Freitag, 16. Oktober 2009

Die Entblößung - Teil 3

Heute geht es, manche Leser werden rufen »endlich!«, mit der Entblößung des Stephan Haberling weiter. Es empfiehlt sich, Teil 1 und Teil 2 zu kennen - dieser Hinweis nur für den Fall, dass jemand auf verschlungenen Internetpfaden irgendwie unvermittelt zu diesem dritten Teil gelangt ist.

Am Schluss des vorangegangenen Abschnittes hatte ich die Leser eingeladen, den Fortgang mitzugestalten. Auch am Ende dieses Teiles gibt es kein Ende der Geschichte, sondern eine Frage an die Leser, denn wiederum ist die Fortsetzung noch nicht geschrieben. Doch nun erfahren wir zunächst, was in der E-Mail stand, die Stephan Haberling um 11:45 Uhr bekommen hatte.

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»Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andren zu« las er. Nun ja. Wie erwartet nicht wirklich hilfreich, was alter.ego da schrieb. Aber immerhin ein kleiner Hinweis, dass der ominöse Tunichtgut meinte, einen Anlass für die Entblößung zu haben.
Stephan Haberling überlegte, was er wohl wem wann angetan haben mochte, um diese seltsame Galerie auszulösen. Ihm fiel nichts ein, so sehr er auch grübelte. Seine journalistischen Aktivitäten waren seriös, er schrieb nicht für niveaulose Blätter wie die BILD-Zeitung oder die Regenbogenpresse. Er bemühte sich bei seiner Arbeit stets um Objektivität, selbst wenn er – auch das war nun mal Aufgabe eines Journalisten – einen Missstand aufzudecken, Machenschaften beim Namen zu nennen oder kriminelles Tun zu beschreiben hatte, unterschied er nach bestem Wissen und Gewissen zwischen zu verurteilendem Handeln und Herabwürdigung einer Person. Und manches, was einschlägige Blätter und Sender für berichtenswert hielten, war für ihn einfach keine Nachricht. Ob Veronica Ferres in Rom geheiratet oder Stephen Gatley vor seinem Tod einen Schwulenclub besucht hatte – das gehörte nicht zu dem, was in der Öffentlichkeit breitgetreten werden musste. Natürlich passierte genau das trotzdem, und die Auflage mancher Publikation hing genauso davon ab wie die Einschaltquoten gewisser Sender. Es gab einen Markt für derartige Inhalte, aber Stephan Haberling weigerte sich, diesen zu bedienen.
Er war sich keines einzigen Falles bewusst, wo er jemanden auf eine Weise öffentlich bloßgestellt hätte, die alter.ego nun zur sonderbaren Entblößung seiner Person hätte veranlassen können.
Auch seine Geschichten und Romane kamen nicht in Betracht, denn darin traten ausschließlich fiktive Personen auf.
Also blieb nur das wirkliche Leben, falls es überhaupt einen Anlass geben sollte. Stephan Haberling grübelte, ohne Erfolg. Es gab keine Episode in seiner Biographie, bei der er jemanden buchstäblich oder metaphorisch entblößt hätte. Er lebte ohne Ausschweifungen und Skandale, hatte keine Affären, stellte niemanden bloß, nur sich selbst gelegentlich, in der Sauna oder am geeigneten Strand. Das konnte alter.ego ja nicht meinen?

Einstweilen gab Stephan Haberling das Grübeln auf, um den zweiten Auftrag zu erledigen, der heute noch fällig war. Er hatte eine Routineaufgabe für die Redaktion der Deutschen Presseagentur zu erledigen: Den Nachruf für Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow, allgemein bekannter als Loriot, aktualisieren. Für Prominente, die ein gewisses Lebensalter erreicht hatten, wurden Nekrologe bereit gehalten, damit im Fall des Falles nicht erst recherchiert werden musste, und Loriot gehörte seit einigen Jahren zu denjenigen, deren Lebensdaten in diesem Archiv vorgehalten wurden. Insgesamt war Stephan Haberling für 40 Nachrufe für Personen aus dem kulturellen Bereich verantwortlich, er überprüfte und ergänzte an jedem Arbeitstag einen, so dass er ungefähr alle zwei Monate jedem einzelnen potentiell demnächst Verstorbenen gedanklich begegnete.
In den letzten Jahren war bei Loriot nicht viel dazu gekommen, am 8. Juni 2009 hatte die Stiftung Deutsches Kabarett den Künstler mit einem Stern der Satire bedacht, davor hatte es sie Verleihung des Ehrenpreises der Deutschen Filmakademie gegeben. Im September hatte eine Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte begonnen, aber das war für den Nachruf unerheblich, zumal sie vorher in Berlin zu sehen gewesen war. Die beiden Ehrungen waren schon vermerkt.
Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow war nun 86 Jahre alt und Stephan Haberling gönnte ihm noch viele Jahre des wohlverdienten Ruhestandes. Loriot gehörte zu denjenigen, deren Filme und Sketche ihn auch beim x-ten Mal nicht langweilten. Für seine Schaffensperiode war er gelegentlich etwas risqué gewesen, von den entblößten Busen der vermeintlichen Mainzelmännchen (die ja wohl dem Oberkörper zufolge eher Mainzelmädchen waren) bis zu den Herren im Bad, die sich gelegentlich aus der Badewanne erhoben, wobei auch die etwas klein geratene Männlichkeit nicht verborgen blieb. Da war auch die Dame im Spielzeuggeschäft, die versonnen einen Holzstab in einem Bauklötzchen mit passendem Loch hin und her bewegte, oder die alkoholgeschwängerte Feststellung: »Es saugt und bläst der Heinzelmann, wo Mutti sonst nur blasen kann.« Nicht zu vergessen die Frage »Und wann wird er steif?« im Sketch mit der hochmodernen Feuerwehrspritze…

Solche Dinge waren natürlich verglichen mit dem, was heute im Kino und Fernsehen oder im Internet zu sehen war, harmlos. Wie harmlos mochte, überlegte Stephan Haberling, wohl seine Entblößung im Internet ausfallen, die ja kaum noch aufzuhalten schien? Er blickte auf seine Armbanduhr. 12:30 Uhr, somit konnte er sich ein Bier genehmigen, ohne sein selbst auferlegtes Gesetz zu brechen: Kein Alkohol vor 12 Uhr Mittags. Vielleicht sollte er auch einen Happen essen?

Ein Blick in den Kühlschrank überzeugte Stephan Haberling davon, dass der Besuch im Supermarkt nicht mehr aufzuschieben war. Der kümmerliche Rest Butter und eine einzige Scheibe Maasdamer ließen keine magenfüllende Mahlzeit erwarten, im Gefrierfach wartete eine einsame Pizza Tonno auf ihren Verzehr, mehr Vorräte gab es nicht. Er wusste selten, was er an Lebensmitteln einkaufen wollte, deshalb ging er so ungern zu Reichelt oder Rewe. Die endlosen Regale mit den verwirrend vielen Angeboten irritierten ihn jedes Mal, und in der Regel kam er Woche für Woche mit der gleichen Ausbeute zurück. Maasdamer und Kochschinken, Butter, Krustenbrot und Ölsardinen, Bier aus der Brauerei Krušovice oder Staropramen, zur Abwechslung auch mal Breznak. Dazu irgend etwas aus der Tiefkühlabteilung, meist Pizza. Langweilig, zugegeben, aber dafür war er sicher, dass ihm seine Mahlzeiten schmecken würden.
Er verließ die Wohnung und begegnete im Treppenhaus seinem Nachbarn Detlef Fischer. Genau der Mann, der ihm vielleicht bei seinem Entblößungsproblem helfen konnte. Warum war er nicht früher darauf gekommen? Detlef Fischer war Kriminalpolizist im Ruhestand, ein liebenswerter, gebildeter und immer freundlicher Mensch, dem Stephan Haberling schon bei einigen Computerproblemen hatte helfen können.
Der Einkauf war einstweilen vergessen.
»Guten Tag, Herr Fischer, haben Sie einen Moment Zeit?«
»Gerne, kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Das hoffe ich. Würden Sie so freundlich sein, in mein Arbeitszimmer zu kommen? Ich muss ihnen etwas zeigen, das nur so zu erklären, wäre zu schwierig. Und außerdem auch gar nicht logisch. Weil das, was da vor sich geht, gar nicht geht.«
»Da bin ich aber gespannt!«
Die beiden setzten sich an den PC und Stephan Haberling zeigte seinem Nachbarn die E-Mails und die Galerie mit den Bildern der fortschreitenden Entblößung. Er erklärte, dass er keine Ahnung hatte, wer alter.ego sein mochte und worauf er eigentlich hinaus wollte. Dann fragte er: »Und was mache ich nun?«
Detlef Fischer runzelte die Stirn und zuckte mit den Schultern. »Viel können Sie da nicht tun. Soweit ich es beurteilen kann, liegt keine strafbare Handlung vor.«
»Jemand zieht mich im Internet aus, und das ist nicht strafbar?«
»Darüber könnten die Juristen sich vermutlich jahrelang streiten. Die Fakten sehen für mich als Polizist so aus: Sie sind als Journalist und vor allem als Autor eine Person öffentlichen Interesses. Daher ist es zulässig, Fotos von Ihnen aufzunehmen und diese auch öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass Sie vorher zustimmen müssen. Die Bilder zeigen einen Mann, der ein Kleidungsstück nach dem anderen – äh – ablegt wäre ja falsch, also verliert. Bisher ist nichts zu sehen, was als anstößig gelten könnte, Männer in Unterhose und T-Shirt sind kein Grund, sich zu entrüsten. Vorausgesetzt es geht so weiter, werden Sie übermorgen im Adamskostüm zu sehen sein. Dann – aber auch erst dann – könnte die Schwelle des Zulässigen überschritten sein, weil Ihre Intimsphäre verletzt ist. Voraussetzung ist, dass die Aufnahmen nicht an einem öffentlichen Ort gemacht wurden, zum Beispiel am FKK-Strand. Das ist ja ersichtlich nicht der Fall. Also sind es private Bilder. Wenn die in der Wohnung der Person entstanden sind, der sie nun veröffentlicht, ist dagegen erst mal nichts zu unternehmen. Wenn die Aufnahmen aus Ihrem Wohnzimmer stammen würden, wäre das eventuell anders, es sei denn, Sie hätten zugestimmt.«
»Habe ich nicht. Und die Bilder sind auch überhaupt nicht echt. Ich kenne weder den Raum, noch habe ich mich jemals auf diese Weise fotografieren lassen.«
»Aber die Narbe am Knie ist Ihre?«
»Ja.«
»Und die Kleidungsstücke?«
»Ich besitze das, was hier zu sehen ist, wenngleich es keine Einzelstücke sind.«
»Haben Sie nachgeschaut, ob vielleicht gerade dieses Freizeithemd oder diese Unterhose in ihrem Kleiderschrank fehlen?«
Darauf war Stephan Haberling nicht gekommen. Er stand auf und ging ins Schlafzimmer. Das gestreifte Hemd hing auf einem Bügel, die drei Jockey-Briefs lagen vollzählig in der Schublade.
»Alles da«, erklärte er seinem Nachbarn.
Detlef Fischer war einigermaßen ratlos. »Was mit Fotos beziehungsweise der Bildbearbeitung am Computer alles möglich ist, da kann man heutzutage nur noch staunen. Ich könnte einen ehemaligen Kollegen bitten, sich das anzuschauen, nicht dienstlich natürlich, da ja keine strafbare Handlung vorzuliegen scheint. Der Mann ist noch nicht pensioniert, hat also die komplette polizeiliche Ausrüstung zur Verfügung, und er ist Experte für Fälschungen und Manipulationen an Bildern. Er könnte, da die Auflösung ja sehr hoch ist, zumindest zweifelsfrei feststellen, dass es stimmt, was Sie sagen, nämlich dass diese Bilder nie aufgenommen wurden, sondern durch technische Manipulation zustande gekommen sind.«
»Würde er Ihnen denn diesen Gefallen tun?«
»Bestimmt. Soll ich?«
»Ja. Schon um meine Zweifel an der eigenen Zurechnungsfähigkeit zu beseitigen. Und dann?«
»Dann wüssten Sie, womit Sie es zu tun haben. Mit welchen technischen Tricks hier gearbeitet wird, vorausgesetzt, mein früherer Kollege kann das herausfinden.«
»Immerhin wäre ich einen Schritt weiter. Danke, Herr Fischer! Darf ich Sie zu einem Bier einladen?«
»Gerne. Sie haben immer diese tschechischen Sorten, ausgesprochen lecker.«
Stephan Haberling ging zum Kühlschrank und blickte auf eine Scheibe Maasdamer und einen Rest Butter.
»Entschuldigung, ich wollte gerade zum Supermarkt gehen, als wir uns im Treppenhaus gesehen haben. Nach dem Einkauf gibt es auch wieder Bier in meinem Kühlschrank. Im Augenblick leider nicht.«
Detlef Fischer nahm es nicht krumm, er versprach, am späten Nachmittag – womöglich schon mit Ergebnissen bezüglich der Fotos – auf die Einladung zurückzukommen.
Kann man innerhalb weniger Minuten vergessen, dass der Kühlschrank leer ist? Stephan Haberling schüttelte den Kopf. Werde ich mit meinen 48 Jahren schon senil? Wenn ja, was ist dann mit diesen Fotos? Habe ich mich vor einer Kamera entblößt und das einfach vergessen? Gibt es so etwas?
Verlorene Minuten, Stunden Tage – so etwas mochte es in Romanen und Filmen geben. Es mochte vorkommen, dass Menschen sich so betranken oder mit Drogen anfüllten, dass sich ihnen später Erinnerungslücken auftaten. Stephan Haberling konnte sich nicht erinnern, sich in den letzten zwanzig Jahren dermaßen betrunken zu haben, und von Drogen hielt er sich sowieso fern.
Er nahm seinen Mantel vom Haken im Flur und schloss die Tür hinter sich. Vielleicht klärte die frische Luft auf dem Weg zum Einkaufen ein wenig sein wie vernebeltes Gehirn. Im Treppenhaus meinte er, das Klingeln seines Telefons aus der Wohnung zu hören, aber er machte nicht kehrt sondern ging hinaus auf die Straße.

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Und nun, verehrtes virtuelles Publikum, liegt es in Eurer Hand, zu entscheiden, ob die Fotos der fortschreitenden Entblößung »echt« sind oder durch technische Tricks zustande gekommen sind. Davon wird letztendlich der Schluss dieser Erzählung abhängen, falls es jemals einen geben wird. Ich habe für beide Fälle eine ganz vage Idee, aber – Hand aufs Herz! – noch keine Ahnung, was wirklich als nächstes passiert.
Paul Auster schrieb in seinem Buch Leviathan: »Nobody knows where a book comes from, least of all the person who writes it.« Im Fall dieser Geschichte weiß ich zumindest, woher ein Teil der Wendungen kommt: Von den geschätzten Lesern.

Klarer Fall:
Die Fotos sind echt!
Die Fotos sind manipuliert!
Auswertung

Nachtrag 19. Oktober: Wer mag, kann noch klicken, aber ich nehme das Ergebnis von heute zur Kenntnis und als Grundlage für die Fortsetzung. Eine Zweidrittelmehrheit wünscht sich, dass die Fotos echt sind. Au weia!

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Panama: Schön. Erweckung: Schön.

Panama Wappen von WikiCommons
»Wenn dann die Erweckung kommt, werden die Reihen hier voll sein«, sagte kürzlich ein Pastor in den überwiegend mit leeren Stühlen dekorierten Saal hinein. Begeistert klatschten viele der wenigen Anwesenden und freuten sich auf bessere Zeiten.

Charles G. Finney (1792-1875) hat es einmal so ausgedrückt: »Erweckung besteht aus der Erneuerung der Liebe und Gnade des Volkes Gottes und einer daraus resultierenden Bekehrung von Sündern zu Christus.«
Das macht eine Wahrheit deutlich, die oft nicht erkannt wird. Erweckung heißt nicht, dass die Sünder in Scharen Buße tun und an Jesus Christus glauben, um dann die Reihen in unseren Gemeindehäusern und Kirchen zu füllen. Erweckung heißt vielmehr, dass die Gläubigen aufwachen.
Finney sagte auch: »Eine Erweckung ist nötig, wenn Christen ihr mitfühlendes Herz für Nichtbekehrte verloren haben.« Andrew Murray (1828-1917) meinte: »Ich fürchte, eine große Selbstzufriedenheit unter vielen Christen lässt sie ein Leben auf der unteren Ebene führen. Sie meinen, mit der Bekehrung den Geist zu haben, kennen aber die Freude des Heiligen Geistes und seine Kraft kaum. «
Erweckung kommt für die und zu den Gläubigen, sie ist nicht für Menschen, die Gott noch nicht kennen. Erweckung heißt, dass wir als Christen erstens wach werden und zweitens etwas tun.

Normalerweise werden wir morgens nach dem Klingeln des Weckers aufstehen und die Zähne putzen, eine Dusche nehmen und uns anziehen.
Wir können dann frisch gewaschen und ordentlich gekleidet in unserer Wohnung sitzen bleiben und darüber nachdenken, dass da draußen irgendwo eine Arbeitsstelle vorhanden ist, an der wir eigentlich die nächsten acht Stunden verbringen sollten – oder dass es da eine Schule gibt, in der wir jetzt etwas zu lernen hätten, dass die Universität heute interessante Vorlesungen bietet…
Genauso können wir geistig erfrischt und ordentlich ausgerüstet sitzen bleiben und darüber nachdenken, dass da draußen eine Welt ist, die verloren geht. Wir können darüber nachdenken, wie gut es doch wäre, wenn die Menschen errettet würden.

»Oh, wie schön ist Panama«, sagte der kleine Tiger, als er eine Kiste fand, die nach Bananen roch.
»Oh, wie schön ist Erweckung«, freute sich der Pastor, weil dann sein Saal nicht mehr so leer aussehen wird.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

A pothy key

Betty, unser amerikanischer Besuch, meinte während der Heimfahrt von einem Ausflug in die City:
I know we're almost there. I just saw the red sign »A pothy key«.
Ich musste mir das erst mal im Geist aufschreiben, übersetzen, hin und her schieben und mehrfach radieren, bevor ich wusste, welches Schild sie über einem Geschäft in unserer Nachbarschaft gesehen hatte.

Und, liebe Leser? Geistesblitze irgendwo?

Gann gein Schinesisch!

Wir haben gerade Besuch aus Kansas. Kansas liegt mitten in Amerika. Amerika liegt woanders. Wie auch immer: Jedenfalls habe ich versucht, chinesische Schriftzeichen ins Englische zu übersetzen.

chinesischZur Erheiterung trugen meine Übersetzungskünste jedenfalls bei. Geschmeckt hat auch alles. Was will man mehr.

Dienstag, 13. Oktober 2009

Das klassische Patt …

… gab es Montag früh zu sehen, als ich nach dem Ausgang der Abstimmung über den Fortgang der Erzählung »Die Entblößung« Ausschau hielt.

FiftyFifty

Erneut eine angesichts der Lesermenge sehr geringe Wahlbeteiligung (der Beitrag hatte von Freitag bis Montag früh weit über 700 Zugriffe), und heraus kam ein Ergebnis, das mir eine Koalition mit alter.ego genauso ermöglicht wie eine Koalition mit Stephan Haberling.

Also wartete ich noch mal 24 Stunden, und siehe da:

Na so was Wie ich mich entscheide, lasse ich einstweilen offen, die Fortsetzung der Geschichte folgt demnächst an dieser Stelle…

Montag, 12. Oktober 2009

Bob Dylan: Christmas in the Heart

Bob Dylan scheut nicht vor der lateinischen Strophe von »O Come All Ye Faithful« zurück. Er unterlässt es nicht, »Here Comes Santa Claus« mit Schlittenschellen einzuleiten. Auch schmachtende Hawaii-Gitarren fehlen nicht bei »Christmas Island«. Die einzige interpretatorische Überraschung ist die High-Speed-Polka-Version von »Must Be Santa«.

Selten gab es so viele kontroverse Diskussionen vor dem Erscheinen eines neuen Albums von Bob Dylan wie in diesem Fall. Und die gegensätzlichen Meinungen werden auch nicht aufhören, nachdem sich nun die CD in zahlreichen Abspielgeräten dreht.

cidh Dieses Album ist kein Bob Dylan Album. Kein einziges der 15 Lieder hat er selbst komponiert. Ich weiß nicht, ob ihm ein eigenes Weihnachtslied gelungen wäre, wenn er gewollt hätte, aber er wollte gar nicht. Schon das klassisch anmutende Cover der CD macht klar, worum es hier geht: Traditionelle Weihnachtslieder, mehr oder weniger gesungen von Bob Dylan.

Auch die Interpretationen sind nicht seine oder irgendwie ausgefallen (abgesehen von »Must be Santa«, aber auch das ist keineswegs »typisch Dylan«), sondern genauso konservativ wie die Auswahl der Lieder. Die Musiker (Tony Garnier, George Receli, Donnie Herron, David Hidalgo, Phil Upchurch und Patrick Warren) sind im wesentliche seine aktuelle Tourband beziehungsweise bei »Together Through Life« zu hören, dazu kommen sieben »mixed voice singers« – bei Konzerten des Meisters gibt es solche nicht. Aber zu manchen Weihnachtsliedern gehört nun mal ein Chor. Und der klingt dann so weihnachtlich, wie amerikanische Weihnachtslieder nun einmal klingen.

Das einzige, was an dieser CD einzigartig ist, und das war zu erwarten, ist die Stimme. Wer die CD »Together through Life« kennt oder ein Konzert aus den letzten Jahren gehört hat, weiß, wie das klingt: Bob Dylan »singt« auf seine unvergleichlieche Art, und das können manche nicht leiden, andere sind begeistert. Dazwischen dürfte es so gut wie keine Grauzone geben. Ein Fan schrieb: »YES! He sounds like a toothless drunk Irish guy!!!! That totally nails it!!!« Genau das kann man / wird man mögen oder nicht.

Passt nun diese Stimme ausgerechnet zu Weihnachtsliedern der klassischen Variante? Für mich: Ja. Für andere (einigen Kritiken zufolge): Nein. Die hören lieber zu weichgespülten Songs auch einen weichgespülten Gesang, aber bei Bob Dylan gibt es alles mögliche zu hören, bloß nichts derartiges.

Er kann bei einigen Liedern durchaus sanfte Töne anschlagen, bei anderen wiederum fröhlich draufloskrächzen, er kann sentimental gurgeln oder lauthals knarzen… – und genau das mag ich an den CDs der letzten Jahre. Einschließlich dieser Weihnachtsscheibe.

Wem »If you ever go to Houston« gefällt, wer bei »Joleen« einfach gute Laune bekommen muss, wer gerne »Thunder on the Mountain« grummeln hört oder bei »Cold Irons Bound« richtig warm wird, der wird auch diese CD genießen können.

Wer dagegen die »Christmas Songs« von Bing Crosby mag, oder Frank Sinatras »Christmas Album«, ganz zu schweigen von Mariah Caryes »Merry Christmas«, der sollte um Bob Dylans »Christmas in the Heart« einen Bogen machen, obwohl zum großen Teil die gleichen Lieder enthalten sind. Auf »Christmas in the Heart« singt jemand auf seine Art aus spürbar vollem Herzen, mit Hingabe und Eifer die Weihnachtsbotschaft - aber es ist eben Bob Dylan und nicht irgendjemand sonst.

Dass er und die Musiker eine Menge Spaß hatten, als sie diese 15 Songs einspielten, ist unverkennbar herauszuhören. Nicht zuletzt an den Namen der Rentiere vor dem Schlitten im 10ten Track. Ich will den Spaß des selbst Entdeckens niemandem verderben, daher verkneife ich es mir, hier zu offenbaren, worüber ich an dieser Stelle vergnügt lachen musste. Mein Eindruck ist derselbe wie beim Album »Together through Life«: Die Musiker haben die Aufnahmesessions insofern ernst genommen, dass sie nicht aus Verpflichtung, sondern aus Freude an der Musik zusammen spielen - und daher viel Spaß und bestes Gelingen im Studio gehabt. Das bleibt dem Zuhörer nicht verborgen.

Der Erlös der CD geht jetzt und in alle Zukunft an drei Wohltätigkeitsorganisationen. Zumindest damit könnte sich derjenige trösten, der nach dem Kauf feststellt, dass die Kombination von traditionellen Weihnachtsliedern mit dieser unbeschreiblichen Stimme ihm nicht gefällt.

Die CD gibt es zum Beispiel hier bei Amazon: Christmas in the Heart

Sonntag, 11. Oktober 2009

Gastbeitrag Jesus: Sonntag bedeutet Gottesdienstbesuch?

Viele werden an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr! Haben wir nicht jeden Sonntag treu und unermüdlich im Gottesdienst durch deinen Namen geweissagt und durch deinen Namen Dämonen ausgetrieben und durch deinen Namen viele Wunderwerke getan? Und auch jeden Mittwoch waren wir im Hauskreis zusammen, um deine Nähe zu genießen!

Und dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch niemals gekannt. Weicht von mir, ihr Übeltäter!

comeonout

Dann werden andere zu mir sagen: Leider waren wir selten oder gar nicht im Gottesdienst, daher konnten wir nicht die Salbung spüren und dir nicht dienen, denn wann sahen wir dich hungrig und speisten dich? Oder durstig und gaben dir zu trinken? Wann aber sahen wir dich als Fremdling und nahmen dich auf? Oder nackt und bekleideten dich? Wann aber sahen wir dich krank oder im Gefängnis und kamen zu dir? Wir waren leider zu selten im Gottesdienst, wo deine Gegenwart zu finden gewesen wäre...
Und ich werde antworten und zu ihnen sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, habt ihr mir getan.

P.S.: Das klingt zu radikal? Wer mehr oder weniger irritiert ist, der lese freundlicherweise die Kapitel 7 und 25 aus dem Evangelium des Matthäus.

P.P.S.: Bild – wer hätte es nicht erkannt? – vom unvergleichlichen Jon Birch

Samstag, 10. Oktober 2009

Der Kindle ist da ...

... und doch nicht richtig da. Amazon konnte sich offenbar in 100 Ländern außerhalb der USA mit Mobilfunk-Anbietern auf einen Pauschalvertrag einigen, was die Voraussetzung für den sinnvollen Betrieb des Gerätes darstellt. Denn im Gegensatz zu anderen E-Book-Readern braucht der Kindle weder PC noch W-LAN, um Bücher oder Zeitungen zu laden. Wo Mobilfunk funktioniert, funktioniert auch die Kindle-Verbindung zum Download neuer Inhalte - ohne Mobilfunk-Vertrag, ohne jegliche oder einmalige Kosten abgesehen vom Preis für das Buch, das man kaufen will natürlich. Oder die Zeitung.

Allerdings: Bestellen kann man zur Zeit nur über den US-Amazon-Gemischtwarenladen, auch der Versand erfolgt aus den USA. Mit Zoll- und Versandgebühren kommen so rund 300 Euro zusammen, das überlegt man sich dann doch zwei oder dreimal.
Außerdem werden Garantie- und Reparaturfälle ebenfalls über die USA abgewickelt, was im Fall der Fälle zu erheblichen Verzögerungen und weiteren hohen Versandkosten führt.
Die aktuellen Bestseller kosten im Schnitt 9,95 Dollar, im Vergleich zur gedruckten Auflage eine spürbare Einsparung. Man kann dem Vernehmen nach in die Bücher vor dem Kauf hineinlesen, vergleichbar dem Blätter in einer Buchhandlung. Speicherplatz gibt es im Gerät für etwa 1.500 Bücher, das sollte eine Weile reichen. Der Bildschirm ist (wie auch der des Sony-Readers) selbst bei hellem Sonnenlicht gut zu lesen, der Kindle hat eine bessere Auflösung (16 Graustufen) als der Sony-Rivale.

Falls es Amazon irgendwann schafft, die Geräte von der deutschen Zentrale aus zu vertreiben und eine hiesige Garantie- und Reparaturabwicklung anzubieten, dürfte der Preis von derzeit insgesamt 300 Dollar auf etwa 200 Euro purzeln - was den Umsatz vermutlich ganz erheblich ankurbeln könnte. Wenn ein Buch dann etwa 9,95 Euro statt 29,95 Euro kostet, könnte man bei den Büchern, die man nur einmal lesen, aber nicht unbedingt für die Erben aufbewahren will, nach dem 11ten Buch in der Gewinnzone landen.

Für mich gilt allerdings einstweilen: Der Kindle ist zwar da, aber nicht da genug. Ich greife weiter zu Büchern aus Papier und Druckerschwärze. Obwohl ich schon so lange warte, dass der Kindle endlich zu uns kommt. (Beweise: 6. März 2009 / 21. Februar 2009 / 12. August 2008)

  • Mehr zum Gerät bei Spiegel Online
  • Foto der Kindle lesenden Dame am Strand: Amazon

Freitag, 9. Oktober 2009

Die Entblößung - Teil 2

Heute geht es mit der Entblößung weiter, wo es letzte Woche aufgehört hat. Wer den ersten Teil nicht gelesen hat, sollte dies vor der Lektüre dieser Fortsetzung nachholen, sonst hapert es womöglich mit dem Verständnis. In diesem Fall: Hier klicken.

Und noch die faire Warnung: Auch dieser Teil endet nicht mit einem Ende, sondern mitten drin. Am Schluss darf wieder mitbestimmt werden, wie es weitergehen soll.

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Eine neue E-Mail von alter.ego lag im Posteingang bereit. Er öffnete die Mail und las: »Man könnte das ja noch aufhalten. Irgendwie.«

Das vierte Foto in der Galerie zeigte wie erwartet die gleiche Szene und ein Kleidungsstück weniger. Stephan Haberling betrachtete es gründlich, um vielleicht doch endlich Sicherheit zu bekommen, ob er selbst oder ein verblüffend ähnlicher Mensch abgebildet war. Verschwunden war – eigentlich hatte er bereits erwartet, dass die »falsche« Reihenfolge sich fortsetzen würde – die Jeans, und nun stand die Person in T-Shirt und Slip unter dem Halogenstrahler. Die Auflösung der Aufnahme war groß genug, um in das Bild hinein zu zoomen, und als er das linke Knie genauer betrachtete, wusste er, dass – wie auch immer die nie aufgenommenen Bilder ins Internet gelangen mochten – er selbst abgebildet war.
Die Narbe war zwar kaum noch zu sehen, aber zweifellos da. Verblüffende Ähnlichkeit zwischen zwei Menschen mochte es geben, aber Narben sind so einzigartig wie Fingerabdrücke.
Er war als 13jähriger bei einem Wettlauf anlässlich der Bundesjugendspiele ins Straucheln geraten und gestürzt. Hautabschürfungen an beiden Armen waren die Folge, aber das war nur der geringste Schaden, über so etwas hätte er als richtiger Junge keine Bemerkung verloren. Ein Indianer, das war so klar wie Quellwasser im Glas, kannte keinen Schmerz. Zwar war er kein Indianer, aber wen interessierten schon solche Kleinigkeiten, wenn es darum ging, ein Junge zu sein? Mädchen durften weinen, Jungs waren hart im Nehmen. Basta.
Er hatte noch versucht, von der Rennbahn auf das Gras neben dem rauen Splitbelag zu fallen, hatte sich im Sturz zur Seite geworfen. Zwischen Rennbahn und Gras gab es jedoch eine Einfassung aus scharfkantigen Pflastersteinen, und sein linkes Knie prallte mit voller Wucht auf deren Rand. Nach dem Unfall wurde der Sportplatz gesperrt und die hochragenden Einfassungen mit den scharfen Kanten entfernt, aber davon profitierte Stephan Haberling nicht mehr.
Zunächst spürte er nichts. Er lag etwas benommen halb auf der Wiese, halb auf dem Split und sah reichlich Blut aus der klaffenden Wunde rinnen. Schüler und Sportlehrer standen um ihn herum und redeten, aber was sie sagten, drang nicht durch. Er war im mentalen Nebel gut aufgehoben, wie ein Beobachter, ein Unbeteiligter. Erst als man ihn auf eine Trage bettete und in den Notarztwagen schob, setzte der Schmerz ein. Der war schlimmer als alles, was er bis dahin gekannt hatte. Indianer hin oder her – die Tränen ließen sich nicht zurückhalten. Und es war ihm in diesem Moment noch nicht einmal peinlich.
Zwei Monate später war die Kniescheibe repariert, die Schmerzen Vergangenheit und das Knie wieder einigermaßen zu gebrauchen. Es dauerte noch einige Zeit, bis er die frühere Beweglichkeit und Belastbarkeit erreichte, und die Narbe war bis heute sichtbar. Das jüngste Foto in der Galerie zeigte sie mit ausreichender Deutlichkeit.

Der ominöse alter.ego hatte also ihn selbst aufs Korn genommen. Wenn es so weiter ging, dann würde er sich in zwei Tagen nackt betrachten können. Das war nicht weiter bedenklich, denn wie er ohne Textilien aussah, wusste er; er brauchte nur vor oder nach dem Duschen in den Spiegel schauen, falls er sich unsicher war, ob sein Bauch eine Wölbung zeigte, die er früher nicht gekannt hatte. Er war nicht dick, nein, das wäre bestimmt übertrieben ausgedrückt, aber kritisch betrachtet konnte nicht die Rede davon sein, dass er einen Waschbrettbauch besaß.
Seine Entblößung war auch insofern unproblematisch, dass er gerne in die Sauna ging oder nach wie vor, obwohl die Anschaffung von Badebekleidung keine finanzielle Hürde mehr darstellte, ohne Bedenken mal einen FKK-Strand aufsuchte. Wenn bei solchen Gelegenheiten ein fremder Blick auf sonst verhüllte Körperregionen fallen sollte, lag das in der Natur der Sache. In der Sauna und am Strand gab es zweifellos unansehnlichere Erscheinungsformen der menschlichen Gestalt als seine. Allerdings auch ansehnlichere, da machte er sich nichts vor.
Aber eine Entblößung im Internet, in einer öffentlich zugänglichen Galerie, das war dann doch etwas anderes, als nackt unter Nackten zu entspannen. Zumal er nicht wusste, was alter.ego eigentlich plante. Am männlichen Körper ist ein Bestandteil in Größe und Winkel sehr veränderlich, und aus einem mehr oder weniger geschmackvollen Aktfoto kann allein dadurch etwas Anstößiges werden, dass die Veränderung ersichtlich ist. »The Excitement« hatte Frank McCourt den Zustand in einem Roman genannt, und ein männlicher Körper einschließlich sichtbarem »Excitement« gehörte eindeutig nicht mehr in die Rubrik Aktfoto.

»Man könnte das ja noch aufhalten. Irgendwie.«, hatte der ominöse Urheber des ganzen Schlamassels geschrieben. Allerdings wusste Stephan Haberling beim besten Willen nicht, wie. Er konnte natürlich zur Polizei gehen und den Fall schildern, die E-Mails vorlegen, auf die Galerie verweisen und dann hoffen, dass dem Spuk ein Ende zu bereiten wäre. Er konnte auch Picasaweb kontaktieren und darum ersuchen, die Galerie zu entfernen. Vielleicht wäre das die einfachere Variante? Wie schnell waren wohl die Reaktionszeiten der Verantwortlichen?
Zunächst einmal antwortete er auf die E-Mail: »Wie könnte man das denn aufhalten?« Er schickte die Antwort ab und ging duschen.

Warum, darüber dachte er nicht nach, aber Stephan Haberling wählte entgegen seiner Gewohnheit die »verkehrte« Reihenfolge. Zuerst schlüpfte er aus der Pyjamahose, dann aus dem Oberteil.
Nach der Dusche zog er sich so an, wie seinerzeit die kleine Natalie. Zuerst das T-Shirt, dann das Oberhemd und darüber, da die Oktobertage schon recht kühl waren, einen leichten Pullover. Er schaute sich beim Anziehen im Spiegel zu und musste grinsen, als sich »The Excitement« einstellte. Das kommt davon, wenn man sich verkehrt herum anzieht, dachte er und schlüpfte belustigt über das Eigenleben unter der Gürtellinie in die übrigen Kleidungsstücke.
Schließlich ging er in die Küche, zapfte einen Kaffee Latte aus der Maschine und setzte sich wieder an den Computer, um das Bild des vierten Tages noch einmal genauer zu untersuchen.
jobr Dass er selbst abgebildet war, wusste er nun, denn die Narbe war unverwechselbar. Demnach gehörten auch die inzwischen verschwundenen und die noch verbliebenen Kleidungsstücke zu seiner Garderobe. Das T-Shirt war Massenware, und auch der Slip keineswegs ein Einzelstück. Allerdings war die Wahrscheinlichkeit, ihn in einer Wäscheschublade zu finden, hierzulande eher gering. Stephan Haberling hatte sich im Vorjahr bei einer Amerika-Rundreise Wäsche gekauft, weil er zu wenig mitgebracht hatte. Wozu auch den Koffer auf dem Hinflug unnötig füllen, wenn der Dollarkurs so günstig und Bekleidung in Amerika sowieso erschwinglich war. So war er in den Besitz von mehreren Jockey-Briefs gekommen, das vierte Foto aus der mysteriösen Sammlung von alter.ego zeigte ein solches Exemplar mit dem in Europa eher seltenen Schnitt.
Er hatte sich im Wal-Mart bei der Größenangabe auf der Packung vertan und eine Nummer zu groß gekauft, aber er trug die Wäsche trotzdem, sie war zwar weiter als gewohnt und gewünscht, aber nicht so weit, dass sie ihm von den Hüften gerutscht wäre.
Seine Gedanken kreisten wieder um die mögliche Anstößigkeit dessen, was alter.ego da am nächsten oder übernächsten Tag zu enthüllen gedachte. Offenbarte dieses Foto bereits, wie es um den Zustand »da unten« bestellt war? Womöglich spielte das auch keine Rolle, denn so undenkbar die Herkunft der Bilder war, so unabwägbar war natürlich die Frage, inwieweit der abgebildete Körper statisch sein mochte. Aber na ja, nachsehen konnte er ruhig mal. Er zoomte wieder in das Bild hinein.

Die nächsten Stunden widmete sich Stephan Haberling seiner Arbeit, die konnte er schließlich nicht einfach liegen lassen. Er war freier Journalist und Autor, zwei Redaktionen erwarteten bis zum Nachmittag Artikel von ihm. Zunächst wollte er sich der schwierigeren Aufgabe widmen: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte eine Analyse dessen angefordert, was Sarrazin wirklich gesagt hatte und in welchem Zusammenhang die gerade heiß diskutierten Zitate standen. Die Ausgabe der »Lettre International« lag neben dem Computer und Stephan Haberling las in Ruhe mit der gebotenen Sorgfalt durch, was es mit den vielen kleinen Kopftuchmädchen auf sich hatte. Mit Textmarker und Bleistift bereitete er seine Analyse vor.
Dabei schaute er gelegentlich in den Posteingang seines Googlemail-Kontos und um 11:45 sah er, dass alter.ego eine Antwort – womöglich immerhin – geschickt hatte. Wahrscheinlich war es auch nur eine weitere Botschaft, die ihm nicht weiterhalf. Vielleicht jedoch verriet die E-Mail, wie aufzuhalten war, was Stephan Haberling hier widerfuhr?

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So, und nun wieder eine Frage zum weiteren Verlauf an die geschätzten Leserinnen und Leser. Alle bis Montag, 12. Oktober, 5:55 Uhr abgegebenen Stimmen entscheiden darüber mit, wie die Geschichte weiter geht. Die Fortsetzung ist noch nicht geschrieben.

Bittesehr, einfach auf die gewünschte Antwort klicken:



Wer mag, kann noch Textvorschläge für die E-Mail als Kommentar hinterlassen, ich habe nämlich keine Ahnung, was alter.ego geschrieben hat.

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Nachtrag 13.10.: Inzwischen schreibe ich weiter, die Entscheidung der Leserinnen und Leser zu berücksichtigen wird dieses mal etwas schwierig: Ein klassisches Patt.

Wer mag, kann weiter fröhlich abstimmen, aber nun natürlich hat das keinen Einfluss auf die Erzählung mehr, da ich an der Fortsetzung arbeite.

Donnerstag, 8. Oktober 2009

Morgen ist Weihnachten!

Zumindest im Herzen ist morgen Weihnachten, wen interessiert schon der Kalender. Amazon hat nämlich heute was losgeschicht, was morgen im Briefkasten landen müsste.