Freitag, 4. April 2008

Kann man Liebe erklären?

Gestern kam ich prima voran mit meiner Arbeit am Manuskript. Etwa 14 Stunden habe ich daran gearbeitet. Mittags traf ich mich mit einem Freund am Potsdamer Platz bei Maredo zum Business Lunch, wie eine Mittagsmahlzeit zu günstigen Preisen heutzutage daselbst heißt. 7,20 Euro für ein leckeres Gericht ist durchaus angemessen. Die zwei Stunden Arbeitsunterbrechung mit angeregtem und viele Themen berührendem Gespräch habe ich sehr genossen.

Ich hatte mich entschlossen, die S-Bahn zu nehmen, da sie mich von zu Hause ohne Umsteigen direkt zum Ziel bringt, Parkplatzsuche und -gebühren spart und weil ich während der Hin- und Rückfahrt mit dem Kleinen (regelmäßige Blogleser kennen ihn) arbeiten konnte.


Auf der Rückfahrt überarbeitete ich die folgende Passage. Nico ist ein 13jähriger Draufgänger, der sich mit meiner Hauptfigur Roland angefreundet hat. Mehr als Freundschaft ist inzwischen entstanden.

...Also erklärte ich, dass ich auf so etwas wie Geldwäsche gestoßen sei, während wir Nirvana hörten. Ich sagte, dass der Mann, der mich angesprochen hatte, offenbar Informationen über die Transaktionen hatte.
»Klasse, das wird ja immer aufregender und spannender!« Nico war ganz aus dem Häuschen. »Wer weiß, was da noch auf uns zukommt.«
Wir hörten einen Moment aufmerksam Kurt Cobain zu, der uns erklärte:
With the lights out, it's less dangerous
Here we are now, entertain us
I feel stupid and contagious
Here we are now, entertain us…

Ich beschwichtigte: »Auf uns kommt gar nichts zu. Du hältst dich da gefälligst raus. Ich erzähle dir, was sich so tut, aber ich möchte nicht, dass du irgendwie in die Angelegenheit verwickelt wirst. Das ist offenbar ein gefährliches Gelände, mein Lieber!«
»Hast du etwa Angst um mich?«
»Natürlich habe ich Angst um dich! Was glaubst du denn? Soweit ich das jetzt überblicke, sind sowohl Sabrina als auch Thomas Graf der gleichen Bande von Verbrechern zum Opfer gefallen, die mir eine Bombe in den Flur gestellt hat. Das reicht doch wohl?«
»Ja, natürlich. Ich bin es nur irgendwie noch nicht gewöhnt, dass sich jemand überhaupt Gedanken darum macht, was mit mir passiert.«
»Mache ich mir eben.«
»Danke.«
Er sah mich mit seinen großen Augen an, in denen ich einen Schimmer von Tränen erkennen konnte. Ich lächelte ihm aufmunternd zu.
»Es wäre wirklich schön, wenn du am Wochenende auch in Rothberg sein könntest«, meinte Nico. »Ich hoffe, ich gehe dir nicht auf die Nerven?«
»Unfug. Warum solltest du mir auf die Nerven gehen?«
»Weil ich dauernd bei dir ‘rumhänge.«
»Nico, ich freue mich, wenn du da bist. Warum würde ich sonst alle möglichen und unmöglichen Ämter aufscheuchen, damit du hier einziehen kannst?«
»Mitleid mit einem Waisenkind vielleicht?«
»Nein. Absolut nicht. Da kannst du sicher sein.«
»Warum sollte mich irgendjemand mögen?«

Diese Frage zielte genau auf das, was man nie erklären, nie benennen kann. Ich verstand, dass Nico unsicher war, nachdem er so viele Jahre in einem Kinderheim zugebracht hatte, nachdem seine eigenen Eltern ihn ausgesetzt und vergessen hatten wie ein abgelegtes Kleidungsstück, das man in den Caritas-Container wirft. Selbstwertgefühl wird durch bewiesene Zuneigung aufgebaut - der Hänsel-und-Gretel-Effekt muss demnach genau das Gegenteil bewirken. Die Erzieher im Heim mochten noch so fürsorglich und liebevoll mit den Kindern umgehen - sie wurden dafür bezahlt, dass sie das taten.
Wie konnte ich Nico erklären, warum ich ihn liebte? Wie kann man irgendjemandem erklären, warum man ihn oder sie liebt? Es geht gar nicht. Es gibt keine messbaren Fakten dafür.
And I forget just why I taste
Oh yeah, I guess it makes me smile
I found it hard, it was hard to find
Oh well, whatever, nevermind...

Vielleicht hatte Kurt Cobain recht. Nicht nach Erklärungen suchen. Einfach denken: Well, whatever, nevermind… Ich hatte Sabrina geliebt, liebte sie noch immer, obwohl sie tot war. Deshalb schmerzte jeder Gedanke an sie nach wie vor. So oft ich ihr auch erklärt hatte, dass ich sie liebte, das warum war immer offen geblieben.
Wegen Ihrer Schönheit? Schönheit ist vergänglich, die Liebe bleibt. Auch ausgesprochen unansehnliche Menschen finden Partner, mit denen sie eine tiefe Liebesbeziehung teilen können. Wegen Ihres Humors? Ich liebte sie auch dann, wenn sie traurig oder verzweifelt und jede Spur von Frohsinn weit entfernt war. Weil unser Sex uns tief erfüllte? Auch in Zeiten der Krankheit oder zu großer Müdigkeit und daraus resultierender sexueller Abstinenz nahm meine Liebe nicht ab.
Warum hatte Sabrina mich geliebt? Das war mir ebenso stets ein Rätsel geblieben. Ich fand mich nicht ungestalt und hatte mir keine bösartigen Charakterzüge vorzuwerfen, aber ich kannte zahlreiche Männer, die besser aussahen und aus meiner Sicht für eine Frau begehrenswerter sein mussten als ausgerechnet ich. Dennoch liebte Sabrina mich und verschwendete keinen Gedanken an andere.
Ich konnte Nico zwar aufzählen, was er an bemerkenswerten Eigenschaften und liebenswerten Merkmalen mitbrachte, aber das würde alles nicht den Kern der Sache treffen.
A denial! A denial! A denial!... brüllte Kurt Cobain. Ich wollte meine Liebe nicht leugnen. Ich wollte, dass Nico verstand, dass ich ihn wirklich liebte. Auch wenn ich es nicht begründen konnte.
»Nico, ich bin kein Philosoph. Und selbst die hatten Probleme damit, die Liebe zu begründen. Ich kann dir nur sagen, dass du für mich der Sohn geworden bist, den ich nie hatte. Ich kann dir erklären, wie sehr ich deine Offenheit, deine Abenteuerlust und deine Treue schätze. Ich kann dir sagen, dass es dir gelingt, immer wieder, etwas tief in mir anzurühren. Ich bin eigentlich ein Einsiedler, ein Eigenbrötler, aber Du dringst irgendwie durch. Und das genieße ich, das tut mir gut. Ich kann dir versichern, dass ich jede Stunde, die wir miteinander verbringen, genieße. Du bist für mich eben liebenswert, wichtig, wertvoll. Besser ausdrücken kann ich es nicht. So wie die Amerikaner sagen shit happens, so sage ich love happens
»An dir ist doch ein Philosoph verloren gegangen. Wenn ich mir je einen Vater vorstellen könnte, der diese Bezeichnung verdient, dann wärest du das, Roland.«

Das bringt mich zu der Frage: Kann irgend jemand unter meinen Bloglesern erklären, warum man liebt?

Mittwoch, 2. April 2008

300 - mitten in der Arbeit!

Dies ist der 300ste Beitrag auf diesem Blog - na so was. Da hört sich doch alles auf, was habe ich da bloß alles für Sinn und Unsinn von mir gegeben?

Es sei an dieser Stelle angesichts des Jubiläums mal ganz herzlich und aufrichtig den treuen Leserinnen und Lesern gedankt, die mit ihren Kommentaren (allen voran eine gewisse Barbara aus Lübeck-Travemünde) diesen Blog so lebendig machen und dafür sorgen, dass er keine Einbahnstraße vom Blogger ins Nirgendwo ist. All Euch stummen Lesern sei versichert: Nur Mut, das Ding beißt nicht, wenn man einen Kommentar schreiben will. Das einzig doofe ist diese Sicherheitsabfrage, aber ohne landet hier wirklich zu viel als Kommentar getarnter Müll. Also seid ermutigt: Ich lese jeden Kommentar und schaffe es in der Regel auch, innerhalb von ein paar Tagen (bei Bedarf) zu reagieren. Und ihr wisst doch, dass in der Bibel steht: »Einen fröhlichen Kommentator hat Gott lieb.« Oder so ähnlich.

So, genug lobgehudelt, jetzt zur Arbeit:

Mich haben einige liebe Menschen schon im Lauf der Jahre gefragt, was das Geheimnis sei, wenn man ein Buch veröffentlichen will. Ich habe keine Ahnung. Aber ich weiß: Ohne Mühe und Arbeit am Text geht es nicht. Ich lese in einem Forum so manchen Text von Autorinnen und Autoren, die sich nicht einmal die Mühe machen, die deutsche Grammatik und Rechtschreibung zu erlernen und sich gleichzeitig fragen, wie sie wohl zu Bestsellerautoren werden können. The naked truth is: No way, Joze!

Die Sache mit dem Schreiben ist wie bei einem Koch. Erst wenn ihm selbst die Suppe schmeckt, darf er andere einladen, sie zu kosten. Wenn sie den anderen nicht schmeckt, muss er an den Zutaten arbeiten, erneut kosten, erneut einladen, abschmecken, nachwürzen, und - wer weiß - erneut einen Reinfall erleben. Der Koch aber liebt seine Tätigkeit und bleibt dran. (Wenn jemand unbedingt ein Geheimnis braucht - da ist es!) Er gibt nicht auf. Und selbst wenn es Jahre dauern mag - irgendwann wird er die Suppe so komponiert haben, dass sie ihm und den Gästen schmeckt. Er erntet Applaus und zufriedene Gesichter. Und unverzüglich macht er sich daran eine zweite Suppe zu kreieren...

Was meinen nächsten Roman betrifft, so bin ich dabei, nachdem die grundlegenden Zutaten fest stehen, die Raffinesse der Gewürze auszubalancieren. Zum Beispiel:

Der Notarztwagen, der sich am Stau vorbei in Richtung Unfallstelle gequält hatte, stand auf der Fahrbahn, die hinteren Türen offen. Gestalten beugten sich über einen Körper.

Sabrina!

Man ließ mich nicht zu ihr. Mit sanfter Gewalt hinderte mich ein uniformierter Mann daran, redete beruhigend auf mich ein, appellierte an meine Einsicht, dass ich mir den Anblick ersparen sollte. Ich tobte und wollte mich losreißen.

Schließlich sagte mir ein dem Polizisten zur Hilfe kommender Arzt unumwunden, dass der Kopf meiner Frau bei dem Aufprall zwischen Auto und Glascontainer am Straßenrand geraten war und überzeugte mich davon, Sabrina lieber so in Erinnerung zu behalten, wie ich sie gekannt hatte.

Das war die gestrige Fassung. Heute steht im Manuskript statt dessen:

Der Notarztwagen, der sich am Stau vorbei in Richtung Unfallstelle gequält hatte, stand auf der Fahrbahn, die hinteren Türen offen. Gestalten beugten sich über einen Körper. Ich erkannte Sabrinas neues Kleid im Neonlicht, und noch etwas fiel mir auf, aber das drang nicht bis in mein Bewusstsein vor – es sollte noch Monate dauern, bis mir dieses Detail gewärtig wurde. Dort auf der Straße hatte ich nur einen Gedanken: Sabrina!

Man ließ mich nicht zu ihr. Mit sanfter Gewalt hinderte mich ein uniformierter Mann daran, redete beruhigend auf mich ein, appellierte an meine Einsicht, dass ich mir den Anblick ersparen sollte. Ich tobte und wollte mich losreißen.

Schließlich sagte mir ein dem Polizisten zur Hilfe kommender Arzt unumwunden, dass der Kopf meiner Frau bei dem Aufprall zwischen Auto und Glascontainer am Straßenrand geraten war und überzeugte mich davon, Sabrina lieber so in Erinnerung zu behalten, wie ich sie gekannt hatte.

»Aber der…« fing ich an, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen wollte. Mein Unterbewusstsein hatte etwas aufgeschnappt und behielt es für sich wie ein trotziges Kind den letzten Keks in der Blechdose. »Der… - ich meine – ich…«

Der Arzt fragte mich, ob ich ein Beruhigungsmittel wollte, aber ich lehnte ab. Ich wollte Sabrina zurückhaben, und wenn das unmöglich war, gar nichts mehr.

So verfeinert man ein Süppchen nach und nach, bis es dem Koch und dann - wirklich erst dann - hoffentlich den Gästen schmeckt.

Mein Französisch...

...habe ich erfolgreich vergessen. Schade, aber man kann nicht alles im Kopf behalten, was die Schule so mit sich bringt.

Blogleser wissen: Ich arbeite an der Endfassung eines Romans. Da stehen die folgenden Zeilen.
Doch dieser Nachmittagsspaziergang brachte die unerwartete Wende. Unvermittelt frage mich, während wir am Ufer entlang schlenderten, meine künftige Schwiegermutter auf Deutsch: »Bist du mit Esther glücklich?«
Überrascht antwortete ich: »Ja, sehr glücklich.«
»Et toi, Esther?«
»Oui, je suis, mais seulement avec Roland.«
»C’est bien. C’est très bien.«
Meine Frage oder Bitte: Wäre jemand mit der entsprechenden Sprachgewandheit so freundlich, mir zu sagen, ob das so stehen bleiben kann? Oder ist das grauenhaftes Französisch?

Dienstag, 1. April 2008

Shit happens...

...sagen die Amerikaner. Stimmt.

Ich war heute zum Abendessen eingeladen, zusammen mit lieben Freunden, bei einem befreundeten Pfarrer und seiner Frau. Auf dem Weg meinte das Auto, mich mit roten Warnlämpchen anblinken zu müssen und den Motor mal eben ausschalten zu sollen. Das Fahrzeug rollte noch freundlicherweise bis zum Straßenrand und machte es dann dem öffentlichen Dienst nach: Streik.
Ein Blick unter die Motorhaube offenbarte mir Gummigeschnetzeltes. Also Anruf beim entsprechenden Notdienst. Der Pannenhelfer ließ etwa 70 Minuten auf sich warten (Feierabend-Berufsverkehr in Berlin und meine war nicht die einzige Panne) - schließlich hielt das rot-weiß lackierte Fahrzeug warnblinkend hinter mir an und ein sehr freundlicher Mechaniker nahm sich der Sache an. Er hatte den passenden Keilriemen oder wie das Ding heißt dabei und auch geeignetes Werkzeug. Es dauerte etwa 15 Minuten, und mein Auto hatte wieder alle Tassen im Schrank - äh, ich meine Riemen an der Lichtmaschine.
Gekostet hat es nichts, das ist tröstlich. Und ebenso tröstlich ist das Wissen, dass der andere Pannendienst, der mit den gelben Fahrzeugen, erstens mit den Beiträgen für die Mitglieder teurer ist als meiner und zweitens das Auto (ist ja ein Amerikaner) hätte zur Werkstatt bringen lassen, statt an Ort und Stelle zu helfen. (Haben mir jedenfalls Kollegen nach ähnlichen Ereignissen berichtet.)
Nun ja. Ich fuhr dann nach Hause, denn man kommt nicht etwa 90 Minuten zu spät zum Abendessen. (Logisch: Ich hatte auch dort angerufe, wo ich eigentlich erwartet wurde). Ich fand noch Eier im Kühlschrank und Butter, sowie etwas Käse. Im Brotkasten warteten zwei einsame Scheiben Mischbrot auf den Verzehr: Voila - ich musste nicht verhungern.

Trotzdem: Abendessen mit Freunden wäre mir lieber gewesen. Aber: Shit happens. Gute Nacht.

Montag, 31. März 2008

Abgetaucht

In dieser Woche bin ich, wie bereits angedeutet, überwiegend abgetaucht. Oder eingetaucht in ein literarisches Projekt. Also erwartet bitte keine oder kaum Blogeinträge.
Die Familie weilt in Spanien und ich habe Urlaub zu Hause - die besten Voraussetzungen für eine ausführliche Beschäftigung mit Sabrina und Esther. Aber mehr Sabrina als Esther. Obwohl Esther ja auch eine ganz und gar liebenswerte Person ist.

Ich schreibe Rätselhaftes in diesen Beitrag? Mag sein, das Rätsel könnte sich dann lösen, wenn ich a) fertig würde, b) einen Verleger fände und c) der geneigte Blogleser des dann erscheinenden Buches habhaft würde.
Um mit Herrn Beckenbauer zu sprechen: Schaun mer mal...

Sonntag, 30. März 2008

Barbaras Flucht - brutal aber wahr

Meine Geschichte ist nur eine von vielen, die sich zugetragen haben. Sie ist nicht wertvoller als andere Schicksale, doch will ich sie erzählen als ein Zeugnis dessen, was der Glaube an den Allmächtigen in einem Herzen zu bewirken vermag, dem jegliche menschliche Hoffnung geraubt wird.

Vor etwa 10 Jahren schrieb ich für eine Anthologie über den schwäbischen Liederdichter Philipp Friedrich Hiller (Gott ist mein Lobgesang) einen recht nüchternen Text über eine wahre Begebenheit im Jahr 1862, die mit seinen Liedern zu tun hat. Nüchtern und unblutig, weil der Verlag die fromme Leserschaft nicht mit den brutalen Tatsachen konfrontieren wollte. Der obige Einstieg ist aus diesem Text.

Gleichzeitig schrieb ich aber anhand der historischen Dokumente, die mir damals vorlagen, auch auf, was wirklich geschehen war. Diesen zweiten, ungeschminkten Text mit dem gleichen Einstieg habe ich heute beim Stöbern wieder gefunden. Er ist auf meinem anderen, dem textlastigen Blog zu finden. Darin finden sich dann auch solche Passagen:
Ich mußte mit ansehen, wie die Köpfe von Kleinkindern und Neugeborenen von den Kriegern an Hausmauern zerschmettert wurden. Manch ein Opfer lebte noch, wurde jedoch achtlos beiseite geworfen, um eines grausamen Todes zu sterben.
Nach dieser Warnung: Bitteschön, hier geht es lang: Mein geteiltes Buch - die Geschichte der Barbara Manz

P.S.: Logisch: Kommentare nur dort, nicht hier.

Samstag, 29. März 2008

Kein Klo weit und breit...

Nächste Woche werde ich abtauchen, um an einem älteren Manuskript zu arbeiten und es wenn irgend möglich fertig zu stellen.

Ich habe heute bereits ein bisschen meine Erinnerung an das eigene Werk aufgefrischt und dabei den Anhang angeschaut, den ich vor etwa acht Jahren zu dem Roman geschrieben habe. Das Nachwort, in dem ich erste Leseerlebnisse als Kind schildere, wird wohl die Bearbeitung nicht überleben. Diese Passage will ich jedoch nicht so sang- und klanglos ins Datennirvana schicken, sondern die Sache mit der Unmöglichkeit, eine Toilette zu besuchen, mir (und den Blogbesuchern, die trotz der Überschrift diesen Eintrag lesen) hiermit aufbewahren:

Manches in den Werken, die mir gut gefielen, störte mich dennoch. Bei der Lektüre der Abenteuerromane von Karl May hatte ich mich schon als Kind häufig gefragt, wie jemand tagelang gefesselt irgendwo verbringen konnte, ohne ein einziges Mal auf die Toilette zu müssen. Wenn er doch gemusst, aber laut der Erzählung nicht gedurft hatte - warum war dann nicht die Rede davon, dass er nach der Befreiung aus der Hand der Bösewichte die Kleidung wechselte? Stattdessen war der Held sofort bereit, sich feiern zu lassen oder neue Abenteuer zu bestehen. Ich hätte mich jedenfalls mit am Hintern festgetrocknetem Kot und dem beißenden Geruch von Urin im Schritt ungern von einem ganzen Indianerstamm hochleben lassen.
Man kommt, je nachdem wie aufmerksam und wie viel man liest, früher oder später dahinter, dass es in Büchern genau wie im Leben zugeht: Erstens wird nicht unbedingt die Wahrheit erzählt und zweitens wird manches weggelassen. Das Weglassen mag darin begründet sein, dass der Autor über den Sachverhalt nicht nachgedacht hat. Es mag auch daran liegen, dass er es dem Leser überlassen möchte, sich etwas auszumalen oder nicht.
Auch der Geschmack ändert sich, heute ist es nicht ungewöhnlich, in einem Buch, das man zweifellos zur gehobenen Literatur zählen kann, anschauliche Schilderungen der geschlechtlichen Vereinigung in zahlreichen Variationen zu finden. Noch vor sagen wir 30 Jahren war - in »anständigen Büchern« - höchstens die Rede davon, dass ein Paar sich in seine privaten Gemächer zurückzog...
Natürlich ist nicht jeder Besuch des Abortes erzählenswert – aber wenn der Held einer Erzählung mehrere Tage und Nächte an einen Marterpfahl gefesselt bleibt, dann interessierte es mich als Kind bereits durchaus, ob er eine Gelegenheit bekommt, sich zu säubern und die Kleidung zu wechseln, auch wenn der Vorgang nicht in Einzelheiten geschildert werden brauchte. Zumindest eine zeitliche Lücke in der Erzählung sollte vorhanden sein, damit ich mir sagen konnte: Ach ja, diese halbe Stunde hat Old Shatterhand (oder wer eben gerade der Held war) genutzt, um wieder präsentabel zu werden.

P.S.: Dieser kleine Text wird auch hier ganz ulkig kommentiert: Kurzgeschichten-Forum

Kunst aus Rauch

Der kann was, der Sam. Sam(uel) ist mein älterer Sohn, und wenngleich er nicht schreibt, muss er doch eine kreative Ader geerbt zu haben. Den Beruf (Multimedia-Producer) hat er passend gewählt und ist darin sehr erfolgreich, aber auch über seine privaten Produktionen staune ich immer wieder. Zum Beispiel hat er Rauch fotografiert und daraus entstanden diese beiden Bilder, Fliegender Schwan und Wartende Braut:


(Klick aufs Bild bringt Sams Kunstsammlung zutage. Sehenswert, finde ich, aber natürlich bin ich da voreingenommen...)

Übrigens: Sam hat auch unsere freiberufliche Internetseite neu gestaltet und programmiert. Ganz hervorragend sogar. Zu besichtigen unter MatMil.de

Freitag, 28. März 2008

Tödlicher Glaube...

Gottesdienst täglich? Versammlung wöchentlich? Heilungsgottesdienste unbiblisch? Don Ralfo macht sich so seine Gedanken:


Was mir beim Lesen einfiel: In der Memminger Kleinstadtgemeinde, in der ich meine ersten ernsthaften Glaubensschritte machte, hieß es (damals zumindest) wirklich Versammlung statt Gottesdienst, was so am Sonntag stattzufinden pflegte.

Vielleicht ließen sich manche Katastrophen vermeiden, wenn wir alle eher die Bibel lesen und der Bibel glauben würden, als irgend einem Prediger oder Pastor oder sonst einem Menschen ungeprüft abzunehmen, was sie uns verkünden? Ich meine solche Ereignisse:


Natürlich heilt Gott, natürlich ist Gebet wirksam. Aber ein 11jähriges Kind aus lauter (völlig missverstandener) Bibeltreue sterben lassen...

Manchmal meine ich, dass es so langsam Zeit wäre, dass Jesus kommt und das häufiger als nur gelegentlich unerträgliche Verhalten seiner Gemeinde beendet. Andererseits sind da so viele Menschen, die noch keine Chance hatten, ihn überhaupt kennen zu lernen. Und wir sind nun mal diejenigen, die ihn hier und jetzt vorstellen könnten und sollten.
Wir Christen haben allerdings häufig so viel Wichtigeres zu tun, als denen, die verloren gehen, die einzige Möglichkeit der Errettung bekannt zu machen...

Donnerstag, 27. März 2008

Siegfried Hitler

Vor etlichen Monaten unterhielt ich mich mit zwei Männern aus unserem Hausbibelkreis über Literatur. Dabei erzählte einer der beiden von einem Buch, das er für unbedingt lesenswert hielt. »Siegfried - eine schwarze Idylle« von Harry Mulisch. Ich bekundete Interesse – und vor zwei Wochen hat er es tatsächlich ausgebuddelt und mir geliehen. »Endlich!« muss ich sagen, nachdem ich es nun gelesen habe.

Zwei alte Menschen, vor langer Zeit Hausangestellte in der Bergfestung Hitlers auf dem Obersalzberg, jetzt Bewohner eines ärmlichen Altersheimes, erzählen dem holländischen Schriftsteller Rudolf Herter, der Wien zu einer Lesung besucht, eine unglaubliche Geschichte: Adolf Hitler und Eva Braun hatten einen Sohn.

Wenn dieses Buch ein Deutscher verfasst hätte, wäre die erzählerische Begegnung Auge in Auge mit den Kerngfiguren des Naziregimes kaum - oder nicht so direkt - zustande gekommen. Der Autor Harry Mulisch aber ist Holländer, Sohn eines ehemaligen österreichischen Offiziers und einer Frankfurter Jüdin - das heißt, er kann sich literarisch so ziemlich alles trauen, ohne in falschen Verdacht zu geraten. Und er ist ein ganz hervorragender Autor, der seine Ideen so lebensnah und nachvollziehbar zu erzählen vermag, dass man ihm einfach folgen will und muss. In seiner Figur des Rudolf Herter fand ich mich übrigens gelegentlich wieder, etwa an solchen Stellen:
Sein Gedächtnis für die Ereignisse in seinem Leben war eher schlecht, und des öfteren musste er Maria oder Olga fragen, wie sich irgendwelche Dinge genau zugetragen hatten...
Wie oft geht es mir doch genau so! Ich berichte ein Ereignis und die beste aller Ehefrauen, die auch dabei war, schüttelt den Kopf zu meinem Bericht...

Doch zurück zur Geschichte von Siegfried Hitler, dem verheimlichten Kind. Herter schwört dem alten Ehepaar Verschwiegenheit bis zu deren Tod, bevor er die Einzelheiten erfährt. Die Geschichte, die er dann hört, ist so unglaublich, dass er zu folgendem Schluss kommt:
...Und überhaupt. Wer würde ihm glauben? Und nach dem Tod der Falks, ohne Zeugen würde seine Geschichte noch unglaubwürdiger sein. Man würde ihn wegen seiner Phantasie loben, und vielleicht bekäme er wieder einen Literaturpreis, doch glauben würde ihm niemand.
Damit hat der Autor etwas geschafft, was wir alle, die wir Geschichten erzählen, gerne vollbringen möchten: Der Leser ist im Zweifel, ob er Fiktion oder Tatsachen liest, oder eine Mischung - aber in welchem Verhältnis? Genial eingefädelt von Mulisch. Der Mann hat Phantasie. Und daher schreibt er auch:
Die Phantasie kann es nicht mit der Wirklichkeit aufnehmen, die Wirklichkeit schlägt die Phantasie bewusstlos und krümmt sich vor Lachen.
Solchermaßen auf das Glatteis geführt erlebt der Leser mit, was dem Kind zustößt. Bis zum bitteren Ende und darüber hinaus, denn die letzten Seiten des Buches sind Tagebuchnotizen von Eva Braun, die nach der gespenstischen Hochzeit im Führerbunker in ihren letzten Lebensstunden Eva Hitler hieß. Da war Siegfried allerdings schon tot.

Ein Buch, das ich verschlungen habe, wenn ich auch bei den gelegentlich etwas ausschweifenden Ausflügen in die Geschichte der Philosophie gedacht habe: Wann geht es endlich weiter? Doch andererseits ist der Hitler, den Harry Mulisch portraitiert, untrennbar mit Nietzsche, Heidegger, Wagner und anderen verbunden.

Sprachlich ist das Buch in der deutschen Fassung makellos, dem Übersetzer zolle ich Hochachtung vor seiner Leistung.

Mein Fazit: Tatsächlich unbedingt lesenswert!

Ein interessantes Gespräch mit dem Autor: Hitler war ein schwarzes Loch

Das Buch: Harry Mulisch: »Siegfried. Eine schwarze Idylle«
Taschenbuch: 190 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch (Oktober 2003)
Euro 7,95
ISBN-10: 3499232960
ISBN-13: 978-3499232961
Zum Beispiel erhältlich bei Amazon: Siegfried: Eine schwarze Idylle (rororo)