschreibung eines Bildschirmes an und für sich hätten Zacharias und Elisabeth am gesunden Geist des Beschreibenden zweifeln lassen.

Heute zweifelt ja mancher am gesunden Geist des Erzählenden, wenn er von einem Engel zu berichten weiß. Die Zeiten ändern sich, und mit ihnen das, was vorstellbar und vernünftig zu sein scheint.

Doch wir wollen ja keine Zeitsprünge hin und her machen, sondern wir sind und bleiben im Tempel, in der Kammer mit dem Räucheraltar. Zacharias starrte die Gestalt an und wusste nicht, was tun.

Der Engel sah wohl, dass Zacharias, der nicht mehr der Jüngste war, jeden Moment vor lauter Angst der Kreislauf versagen konnte. Also versuchte er zuerst einmal, den Mann zu beruhigen: »Fürchte dich nicht, Zacharias.«

Der Angesprochene beruhigte sich allerdings keineswegs. Jeder böse oder gute Geist konnte ihn schließlich so anreden, um sein Vertrauen zu erschleichen. Mit einem »fürchte dich nicht« war noch lange nicht geklärt, ob da ein Teufelswesen oder ein Engel Gottes neben dem Räucheraltar stand.

»Dein Gebet ist erhört worden«, fuhr der Engel fort, »und deine Frau wird einen Sohn zur Welt bringen, der dann Johannes heißen wird.«

Zacharias hörte zu, es blieb ihm ja keine andere Wahl. Von erhörtem Gebet konnte eigentlich nur ein gutes Wesen sprechen, das war einigermaßen beruhigend, aber gleichzeitig offenbarte sich in den Worten eine ziemliche Ahnungslosigkeit bezüglich der Fortpflanzungsfähigkeit im fortgeschrittenen Lebensalter.

»Du wirst«, fuhr der himmlische Bote fort, als wäre er durch die misstrauisch zweifelnde Mine des Priesters etwas irritiert, »eine Menge Freude an dem Jungen haben, und auch andere Menschen werden über ihn jubeln. Er wird einer der ganz Großen vor dem Herrn sein, vom Mutterleib an mit heiligem Geist erfüllt. Daher wird er übrigens keinen Wein oder andere alkoholische Getränke trinken wollen. Viele Menschen deines Volkes werden durch ihn den Weg zurück zu einer Beziehung mit Gott finden.«

Zacharias war, das wissen wir ja bereits, ein sehr frommer Mensch. Er war ein Priester, der seinen Beruf als Berufung verstand, nicht als eine von mehreren Möglichkeiten, sein Brot zu verdienen. Nein, er meinte es ernst, er glaubte an Gott. Daher war ihm diese Lobeshymne auf seinen nicht existierenden Sohn ganz sympathisch. Allerdings blieb er skeptisch, denn die erfreuliche Voraussage hatte ja einen Haken, einen ziemlich widerspenstigen sogar. Seine liebe Frau konnte in ihren fruchtbaren Lebensjahren nicht schwanger werden, und nun war es ganz einfach zu spät dafür. Viel zu spät.

Der Engel, offenbar keiner von der wortkargen Sorte, ließ sich einstweilen nicht aufhalten in seiner Rede.

»Dein Sohn wird wie damals Elia mit bemerkenswerter Kraft und im Geist Gottes wirken. Die Kinder und die Eltern wird er miteinander versöhnen, den Ungläubigen wird er aufschließen können, wie klug die Gerechtigkeit Gottes ist. Er wird das ganze Volk vorbereiten.«

Vorbereiten? Worauf? Im Grunde war das zweitrangig, denn nach wie vor stand ja keine Schwangerschaft zu erwarten. Vielleicht hatte der Engel sich in der Adresse geirrt? Oder – da atmete Zacharias auf – er sprach nur bildlich von einem Sohn – es konnte ja ein Jugendlicher in Frage kommen, der wie ein Sohn von Zacharias gelehrt und erzogen wurde. Das konnte wohl die Lösung für das große Rätsel sein. Andererseits hätte der Bote Gottes dann doch wohl von einem Jünger, einem Schüler sprechen sollen?

Als er nun endlich selbst zu Wort kommen konnte, fragte der Priester zunächst das Naheliegende: »Woran soll ich denn erkennen, dass diese Prophetie stimmt? Meine Frau ist betagt, und ich bin auch nicht mehr der Jüngste. Oder ganz einfach ausgedrückt: Wir sind alt. Zu alt.«

Als hätte er es am Anfang vergessen, stellte sich der Engel nun endlich vor: »Ich bin Gabriel, der vor Gott steht.«

Zacharias erschrak, denn wenn das stimmte, dann hatte er es mit einem der ganz großen Fürsten unter den Engeln zu tun. Solch einem Wesen sollte man eher nicht mit Fragen und Widersprüchen kommen … aber nun war es ja zu spät.

»Und ich bin gesandt, um mit dir zu reden«, erklärte Gabriel. »Ich habe den Auftrag, dir das, was ich gesagt habe, zu verkündigen. Und nun achte auf meine Worte: Du wirst verstummen und nicht mehr reden können, weil du meinen Worten nicht geglaubt hast. Was ich gesagt habe, wird in Erfüllung gehen. Wenn es dann soweit ist, wirst du auch nicht mehr stumm sein.«

Zacharias konnte nicht mehr widersprechen, weil er tatsächlich keine Stimme mehr hatte. Hätte er es sonst gewagt, darauf hinzuweisen, dass Gabriel sich ja ruhig zuerst hätte vorstellen können? Vermutlich nicht, denn ein Engel war nun mal ein Bote Gottes, und was Gott tat und durch seine Boten sagte, musste er als Mensch weder kommentieren noch gar in Frage stellen. Dass Zacharias ein sehr frommer Mensch war, hatten wir ja schon zur Kenntnis genommen.

Die Menschen draußen wunderten sich unterdessen bereits, dass der Räucherdienst an diesem Tag so ungewöhnlich lange dauerte. Sie murmelten miteinander, denn die Gebete waren längst gesprochen. Eigentlich hätte man nachschauen müssen, ob der alte Zacharias womöglich einen Schwächeanfall erlitten hatte, aber zum Räucheraltar hatten ausschließlich Priester Zutritt. Es gab genug Geschichten von Menschen, die tot umgefallen waren, weil sie sich unbefugt auf verbotenes, auf heiliges Gebiet gewagt hatten. Keiner wäre freiwillig in den Raum gegangen, in dem vielleicht ein bewusstloser Zacharias lag, und vielleicht lebte er ja auch gar nicht mehr?

Dann erschien der Priester endlich, ein Blick in sein Gesicht genügte, um zu wissen, dass irgend etwas Ungewöhnliches vorgefallen sein musste. Er sprach kein Wort, winkte, machte Zeichen mit der Hand. Die meisten Menschen waren sich relativ schnell einig: Er muss wohl ein Gesicht gesehen, eine Vision gehabt haben. Er schien, abgesehen davon, dass er offenbar stumm bleiben wollte oder musste, gesund zu sein. Sein Winken deutete man schließlich als Ersatz für die normalerweise übliche Verabschiedung. Die Gebete waren gesprochen, der Priester hatte geräuchert, und das Volk ging nach Hause.

Zacharias blieb, denn seine Dienstzeit war noch nicht vorbei. Er war nicht nur fromm, sondern auch gewissenhaft und eine Begegnung mit einem Engel änderte ja nichts an den festgesetzten Zeiten und seinen Aufgaben. Erst zur üblichen Stunde ging er dann nach Hause zu seiner Frau.

-- --- ---- ---- --- --

Fortsetzung? Demnächst.

Mittwoch, 13. Oktober 2010

140? 140!

41aMb8ofSxL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-arrow-click,TopRight,35,-76_AA300_SH20_OU03_[1] Ein Buch, nein, eher ein Büchlein, wurde mir anlässlich meines Geburtstages vor einigen Wochen von meinem Freund Haso im Kreise der geladenen Geburtstagsgäste als Geschenk überreicht. Ein Büchlein, das mich – endlich, würde mein Freund seufzen – auf den Geschmack bringen sollte.

Nun sind mir Bücher stets willkommen, die meisten wenigstens, von Frau Elfriede Jelinek ist ja hier nicht die Rede. Ich las also mit nicht unbeträchtlichem Vergnügen, was Menschen, die zum Stamm der Twitterjünger gehören, so von sich gegeben hatten. Nein, nicht Zwitter, lieber Leser, Twitter mit T.

Ich hatte mich bereits seit Februar 2010 mit Mikroliteratur gedanklich beschäftigt, treuen Blogbesuchern ist das nicht verborgen geblieben, Facebook-Freunden noch viel weniger. Mit fremder und eigener, wobei es sich immer leichter lesen als schreiben lässt. Mit gefiel so manches was ich las recht gut, ganz unabhängig von der Twitterei, zum Beispiel dieses Stück Literatur:

For sale: Babyshoes. Never worn.

Diese fünf Worte erzählen mehrere Geschichten, mir zumindest. Da ist die tragische, die Geschichte des Verlustes, des Schmerzes, der Verzweiflung: Das Kind kam tot zur Welt, die Schuhe sind nun obsolet. Oder die andere, nicht minder ans Herz gehende: Mutter und Kind sind Opfer der Unbarmherzigkeit des Schicksals geworden. Da ist aber auch die andere Geschichte: Vier Paar Babyschuhe wurden zur Geburt geschenkt, und mehr als zwei nun wahrlich nicht gebraucht, das Kind wächst ja schnell aus ihnen heraus. Oder sind die Babyschuhe in lieblichen Rosatönen gestaltet, was sich am Fuß eines Buben etwas sonderbar ausnimmt?

Ich merke: Ich schweife ab. Es soll doch hier um das Twitterbuch gehen, um den liebevollen Versuch meines Freundes, mich endlich zu Twitter zu bekehren.

Twitter ist eine Kommunikationsplattform, die sich dem normalen Internet, aber auch Mobiltelefonen zugänglich zeigt. Dabei gibt es eine Eigentümlichkeit: Es stehen 140 Zeichen zur Verfügung für eine Nachricht, die man mangels deutscher Sprachkompetenz oder aus reiner Faulheit und Gewöhnung als »tweet« zu bezeichnen pflegt. 140 Zeichen, unerbittlich, und die Leerzeichen zählen mit. Was kann man – nein, falsch formuliert – was kann ich mit einem solchen Medium anfangen?

140Das, so sagte ich mir, kann ich nur herausfinden, wenn ich versuche, mich den Fesseln zu unterwerfen, die mir bei Twitter angelegt würden, wenn ich mich je in das enge Gefängnis der nur 140 Zeichen großen Wortzelle sperrte.

Um es mir noch schwerer zu machen, nahm ich eine freiwillige weitere Bürde auf mich: Es müssen genau die 140 Zeichen sein, nicht etwa nur 139 oder gar noch weniger.

Wer mit seiner Computermaus oder über den Umweg eines berührempfindlichen Feldes mit dem Finger auf das diese Worte begleitende Bild klickt, kann einige handschriftliche Experimente in Augenschein nehmen. Wer die Resultate lieber als fertigen Text betrachtet, möge das Auge auf den folgenden Zeilen ruhen lassen.

Es kehrt endlich bei uns Friede ein. Die letzte Schlacht geschlagen, das letzte Blut vergossen. Keiner greift mehr zur Waffe. Es ruhen alle.

Maria legt die Hand auf seinen Bauch. Er atmet tief. Wird sie erspüren, wie sehnlich er die wenigen Zentimeter überwunden wünscht? Ausatmen.

Der Fluch der 140 Zeichen. Kein Entrinnen, keine Gnade. Oder Segen der 140 Zeichen. Kein Verzug, kein Zaudern. Sind 140 Zeichen Ja und Amen?

Das Bett, zwei ebene Flächen, belegt von bauschigen Kissen und Decken in strahlendem Weiß. Sie werden keine Decke brauchen, die Liebe wärmt.

Na bitte. Vier mal 140 Zeichen, vier Geschichten voller Spannung, Tragik, Dramatik, Erotik, Liebe, Hass, Leben und Tod. Und das noch mit religiöser Deutungsmöglichkeit, wenn jemandem danach ist und auch für die Friedensbewegung tauglich.

Es geht also, sagte ich mir. Es ist erst mühsam, aber es geht. Und es macht sogar Spaß.

Und wird er nun zum Twitter greifen? Das Zaudern dauert an. Es will der Sinn sich nicht erschließen. Doch braucht der Mensch für alles Sinn?

Dienstag, 12. Oktober 2010

Spamzeichen !!!

Ich bin dieser Tage recht beschäftigt mit Arbeit aller Art. Daher heute nur dieser Hinweis auf ein beinahe untrügliches Zeichen, dass eine Mail zu Recht im Spam-Ordner gelandet ist: Wenn ein ! in der Betreffzeile auftaucht, kann man die Mail unbesehen löschen.

spamzeichen 

Ähnliches gilt übrigens auch für Facebook-Nachrichten und manches andere, was so im Netz herumvagabundiert. Je mehr !!! auftauchen, desto wahrscheinlicher ist, dass sich nichts Lesenswertes unter dem Betreff verbirgt.

Sonntag, 10. Oktober 2010

Neuland – die komplette Geschichte

NeulandEine Erzählung, die mit dem Grauen eines Morgens beginnt. Fritz Wegemann sieht sich eingekreist, umzingelt. Und das ist erst der Anfang des Grauens. Die Menschheit ist dabei, sich endlich und endgültig auszulöschen ... kann es wirklich sein, dass ausgerechnet er eine Chance bekommt, der Apokalypse zu entgehen?

Meine regelmäßigen Blogbesucher wissen, was auf Fritz Wegemann wartet. Die Geschichte ist hier in Fortsetzungen zu lesen gewesen.

Dabei gab es – das hatte ich gehofft – Anmerkungen und Fehlerhinweise von meinen Lesern, die ich natürlich aufmerksam beachtet und bei der Überarbeitung nicht außer Acht gelassen habe. Wie ich es versprochen habe gibt es nun diese überarbeitete Geschichte »am Stück«.

Ab sofort steht die Erzählung »Neuland« als kostenloses E-Book zur Verfügung, und zwar wie bei meinen Werken gewohnt in den gängigen Formaten auch für die Lesegeräte, die sich ja immer größerer Beliebtheit erfreuen, also als EPUB, für den Amazon Kindle, als PDF und als Custom PDF.

Bittesehr: http://www.feedbooks.com/userbook/15955 

Viel Spaß!

Freitag, 8. Oktober 2010

Vorfreude

Ich freue mich auf den 23. Oktober. Da habe ich das Vergnügen, Colosseum zu erleben, hier in Berlin.

Und das in eher intimem Rahmen. Wird bestimmt großartig.

Donnerstag, 7. Oktober 2010

Hotelzimmer

Sie sinkt nicht wirklichAnja – wir wissen nicht, wie sie heißt, aber wir nennen sie so – Anja ist im Badezimmer verschwunden. Jürgen – auch ihn nennen wir einfach so, weil es uns beliebt – steht an der Balkontüre. Draußen sinkt die Sonne in das Wasser der Nordsee, möchte man meinen, doch leider ist bekannt, dass es nur so scheint. Abendrotes Licht verwandelt das Hotelzimmer in einen Ort, der nicht irdisch ist.

Das Bett, zwei ebene Flächen, belegt von bauschigen Kissen und Decken, ordentlich gefaltet. Das Weiß der Laken und Bezüge möchte ein Orange sein. Die Fuge, rotbraun vom sonderbaren Licht, die Fuge zwischen den Hälften könnte eine Grenze sein. Oder eine Kluft verschließen.

Jürgen lauscht dem Plätschern der Dusche, unter der Anja die Augen schließt. Die Tür zum Bad ist angelehnt. Eine Möwe ruft von draußen.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Von (emergenten) Theoretikern und (missionalen) Praktikern

chessWir wollen mal ein wenig schwarz-weiß-Malerei betreiben:

Der Theoretiker stellt Fragen. Warum ist das so, wie es ist? Muss das so bleiben, wie es ist? Ist das zwingend so, wie es ist? Was wäre, wenn das nicht mehr so wäre, wie es ist?
Dabei ist es erst einmal gar nicht entscheidend, ob eine Veränderung möglich ist, ob eine Veränderung irgend eine Verbesserung bewirkt. Es geht um das Quer- Weiter- und Nachdenken. Der Theoretiker ist neugierig, hat keine Angst vor Sackgassen und Irrwegen; Erfolg ist für ihn nicht zwingend daran gebunden, ein Ergebnis vorzeigen zu können.

Der Praktiker orientiert sich am Machbaren. Er will etwas erreichen, zum Positiven verändern, seinen Auftrag erledigen; und wenn das bisher Machbare dazu nicht ausreicht, blickt er sich um: Was machen andere, erreichen sie ihre Ziele besser als ich, indem sie anders handeln? Wenn ja, welchen Rezepten, welchen Erfahrungen folgen sie? Kann ich aus ihrem Beispiel lernen und mit meinen Zielen vorankommen?
Erfolg ist für den Praktiker messbar an den Ergebnissen seines Handelns.

Genug schwarz-weiß? Jawohl. Also ab in die Grauzone, aber dalli!

Wahrlich gibt es kaum den Praktiker und den Theoretiker, sondern wir Menschen tendieren entweder in die eine oder in die andere Richtung, mehr oder weniger ausgeprägt. Das führt zu mehr oder weniger ausgeprägten Reibungen. Und das muss noch nicht einmal von vorne herein als missliche Situation verstanden werden.

Es mag sein, dass die »emerging church« in den USA aufgehört hat, zu existieren. Manche schreiben das so nieder. Ich weiß auch nicht, wie es regional in Deutschland aussieht, womöglich ganz anders, aber zumindest in meinem Umfeld ist die »emerging church« nicht des Todes gestorben. Es hat sie nämlich nie gegeben.
Statt dessen gab und gibt es ein »emergentes Gespräch« auf vielfältige Weise. Da wird auf Blogs und in Büchern geschrieben, bei Konferenzen und an Stammtischen diskutiert. Und mancher Mitmensch fragt sich oder die Allgemeinheit, wo denn die praktischen Auswirkungen, die sichtbaren Früchte wären. Jahrelange Diskussionen, gut und schön, aber was ist dabei herausgekommen?
Man könnte nun darauf verweisen, dass missionales Handeln mit emergentem Denken in vielen Aspekten sehr verwandt ist, man könnte darauf hinweisen, dass so manche Kirche und Gemeinde angefangen hat, dort zu sein, wo die Menschen sind, anstatt im sicheren Hort der eigenen vier Wände zu verharren und (vergeblich) darauf zu warten, dass die Ungläubigen hereinströmen. Man könnte auf so manche andere positive Entwicklung, positiv zumindest im Empfinden emergenter Theoretiker, verweisen.

Doch diese Reaktion bleibt weitgehend aus, weil es beim emergenten Dialog gar nicht darum ging und geht, ein neues Rezept, eine To-Do-List mit zehn Punkten vorzulegen. Es geht nicht darum, eine endgültige Wahrheit in Stein zu meißeln. Die Frage, wer Recht hat und wer sich irrt, ist nicht relevant. Und die Definitionen, was eigentlich emergent und was missional ist, sind Legion. Statt schwarz-weiß zu malen verharren emergente und missionale Christen ganz gerne in der Grauzone.

Ich meine, dass wir beide brauchen, die Theoretiker und die Praktiker, und all die Mischformen zwischen den Extremen sowieso. Es wird - wie gesagt, ich rede nur vom mir persönlich vertrauten Umfeld - keine emergente Vorzeigekirche geben. Wenn es eine gäbe, müsste man ihre Praktiken, Regeln, Hierarchien, Ämter und Lehrgebäude umgehend in Frage stellen.

Montag, 4. Oktober 2010

Vom verschobenen Blogbeitrag

Eigentlich wollte ich heute einen Beitrag bringen, der sich mit Theorie und Praxis beschäftigt, aber als ich ihn noch einmal durchlas, schien er mir auf einmal aus einem bestimmten Blickwinkel noch nicht richtig durchdacht.

Also kommt er später. Sobald ich ihn noch einmal überarbeitet haben werde.

Also gibt es heute hier nichts.

Nanu? Da weint jemand?

Huch? Noch jemand weint?

Na gut. Dann gibt es wenigstens den Anfang des verschobenen Beitrages:

Wir wollen mal ein wenig schwarz-weiß-Malerei betreiben:

Der Theoretiker stellt Fragen. Warum ist das so, wie es ist? Muss das so bleiben, wie es ist? Ist das zwingend so, wie es ist? Was wäre, wenn das nicht mehr so wäre, wie es ist?

So. Aus. Mehr dann, wenn es so weit ist. Schluss jetzt.

Sonntag, 3. Oktober 2010

Von Rillen und Nadeln

Eine gewisse Zeit vor dem jährlichen Geburtstag wird man in der Regel von Freunden und Verwandten bezüglich eines Wunsches befragt, denn die schöne Sitte, zum Wiegenfeste etwas zu schenken, hat bis heute alle Wirren der Zeit überdauert. Ich wurde allerdings in diesem Jahr so gut wie gar nicht nach meinen Wünschen gefragt, denn ich hatte bei der Einladung zur 55er Feier den lieben Gästen gleich mit auf den Weg gegeben, dass ich mich über schnöden Mammon in eine Sammlung hineingelegt am meisten freuen würde, da ich mir einen größeren Wunsch erfüllen wollte: Zu meinen mehreren Hundert Schallplatten ein Gerät erwerben, mit Hilfe dessen dem überwiegend schwarzen Vinyl Musik zu entlocken ist.

Erstes Lied, Seite 1

Gestern war ich nun mit der besten aller Ehefrauen einkaufen und kann – nach viele Jahren Zwangspause mangels Plattenspieler -  seit dem späten Nachmittag nun wieder meine Schallplatten genießen. Vielen Dank, ihr lieben Geburtstagsgäste, für eure großzügigen Gaben, die nun langjährige Freude schenken werden. Bei aller Liebe zu Technik und Elektronik ist es doch etwas ganz besonderes und irgendwie unvergleichliches, wenn sich die Nadel senkt und der Genuss beginnt…

Ach ja, noch eine Frage an die ganz schlauen Blogbesucher: Wie viele Rillen muss die Nadel bei einer durchschnittlichen Langspielplatte (ca. 25 Minuten pro Seite) abtasten?

Samstag, 2. Oktober 2010

Verbalinkompetenz

Das verbale Ausdrucksvermögen bezüglich ihrer Emotionen ist bei manchen Zeitgenossen erschreckend eingeschränkt. Wenn die Reporter des Berliner Regionalfernsehens beispielsweise nach einem gelungenen Konzert oder einem Sieg des heimischen Fußballvereins den Besuchern das Mikrophon entgegenhalten, beschränken sich die Äußerungen auf einige wenige Variationen, die überwiegend aus »voll«, »Hammer« und »geil« zusammengesetzt werden, gelegentlich ergänzt mit lautmalenden Spracheskapaden, die niederzuschreiben schwer fällt. Wie buchstabiert man denn »boaaah« oder »wau/wow/woahu/ohwau« und ähnliche Stöhn- oder Heullaute?

Das war voll geil. Es war hammermäßig. Voll der Hammer. Hammergeil.

Der eine und die andere schafft es sogar, mit erweitertem Wortschatz zu glänzen, indem der Begriff »genial« hinzugefügt wird. Die größtmögliche Begeisterung hört sich dann so an:

Echt voll geil, genial der Hammer!

Ähnliche Einschränkungen scheinen beim Ausdruck von negativen Empfindungen zu herrschen.

Ey, voll krass. Hammerkrass. Ey boah ey. Ich bin total daun. Hammermäßig krass.

Manchmal frage ich mich, ob die Gefühle dieser Menschen genauso eingeschränkt sind wie ihre Fähigkeit, Empfingungen auszudrücken.
Dann wären sie ja doppelt zu bedauern, mit doppelter Behinderung. Oder: Das wäre voll der Hammer krass. Boah ey!

P.S.: Ich musste einfach mal wieder losmeckern über den Verfall der Sprache, obwohl ich weiß, dass es gar nichts nützt.
P.P.S.: Ohne die solchermaßen losgewordene Trübsal geht es mir nun besser. Noch nicht voll genial geil, aber auch nicht mehr so hammerkrass.