Mittwoch, 5. März 2008

Warten...

...auf Godot den »Kleinen«. Er ist bestellt. Seit Montag. Er ist ausverkauft. Seit Wochen. Der Auftrag ist bestätigt, aber es gibt noch keinen Liefertermin. Mit Marianne Rosenberg möchte ich singen: »O wann kommst du?«

Vorfreude ist ja auch was Feines, der Volksmund behauptet gar, es sei die schönste aller Freuden.
Aber was weiß der Volksmund schon von Ungeduld und »jetzt-haben-wollen«. Nichts, denn der Volksmund hat sich nie einen Asus Eee PC bestellt.

Dienstag, 4. März 2008

Fragment - Die erste Fortsetzung


Wie gestern angekündigt hier die Fortsetzung einer Geschichte (Fragment), die unversehens zum Leben erwacht ist. Ich beginne mit dem letzten Satz des bisherigen Textes.

...
Sie hört sich sagen: „Wenn du es möchtest, ja.”



Er tritt in ihr Zimmer und bleibt am Fenster stehen. Die Klarinette liegt auf dem ungemachten Bett, ein offenes Buch auf dem Nachttisch. Er erkennt es, ohne den Umschlag zu sehen. Er blickt hinaus auf das Meer, forscht nach Anzeichen eines kommenden Geschickes, doch die Weite des Wassers verrät nichts.
„Ich meine, gespürt zu haben, dass die Erde bebt“, beginnt er, „aber es mag auch sein, dass nichts daran im Hier und Jetzt geschieht. Ich bin gefangen. Irgendwo.“
„Du träumst. Du bist nicht gefangen, sondern die Welt ist gefangen in deinem Traum.“
Konstaninos legt die Fingerspitzen an die Fensterscheibe und spürt das leichte Vibrieren, das Pulsieren, das nicht vom Wind, sondern irgendwo aus der Tiefe kommt. Er träumt nicht, nein, er will sie warnen und sie mit sich nehmen in die Sicherheit, die doch zu finden sein muss, solange Zeit noch bleibt. „Susanne, wir sollten aufbrechen. Zusammenpacken, was notwendig ist und diesen Ort verlassen.“
Sie stellt sich zu ihm an das Fenster. Sie blickt ihm in die Augen, die durch all die Jahre jung geblieben sind, es sind noch immer die Augen des Jungen am See, der ihrem Spiel lauscht und ihren Körper betrachtet, auf dem die Sonne sich der Wassertropfen bedient, um Blitze in seine Augen zu senden.
Er will etwas sagen, aber sie legt ihm sanft den Finger auf die Lippen. Er liest in ihren Augen Liebe, die nicht müde geworden ist in all den Jahren.
Susanne flüstert: „Die Träumenden führen Krieg gegen die Handelnden. Schau doch, wie die Handelnden zurückweichen, wie sie bluten, wie sie unterliegen.“

4

Er spürt den Sog zurück in die Vergangenheit. Sie waren damals jung, sehr jung. Sie waren damals alt, sehr alt. Alt wie die Sonne, die vom wolkenlosen Himmel schien, jung wie Rosenblüte, die sich gerade öffnete. Er und sie. Sie und er. Damals. Dort. Heute. Hier.



Er ist seit heute vierzehn Jahre alt. Ein griechischer Junge, geformt und gegerbt von der Küste. Der Nachmittag ist gerade angebrochen, er radelt in den Wald, zu seinem geheimen Ort. Der See gehört nur ihm, normalerweise. Die Touristen sind am Meer, oder in ihren Hotels, denn mittags ist es viel zu heiß für sie in diesem windgeschützten Tal, das von dichten Bäumen bewacht abseits der staubigen Landstraße von niemandem Beachtung findet.
Sein Vater nur scheint zu verstehen. Die Mutter, Griechin wie sie im Buche steht, viel zu sehr im Diesseits gefangen, Haushalt, Familie, Gäste, Tradition und Beständigkeit. Sie wäscht, sie kocht, sie räumt sein Zimmer auf, sie fragt ihn nach den Hausaufgaben, sie kühlt die Stirn wenn Fieber tobt, ist immer da, so will ihm scheinen, unermüdlich, pausenlos beschäftigt für ihre Familie.
Der Vater – anders. Irgendwie. Ein Deutscher, ganz anders als die Männer aus dem Dorf. Der Vater, der selten nur das Wort ergreift, der lieber nichts sagt, als im Streit ein Wort zu erwidern. Der träumen kann, und der dem Sohn das Träumen gönnt. Der Vater, der dieses Tal kennt und nicht betritt, wenn er den Sohn darin weiß. Weil der Vater versteht, dass ein geheimer Ort etwas Heiliges ist.
Er schiebt das Fahrrad durch die letzten Büsche vor der Wiese und bleibt stehen. Aus seinem Heiligtum erklingt Musik.



Sie steht im Schatten eines großen alten Baumes und lässt die Töne kommen, wie sie wollen. Woher kommen sie? Aus ihr? Wer hat sie in ihre Seele hineingelegt? Warum kommen sie nur manchmal so hervor wie jetzt – als spiele jemand mit ihren Fingern, Lippen, Lungen, als höre sie sich selber zu wie einer anderen Person? Spielt sie für sich? Für Gott? Für den Schwan, der dort reglos auf dem See verharrt? Ist dieser Schwan ein Gott? Ist er real? Er scheint nicht in dieses Tal zu gehören, genau wie sie nicht hier zu Hause ist, sie ist nicht einmal sicher, dass er wirklich da ist. Ein Schwan in Griechenland. In einem Felsental, das ihr der Zufall nur gezeigt.
Sie setzt die Klarinette ab und legt sie behutsam auf den Teppich aus weichen Halmen. Sie möchte diesen See erschwimmen, dem Schwan behutsam nahe kommen. Kein Mensch scheint hier zu sein, sie blickt noch einmal in die Runde und schlüpft dann aus dem Leinenkleid, streift ihre Wäsche ab und tritt mit beiden Füßen in das klare Wasser. Es ist kalt, erschreckend kalt in der griechischen Sommerhitze.



Er tritt aus dem Schatten und lehnt sein Fahrrad an den Baum, unter dem Klarinette und Mädchenkleidung liegen. Er ist nicht sicher, ob er träumt oder wacht. Er entledigt sich des Hemdes und der Hose, zögert kurz, und beschließt dann, es ihr gleich zu tun. Falls er nicht träumt, dann sind sie Adam und Eva im Paradies, wo man nichts zu verbergen braucht, was der Schöpfer für gut erachtet hat. Und sollte er nur träumen, dann wäre sowieso sein Handeln nicht von seinem Willen zu bestimmen.
Soll er sich bemerkbar machen? Nein. So wie es ist, so scheint es sein zu sollen. Zu müssen. Zu dürfen.
Das Mädchen geht behutsam einen weiteren Schritt, er weiß um die Kälte, die am Ufer herrscht. Ein wenig weiter wird das Wasser wärmer, doch hier speist eine unterirdische Quelle den See mit frischem Wasser aus der Tiefe. Er tritt neben sie. Sie erschrickt nicht, sondern schenkt ihm ein Lächeln.



Sie hat ihn kommen hören. Oder hat ihn gespürt. Hat kurz nur überlegt, ob sie fliehen, sich bedecken soll, sich umschauen, wer außer ihr zugegen sein mag. Aber irgendwie weiß sie, dass es der Junge sein muss, den sie am Vortag bei der Anreise kurz im Garten sah.
„Es ist sehr kalt“, sagt sie auf Griechisch, „trotz der Sonne.“
„Vier Meter weiter wird es wärmer“, antwortet er auf Deutsch.

Er schreitet aus und lässt sich dann ins Wasser gleiten. Sie folgt ihm schnell und wirklich ist die Wärme da, wo er gesagt hat.
Sie blickt hinüber an das andere Ufer. „Der Schwan ist verschwunden.“
„Man sieht ihn nur, wenn er es will.“



Später liegt er ihr zu Füßen, während die Zukunft offen ist. Sie spielt für ihn, lässt eine Melodie sich selbst erschaffen. Er fragt sie nicht nach ihrem Namen, sie will seinen nicht erfahren. Es genügt, dass sie da sind, an diesem See, zu dieser Stunde. Er darf ihre Schönheit betrachten, sie darf seinen Körper sehen. Die Blicke forschen, entdecken bisher Ungesehenes, Geahntes, Geträumtes. Dann liegen sie neben einander und blicken empor zum Dach der Zweige, brauchen keine Worte, um einander zu verstehen. Der Schwan treibt heran, trägt eine Rose im Schnabel. Am Ufer legt er sie ab und fliegt davon.
Konstantinos steht auf und hebt die Rose auf. Ein Dorn sticht ihn in den Daumen, sein Blut hat die Farbe der Blüte. Er bückt sich und holt aus seiner Hose das Taschenmesser, schneidet sorgsam die Dornen ab, bevor er dem Mädchen den Stengel reicht. Sein Blut tropft auf ihre bleiche Haut, ein Tropfen unter der rechten Brust, einer dicht am Nabel, ein dritter im Flaum, der ihr Delta umspielt.
Sie lächelt, nimmt die Rose entgegen und führt seinen blutenden Daumen zum Mund. Sie saugt das Blut, bis die Wunde versiegt.
„Ich habe heute Geburtstag“, sagt sie, ich bin jetzt Fünfzehn.“



Sie ziehen sich an, unwissend, wie viel Zeit vergangen ist. Die Sonne verschwindet hinter den Wipfeln. Sie verstaut ihr Instrument in einem kleinen ledernen Behältnis. Er schiebt sein Fahrrad, teilt sorgsam das Gebüsch für sie, bis sie den staubigen Weg ins Dorf erreicht haben. Bei den ersten Häusern fragt er: „Sehen wir uns wieder?“
„Ja“, sagt sie, „das hat der Schwan versprochen und dein Blut hat es besiegelt.“
„Morgen?“
„Nein. Ich muss dich verlassen, meine Eltern sind mit mir auf der Flucht. Aber behalte meinen Körper, bis wir uns eines Tages einander schenken werden. Behalte auch den Schwan. Die Rose. Wir werden, wir müssen uns finden.“
„Zu einem anderen Geburtstag?“, fragt er.
„Wir werden sehen.“



5

Noch immer stehen sie am Fenster. Dreißig Jahre sind vergangen, morgen, am Geburtstag. Unter ihren Füßen bebt es erneut.


Fortsetzung folgt

Montag, 3. März 2008

Geküsst am Samstag

Am Samstag bekam ich einen Kuss. Von einer Muse, virtuell, und doch real. Ich hatte mich nach eine langen schweren arbeitsreichen Woche eineinhalb Stunden auf das Sofa gelegt, Kopfhörer auf den Ohren, Leonard Cohen im CD-Spieler.
Ausspannen. Genießen. Wegdämmern, Wiederkommen, ein paar Minuten schlafen, ein paar Minuten träumen, ein paar Minuten hören... ein Zustand bewegt wie von Wellen am Meer. Genießen, loslassen, festhalten. Nicht da sein, wo die »echte« Welt ist.

Dann kam der Kuss. Intensiv, wie eine Flut, die trockenes Land erobert und durchtränkt. Drei Texte fertig innerhalb von wenigen Minuten. Im Kopf zumindest, die Worte müssen noch auf gute alte Art festgehalten werden in den nächsten Tagen oder Wochen.

Text 1 hat mich überrascht. Ich meinte, das Fragment einer Liebesgeschichte vom vergangenen September sei und bliebe ein Fragment. Weit gefehlt. Die Erzählung hat nur geschlummert, jetzt ist sie erwacht und will weiter geschrieben werden.
Voraussichtlich werden die geneigten Leser morgen oder übermorgen weiterlesen können. Ich habe auch ein paar Kleinigkeiten an dem bisherigen Text angepasst, wer mag, darf sich den Text noch einmal anschauen, wie er jetzt aussieht: Ein Fragment - Teil 1

Am Samstag abend waren wir bei einem befreundeten Ehepaar eingeladen. Unser Gastgeber ist Künstler, ein Maler, der vor kurzen angefangen hat, auch zu schreiben. Ich habe ihm allerlei Löcher in den Bauch gefragt, um zu ergründen, ob Autoren und Maler ähnliches erleben, wenn sie ihre Werke schaffen. Fazit: Ja. Der gleiche Schwebezustand bei der Arbeit, der in gewisser Weise die Welt ringsherum ausschaltet. Der gleiche erstaunte Blick auf das fertige Werk: »War ich das?« Die gleiche Ratlosigkeit: »Wo kam das denn her?« Die gleiche ewige Unzufriedenheit: »Das hätte ich besser / anders machen sollen.« Die gleichen physischen Folgen: Erschöpfung und Hunger.

Ein ganz famoser Samstag war das.

Sonntag, 2. März 2008

Was heißt hier...

...der Boden sei »zu hart«?


Was heißt hier...

...ich sei »zu klein«?


Samstag, 1. März 2008

Umfragen sind was Feines...

...wenn der Befragte auch weiß, was er tut. Bei dieser hier habe ich mich nicht beteiligt, denn wer weiß, in welcher Schublade mein Klick dann landen würde:


P.P.: Ich denke gar nicht daran, den Link zur Fundstelle zu nennen. Sonst klickt noch jemand von meinen Lesern ins Leere und stürzt wer weiß wohin ab!

Die Pflanze ist grün!

Was Toby heute berichtet, hat gar nichts mit dem Christival oder den Herren Beck und Parzany zu tun. Ich lehne die Überschrift aber dennoch an die gestrige an weil sich anhand des Besuches eines etwa 70jährigen Herrrn bei Toby ganz vortrefflich die Vorteile des Redens miteinander statt übereinander zeigen.

Herr: Sind Sie Tobias Faix?
Toby: Ja...
Herr: Haben Sie einen Augenblick Zeit?
Toby: Sicher, setzen Sie sich doch bitte.
Herr: Ich war schon in X, aber die haben keine Ahnung und haben mich jetzt hier zu Ihnen geschickt.
Toby: Schön, was führt Sie denn zu mir?
Herr: Sie haben doch die emerging church erfunden?
Toby (fast sprachlos): Also, äh, nein...
Herr: Doch, ich habe einen Anruf bekommen und da wurde vor ihnen gewarnt. Sie wollen mit der emerging church die Jugend verführen...
Toby: Also, das möchte ich bestimmt nicht. Wo haben Sie denn die Warnung her?
Herr: Also, das weiß ich auch nicht so genau. Sie haben auch ein böses Buch geschrieben, das stand da auch drin...
Toby: Ah, vielleicht diese Pressemeldung...
Herr: Ja, eine Pressemeldung, ein Herr X warnt da vor Ihnen...
Toby: Ich kenne diese Pressemeldung, aber darin stehen viele unwahre Dinge. Es ist gut, dass Sie vorbei gekommen sind, vielleicht darf ich Ihnen meine Meinung dazu sagen.
Herr: Ich möchte wissen, was Sie da machen? Ich folge dem Herrn Jesus schon sehr lange und war 15 Jahre Missionar...

Danach gab es ein wirklich gutes Gespräch über Mission und Deutschland, emerging chruch und Gemeinde. Am Ende ist der Herr mit dem ZeitGeist Buch gegangen, das ich ihm geschenkt habe und wenn er es gelesen hat, kommt er wieder vorbei.

So wie jener ältere Herr, genau so, sollten wir alle handeln, wenn wir über jemanden oder etwas Negatives hören oder lesen. Die Presse lügt gerne und viel (pardon, liebe Journalistenkollegen, aber the truth can be told!) und auch »christliche« Medienmacher sind nicht vor Irrtum sicher. Sie sind sogar häufiger als «weltliche« geneigt, eigene Meinung und Überzeugung mit unumstößlicher Wahrheit gleichzusetzen.

Freitag, 29. Februar 2008

Die Pflanze ist blau!

Wenn ein Blinder über Farbe redet, kann ein Sehender ihn dann überhaupt in der Diskussion überzeugen? Herr A. sagt: »Diese Pflanze ist blau.« Herr B. sagt: »Nein, diese Pflanze ist grün.« Der Moderator wirft ein: »Herr A., was würden Sie denn mit einer Untersuchung machen, die zum Ergebnis käme, es gebe eben doch Hinweise auf die Grünheit der Pflanze?« Herr A. ist sich sicher: »Es wird keine wissenschaftliche Untersuchung geben, die zu diesem Ergebnis kommt.«

Herr Beck behauptet: »Homosexualität ist eine Prägung, die ebenso wenig zu therapieren ist wie die Körpergröße eines Menschen.« Herr Parzany entgegnet: »Selbstverständlich gibt es Fachleute, die die Möglichkeit sehen, dass Menschen ihre homosexuelle Neigung verändern und dass da Hilfe möglich ist.« Der Moderator wirft ein: »Herr Beck, was würden Sie denn mit einer neuen Untersuchung machen, die zum Ergebnis käme, es gebe doch Hinweise auf die Veränderbarkeit von Homosexualität?« Herr Beck ist sich sicher: »Es wird keine wissenschaftliche Untersuchung geben, die zu diesem Ergebnis kommt.«

Es steht Aussage gegen Aussage: Herr Beck ist Christ. Herr Parzany ist Christ. Herr Beck ist homosexuell. Herr Parzany ist heterosexuell. Herr Beck hat das Christival in Bremen scharf angegriffen. Herr Parzany hat es vehement verteidigt. Herr Beck sagt, dass Homosexualität unveränderlich sei. Herr Parzany sagt, dass - den Wunsch des Homosexuellen vorausgesetzt - Änderung möglich wäre.

Wirklich klüger bin ich nach der Lektüre des Gespräches nicht geworden. Ich vermag nicht zu sagen, ob die Pflanze nun blau oder grün ist. Immerhin positiv: Die beiden haben endlich mit einander geredet, anstatt über einander.

Der Schaden ist angerichtet, das Christival hat sich nun mit Absagen von bereits versprochenen Veranstaltungsräumen herumzuplagen. Obwohl das fragliche Seminar nicht mehr angeboten wird.

Das komplette Gespräch der Herren Beck und Parzany kann man hier nachlesen: Von „Lustknaben“ und der Freiheit der Wissenschaft

Tilo hat doch recht!

Der Berliner an und für sich...
...hat mit Hilfe seiner Berlinismen die Fähigkeit entwickelt, Situationen derb-humorig zu kommentieren, ohne schwere Schimpfworte einzusetzen oder gar in lautstarke Diskussionen zu verfallen – ein Umstand, der auf neu Zugezogene oft verwirrend wirkt.
(Quelle: Wikipedia)
Ein Politiker, der das ganz besonders gut beherrscht, ist unser Finanzsenator Tilo Sarrazin. Natürlich verstehen ihn manche zugereisten Jornalisten und Politiker nicht. Eine riesige Aufregung gab es kürzlich wegen eines Scherzes:
Nach Angaben der in Würzburg erscheinenden Zeitung »Main-Post« vom Samstag habe Sarrazin bei einer Veranstaltung in der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz in Berlin einen Vergleich mit bayerischen Schülern vorgenommen: »Die können aber mehr ohne Abschluss als unsere in Berlin mit Abschluss.«
Quelle: Die WELT
Ich bin in Bayern zur Schule gegangen. Das ist zwar lange her, aber schon damals fiel mir als zugezogenem Berliner wegen der deutlich höheren Anforderungen die Eingewöhnung nicht leicht. Dazu kam natürlich, dass ich neben Englisch und Latein gleich noch eine weitere Fremdsprache lernen musste, um Lehrer und Schüler zu verstehen: Bayerisch.

»Wann i nimmer megn dat, gangat i hoam.« »Heit gemma net ins Bad, s iss fui z'kolt..« »A so a Seckel, du Hirsch, du damischer, homms dir ins Ghirn eini gschissn?«
Das war für mich, waschechter Berliner Junge im zarten Alter von rund 11 Jahren, nicht wesentlich leichter zu verstehen als »Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam, qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur.«

Zurück zum Berliner Finanzminister. Es fehlt in all dem aufgeregten Gejohle und Gebrülle über seine Worte der Beweis, dass Herr Sarrazin mit seinem Scherz nicht die Wahrheit ausgesprochen hätte. Alle lautstarken Kritiker in den letzten Tagen haben - warum wohl? - zur Sache überhaupt nichts gesagt, sondern nur den Senator auf völlig unberlinische Art und Weise verbal verprügelt.

Die Berliner Schulen sind in der Tat auch heute nicht sonderlich lehrreich. Ich bekomme zur Zeit Dutzende von Berwerbungsunterlagen von Abiturienten (!) auf den Tisch, in denen es nur so von Rechtschreib- und Ausdrucksfehlern wimmelt.
  • »Ich Arbeite gerne am Computer...« - da die Arbeit ein Substantiv ist, muss man wohl auch die Verbform groß schreiben?
  • »Im Sommer 2007 habe ich auf der Hermann- Hesse- Gymnasium Mein Abitur gemacht...« Leerzeichen zwischen Bindestrich und Folgewort und natürlich muss man mein groß schreiben, weil es ja nun das persönliche Abitur ist. Ganz abgesehen davon, dass das Gymnasium zu die Gymnasium geworden ist. Der Lateiner in mir würde zur Gymnasia tendieren...
  • »Diese drei Stichwörter gehören zu meinen persönlichen Eigenschaften.« Aha. Ich wusste noch nicht, dass Stichwörter Eigenschaften sein können. Man lernt ja nie aus.
Diese Bewerber haben Abitur. Im Fach Sport haben sie fast alle 13 Punkte erreicht. Sie sind überwiegend Deutsche. Sie wollen Industriekaufleute werden. Man müsste ihnen im Betrieb aber neben dem Fachwissen auch noch grundlegende Sprachkenntnisse in Deutsch vermitteln, bevor sie mit Kunden, Geschäftspartnern und Auftraggebern korrespondieren. Daher wächst der Stapel im Fach »Absagen« täglich ganz erheblich an.

Wer eine Bewerbung für einen Ausbildungsplatz schreibt, sollte sich doch - so meine altmodische Auffassung - mehr Mühe geben als bei der SMS an den Freund. Da ist es doch wohl angebracht, einen möglichst fehlerfreien Text zu schreiben? Und wenn sie, wie fast alle behaupten, sich so gut mit dem Computer auskennen... - warum haben sie dann noch nicht die Rechtschreibkorrektur entdeckt? Oder wollen sie gar nicht ernsthaft einen Ausbildungsplatz, sondern bewerben sich nur, um Absagen zu sammeln? Tatsache ist jedenfalls: Von bisher gelesenen 147 Bewerbungen waren ganze 3 (in Worten: drei) ohne solche Fehler.

Vermutlich hat Herr Sarrazin also nicht ganz Unrecht. Dass jemand ein Berliner Abitur absolviert hat, heißt noch lange nicht, dass er auch sonderlich viel gelernt haben muss.

P.S.: Vielleicht sollten wir die Stellenangebote nur noch in Bayern ausschreiben?
P.P.S.: Bild von nichtlustig.de

Donnerstag, 28. Februar 2008

Wo bleibt das Raucherschutzgesetz?

Raucher werden zunehmend diskriminiert und ausgegrenzt. Sie sind eine bedrohte Minderheit, wie die WELT berichtete:
Deutschlands Raucher werden überschätzt. Zumindest, was ihre Zahl betrifft. So glaubt die mehrheitlich nicht rauchende Bevölkerung, dass fast die Hälfte (46 Prozent) der Deutschen raucht. Der tatsächliche Anteil der Raucher in Deutschland liegt jedoch mit 29 Prozent der Bevölkerung erheblich niedriger.
Quelle: Die WELT
Minderheiten haben es in diesem unserem Lande schon aus Tradition und Prinzip schwer. So auch die Raucher. Man bürdet ihnen beispielsweise eine Tabaksteuer auf, die dem Staat jährlich rund 15 Milliarden Euro beschert, wie die Statistik belegt.

Die Minderheit der Raucher leistet damit einen ganz erheblichen Beitrag zum Anti-Terror-Kampf:
Beispielsweise wurde in den Jahren 2002 und 2003 die Steuer jeweils um 1 Cent pro Zigarette erhöht, um das erste Anti-Terror-Paket zu finanzieren.
Quelle: Wikipedia
Dieser selbstlose Einsatz der 29 Prozent Raucher für das Gemeinwohl der 100 Prozent wird nicht etwa belohnt, sondern die Diskriminierung nimmt ständig zu. Vermutlich wird es, nachdem öffentliche Gebäude und Gaststätten inzwischen zu raucherfreien Zonen geworden sind, demnächst Ghettos Wohngebiete speziell für Raucher geben. Die Raucher müssen, wenn sie ihre Zone verlassen wollen, ein Symbol an der Kleidung tragen, damit sie auch ausserhalb ihrer Stadtviertel zu erkennen und angemessen zu beschimpfen sind. Denkbar sind dann Geschäfte, in deren Fenster ein Schild hängt: »Raucher werden hier nicht bedient« oder »Eintritt nur für Nichtraucher«.

Auch am Arbeitsplatz schreitet die Diskriminierung ungehindert fort. Das Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein hat in einem Urteil - 4 TaBV 12/07 - nun auch die bezahlte Raucherpause am Arbeitsplatz vereitelt. In der Urteilsbegründung heißt es unter anderem:
Selbst wenn der Fall denkbar sei, dass ein Raucher nach einer bestimmten Zeitspanne ohne den Genuss einer Zigarette nicht mehr weiterarbeiten können, müsse im Einzelfall eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden.
Im Klartext: Erst zum Arzt, der stellt fest, dass der Raucher ohne Zigarette nicht weiterarbeiten kann, dann mit dem Attest zurück in die Frima und dieses dem Chef auf den Tisch legen. Dann erst darf (draußen vor der Tür) geraucht werden. Was nicht geklärt wurde, ist die Frage, ob der Arzt die Arbeitsunfähigkeit sozusagend vorausschauend für den ganzen Tag ausstellen darf, oder ob für jede neue Zigarettenpause ein neuer Arztbesuch notwendig ist.

Allerdings ist das sowieso nur begrenzt möglich. Denn das LAG Schleswig-Holstein fügte hinzu:
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung wäre auch in diesem Fall auf die ersten sechs Wochen beschränkt.
Wo also bleibt das Raucherschutzgesetz? Die Minderheit, die unsere Gesellschaft mit 15 Milliarden Euro jährlich vor den Terroristen schützen hilft, bedarf dringend eines Anti-Diskriminierungs-Gesetzes. Welche Partei nimmt sich der Sache an? Die Schwarzen? Die Brauen? Die Grünen? Die Gelb-Blauen? Die Roten? Die ganz roten Roten? Die Grauen? Ach nee, die gibt es ja nicht mehr. Ob die wohl zu viel geraucht haben?