Montag, 31. Januar 2011

Jessika – Ein Verhängnis /// Teil 8

Das Warten wurde einigen Blogbesuchern lang – nun geht es aber endlich weiter mit der Geschichte. Der eine oder die andere mag bereits vergessen haben, was bisher geschah – hier kann man nachschauen: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4] /// [Teil 5] /// [Teil 6] /// [Teil 7]

Johannes sollte, so der mehrheitliche Wille der geschätzten abstimmenden Leserschaft, vom Tisch verschwunden sein. Na so was. Weg ist er:

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Der Tisch war leer, keine Spur von Johannes. Keine Spur von den Gläsern und dem Wasserkrug, die der Wirt mit den Speisekarten gebracht hatte.

Sie blickte sich suchend um und fragte dann den immer noch Jammernden, wo ihr Begleiter geblieben sei.

»Che compagno?«

Sie starrte ihn entgeistert an.

»Mi dispisace, signora …«

Jessika beschloss, nicht länger zu verweilen, vermutlich war der Wirt zu sehr durcheinander, um eine klare Antwort auf eine einfache Frage zu geben. Sie trat auf die Straße, kein Dodge Nitro war zu sehen. Auf dem Platz, an dem Johannes geparkt hatte, stand ein kleiner roter Fiat. Die enge Fahrbahn war von drei Streifenwagen und einer Ambulanz blockiert. Johannes musste vor dem Eintreffen der Polizei weggefahren sein.

Na warte! Mich hier sitzen zu lassen … Jessika bedauerte jetzt, ihre Waffe zurückgelassen zu haben, aber das Risiko einer Taschenkontrolle war ihr zu groß gewesen. Sie ging zügig auf die nächste Kreuzung zu, ohne zu rennen, auffallen wollte sie niemandem. Zahlreiche Schaulustige hatten sich um die Taverna dell'Etrusco versammelt, aber alle Augen waren auf das Lokal gerichtet, niemand schien sie zu beachten, nachdem sie aus dem Eingang getreten war. Sie bog um die nächste Straßenecke und atmete auf, als sie ein wartendes Taxi erblickte. Sie kannte sich in diesem Ort nicht aus, aber sie ging davon aus, dass es einen Bahnhof gab.

Orvieto - Bild von WikipediaSie öffnete die Tür und fragte: »Per favore … alla stazione dei treni?«

Zehn Minuten später stand sie vor dem Bahnhof und studierte den mageren Fahrplan. Heute fuhr nur noch ein Zug in Richtung Parma, aber dorthin wollte sie nicht zurück. Die nächste Verbindung nach Rom gab es erst um 9:55 am nächsten Tag. Sie konnte ein Hotel suchen, aber es hätte gegen jede ihr in Fleisch und Blut übergegangene Vorsicht verstoßen, so nah an einem Tatort eine Nacht zu verbringen. Man würde die Beretta früher oder später in der Damentoilette finden und sich an die junge Frau erinnern, die sich dort die Hände gewaschen hatte. Der Wirt konnte sicher eine recht gute Beschreibung liefern, und wer weiß, wer noch alles einen Blick auf sie geworfen hatte und über gutes Erinnerungsvermögen verfügte. Sie musste Orvieto Terni so schnell wie möglich verlassen und dabei möglichst wenig Aufmerksamkeit erregen.

Jessika sah sich um. Eine Autovermietung war nicht in Sicht, das Taxi war längst verschwunden. Natürlich konnte sie per Telefon ein Taxi rufen, aber das Risiko, dass irgendwo irgendwelche Computer die Verbindungen speicherten, selbst hier in der italienischen Provinz, war ihr zu hoch. Zum Autodiebstahl fehlte ihr das technische Geschick, wenn nicht der Zündschlüssel steckte. In einem Film würde man einfach Kabel unter dem Lenkrad herausrupfen, die richtigen beiden aneinanderhalten und losfahren. Im wirklichen Leben würde das nicht funktionieren, denn es gab in so gut wie jedem Fahrzeug ein Lenkradschloss, das zu knacken wäre und außerdem fand sie es sehr zweifelhaft, ob die entscheidenden Kabel überhaupt zugänglich waren, wenn man unter das Lenkrad griff. Ganz abgesehen davon, dass sie keine Ahnung hatte, welche beiden im Zweifelsfall die richtigen wären.

Ein paar Schritte entfernt sah sie eine Bushaltestelle. Es war inzwischen 19:30 Uhr, ohne große Hoffnung schlenderte sie hinüber und las die Abfahrtzeiten. Sie hatte den letzten Bus des Tages offenbar knapp verpasst:

Partenza 19:20: Gabelletta – Villanova – Osteria di Biagio – Bolsena. Arrivo: 20:10

Es waren verhältnismäßig wenig Menschen unterwegs, der Bahnhof lag etwas außerhalb der Stadt und ohne Zugverkehr gab es für kaum jemanden einen Grund, sich hier aufzuhalten. Zwei Männer waren dabei, den Vorplatz zu fegen, ohne ersichtliche Eile. Vor einem Restaurant, das sich Il Granchietto nannte, entlud eine junge Frau Lebensmittel aus einem Lieferwagen, der Fahrer, der Aufschrift auf dem Fahrzeug und auf seinem Kittel nach zu schließen musste er der Fahrer sein, stand rauchend daneben und schaute zu. Jessika holte ihre Zigaretten aus der Handtasche und zündete sich eine Pall Mall an. Langsam schlenderte sie die Straße hinunter Richtung Gaststätte. Vielleicht konnte sie mit dem Transporter weiter kommen?

Die Frau hob eine unhandliche Kiste mit Äpfeln an und stöhnte. Jessika fackelte nicht lange sondern legte ihre Handtasche in den Lieferwagen und griff zur Obstkiste.

»Gracie!« Die Frau war ziemlich außer Atem.

»Per quanto sia difficile, ce la faremo«, machte Jessika ihr Mut. Dem Fahrer zischte sie ein verächtliches »fancazzista« zu.

Der Mann grinste nur. Jessika überlegte kurz, ob sie ihre Tasche aus den Augen lassen konnte, aber nun lag sie bereits im Kombi. Sie trug die Kiste zusammen mit der Frau in die Gaststätte, durch den leeren Speiseraum in die Küche.

»Gianna.«

»Jessika.«

Die beiden reichten sich die Hände, auf Giannas abgekämpften Zügen leuchtete ein schüchternes Lächeln auf. »Gracie, mille gracie«, sagte sie.

Der Mann stand unverändert ein paar Schritte neben dem Fahrzeug, als die beiden Frauen wieder auf die Straße traten. Jessika nahm ihre Handtasche an sich und schaute misstrauisch hinein, ob wohl etwas fehlte. Das schien nicht der Fall zu sein, ein Blick in das Portemonnaie beruhigte sie vollends.

Es lagen noch zwei Säcke mit Kartoffeln auf der Ladefläche, 25 Kilogramm wog jeder der Aufschrift nach zu schließen. Jessika behielt ihre Handtasche in der linken Hand und nahm einen Sack mit der rechten. Kein Problem bei ihrer Kondition. Gianna schaute etwas überrascht, nahm dann den zweiten Sack mit beiden Händen und ging hinter Jessika her wieder in die Küche.

Gianna stöhnte, als sie ihre Last abstellte. »Gracie, Jessika, angelo mio!«

Wenn du wüsstest … angelo della morte, dachte Jessika, aber sie lächelte nur.

Gianna reichte ihr ein Glas Wasser. Sie erklärte, dass sie dem Fahrer sein Geld geben müsse, damit er nach Hause fahren könne. Jessika ging mit hinaus und fragte den Mann, als die geschäftliche Transaktion erledigt war, wohin er fahren würde.

»Bolsena«, erklärte er und fragte: »Tedeska?«

»Ja. Aus Berlin.«

»Wollen Sie mitfahren?«

»Das wäre nett, ich habe den Bus verpasst.«

»Haben Sie vorhin fancazzista zu mir gesagt?«

»Stimmt das etwa nicht?«

Gianna schüttelte den Kopf und wollte etwas sagen, aber der Mann war schneller: »Steigen Sie ein, ich nehme Sie mit.«

Jessika reichte Gianna die Hand und ging zur Beifahrertüre. »Ciao!«, rief sie ihr noch zu, dann stieg sie ein. Der Fahrer schloss die Ladefläche und setzte sich hinter das Lenkrad. Er ließ den Motor an und sagte: »Ich bin Giacomo di Martino, und ich habe einen Bandscheibenvorfall. Eigentlich dürfte ich nicht einmal Auto fahren, aber meine Familie braucht das Geld, das ich verdiene.«

»Ach – oh – das ist mir peinlich. Verzeihen Sie mir den fancazzista?«

»Con piacere! Einer hübschen jungen Dame kann ich nicht böse sein.«

»Sie sprechen perfektes Deutsch, Giacomo.«

»Ich habe über 30 Jahre in Hamburg gelebt. Ich bin erst vor ein paar Monaten zurück nach Italien gekommen, um das Geschäft meines Vaters weiter zu führen. Er ist zu alt, zu gebrechlich geworden.«

Der Lieferwagen verließ Orvieto Terni, die Landstraße war eng und unübersichtlich. Giacomo fuhr vorsichtig, er schien nicht in Eile zu sein. Es dämmerte, ein leichter Nieselregen setzte ein. Jessika hatte keine Ahnung, wohin sie in Bolsena eigentlich wollte, sie hoffte, dass sie für die Nacht in einem Hotel unterkommen konnte.

»Wie lange fahren wir bis Bolsena?«, fragte sie.

»Ungefähr eine Stunde. Wo soll ich Sie denn dort absetzen?«

»Gibt es ein gutes Hotel?«

»Sie kennen Bolensa nicht?«

»Nein.«

»Ich dachte nur, weil Sie ohne Gepäck unterwegs sind … ich dachte, Sie kämen von dort.«

Jessika hatte sich längst auf diesbezügliche Fragen vorbereitet. »Ich war mit meinem Freund unterwegs, dann haben wir uns in einer Raststätte fürchterlich gestritten, und er ist davon gefahren. Mit meinem Koffer.«

»Birbante! Farabutto! Vigliacco!«, schimpfte Giacomo. »Der Kerl ist es nicht wert, dass Sie ihn noch einmal anschauen! Sfacciataggine!«

»Ich habe ihn ziemlich verletzend angeschrien …«

»Man lässt eine junge Frau nicht irgendwo an der Autobahn sitzen! Und schon gar nicht ohne Gepäck!«

»Ich habe ja wenigstens meine Handtasche, meinen Reisepass, mein Geld, meine Kreditkarten.«

Giacomo schnaubte wütend. »So ein Verbrecher! Man sollte ihn … man sollte … irgendwas, ich weiß nicht was. Einsperren vielleicht, aber in einen Keller mit Wasser und hartem Brot. Und Ratten, hungrige Ratten sollte man dazu setzen.«

Jessika musste lachen. »Ich bin recht selbständig, Giacomo, ich komme schon allein zurecht. Morgen früh kaufe ich mir ein paar Kleidungsstücke zum Wechseln, und dann fahre oder fliege ich nach Hause.«

Er musterte sie kurz, bevor er wieder auf die Straße blickte. »Vielleicht passen Ihnen die Sachen meiner Frau? Sie hat ungefähr die gleiche Größe, vielleicht ist sie ein kleines bisschen rundlicher als Sie. Sie können bei uns übernachten.«

»Nein, das kommt gar nicht in Frage! Ich will niemandem Umstände machen, es ist schon nett genug, dass Sie mich mitnehmen.«

Inzwischen waren aus den Kurven der Stecke Serpentinen geworden. Der Lieferwagen bewegte sich langsam um die scharfen Biegungen. Zweimal wurden sie überholt, trotz der Unübersichtlichkeit der Straße. Giacomo schüttelte den Kopf und schimpfte auf die leichtsinnigen Autofahrer, die nicht nur sich, sondern auch andere in Gefahr brachten. Im Rückspiegel sah Jessika ein paar Scheinwerfer, der Wagen überholte aber nicht, sondern blieb hinter ihnen.

»Der macht es richtig«, kommentierte Giacomo, »es kommt gleich eine Haltebucht, da kann er dann an uns vorbei. Da ist sie ja schon.«

Er lenkte den Wagen nach rechts auf den Haltestreifen, der wohl speziell für diesen Zweck eingerichtet war. Das Fahrzeug hinter ihnen fuhr vorbei. Jessika starrte hinterher und ihr entfuhr ein kurzer Schrei. Es war ein schwarzer Dodge Nitro mit Berliner Kennzeichen.

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So so. Aha. Wir vermuten ja, dass in diesem Fahrzeug ein gewisser Johannes sitzt – der Zufall wäre denn doch zu groß, wenn es sonst jemand wäre. In der Fortsetzung werden wir auch einer Person namens Nitzrek begegnen, die eigentlich schon hier auftauchen sollte – aber die Szene passte dann doch nicht so, wie ich es mir vorstelle. Doch das ist Zukunftsmusik. Zuerst kommt die obligatorische Frage an die Leser:

Jessika übernachtet...
...bei Giacomo und seiner Familie.
...in einem Hotel.
...gar nicht, es geht die Nacht durch weiter.
Auswertung

Ich bin gespannt, welches Ergebnis mir diejenigen bescheren, die abzustimmen sich die Mühe machen.

Sonntag, 30. Januar 2011

Das kennt der geschätzte Blogbesucher vielleicht noch nicht.

Bild von sxc.huIch weiß, ich weiß. Das Warten auf die Fortsetzung der Jessika-Geschichte wird manchem schwer und lang. Ich bin mit dem nächsten Teil aber erst halb fertig – Arbeit für Geld geht nun mal vor.

Aber vielleicht kennt der eine oder andere ungeduldig auf Lesestoff harrende Blogbesucher »Der Garten des Teufels« noch nicht? Ist schon etwas älter, aber doch auch recht spannend, den Leserreaktionen nach zu urteilen.

Bitteschön: Der Garten des Teufels

Freitag, 28. Januar 2011

Piraten-Facebook

Es gibt schon witzige Ideen, auch bei den Facebook Programmierern. Man kann seine Darstellung auf Piraten-Englisch umstellen und kommt dann aus dem Kichern und Lachen kaum noch heraus (Englischkenntnisse vorausgesetzt). Meine Kurzbeschreibung im Profil sieht im Falle der besagten Einstellung so aus:

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Septembarrr! Statt »Comments« gibt es nun »hail-shots« mit abwechslungsreichen Formulierungen:

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Freunde sind mal mateys, mal hearties oder viele andere Bezeichnungen, die Zeit wird in hourglasses gemessen oder in shots o’rum…

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Kurzum: Eine richtig witzige Idee.

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Donnerstag, 27. Januar 2011

Wenn..

mehr Zeit für das Schreiben geblieben wäre, könnte ich bereits eine Fortsetzung präsentieren. Aber das, was ich bisher an Sätzen festgehalten habe, ist denn doch noch zu mager. Immerhin sei der geneigten Besucherschar dieses Blogs ein weiterer Blick durch die Latten des Bretterzaunes gestattet:

In einem Film würde man einfach Kabel unter dem Lenkrad heraus rupfen, die richtigen beiden aneinander halten und losfahren. Im wirklichen Leben würde das nicht funktionieren, denn es gab in so gut wie jedem Fahrzeug ein Lenkradschloss, das zu knacken wäre und außerdem fand sie es sehr zweifelhaft, ob die entscheidenden Kabel überhaupt zugänglich waren, wenn man unter das Lenkrad griff. Ganz abgesehen davon, dass sie keine Ahnung hatte, welche beiden im Zweifelsfall die richtigen wären.

Vielleicht - hoffentlich - komme ich am Wochenende dazu, ein paar Stündchen zu investieren in meine Geschichte. Ich bin recht zuversichtlich...

Mittwoch, 26. Januar 2011

Bald, bald schon, bald

Schweinerei im Männerklo …geht es mit Jessika weiter. Einen Satz verschenke ich schon mal:

Na warte! Mich hier sitzen zu lassen … Jessika bedauerte jetzt, ihre Waffe zurückgelassen zu haben, aber das Risiko einer Taschenkontrolle war ihr zu groß gewesen.

Bald, bald schon, bald darf der ungeduldig mit den Hufen scharrende Leserschaft mehr serviert werden. Sie sitzt ganz schön in der italienischen Tinte, die gute/böse Jessika.

Ach – na gut, noch ein Satz, und bei dem bin ich nicht so sicher, ob er fehlerfrei ist:

»Per favore … alla stazione dei treni?«

Dienstag, 25. Januar 2011

Gastbeitrag Aniboom: Replay

Ich bin normalerweise nicht allzu begeistert von Zeichentrick und Animation, aber diese kleine Kurzgeschichte in Form von bewegten Bildern und Musik fand ich sehenswert.

Wer keine traurigen Geschichten mag: Finger beziehungsweise Augen weg von den 8 Minuten Film.

Sonntag, 23. Januar 2011

Vom Fleiß und seinen Folgen

Ich weiß, dass etliche Blogbesucher ungeduldig auf die Fortsetzung der Jessika-Erzählung warten. Es hat mich auch nicht die Inspiration verlassen, sondern Sachzwänge walten mitunter auf eine Art und Weise, die dem Schaffen eigener Erzählungen hinderlich sind. Um Verständnis (nicht Mitleid!) heischend sei dem verehrten Publikum daher an dieser Stelle kundgetan, dass ich neben der 40 Stunden Woche im Hauptberuf seit dem 1. Januar noch folgenden Fleiß für die selbständige Tätigkeit aufgewendet habe:

fleissig

Die Folgen solchen Fleißes sind finanzieller Natur, denn diese Arbeiten werden von den Kunden nicht nur gewünscht, sondern auch bezahlt. Die Folgen solchen Fleißes sind aber auch, dass mitunter für das Schreiben keine Zeit bleibt, so gerne ich auch fabuliere.

Es wird aber sicher weiter gehen mit der guten oder bösen Jessika. Demnächst. Für die Geduld der Leserschaft bedanke ich mich, für die Ungeduld der Leserschaft auch, denn welcher Autor wäre nicht geschmeichelt, wenn seine Leser beim Ausbleiben von neuem Lesestoff Entzugserscheinungen bekommen…

Sonntag, 16. Januar 2011

Eins nach dem anderen...

Vor mir liegt eine ereignisreiche Woche mit allerlei Dingen, die geplant, bearbeitet  und erledigt werden müssen. Daher wird es wohl mit einer Fortsetzung der Jessika-Erzählung noch eine Weile dauern.
Ob mir zwischendurch der eine oder andere Blogbeitrag einfällt oder zufliegt, wird sich (an dieser Stelle) zeigen. Vielleicht kommt der eine oder andere Gastbeitrag oder ich wiederhole was älteres?
Dies nur, damit niemand auf die Idee kommt, ich wäre in Italien verschollen oder zum Mond geflogen.

Freitag, 14. Januar 2011

John Grisham: The Confession

Keith Schroeder, Pfarrer einer lutherischen Kirche in Topeka, Kansas, ahnt nicht, was auf ihn  zukommt, als eines Morgens ein Fremder sein Büro betritt, um sich etwas von der Seele zu reden. Solche seelsorgerlichen Gespräche sind für einen Pastor normal, jedoch hat dieser Besucher etwas zu beichten, was auch ein Geistlicher selten zu hören bekommt. Er sterbe demnächst an einem Gehirntumor, erklärt der Mann, und wolle vielleicht bekennen, dass er der Mörder eines seit 10 Jahren aus der Kleinstadt Slone in Texas verschwundenen Mädchens sei.
Für den Mord an Nicole Yarber, die bei ihrem Verschwinden 17 Jahre alt war, sitzt allerdings ein anderer Mann in der Todeszelle, seine Hinrichtung steht nur wenige Tage bevor. Die Leiche wurde nie gefunden und der Verurteilte, Donté Drumm, hat sein Geständnis längst widerrufen und beteuert seither seine Unschuld.
Bild von John Grisham via Amazon.comDamit beginnt ein Buch, wie es John Grisham schon länger nicht gelungen ist. Ein Buch, das den Leser fesselt und bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Ein Roman, dessen Handlung mitunter Wege nimmt, die der Leser nicht zu gehen wünscht. Ein realistisches, ein ehrliches Buch. Eine aufwühlende, eine tief beeindruckende Erzählung.
Es gibt Bücher, auch von John Grisham, in denen findigen Juristen auch das unmöglich scheinende Herumreißen einer Situation gelingt, in denen dann doch noch das Gute siegt. Solche Bücher zeichnen nicht immer ein akkurates Bild des Lebens, aber sie haben zweifellos ihre Vorteile: Man schöpft Hoffnung, dass es eine ausgleichende Gerechtigkeit gibt.
The Confession hat auch seine Vorteile, aber die liegen auf ganz anderen Ebenen.
In erster Linie ist es natürlich ein spannender Roman, der dem Leser keine Atempause gönnt. Man müsste ja eigentlich schlafen gehen, aber man kann das Buch nicht beiseite legen. Nur noch eine Seite … nur noch das Kapitel … nur noch ein paar Seiten …
Das Buch kann aber auch Augen öffnen: Realistisch schildert der Autor, mit welcher tiefen Überzeugung, Gott auf ihrer Seite zu haben, schwarze und weiße Christen ganz unterschiedliche Meinungen und Einstellungen biblisch begründen. Er schildert, warum und wie Donté in neun Jahren, unschuldig im Gefängnis, seinen einst lebendigen und zuversichtlichen Glauben verloren hat.
Keith plunged ahead. “Robbie tells me you were raised in a church, batized at an early age, had a strong faith, raised by parents who were devout Christians.”
“All true. I was close to God, Mr. Schroeder, until God abandoned me.”

“You blame God for the past nine years?”
“Yes, I do. … I was eighteen years old, a longtime Christian, still active in church, but also doing some things that most kids do, nothing bad, but, hell, when you grow up in a house as strict as mine, you’re gonna rebel a little. … I stayed off the streets. I was looking forward to college. Then, for some reason I guess I’ll never understand, a bolt of lightning hits me square in the forehead. I’m wearing handcuffs. I’m in jail. … My fate is determined by twelve white people, half of them good, solid Baptists. The prosecutor was a Methodist, the judge was a Presbyterian …”
John Grisham schildert auch, mit welchen Glaubenskonflikten Pfarrer Schroeder zu kämpfen hat. Und nicht nur das, seitens seiner Kirchenobrigkeit gerät er zusätzlich unter Druck. Überall finden sich Menschen, die ganz genau mit der Bibel in der Hand erklären können, was richtig ist, was Gottes Wort sagt - und die Widersprüche könnten kaum gewaltiger sein. Schließlich gehen Kirchen in Flammen auf, der Hass lodert in Slone. Politiker und Juristen suchen nach Lösungen und finden keine. Die Lage wird immer prekärer …
The Confession hat mich gepackt und bewegt, wie es selten einem Roman gelingt. Ich habe geweint beim Lesen – und das passiert mir kaum einmal.
John Grisham erspart weder sich noch den Lesern grauenhafte Erlebnisse und unbequeme Fragen. Keith Schroeder wird am Ende der Erzählung ein anderer Mensch sein als zuvor. Der Leser - das wäre sehr zu wünschen - auch. Mein Denken und Glauben hat sich durch diese Lektüre jedenfalls verändert.

Mein Fazit: Wie man es auch betrachtet, dies ist ein rundum packendes, durchdachtes, erschütterndes, spannendes Buch; eines der besten, die John Grisham bisher verfasst hat. Unbedingt lesen!

P.S.: Ich habe das Original gelesen, zur Qualität der deutschen Übersetzung vermag ich nichts zu sagen.

Donnerstag, 13. Januar 2011

Jessika – ein Verhängnis. /// Teil 7

Ohne lange Vorrede geht es weiter, die Damen und Herren Leser haben abgestimmt und das folgende Textstück haben sie nun davon.

Zuvor nur noch schnell die bisherigen Teile: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4] /// [Teil 5] /// [Teil 6]

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Jessika stand auf und erklärte: »Später, vielleicht. Wenn ich verstanden habe, was du eigentlich von mir willst. Warum du mich in Parma nachts angesprochen hast. Woher du von Giuseppe wusstest. Warum du plötzlich an der Tür des Zuges standest, dein Auto fluchtbereit am Straßenrand.«

Johannes lächelte. »War das denn eine Flucht? Du hast ja im Zug nichts verbrochen.«

»Aber ich kann jetzt keinen Rummel um mich herum gebrauchen. Und da war ein Typ im Waggon, der meine Waffe gesehen und der meinen Reisepass sehr ausführlich studiert hat, bevor er ihn mir zurückgab. Ich wollte und will immer noch möglichst bald weg aus Italien. Was hast du denn für Pläne?«

»Dich kennen lernen und begreifen lernen. Das ist mein Plan. Das muss aber nicht hier geschehen.«

Auch Johannes stand auf und sie schlenderten zurück zum Auto. Jessika nahm ihre Beretta in die Hand, richtete die Waffe auf ihren Kopf und drückte ab. Klick. Sie zuckte mit den Schultern und murmelte: »Ich muss mir wohl neue Munition besorgen. Oder bekomme ich die zurück?«

»Und wenn sie jetzt geladen gewesen wäre?«

»War sie ja nicht.«

»Du hast nicht nachgeschaut.«

»Doch, vorhin. Das Magazin war leer. Wie du das gemacht hast, weiß ich allerdings nicht. Taschenspielertrick?«

»Nein.«

»Sondern?«

Johannes griff in seine Hosentasche und holte eine der Patronen hervor. »Kein Trick«, erklärte er, »sondern Vorsicht. Ich halte dich für ziemlich – äh – unberechenbar. Du tust manchmal Dinge…«

Jessika blieb stehen und sah ihn aufmerksam an. Er steckte die Patrone wieder ein, nahm ihre Hände in seine und drückte sie sanft. »Wir werden sehen, wohin uns diese Geschichte führt. Ich weiß es selbst noch nicht. Ich kann mir einiges ausmalen, aber letztendlich kommt es dann doch manchmal anders als geplant. Aber ich werde versuchen, auf dich aufzupassen.«

Jessika fühlte zum ersten mal seit Bernd das Zeitliche gesegnet hatte einen Anflug von Zuneigung zu einem Mann. Dass er auf sie aufpasste, wie auch immer ihm das gelingen mochte, hatte sein plötzliches Auftauchen am Bahngleis bewiesen. Er hatte auch in Parma, als er ohne weiteres die italienischen Behörden hätte alarmieren können, nichts dergleichen getan. Wer bist du, Johannes? Kann ich dich ergründen? Kann ich dich womöglich sogar mögen?

Sie trat dicht an ihn heran, so dass ihr Mund in Reichweite seines Mundes war, falls er einen Kuss in Erwägung ziehen sollte und sagte: »Wenn ich dir verspreche, dass ich dich nicht erschieße – bekomme ich dann meine Munition zurück? Irgendwie mag ich dich, immer mehr.«

»Hast du Hunger? Es ist nicht weit bis zu einem netten Restaurant«, antwortete er.

Sie nickte. Er drückte noch einmal ihre Hände, ließ sie dann los und ging voraus zum Parkplatz.

Eine halbe Stunde parkten sie vor einem Restaurant, dass sich La Taverna dell'Etrusco nannte. Das Navigationsgerät hatte Johannes durch die verwinkelten Altstadtstraßen von Orvieto Terni in die Via Garibaldi geleitet. Die Adresse musste er wohl schon zuvor gespeichert haben, denn er hatte sie aus dem Menü Lieblingsplätze gewählt. Der schwarze Dodge Nitro fand kaum Platz am Rand der engen Straße.

»Warum hast du eigentlich kein normales Auto?«, fragte Jessika.

»Was wäre denn normal?«

»Ein Opel, VW, BMW … irgend so was.«

»Kein Mensch braucht einen Opel, hat Thilo Sarrazin mal gesagt.«

Jessika lachte. »Na der muss es ja wissen…«

Johannes klappte den Seitenspiegel an das Auto und verriegelte den Wagen mit der Fernbedienung. »Seit meinem ersten Besuch in Amerika, das war im Jahr 2000, kommen für mich keine europäischen oder japanischen Fahrzeuge mehr in Frage. Ich habe mich wohl dort mit dem American-Car-Virus infiziert. Dieses Exemplar hier habe ich gewählt, weil der Nitro eben nicht aussieht wie andere, nicht so fürchterlich abgerundet und modekonform. Ein Hummer hätte mir auch gefallen, aber den könnte ich zu Hause kaum irgendwo parken, abgesehen von seinem enormen Durst nach frischem Benzin.«

»Wo ist denn dein zu Hause?«, fragte sie, als sie das Restaurant betraten.

»Das weißt du doch«, gab er zurück.

Bild von http://www.orvietonews.it/upload/foto/santandrea2.jpg»Buonasera! Benvenuti!«, schallte es ihnen entgegen. Ein rundlicher Herr gesetzten Alters strahlte sie an und streckte Jessika die Hand entgegen. Sein Redefluss kam nicht zum Erliegen, als er auch Johannes die Hand schüttelte, von graciosa signorina war die Rede und vom gagliardo eroe. Der Mann führte sie zu einem Fensterplatz, wischte mit seiner strahlend weißen Serviette nicht vorhandene Krümel oder Staub vom makellosen Tischtuch und zog für Jessika den Stuhl zurück, damit sie bequem Platz nehmen konnte.

Sie schenkte dem Wirt ein bezauberndes Lächeln und sagte: »Mille gracie.«

»Prego, prego, prego« rief er und beeilte sich, auch für Johannes den Stuhl zum Platznehmen beiseite zu ziehen.

Als sie beide saßen, brachte der Mann ihnen die Speisekarten und stellte zwei Gläser und einen Krug Wasser auf den Tisch. Johannes schaute nicht in die Mappe, sondern er fragte, was denn besonders zu empfehlen sei. Sofort hatte der Wirt einen Vorschlag parat. Er empfahl Abbacchio brodettato mit einem passenden Wein, die beiden waren einverstanden und er verschwand in Richtung Küche, um die Bestellung auszurichten.

Das Lokal war spärlich besetzt, ein junges Paar saß in einer Nische, an der Bar lehnten zwei Mädchen. Vor ihnen standen vier Gläser mit Wein, augenscheinlich warteten sie auf zwei weitere Personen.

Johannes schenkte Wasser ein und bemerkte beiläufig: »Deine Munition habe ich nicht mehr in meiner Hosentasche.«

»Ich bin gleich zurück«, sagte Jessika und stand auf, um in Richtung Toilette zu verschwinden. Die Tür neben der Bar öffnete sich in einen weiß getünchten Gang, links gab es eine Tür mit der Aufschrift Signora, rechts stand Signore. Am Ende des Ganges gab es eine weitere Tür. Jessika öffnete sie, sah, dass sie auf einen Hof führte und nickte zufrieden. Sie ließ die Tür halb offen stehen und betrat ohne zu zögern die Herrentoilette. Zwei Jugendliche standen nebeneinander an den Pissoires, sie drehten nicht die Köpfe, um zu sehen, wer hereingekommen war. Jessika nahm ihre Beretta aus der Handtasche, entsicherte sie und richtete sie auf den Kopf des Jungen, der rechts stand. Sie wartete nicht, bis er fertig gepinkelt hatte. Der Schuss war in dem kleinen Raum ohrenbetäubend. Ohne zu zögern erschoss sie auch den zweiten Jugendlichen. Beide waren sofort tot und fielen auf die Marmorfliesen. An der Wand lief Blut herunter, im Neonlicht des Raumes wirkte es unnatürlich rot, als hätte sich ein Maskenbildner im Farbton vergriffen.

Jessika verließ die Herrentoilette und eilte über den Gang durch die Tür mit der Aufschrift Signora. Niemand war zu sehen. Sie wischte die Beretta mit einem Handtuch gründlich ab und ließ sie dann im Spülkasten der hintersten Kabine versinken. Vom Gang her hörte sie aufgeregte Stimmen. Sie ging zum Waschbecken und wusch sich die Hände. Es dauerte etwas länger, als sie erwartet hatte, bis die Tür zur Damentoilette aufgerissen wurde. Im Spiegel über dem Waschbecken sah sie den Wirt. Er rief ihr zu, zu bleiben wo sie war und schloss die Tür wieder von außen. Sie lächelte versonnen.

Wenige Minuten später kam er in Begleitung zweier Polizisten zurück. Jessika hatte ihr Lächeln gegen einen möglichst verwirrten und verängstigten Gesichtsausdruck eingetauscht, es gelang ihr sogar, ein leichtes Zittern in ihre Hände zu zaubern, die verkrampft die Handtasche hielten.

Die beiden Uniformierten interessierten sich nicht für Jessika, sondern vergewisserten sich nur, dass niemand sonst anwesend war. Sie wollten wissen, ob Jessika einen Mann mit Pistole gesehen habe. Sie schüttelte den Kopf. Dann gingen sie wieder hinaus.

Jessika fragte den Wirt, was das für ein Lärm gewesen sei und warum sie die Toilette nicht verlassen durfte.

»Mama mia, apocalisse« jammerte der vorhin noch so fröhliche Mann, als er Jessika mit einem Wink aufforderte, mit ihm zu kommen. Vor der Tür zur Herrentoilette stand ein weiterer Polizist mit gezogener Waffe. Er nickte Jessika nur kurz zu, als sie mit dem Wirt in Richtung Restaurant ging. »Mi dispiace, signora«, murmelte dieser, als er ihr die Tür aufhielt, »assassino, omicidio doloso semplice …«

Im Restaurant wimmelte es von Polizisten. Jessika hatte nicht damit gerechnet, dass die Ordnungskräfte so schnell auftauchen würden, vermutlich gab es eine Polizeistation in unmittelbarer Nähe der Taverna dell'Etrusco. Aber beunruhigt war sie nicht, sie hatte nicht vor zu bleiben, bis die Waffe gefunden wurde. Sie schaute zu ihrem Tisch am Fenster hinüber.

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So. Tja. Na ja. Und nun? Das wiederum liegt in der Hand der geschätzten Blogbesucher:

Was sieht Jessika?
Johannes ist vom Tisch verschwunden.
Johannes wartet am Tisch auf sie.
Auswertung

Nun warte ich wieder etwa 5 Tage, was denn die Abstimmung so ergeben mag.

Fortsetzung? Folgt. Dann. Demnächst.

Dienstag, 11. Januar 2011

Knapp

Abstimmung

…aber immerhin ein Ergebnis. Mal sehen, wie es weiter geht mit Jessika und Johannes. So viel ist klar: Sie hat einstweilen genug Gutes getan.

Samstag, 8. Januar 2011

Jessika – ein Verhängnis. /// Teil 6

Die bisherigen Teile:

[Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4] /// [Teil 5]

 

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»Gib mir zuerst den Koffer«, sagte Johannes und streckte den Arm aus. Jessika starrte ihn entgeistert an und rührte sich nicht. »Den Koffer, gib ihn mir.«

»Wo kommst du – was machst du – wie konntest du wissen …« stotterte sie.

»Wenn du dich jetzt nicht ein wenig beeilst, Jessika, dann wird das nichts mit dem unauffälligen Verschwinden. Die beiden Schaffner suchen schon nach dir.«

Endlich konnte sie sich wieder bewegen. Sie reichte den Koffer aus dem Zug, Johannes stellte ihn ab und streckte ihr beide Arme entgegen. »Komm! Spring.«

Die Handtasche war hinderlich, aber die wollte sie ihm nicht anvertrauen. Sie ließ sich in seine Arme fallen und er setzte sie sanft ab. Dann griff er nach dem Koffer und ging ohne auf sie zu warten in Richtung Straße. Dort stand ein schwarzer Geländewagen. Sie folgte, etwas unsicheren Fußes wegen der hohen Absätze.

Johannes öffnete die Heckklappe und stellte den Koffer in das Auto, dann machte er ihr die Beifahrertüre auf und ging ohne zu warten um den Wagen herum. Als sie die Straße erreichte, saß er schon auf dem Fahrersitz, der Motor lief. Aus der Richtung der Schienen wurden Rufe laut.

Jessika stieg ein, sie fuhren los.

»Danke«, sagte sie, als der Zug hinter ihnen verschwunden war. »Ich hätte mich aber auch alleine zurecht gefunden.«

»Mit gebrochenem Knöchel? Sicher.«

»Ich wäre vorsichtig ausgestiegen.«

»Vorsichtig oder nicht, du hättest springen müssen. Auf das Schotterbett. Mit oder ohne Schuhe. Dann macht es knacks und der Knöchel ist gebrochen.«

» Es wäre nichts passiert.«

»Ach ja? Ganz sicher?«

» Das kannst du nicht wissen. Niemand weiß, was geschehen wäre, wenn etwas anderes statt dessen eingetreten ist.«

»Du meinst niemand außer dir, Jessika?«

Sie ging nicht darauf ein, sondern wiederholte nur: »Danke.«

Johannes schmunzelte und sagte: »Bitte.«

Einige Minuten später kam eine Ortschaft in Sicht. Montallese stand auf dem Schild.

»Wo sind wir eigentlich hier?«, fragte Jessika.

»Hinter uns liegt La Dogana Rossa, vor uns San Giuseppe. Wenn wir da links abbiegen, kommen wir zu einem recht hübschen See, wenn wir rechts abbiegen, führt uns die Straße zur Autobahn nach Rom. Die verläuft parallel zu dieser Landstraße.«

»Und wohin fahren wir?«

»Du wolltest doch nach Rom. Zum Flughafen. Ich kann dich da absetzen.«

Jessika schwieg. Sie mochte es überhaupt nicht, dass dieser nach wie vor rätselhafte Mann mehr über sie wusste, als er wissen konnte. Es war fast, als könne er in ihren Kopf hineinschauen. Und sie wusste nichts über ihn, das machte die Sache noch unangenehmer. Wer bist du, Johannes? Wo kommst du her? Wie werde ich dich los? Natürlich konnte sie ihn hier im Auto erschießen, sie hatte ihre Beretta in der Handtasche auf dem Schoß. Aber dann würde sie nie erfahren, was er eigentlich von ihr wollte, wie er sie gefunden hatte, nachts in Parma und nun an der Tür eines Zuges, der mitten auf der Strecke stehen geblieben war. Sie hatten Montallese verlassen und fuhren wieder mit achtzig Stundenkilometern. Wenn sie ihn erschießen wollte, dann natürlich nicht bei solcher Geschwindigkeit. An dem See, der zur linken liegen sollte, könnte die Gelegenheit sich bieten, der Flughafen war so wichtig nicht, da das schnelle Verschwinden nun sowieso misslungen war.

Sie erklärte: »Wir fahren zum See.«

Die Stelle am See via GoogleMaps Am Lago di Chiusi parkten sie bei einem kleinen Bootshafen. Es waren kaum Menschen unterwegs, die Temperaturen von rund 20 Grad verlockten niemanden zum Baden. Johannes holte aus dem Kofferraum eine große Decke, rollte sie zusammen und klemmte sie sich unter den Arm. Er verschloss den Dodge Nitro mit der Fernbedienung und sagte: »Wenn wir hier nach links gehen, kommen wir zu einer bezaubernden kleinen Lichtung direkt am Wasser.«

»Und was machen wir dort?«

»Wir unterhalten uns. Lernen uns kennen. Ich meine, dass sich das lohnen könnte.«

»Für dich oder für mich?«

»Für uns beide. Und erschießen kannst du mich ja an einer abgeschiedenen Stelle eher als hier, wo doch ein paar Menschen unterwegs sind.«

»Die Waffe ist geladen.«

»Meinst du?«

»Natürlich.«

Sie schlenderten in den Wald hinein, Jessika ging hinter Johannes her und holte die Beretta aus ihrer Handtasche. Sie entnahm das Magazin. Es war leer.

»Wie hast du das gemacht?«

»Ach Jessika, das zu erklären ist so einfach nicht. Da müsstest du zuerst einige andere Zusammenhänge begreifen. Und ob das gelingt, weiß ich noch nicht.«

Wer bist du, Johannes? Was bist du?

Er breitete die Decke aus und sie setzten sich neben einander, blickten auf den See hinaus und schwiegen eine Weile. Johannes holte eine Packung Pall Mall aus seiner Tasche, zündete zwei Zigaretten an und reichte eine Jessika.

Genau wie Bernd das immer gemacht hat. Wer bist du? Was bist du? Was willst du?

Johannes lächelte, inhalierte den Rauch und fragte dann: »Kannst du dich erinnern, an dein letztes Gespräch mit Bernd?«

»Bist du sein Bruder? Oder kanntest du ihn?«

Er antwortete nicht auf die Frage, sondern sagte: »Er hat dir vorgeworfen, dass du Menschen tötest.«

»Ja. Er sagte: Du bringst Menschen um, Jessika. Ich erklärte: Du auch. Darauf meinte er: In meinen Geschichten, ja, aber doch nicht in Wirklichkeit, nicht im echten Leben

Johannes sah sie aufmerksam an. Wieder erinnerten seine Augen Jessika an jemanden, aber sie konnte sich nicht besinnen, an wen. Sie rauchten schweigend. Schließlich sagte Johannes: »Du hast ihn wirklich geliebt.«

»Ich wollte ihn nicht umbringen. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Ich muss tun, was ich tun muss.«

»Woher weißt du, was du tun musst?«

Sie warf den Zigarettenstummel ins Wasser und sagte: »Das verstehst du nicht.«

»Dann erkläre es mir.«

 

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Und nun sind wieder die Leser gefragt:

Anschließend...
...erzählt Jessika, wer sie ist. Oder wer sie meint zu sein.
...brechen sie wieder auf, das Gespräch geht nicht weiter.
Auswertung

Fortsetzung? Na klar. Demnächst. Ich warte wieder 5 Tage auf eine hoffentlich klare Abstimmung.

Freitag, 7. Januar 2011

Jessika – ein Verhängnis. /// Teil 5

Um die geneigten Blogbesucher nicht allzu sehr auf die Folter zu spannen und weiteren Frustrationen durch vergebliches Warten vorzubeugen geht es heute weiter. Allerdings nur mit einem recht kurzen Text, und ohne Umfrage am Ende. Die nächste Umfrage kommt dann, wenn ich wieder an einem möglichen Wendepunkt oder Scheideweg angekommen sein werde. Versprochen!

Ach ja, die vorigen Teile: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4]

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Jessika nickte. Der Mann gab ihr die Tasche, den Reisepass behielt er in der Hand. Das Tohuwabohu im Wagen war noch immer im Gange, durch das Zugfenster sah sie, dass etwa 50 Meter von den Geleisen entfernt auf der linken Seite eine Straße entlangführte. Viel Verkehr herrschte dort nicht, aber gerade fuhr ein Lastwagen vorbei. Vermutlich waren ihre Chancen, unbehelligt aus der Situation zu kommen, außerhalb des Zuges größer. Auf den sowieso gefälschten Pass konnte sie getrost verzichten, nur wie sie ungehindert und möglichst unbemerkt aus der Bahn kommen sollte, war ihr noch nicht klar.

Violetta weinte nun laut, wodurch die Aufmerksamkeit der meisten Anwesenden abgelenkt wurde. Jessika ging die drei Schritte zur Tür des Wagens und probierte die Klinke, die Tür ließ sich öffnen. Sollte sie ohne ihr Gepäck den Sprung hinaus wagen? Ohne einen Bahnsteig am Zug sah die Entfernung zum Boden ziemlich beängstigend aus für jemanden, der Schuhe mit hohen Absätzen an den Füßen hatte. Außerdem war da kein Asphalt oder Beton zu sehen, sondern steil zu einem Graben abfallender Schotter. Jedes Zögern verringerte die Chancen, sich aus dem Staub zu machen erheblich. Sie überlegte, ob in ihrem Gepäck irgend welche Gegenstände oder Kleidungsstücke waren, mit denen man auf ihre Identität Rückschlüsse ziehen konnte. Sicher war das der Fall, wenn jemand auf die Idee kommen sollte, DNA-Spuren zu verfolgen, Zahnbürste, Haarbürste, getragene Wäsche... - und Fingerabdrücke sowieso. Jessika war ziemlich sicher, dass den toten Giuseppe Di Stefano niemand mit ihr in Verbindung bringen würde, aber es war eben auch nicht mit Sicherheit auszuschließen. Besser wäre es auf jeden Fall, nicht ohne den Koffer zu verschwinden.

Jemand tippte ihr auf die Schulter. Es war der Mann, der immer noch ihren Reisepass in der Hand hielt.

»Das ist zu hoch zum herausspringen. Sie brechen sich nur die Knochen«, sagte er, während er ihr das Dokument entgegenhielt.

»Ich wollte ja auch nur Luft schnappen!« Jessika schloss die Türe wieder, nahm den Pass und steckte ihn in ihre Handtasche. Einer der uniformierten Bahnbediensteten trat auf sie zu. »Signora, per favore...«

»I am sorry, I don’t understand«, unterbrach sie ihn. »And I need to get back to my seat. Feeling pretty dizzy.«

»Inglese? Mi displace...«

»I’m getting sick...« erklärte Jessika und schob sich an dem Uniformierten und den aufgeregt diskutierenden Fahrgästen vorbei, um schnurstracks den Gang hinunter zu ihrem Abteil zu gehen. Die kleine Violetta und ihre Mutter wurden gerade von dem zweiten Bahnmitarbeiter befragt. Als sie im nächsten Wagen durch den Gang eilte, blickte Jessika kurz zurück. Niemand folgte ihr. Gut. Sehr gut. Du kommst wieder mal ungeschoren davon. Voraussichtlich.

Das Abteil war leer. Sie holte ihren Koffer aus dem Gepäcknetz und ging zum nächsten Ausgang. Als sie nach der Klinke griff, wurde die Türe von außen geöffnet.

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Fortsetzung bald. Versprochen!

Mittwoch, 5. Januar 2011

5. Januar 1527: Felix Manz wird ermordet

Bild von Wikipedia Man nannte es Hinrichtung, damals. Ich halte es für einen feigen Mord.

Felix Manz wurde zum ersten (und leider nicht einzigen) Märtyrer der Täuferbewegung der Schweiz. Ich habe ihn und sein Leben kennen und schätzen gelernt, als ich das Buch »Feuertaufe« von Peter Hoover übersetzt habe. Die Täufer strebten, anders als die Reformatoren, nach einer vom Staat unabhängigen Kirche.

Montag, 3. Januar 2011

O weh - Geduld tut not!

Liebe ungeduldige Blogbesucher!
Ja, es wird weiter gehen mit Jessika und ihrem verhängnisvollen Abenteuer. Ich habe angefangen, die Fortsetzung zu schreiben, aber die schreibt sich eben nicht selbst. Da muss ich schon die Tastatur bedienen.
Versprechen will ich nichts, aber voraussichtlich folgt noch im Lauf dieser Woche die nächste Episode. Jessika bekommt Hilfe beim Entweichen us dem Tumult im Zug. Jawohl.
Also Geduld, bitteschön. Das Warten wird demnächst belohnt.