Montag, 10. September 2007

Eva Herman

Sie war ungeschickt, als sie die Nazizeit mit der Vorstellung ihres neuen Buches in Verbindung brachte. Kein Mensch interessiert sich dafür, dass sie seit langem mit Laut gegen Nazis unmissverständlich klar gemacht hat, dass ihre Sympathie dem braunen Sumpf nicht gehört. Eine ungeschickt formulierte Äußerung hat sie nun den Job beim NDR gekostet. Ich frage mich: Ist das Ursache oder Wirkung?

Eva Herman macht kein Hehl daraus, dass sie gläubig ist. Auf ihrer Homepage nennt sie unter Was mir wichtig ist an erster Stelle:

Das Gespräch mit dem Schöpfer. Seine Liebe und sein Geleit.

Die Frage Was ist Liebe? beantwortet sie:

Das größte Geschenk Gottes.

Eva Herman bezeichnete sich im Interview mit dem Christlichen Medienmagazin pro selbst als Christin. In ihren Texten spricht sie von einer „schöpfungsgewollten Aufteilung“ der Geschlechter. Würden diese Prinzipien eingehalten, habe das „in aller Regel dauerhafte Harmonie und Frieden in den Familien zur Folge“.

Da ich ihre Bücher nicht gelesen habe, weiß ich nicht zu sagen, inwieweit ich mich Eva Hermans Gedankengängen anschließen würde. Was ich über ihre Bücher gelesen habe, scheint mir richtig: Sie verweist auf Werte, die verloren gegangen sind.
Anstatt, wie so viele gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, lauthals über Gewalt an den Schulen, Jugendkriminalität, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Leistungsunfähigkeit und Ziellosigkeit zu lamentieren, bietet Eva Herman zumindest einen Weg an, der solch verpönte Dinge wie Mutterschaft, Verantwortung für die Kinder, Familienzusammenhalt und unterschiedliche Aufgaben für Mann und Frau in der Ehe einschließt.

Das darf man/frau als Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Senders natürlich nicht ungestraft laut sagen. Das wäre ja unerhört, wenn jemand unter den Moderatoren eine eigene, öffentlich geäusserte Meinung hätte, die vom 68er Menschenbild abweicht...

Ich werde den Verdacht nicht los, dass die angebliche Ursache für den Hinauswurf nichts anderes war als ein vorgeschobener Grund. Es bleibt zu hoffen, dass gerade durch diesen mediengemachten „Skandal“ die Bücher um so mehr Leser finden.

Bob Cohen, Leonard Dylan

Mir geht's wie dem Herrn, der hier erneut abgebildet ist, Lieder und Musik haben mich immer inspiriert.


Bei dem Fragment ohne Titel habe ich das auf die Spitze getrieben und bin gelegentlich beängstigend nah an den Liedtexten geblieben. Ein Leser bat mich, für die jüngeren Zeitgenossen aufzuzählen, wo die Inspirationen (bisher) herkamen.

Ich nehme an, dass noch weitere Lieder auf Teil 1, Teil 2 und Teil 3 abgefärbt haben, ohne dass ich es bewusst so gewollt habe; hier die Titel, die ich identifizieren kann:

Ich überlasse es dem Spürsinn des interessierten Lesers, herauszufinden, welche Zeilen aus den Texten sich wo in meiner Erzählung niedergeschlagen haben. Lediglich zum Wigwam, das ausser la la la la la la la la la keinen Text hat, sei verraten: Die Melodie scheint mir der zu gleichen, die der Klarinette entweichend Erinnerung zurückholt.

Sonntag, 9. September 2007

Mitteilungsbedürfnis



In der Kirche St. Jakobi zu Lübeck habe ich im Sommer 2007 das reichlich bunte Mitteilungsbedürfnis der Besucher fotografiert. Eigentlich sollten Gebete auf das weiße Tuch geschrieben werden, aber mancher hat wohl eher, des Lesens unkundig oder unwillig, ein Gästebuch vermutet. So mischen sich Mitteilungen an Gott (Gebete) mit allerlei anderen Verlautbarungen.

Gott mit uns
Liebe das Leben und dann liebt es auch dich.
Free speech for the dumb!
Ich war hier am 4. 7. 07. Lena Deges
Jesus was a punk!
Der Baum der Zeit lässt uns nicht vergessen.
Danke fürs Leben!
Kettu!
Ich wünsche mir, dass die Menschen, die die Kraft aus der Stille und Langsamkeit schöpfen, zahlreicher werden.
Pax omnia rerum
Ingrid Wendt ist freggle friend
Der Baum ist die Flüssigkeit die uns erhält.
Lieber Gott, beschütze und erlöse unsere Mutti und Omi.
Das Leben kann schön sein ohne Krieg
...

Das hat mich daran erinnert, dass Gott, der zahlreiche Gebete und Äußerungen und Mitteilungen gleichzeitig hört, darunter auch meine, mit dem menschlichen Verstand nicht fassbar ist. Ich habe schon Verständnisprobleme, wenn zwei Menschen gleichzeitig Verschiedenes sprechen. Gott darf ich auch ansprechen, wenn gleichzeitig 10, 100, 1000, 10000, 100000 oder noch mehr Menschen mit ihm reden. Er versteht nicht nur, sondern handelt auch.

Samstag, 8. September 2007

108 Minuten Urlaub


Heute gönnte ich mir 108 Minuten Urlaub. Das geht so: DVD einlegen, Kopfhörer aufsetzen, auf dem Sofa hinflegeln und Start auf der Fernebdienung drücken. Und schon bin ich in New York beim Benefizkonzert für das Crossroads Center in Antigua. Zusammen mit Eric Clapton und Bob Dylan. Und Steve Gatt. Und Sheryl Crow. Und Mary J. Blige. Und vielen anderen.

Wer auch 108 Minuten Urlaub will, sollte sich die unbedingt sehens- und hörenswerte DVD zulegen: Eric Clapton & Friends in Concert

P,S,; Da bei Auftritten von His Bobness Kameras tabu sind, habe ich einfach ein Foto von meinem Fernseher gemacht. Das darf man doch, oder?

habemus fragmentum continuum

So, nun also geht das Experiment mit dem Fragment weiter. Oder zu Ende. Das, was hier folgt, kann sowohl als drittes Drittel die Erzählung (hier Teil 1 / dort Teil 2) beenden als auch die Türe für das Weiterschreiben öffnen.
Der aufmerksame Leser der Kommentare zu den ersten Teilen wird bemerken, dass ich mich durchaus habe von dieser und jener Anmerkung inspirieren lassen. Das war (und ist, falls es weiter geht) ja der Sinn des öffentlichen Schreibens.

So genug vorgeredet, hier ist der vorgestern und gestern entstandene Text, als Brücke wieder die letzten paar Worte aus dem vorigen Teil:

...Sie folgt den Spiralen der Stufen und erreicht das zweite Obergeschoss, will umkehren, zurück auf die Veranda, den Blick hinaus richten. Die Augen ihn erforschen lassen. Vergangenheit zurückholen, Zukunft ermöglichen.

Der schwere Schlüssel öffnet ihre Türe und ein leichtes Beben unter ihren Füßen fordert Aufmerksamkeit.

...

Er blickt auf seine Fingernägel und sieht sie brüchig. Sind all seine Schiffe verbrannt? Was ist ihm geblieben? Ein fremdes Land, kalt findet er es, klimatisch und auch sonst. Nicht, dass die Menschen unfreundlich wären, doch wird er nie zu Hause sein in Deutschland, und kann auch in die Heimat nicht zurück. Er löst sich von dem Blick aufs Meer und blickt hinauf zum zweiten Stock, wo sie ihr Zimmer hat.

...

„Konstantinos“, murmelt sie, „Konstantinos Sourvanos. Wer bist du?“ Sie mustert sein Gesicht, vergrößert durch die Linsen. Das Fernglas hat sie einst, in jenem anderen Leben, in jener nebelhaften Vergangenheit, im Laden ihres Vaters mitgenommen. Angeblich sei es einst das Eigentum von Carl Zeiss gewesen, hatte er erklärt, ein Einzelstück, von Hand gefertigt, dann verpfändet und nie eingelöst. Es gab auch einen Pfandschein aus dem Jahr 1849, ein August Löber hatte säuberlich quittiert, im Auftrag und mit Vollmacht seines Meisters Carl Zeiss zu handeln. Ihr Vater hatte ihr, zu größter Behutsamkeit mahnend, das Unikat für ein Wochenende anvertraut, sie konnte es jedoch nicht wieder in seine Hände legen. Es war das einzige Erinnerungsstück, das ihr ans Elternhaus geblieben war.

Er schaut hinauf zu ihr. Kann er sie sehen, wie sie ihn betrachtet? Forscht er in den Schatten seiner Vergangenheit nach ihr wie sie nach ihm?

...

Er meint, eine Silhouette wahrzunehmen, doch sicher ist er nicht, die Sonne spiegelt sich und verwehrt den Blick auf seine namenlose Göttin. Er wendet sich dem Eingang zu und fragt sich, ob das Beben unter seinen Füßen wirklich da gewesen war. In einer anderen Region, auf einem anderen Kontinent wäre seine Aufmerksamkeit erwacht, doch hier muss niemand damit rechnen, dass Festgefügtes auseinander bricht. Er tritt in die Lobby und nickt dem alten Herrn zu, der an der Rezeption auf irgend etwas warten mag.

Er lässt den Fahrstuhl unbeachtet und steigt in Gedanken tief verloren die vom Teppich weichen Stufen empor. Im zweiten Stock passiert er ihre Zimmertür und horcht, doch ist kein Laut vernehmlich. Er möchte klopfen, doch kann er keinen Grund ersinnen, ein solches Verhalten zu erklären. So geht er weiter, schließt die letzte Tür im Gang auf und meint erneut, ein Beben zu empfinden. Er blickt zurück, den Flur hinunter. Ihm ist, als sei der Kronleuchter in Bewegung. Soll er zurück, das Haus verlassen? Soll er verweilen und beobachten? Droht ihm Gefahr, droht ihr Gefahr? Er könnte nun mit gutem Grunde klopfen, die Göttin fragen, ob die Erde bebt. Er steht vor seiner Zimmertür und hört Musik.

...

Sie spielt auf ihrer Klarinette, improvisiert, lässt Töne kommen, wie sie möchten und entlässt sie in die Atmosphäre, wo sie sind und schon vergehen. Dennoch sind sie nicht flüchtig, verweilen im Gedächtnis, länger oder kurz, vielleicht für immer. Sie spielt seit ihrer Kindheit, und oft kommt eine Melodie zum Vorschein, die sie beim Hören wiedererkennt.

...

Er lauscht und weiß, wer seine Göttin ist. Erkennt die Folge der verspielten Klänge, sieht sich zu ihren Füßen sitzen. Ein stiller See, zwei Menschen bergen sich im Schatten eines Baumes. Er liegt entspannt, vom Bad noch feucht, sie steht und schaut ins Unbestimmte, die Klarinette scheint zu leben. Auf ihrer Haut sind Wasserperlen, ihre Haare tropfen, sein Blick kann sich nicht lösen. Spielt sie für ihn? Für sich? Für niemanden? Für die ganze Welt? Er sieht sie nur von hinten, doch er weiß, dass sie den Blick auf ihre Schönheit spürt. Er legt sich hin, die Augen lassen keinen Augenblick von ihr. Die Melodie spricht mehr als tausend Worte. Sie flüstert Liebe, sie haucht Zärtlichkeit.

Sein Leben lang hat sie ihn begleitet, ein Wunder, ein Phantom der Jugendzeit. Vergessen und doch immer da. Warum hat es so lang gedauert, sich zu erinnern? Warum bringt die Musik zurück, was das Gesicht, was die Gestalt nur ahnen ließ? Er hebt die Hand, um an die Tür zu klopfen. Dann zögert er erneut. Wie kann man solches Spiel der Töne und des Atems unterbrechen?

...

Sie schließt die Augen und sie sieht ihn hingestreckt im Gras. Wie lange ist es her, dass er zu ihren Füßen lag? Vor wie viel Tausenden von Atemzügen spielte sie für ihn, was sie mit Worten nicht zu sagen wusste?

Sie spürt den Blick, und nichts daran ist ihr zuwider. Er darf betrachten, er darf träumen, er darf fühlen. Er ist der erste, dem sie sich zu schenken wünscht, und sie weiß auch, dass sie und er an diesem Tag die Welt besitzen. Sie lässt die Melodie versiegen, die Klarinette sinken. Sie dreht sich zu ihm um. Adam und Eva, ohne Schuld und Scham im Garten. Sein Körper ledig aller Kleidung so wie ihrer. Sein Herz gefangen so wie ihres vom Moment. Zwei Seelen, die in ungetrübter Wahrheit zu einander streben.

...

Er klopft, als die Musik verklungen ist. Sie öffnet ohne Zögern, er sieht die Tränen, die sie wegzuwischen nicht für nötig hält.

„Susanne, wo warst du so viele Jahre?“ Seine Stimme zittert.

Sie haucht mehr, als dass sie spricht: „An keinem Ort, der erwähnenswert sein könnte.“

„Du hast dich verändert.“

„Vermutlich.“

„Du warst fort.“

„War das nicht unvermeidbar?“

Er hört sich sagen: „Bleibst du bei mir?“

...

Sie hört sich sagen: „Wenn du es möchtest, ja.“




Freitag, 7. September 2007

Endlich!

Wie lang wurde mir doch das Warten. Nun ist es so weit: Ab 19. September gibt es wieder die Theme Time Radio Hour. Heureka!

Wie lang wurde doch manchem das Warten. Nun ist es so weit: Morgen gibt es ein weiteres Fragmentstück. Also schnell noch mal Teil 1 und Teil 2 lesen und flugs die Messer wetzen, um über den Autor herzufallen. Oder die Blumen bereitstellen. Heureka!

P.S.: Bild gemopst von XM-Radio.
P.P.S.: Die ersten 50 Theme Time Radio Hours verpasst? Immer noch der Meinung, Bob Dylan ain't talking? Na so was. Hier gibt's Nachhilfe: Das Archiv

Erfüllte postchristliche Hoffnungen

Gestern und vorgestern war von meiner postchristlichen Hoffnung trotz diesem und jenem, was ich beobachte, die Rede. Ich habe eher von negativen Beobachtungen und Erlebnissen berichtet. Es gibt aber auch vieles, was die Hoffnung auf eine andere Kirche / Gemeinde nährt, oder sie bereits sichtbar macht. Im Fitnesscenter zu Köln zum Beispiel:

Da meinte der Typ zu mir: "Ist ja interessant, ich hab früher auch mal an Gott geglaubt!" Und plötzlich hör ich mich sagen: "Ja ich weiß, Du bist als Zeuge Jehova aufgewachsen und Deine Eltern sind da immer noch, stimmts?". Im selben Augenblick hätte ich bei mir am liebsten die Rückwärtstaste gedrückt. Wie komm ich denn bitte auf so eine Aussage? Aber der Typ sah mich genauso verdutzt an, wie ich ihn und meinte etwas fassungslos: "Ja das stimmt! Aber woher weißt du dass denn bitte?". "Äh, weis ich jetzt auch nicht. Äh, aber vielleicht hat mir das Jesus gerade gesagt?!" Naja, Du kannst Dir vorstellen, wir hatten danach ein superheftiges Gespräch über Gott, er hörte mit gebannten Ohren zu, wie ich meine Bekehrungsgeschichte erzählte und wie man Christ wird.

Der ganze Bericht ist bei Martin Dreyer zu finden, und zwar hier: ...im Fitnesscenter

Wäre ich ein Jesus-Freak, würde ich vermutlich in etwa kommentieren: "Wie geil ist denn das! Krass, mann! Oberhart!" ... oder so ähnlich. Damit ich mich nicht blamiere (man sollte eine Sprache beherrschen, in der man sich zu artikulieren wünscht), möchte ich lediglich meine Freude äußern und hoffen, dass so etwas mehr und mehr zum Alltag von uns allen wird. Ob Fitnesstudio oder Disco, Aldi oder Schulhof, Firma oder Urlaub.

Donnerstag, 6. September 2007

Weitere postchristliche Hoffnungen

Ein Beitrag von Don Ralfo hat mich daran erinnert, wie es damals war, als wir Jesus-People genannt wurden. Wir machten Fehler und wurden Opfer von Fehlern, das eine mag häufig das andere verursacht haben. Die Folgen waren leider manchmal unumkehrbar. Don Ralfo berichtet über Manfred; ich könnte zahlreiche ähnliche Begebenheiten erzählen.

Wir hatten Ambitionen, waren mit Wasser und Geist getauft und wollten unsere Generation für Jesus gewinnen. Dabei blieben etliche aus unseren Reihen auf der Strecke. Warum?
Ich meine, dass unser größtes Problem ein Vakuum war, wo geistliche Eltern hätten sein müssen. Geistliche Zuchtmeister und Lehrer gab es genug. Von den langen Haaren angefangen über die Kleidung bis zum Musikgeschmack wurden wir belehrt und kritisiert. Mit Argumenten, für die sogar Bibelzitate aus ihrem Zusammenhang gerissen als Beleg herhalten mussten.

Die Bibel sagt, dass Frauen keine Männerkleidung tragen dürfen. Wenn du als Junge lange Haare hast, ist das genau das selbe.

Mehr als einmal habe ich so etwas gehört. Noch und noch. Wieder und wieder. In vielen Varianten.

Ein Christ raucht nicht.
Ein Christ hört nicht die Beatles.
Ein Christ masturbiert nicht.
Ein Christ liest keine Bücher von XYZ.
Ein Christ...

Was unterscheidet Eltern von Zuchtmeistern und Lehrern? Doch wohl die Liebe, die sich auch in Annahme äußert. Trotz der Fehler, die ein Kind macht, trotz des unmöglichen Benehmens, trotz der Wissenslücken werden Eltern ihr Kind nicht hinauswerfen, sondern trotz und bei aller notwendigen Belehrung und aller berechtigten Kritik werden sie vermitteln: Du bist geliebt, so wie du bist, ohne Abstriche. Du musst nicht erst was leisten und beweisen, bevor du angenommen und geliebt wirst.

Es gab etliche Gemeinden und Kirchen, in denen wir nicht willkommen waren. Missbilligende Blicke, gerümpfte Nasen, demonstratives Abrücken waren noch die harmlosen Reaktionen. Selbst in Gemeinden, die etwas toleranter waren, blieben wir unter uns, als "Jugend" isoliert und selten ernst genommen.
Natürlich ist das nicht rundum verkehrt. Jugendliche wollen ja unter sich sein, Erwachsene sind nicht jederzeit willkommen, das ist auch gut so. Aber wenn es ringsum nur oder überwiegend abweisende, ablehnende Erwachsene gibt, dann ist das nicht mehr gut so. Dann kann man nämlich niemanden um Rat fragen, um Hilfe bitten. Einen Lehrer oder Zuchtmeister wird man nicht bezüglich innerer Nöte und quälender Ungewissheiten befragen, man würde ja doch nur eine weitere Moralpredigt zu hören bekommen.

Ich hatte einen Großvater, Pastor von Beruf, bei dem ich jederzeit in jedem Zustand willkommen war. Mit allen Fragen, Zweifeln, aller Rebellion und allem Frust. Mein Großvater hieß nicht alles gut, was ich dachte oder tat, aber ich wusste immer, dass seine Liebe nicht gemindert war, wie unmöglich ich mich auch aufführte.
Einige von uns blieben auf der Strecke, wie der Manfred, von dem Don Ralfo berichtet. Wären da geistliche Eltern gewesen, hätte manches Scheitern verhindert werden können. Aber da war niemand, der einen Ausweg geöffnet hätte.

Meine Hoffnung ist, dass wir, die Jesus-People von damals, nicht die Fehler wiederholen, die wir erlebt haben.
Zum Beispiel las ich neulich einen gehässigen Kommentar über die Jesus-Freaks, sinngemäß stand da, dass die Fäkalsprache dieser Leute ja wohl Indiz genug sei, dass sie einem "Geist von Unten" angehören würden. Ich hörte vor einigen Wochen, wie jemand nach dem Gottesdienst einem Jugendlichen mitteilte, er solle sich erst anständig kleiden, bevor er anderen von Gott erzählen will. Ich erinnere mich mit Grausen an den Kommentar "...also in meiner Bibel steht nichts von wilder Ehe" zum Bekehrungsbericht einer jungen Frau, die voller Freude erzählt hatte, wie sie und ihr Lebensgefährte Jesus kennen gelernt hatten - ohne verheiratet zu sein...

Wir brauchen in unserer postchristlichen Zeit eine Gemeinde, in der Menschen willkommen sind, so wie sie kommen. In der sie zunächst geistliche Milch, dann geistlichen Haferbrei, später geistliche Steaks oder Pizza bekommen, ob nun Harry Potter in ihrem Bücherregal steht oder nicht. Sie werden sich, Annahme und Liebe vorausgesetzt, früher oder später aus freien Stücken von ihm verabschieden. Ich hoffe, dass eine solche Gemeinde entsteht.

Mittwoch, 5. September 2007

Postchristliche Hoffnungen

Es wird langsam Zeit, dass eine christliche Gemeinde / Kirche entsteht. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, Christen von Ungläubigen zu unterscheiden. Meine postchristliche Hoffnung ist, dass dieser Zustand nicht endgültig bleibt.
Ein recht junges Beispiel sind Beiträge von Focus und Spiegel, die anhand einer amerikanischen Pressemitteilung geschrieben wurden. EurekAlert berichtet in der Presseerklärung dass die Psychologen unter der gesamten Ärzteschaft am wenigsten religiös sind. Hier das Original: Psychiatrists are the least religious of all physicians. Focus und Spiegel beschränken sich auf westentlich kürzere Meldungen und lassen manches weg, was eigentlich zum Verständnis der Studie wichtig wäre. Psychiater glauben am wenigsten an Gott und Psychiater glauben nicht an Gott sind die Schlagzeilen der beiden deutschen Nachrichtenmagazine. Doch ungeachtet der Verkürzungen fiel mir auch bei diesen Berichten etwas als symptomatisch auf:
Obwohl 61 Prozent aller Ärzte Katholiken oder Protestanten waren, waren es unter den Psychiatern nur 37 Prozent.

schreibt der Focus und der Spiegel meint:

So sind 39 Prozent aller amerikanischen Ärzte Protestanten, 22 Prozent Katholiken. Die Psychiater hingegen kommen laut der Studie weit weniger gläubig daher. Unter ihnen finden sich lediglich 27 Prozent Protestanten und 10 Prozent Katholiken.

Als wäre jemand Christ, weil er katholisch oder evangelisch ist. Als wäre es ein Kriterium für den Glauben an Gott, ob man als Säugling mit ein paar Tropfen lauwarmen Wassers besprenkelt wurde.

Es wird langsam Zeit, dass eine christliche Gemeinde / Kirche entsteht, in unserem Land und in anderen Ländern. Kein religiöser Verein, davon gibt es genug. Sondern die Gemeinde, von der die Bibel spricht.
...auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.

Dienstag, 4. September 2007

Sprachlos

Gut Ding, sagt der Volksmund dem Vernehmen nach, will Weile haben. Das gilt auch oder sogar vor allem für Fragmente wie dieses und dieses.
Da die Geschichte, deren Fortsetzung wiederholt angemahnt wurde, wirklich noch nicht geschrieben ist, sind Leser wie Autor jener Muse ausgeliefert, die gelegentlich recht launisch ist. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wann es weiter geht. Wie es weiter geht? Na ja, weder mit Gewitter noch mit Erdbeben, so viel sei verraten.

Über jene Muse, die neben akuter Zeitnot der Fortsetzung des Fragmentes wegen Abwesenheit beziehungsweise Kussunwilligkeit hinderlich ist, habe ich im folgenden Text vor ziemlich genau zwei Jahren gemutmaßt. Es handelt sich um eine Vorversion eines Textes, der - später überarbeitet - im Buch Gänsehaut und Übelkeit den Abschluss bildet. Wer es noch nicht hat, das Buch, der darf es flugs bestellen. Das Buch nicht bestellen sollten Zeitgenossen, die entweder Krimis nicht mögen oder nicht lesen wollen, wie Berlin nach dem Giftgas aussieht (und riecht) oder überhaupt nur Erbauungslektüre mögen.

Die Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte. Satzfetzen, Bruchstücke von Gedanken, Handlungsfäden, die richtungslos waren, literarische Sackgassen von erstaunlich kurzen Dimensionen waren alles, was der Autor finden konnte. Er wollte schreiben, aber er wusste nicht worüber.
Dies war in der Vergangenheit keine Hürde gewesen, die er als unüberwindlich empfunden hätte. Oft entstanden seine Geschichten aus einem einzigen Satz - entwickelten sich beim Schreiben. So waren Erzählungen entstanden, deren Verlauf und Ende ihn selbst überrascht hatten, engen Freunden sagte er dann oft, die Geschichte hätte "sich selbst geschrieben". Anderen Texten waren Überlegungen und Planungen vorausgegangen. Das Beunruhigende war jetzt, dass er zum ersten Mal, seit er zurückdenken konnte, weder einen Anfang fand noch irgendeine Vorstellung hatte, worüber er schreiben wollte.
Er sann über gelesene erste Sätze nach. The man in black fled across the desert... - hervorragend, aber nicht geeignet, denn gedanklich konnte er nichts an diese oder eine andere Flucht anschließen. Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete, hatte an einem Frühlingsnachmittag... auch keine Hilfe, denn wenn man nichts zu schreiben weiß, hat man keinen Namen, der am Anfang des Manuskriptes stehen kann. Jeden Morgen, wenn er das Funkhaus betreten hatte, unterzog sich Murke einer existentiellen Turnübung: er sprang in den Paternosteraufzug... doch woher einen Schauplatz wie das Funkhaus nehmen? Fest gemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt... noch eine Sackgasse, aus der nur der Rückzug blieb.
Nichts wollte aus ihm heraus. Er war ein wortloser Autor. Er war ein sprachloser Schriftsteller. Der Begriff Schreibblockade tauchte mit zunehmender Häufigkeit in seinen Überlegungen auf. Er wies ihn zurück, verlachte ihn, zollte ihm keinerlei Respekt, doch ohne den gewünschten Erfolg. Aus Minuten wurden Viertelstunden, aus Viertelstunden ein schier endloser Vormittag. Schreibblockade. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.
Zum Trotz begann er, Sätze zu formen. Wie froh bin ich, dass ich hier bin! Schlimmster Feind, was ist das Herz des Menschen! Dich zu treffen, den ich so hasse... er hielt inne. Es war sinnlos, Goethe ins Gegenteil zu verkehren. Daraus würde nie eine Erzählung, die des Erzählens wert gewesen wäre. Schreibblocklade!
Die Frau im blauen Kleid floh über den Alexanderplatz und der Mechaniker folgte... mit Entsetzen betrachtete er dieses jämmerliche Plagiat und drückte erneut die Löschtaste. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.
Ich habe eine Schreibblockade. Er betrachtete den Satz und fand Gefallen an den vier Worten. Daher schreibe ich unter Nachkriegsbedingungen, leide Mangel an lebensnotwendiger Buchstabennahrung und unverzichtbarer Kapitelkleidung. Und doch werde ich überleben. Die Westmächte werden mir zu Hilfe eilen, mit Wortrosinenbombern und Satzüberlebensrationen.
Die Stirn gerunzelt las er die Zeilen, schüttelte den Kopf und schickte auch diesen Text ins unersättliche Datengrab. Die Westmächte nahmen ihn so wenig zur Kenntnis wie jene sprichwörtliche Muse, der er nie begegnet war, geschweige denn, dass er ihren Kuss auf den Lippen gespürt hätte. Oder küsste die Muse eher auf die Wange? Homer hatte eine Dreiheit von Musen gekannt, Hesiod sprach gar von neun verschiedenen Schutzgöttinnen der Künste. Mindestens drei von ihnen konnten einem Dichter zur notwendigen Inspiration verhelfen; vielleicht sollte er versuchen, Erato auf sich aufmerksam zu machen? Die Muse der Liebesdichtung ... Liebesdichtung? Erdichtete Liebe oder Dichtung über die Liebe? Und welche Liebe? Die verhinderte, die einseitige, die erfüllte, die schal gewordene, die unersättliche, die hoffnungsvolle? Wie wählte man die Liebe aus, die zu beschreiben sich lohnte?
Vielleicht konnte der weise König Salomo ihn inspirieren, ihm wenigstens einen Anfang, ein paar erste Sätze schenken? Er nahm die Bibel aus dem Regal und blätterte, bis er den gesuchten Text fand. Er küsse mich mit Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist köstlicher als Wein. An Duft gar köstlich sind deine Salben; ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Mädchen ... konnte er die Bibelsprache übersetzen in einen zeitgemäßen Text? Köstlicher als Wein - das war auch heute noch verständlich. Die Sache mit dem Salböl schien schon schwieriger, doch das ausgegossene Salböl mit einem Namen zu verbinden schien ihm bereits unmöglich. Und überhaupt: Wieso stand da "er küsse mich" und im nächsten Halbsatz "deine Liebe"? Er las weiter. Zieh mich dir nach, lass uns eilen! Der König möge mich in seine Gemächer führen! Wir wollen jubeln und uns freuen an dir, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein! Mit Recht liebt man dich ...
Erneut diese Verwirrung der Personen. "Der König" soll sie ziehen, aber "deine Liebe" ist des Rühmens wert. Er kapitulierte vor dem König Salomo und seiner Sulamith, vor dieser Liebe, die so geheimnisumwoben über acht Kapitel zu entbrennen schien und doch keine Erfüllung fand, denn schließlich bat die Liebende am Ende: Enteile, mein Geliebter, und tu es der Gazelle gleich oder dem jungen Hirsch auf den Balsambergen!
Er blickte auf die Uhr. Der viele Wein im Hohelied der Liebe brachte ihn auf den Gedanken, dass ein Glas Rotwein seine innere Verkrampfung lockern mochte. Es war 11 Uhr. Alkohol am Vormittag war ihm bisher fremd gewesen. So sollte es, befand er schließlich, auch bleiben.
Er stand auf und verließ sein Arbeitszimmer, stand dann unschlüssig im Flur. Die Küche lockte ihn nicht, er verspürte weder Hunger noch Durst. Im Wohnzimmer lud das Sofa zum entspannten Lesen ein, doch das hatte er schon in den letzten Wochen ausgiebig getan, ohne selbst eine einzige brauchbare Zeile zu schreiben. Musik hören - auch danach war ihm nicht zumute. Der Tag war nicht ungewöhnlich warm, doch fühlte er sich verschwitzt. Er ging schließlich ins Badezimmer und entledigte sich seiner Kleidung. Dann trat er unter die Dusche und überließ sich dem heißen Wasser, genoss das beinahe schmerzliche Brennen auf der Haut. Seinen verkrampften Schultermuskeln verschaffte die Hitze spürbare Erleichterung, tief atmete er die dampfgeschwängerte feuchte Luft. Er griff zum Duschgel und wusch gründlich seinen Körper, während seine Gedanken zurückeilten.
Vor nunmehr über zehn Jahren hatte seine Frau mit der Videokamera anlässlich einer Urlaubsreise das Ferienhaus aufgenommen und war just in dem Moment in das ländlich ausgestaltete Badezimmer gekommen, als er unter der Dusche stand. Sie hatte den Vorhang beiseite gezogen und ließ die Kamera langsam an seinem nassen Körper nach unten gleiten, hielt jedoch inne, bevor das Bild die Region erfassen konnte, die Dritten nicht zu zeigen war. Sie schwenkte die Kamera zurück zu seinem Gesicht und widmete sich dann weiteren Räumen ihres Domizils.
Er lächelte anlässlich der Erinnerung und schloss die Augen, um die Seife aus den Haaren zu spülen. Er verharrte noch einige Augenblicke mit geschlossenen Lidern im heißen Wasserstrahl, bevor er sich abtrocknete und das Fenster öffnete, damit die feuchte Luft entweichen konnte.
Vielleicht konnte er eine Kurzgeschichte über einen Mann in der Dusche schreiben? Eine Figur ersinnen, die wegen der Seife die Augen geschlossen hielt und nicht bemerkte, dass jemand das Badezimmer betreten hatte? Dies eröffnete zahlreiche Möglichkeiten. Von der schönen und liebeswilligen Unbekannten bis zum feindlichen Agenten, der einem Mordauftrag nachzukommen gedachte. Von der Dusche konnte die Erzählung in ein wahlweise modernes oder altertümlich eingerichtetes Schlafzimmer führen, oder nach blutigem Zweikampf die Flucht vor weiteren übel gesonnenen Zeitgenossen schildern. Natürlich konnte auch das Badezimmer der einzige Schauplatz bleiben, auf welchem sich Zärtlichkeit oder Brutalität ereignen würde.
Ohne sich anzukleiden ging er zurück zu seinem Arbeitsplatz und begann, zu schreiben: Der Mann stand mit zusammengekniffenen Augen unter der Dusche. Schaum glitt über seine Schultern am Körper hinab, das Rauschen des Wassers überlagerte das leise Knarzen der Klinke jenseits des Duschvorhangs. Behutsam wurde die Tür geöffnet und mit geräuschlosen Schritten trat eine Gestalt in den Raum. Als der Mann den Luftzug auf der nassen Haut verspürte, wischte er notdürftig den Schaum aus den Augen und blickte in ein fremdes Gesicht. Vor ihm stand
Weiter kam er nicht. Stand da eine Frau oder ein Mann? Jung oder alt? Bedrohlich oder anziehend? Schreibblockade! Du hast eine Schreibblockade.
Vor ihm stand eine junge Frau in einem leichten Sommerkleid, die mit verheißungsvollem Lächeln seine Blöße betrachtete.
Er löschte den Satz. Solch plumpe Formulierungen lagen ihm fern.
Vor ihm stand ein Herr mittleren Alters in einem tadellosen Abendanzug, der eine Pistole auf ihn gerichtet hielt.
Er tilgte auch diesen Satz und gab die Geschichte auf. Er war sprachlos. Wortlos. Satzlos. Inspirationslos. Musenlos.
Ein Spaziergang mochte Ablenkung bringen, so zog er sich schließlich wieder an und verließ ziellos das Haus. Aufmerksam musterte er die Menschen, die ihm begegneten, mochte doch aus einer zufälligen Begegnung eine Geschichte erwachsen, die zu erzählen lohnte. Ein Gesicht möglicherweise, dessen Ausdruck Rückschlüsse auf die erwartungsfrohe Stimmung zuließ, deren Grund Inhalt einer Geschichte sein konnte. Ein ungewöhnliches Bekleidungsstück, dessen Herkunft der Phantasie eine Erforschung gestattete. Ein Paar, dem die Liebe oder der Streit, deren Historie berichtenswert war, von weitem angesehen wurde. Eine einsame Person, deren Verlorenheit in der Welt er literarisch nachforschen konnte. Ein Kind, das Gedanken nachhing, die ungewöhnlich weit über sein Alter hinauswuchsen.
Er ging eine Stunde durch die Straßen, ohne dass auch nur die geringste Beobachtung ihn hätte interessieren oder gar inspirieren können.
Zurück am Schreibtisch öffnete er einige alte Dateien, überfolg sowohl gelungene als auch eher durchschnittliche Texte, die er geschrieben hatte. Doch auch das brachte ihn nicht weiter, führte nicht zu neuen Ideen oder alten Ideen, die er hätte frisch verpacken können. Im Grunde genommen gab es nicht viele Geschichten, es gab nur ein paar, die von vielen Autoren immer wieder in Variationen und mit unterschiedlichen Ausschmückungen erzählt wurden. Diese Handvoll Geschichten war nie langweilig geworden. Sicher gab es missglückte Ansätze und erbärmliche Versuche, peinliche Entgleisungen sowohl inhaltlicher als auch stilistischer Ausprägung. Daneben gab es aber die vielen hervorragenden Beispiele, wie man von der Liebe oder dem Kampf zwischen Gut und Böse berichten konnte, oder von Kombinationen dieser beiden Grundmuster. Eigentlich, überlegte er, gab es nur diese beiden Geschichten. Gut gegen Böse und die Liebe an und für sich - und das, was das Leben oder die Phantasie aus diesen Zutaten zu mischen vermochte.
Die Phantasie jedoch ließ ihn seit Wochen im Stich und das Leben mischte ebenfalls nichts, was er als Stoff für einen Text hätte erkennen können. Dabei warteten, das wusste er, zumindest seine treuen Leserinnen und Leser auf einen neuen Text. Er hatte in der Verlegenheit bereits ein Kapitel aus einem unvollendeten Buch als Auszug veröffentlicht, und dann noch ein Kapitel aus einem früheren Roman nachgeschoben, der inzwischen vergriffen war. Doch das waren Notlösungen, die ihn nicht zufrieden stellen konnten. Er wollte schreiben, aber er fand nur Dürre, wo sonst ein Brunnen der Inspiration gesprudelt hatte.
Er sah erneut auf die Uhr und befand, dass es nun angemessen spät war. Er schlenderte in die Küche, musterte das Weinregal und entkorkte schließlich eine Flasche französischen Rotwein, schenkte sich ein Glas ein und trank einen Schluck.
Dann ging er mit Glas und Flasche zurück zum Computer, öffnete entschlossen ein leeres Dokument und begann zu schreiben:
Die Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte...