Mittwoch, 24. Juni 2009

Der Iran

Kein Zweifel: Ahmadinedschad ist schlecht für das Land. Wer die Meinungsfreiheit unterdrückt, Wahlergebnisse fälscht und Opposition verbietet, auf unbewafnete Demonstranten schießen lässt und die Welt mit Schimpf- und Drohreden bedenkt und noch dazu vom blinden Hass auf die Juden getrieben ist, steht Hitler nicht fern.

Zweifel: Wäre Mussawi besser für das Land? Er will das gleiche Staatssystem, lässt nirgends erkennen, dass seine Außenpolitik wesentlich anders wäre als die des Amtsinhabers. Womöglich wäre ein weniger brutales Vorgehen im Inland denkbar, aber eine Demokratie will auch er mit ziemlicher Sicherheit nicht. Immerhin stellte er öffentlich klar, dass er den Völkermord an den Juden in Nazi-Deutschland verurteilt.

Es bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Menschen im Iran, die Zuflucht suchen, in die internationalen Botschaften heineingelassen werden und das Land verlassen können, solange dort die Freiheit mit Füßen getreten und mit Waffen beschossen wird. Und dass sich der Zustand irgendwann ändert. Einstweilen meine ich, dass unser Land Vertriebene und Flüchtlinge aus dem Iran gerne aufnehmen sollte.

P.S.: Foto von der Protestdemo in Berlin via Nics Bloghaus

Dienstag, 23. Juni 2009

Lauter behütete Herren

Einer der behüteten Herren, die hier abgebildet sind, wird im Juli in Berlin gastieren und ein anderer der behüteten Herren, die hier abgebildet sind, wird zusammen mit der besten aller Ehefrauen, die hier ebenfalls abgebildet ist, wenngleich auch nicht im wörtlichen Sinne behütet, bei jenem Anlass dabei sein.




Nun wäre es mir ein leichtes, zu verraten, um wen es sich bei dem behüteten Herrn handelt, der demnächst in Berlin aufzutreten sich anschickt, da die Eintrittskarten gleich neben dem Schreibtisch an der Pinnwand bereithängen, im Juli mit zum Veranstaltungsort genommen zu werden.




Tatsächlich ist es einigen der hier abgebildeten behüteten Herren ja gar nicht möglich, derjenige zu sein, um den es hier geht, einer zum Beispiel weilt nicht mehr unter den Lebenden, da die Lebensspanne des Menschen nicht unbegrenzt auszudehnen ist. Ein anderer hat viel zu tun, da er ein Land zu regieren hat.




Falls jemand nicht genau weiß, wen das eine oder andere Bild zeigt, hier eine kleine Namensliste. Zu sehen sind in diesem Blogbeitrag die folgenden Herren (in alphabetischer Reihenfolge):





  • Herr Bono mit guter Laune
  • Herr Cohen mit Blick zum Himmel
  • Herr Depp mit gar nichts
  • Herr Kafka mit Schatten
  • Herr Lindenberg mit Zigarre
  • Herr Matthia mit Gattin
  • Herr Morrison mit Mikrophon
  • Herr Naidoo mit Fingerzeigen
  • Herr Obama mit Publikum
  • Herr Waits mit Begleitmusiker
  • Herr Zimmermann wie Herr Waits





So. Na ja. Das wars. Nicht sehr bedeutsam, vielsagend oder sonst was, aber überwiegend schön bunt, dieser Beitrag.




P.S.: Erstaunlich viele Brillenträger.

Montag, 22. Juni 2009

Poesie oder Computerkunst?

Im Spam-Ordner meines Google-Mail-Kontos tummelt sich allerlei Schrott, dafür ist ja so ein Spam-Filter auch da. Gelegentlich schaue ich mal rein in den Ordner, ob sich womöglich eine willkommene Mail dorthin verirrt haben könnte. Dabei entdeckte ich kürzlich einen recht lustigen Text, der mich zum Klick auf einen Link verführen sollte, der natürlich nicht war, was er zu sein vorgab. Davor warnt ja Google noch einmal in rot, obwohl ich sowieso nicht auf solchen Schwachsinn hereinfalle.

Der Nonsense-Text hatte jedenfalls fast schon poetische Qualitäten:
tuner mirk mews yolk?
milky dhoti.
jet load dunk.
gee milky.
sooty enemy pinny plasm?
soul stash prowl entry?
paint hallo rob prowl!
built ruddy hover tyke!
frail built rural plasm.
salvo undo.
Nun frage ich mich: Ist das Computerkunst? Moderne Poesie? salvo undo! - da muss man erst mal drauf kommen! Ganz zu schweigen von soul stash prowl entry?
Sollte ich mich den Urhebern der Spamflut vielleicht als Texter anbieten? Womöglich wird man mit dem Verfassen solcher Gedichte ja stinkin' ritch...

Samstag, 20. Juni 2009

606 und 808

Neulich berichtete ich über die Bedeutung der Zahl 505 für meine gegenwärtige Monsterübersetzung.

Heute kann ich, obwohl das für den Rest der Welt von geringem Interesse sein dürfte, vermelden, dass gestern der nächste Meilenstein erreicht wurde, indem ich über die Seite 606 des Original-Manuskriptes hinaus übersetzt habe.
Ich würde mir ja schnelleres Vorankommen wünschen, aber immerhin sind jetzt »nur« noch rund 100 Seiten übrig.

Danach geht es wieder zurück zu Seite 1, denn ich habe durchaus den Ehrgeiz, dass dieses Buch bei den Lesern nur gute Eindrücke erweckt, und dazu gehört dann neben dem Inhalt (für den der Autor gesorgt hat) natürlich auch ein guter Stil und die Abwesenheit von ungeschickten Formulierungen, Wortwiederholungen und sonstigen Schlampigkeiten.

Dieser Beitrag, mit dem nichts anderes bewiesen ist, als dass ein Blog tatsächlich auch lediglich ein Tagebuch sein kann, ist Post Nummer 808. Blogbesucher mit einem Faible für Zahlenspiele oder Einsicht in die Kabbalistik können sich ja mit dem Zusammentreffen von 606 mit 808 amüsieren. Ich werde einfach weiter übersetzen, was noch zu übersetzen ist.

Freitag, 19. Juni 2009

Braucht Gott Sommerschuhe?

Beim Blick auf den Spam-Ordner wurde ich stutzig. Dass die Firma Baur mich höflich mit Sie anschreibt, um mir Sommerschuhe verkaufen zu können, ist ja völlig korrekt. Daran ist nichts auszusetzten, abgesehen davon, dass ich keine Werbemails mag - daher landen sie auch maschinell gesteuert sofort im Spam-Verzeichnis.
Doch zurück zu diesem Meisterwerk der Werbetexter. »Die schönsten Sommerschuhe für Sie, Herr Matthia« - das hätte ich ja noch verstanden und gelöscht. Doch da stand »...für Sie und Ihn...«


Nun ist es in manchen christlichen Kreisen üblich, wenn von Gott die Rede ist, die entsprechenden Pronomina groß zu schreiben. Aus Respekt, aus Gewohnheit, oder weil das auch im Englischen mitunter so zu finden ist. Doch schien es mir nicht allzu wahrscheinlich, dass die Firma Baur zu diesen christlichen Kreisen zählt. Also wen wollte der Werbetexter da so ehrfurchtsvoll anreden? Einen Kaiser haben wir ja nicht mehr.
Meines Wissens braucht Gott jedenfalls keine Sommerschuhe, und ich würde sie sowieso nicht für ihn / Ihn per Internet bestellen, da ich - vorausgesetzt er bräuchte welche - die Schuhgröße nicht wüsste.

Meine kaufe ich bei Deichmann im Laden. Da kann ich sie nämlich anprobieren.

Donnerstag, 18. Juni 2009

Goethe freute sich

Sicher freute sich Herr Goethe über mich, lebte er noch. »Edel sei der Mensch, hilfreich und gut«, empfahl er ja bekanntlich. Zumindest das zentrale Drittel seines Postulates scheint mir bei Amazon zu gelingen:

So viele Menschen, die meine Rezensionen als hilfreich bewerten (282 immerhin) - da freut sich der Rezensent und hat mit diesem Blogbeitrag darüber hinaus wieder mal bewiesen, dass an dem Gerücht, Blogger seien Narzisten, etwas dran sein muss.

Hier geht es zu meinen augenblicklich 33 Rezensionen, in den nächsten Tagen sollten es - falls die Jungs und Mädels bei Amazon nicht schlummern oder überarbeitet sind - wieder eine Handvoll oder ein halbes Dutzend mehr sein: GJM als Rezensent

Mittwoch, 17. Juni 2009

William P. Young: The Shack (Die Hütte)

Zwischen uns sei Wahrheit, lieber Leser dieser Rezension. Das Buch, das ich hier empfehle, ist ein zwiespältiges Werk; ein gutes und ein bedenkliches Buch zugleich.
Vorab: Man darf nicht vergessen, dass man es bei der Lektüre mit einem Roman zu tun hat. Ein Roman darf vieles, was einem Sachbuch anzukreiden wäre. Zum Beispiel den Leser samt Protanonisten aus dieser Welt heraus in eine andere entführen. Nicht irgend eine außerirdische Sphäre, dies ist kein Science-Fiction-Roman, sondern - um es etwas vereinfacht auszudrücken - in unsere Welt, wie sie eigentlich sein sollte. Wie sie sich der Schöpfer gedacht haben mag, wenn man einen Schöpfer in Betracht zieht.

Wiliam P. Young, so heißt der Autor, auf diesem gedanklichen Weg zu folgen, fällt Europäern sicher schwerer als Amerikanern. Der Protagonist Mackenzie Allen Phillips, meist kurz Mack genannt, ist ein Typus Mensch, den es hier in Deutschland weit weniger häufig gibt als in der Heimat des Autors. Mack ist der typische Amerikaner, der selbstverständlich sonntags die Kirche besucht, vor dem Essen ein Dankgebet spricht und ein »christliches« Leben führt. Er zweifelt nicht an der Existenz Gottes, wenngleich er keine allzu persönliche Beziehung zu Gott pflegt, sondern landläufig-traditionell gläubig lebt: Man ist Christ, liest die Bibel und gehört einer Kirche an.
Im säkularisierten Europa trifft man solche Menschen womöglich noch in einigen ländlichen Gebieten in größerer Zahl an. In Amerika ist das noch immer eine Beschreibung der Mehrheit der Bevölkerung.

Zurück zu Mackenzie. Während eines Wochenendausfluges verschwindet Missy, die kleine Tochter, spurlos. Die Suche bleibt erfolglos, es gibt bald keinen Zweifel mehr, dass sie von einem Serientäter entführt und umgebracht wurde, obwohl die Leiche des Kindes nicht auffindbar ist. Die blutdurchtränkte Kleidung des Mädchens und die Beschreibung des Entführers sprechen deutlich genug, um Hoffnungen zu ersticken. The Great Sadness senkt sich auf Macks Leben.

So weit, so traurig und leider auch so realistisch. Wir alle kennen solche Geschichten aus den Medien, sie sind keine Fiktion, sondern grausame Wirklichkeit. Mancher leitet daraus ab, dass es keinen barmherzigen und guten Gott geben kann.

Doch Mack erhält eine handschriftliche Einladung von »Papa«. So nennt seine Frau Gott, da sie ein etwas engeres Verhältnis zu ihm zu haben scheint als Mack. »Papa« lädt ihn in ausgerechnet die Hütte ein, in der man damals die blutdurchtränkten Kleider seiner kleinen Tochter gefunden hat. Ein grausamer Scherz eines Verrückten? Eine Falle des Mörders? Oder tatsächlich eine Einladung von Gott persönlich? Auf jeden Fall hat Macks Frau trotz der Unterschrift »Papa« nichts damit zu tun, so viel ist sicher.
Weil Mack, der keine Ahnung hat, was ihn und ob ihn überhaut etwas erwartet, sich auf das Wochenende einlässt (vorsichtshalber mit Schusswaffe im Gepäck), kann uns der Autor des Romans zusammen mit Mack in jene »andere« Welt entführen, in der es möglich und an der Tagesordnung ist, wie Adam und Eva einst mit Gott zu plaudern.
Allerdings hat Mack zunächst Mühe, Gott zu erkennen. Er begegnet keineswegs jemandem, der Gandalf aus dem Herrn der Ringe ähneln würde. Für manchen Leser mag das, was in der Hütte und ringsum bei Ausflügen folgt, irritierend sein. Schon wegen der Darstellung von »Papa«, Jesus und des Hei- ja, da sind wir schon mitten in den Problemen für unsere traditionellen Vorstellungen: Der Heilige Geist ist weiblich. Bono, Sänger von U2, hat schon vor Jahren über den Geist Gottes gesungen: She moves in mysterious ways. In diesem Buch nun heißt sie Sarayu. Doch auch »Papa« begegnet Mack zunächst als Frau, als Afroamerikanerin, da der Begriff »Vater« für Mack aufgrund der eigenen Kindheit nicht viel Gutes zu bedeuten hat.
Die drei Personen des einen Gottes, eine Frau namens »Papa«, Jesus und Sarayu begleiten nun den Protagonisten durch das Wochenende. Sie sind / er ist, nicht nur was Namen und Geschlecht betrifft, völlig anders, als religiöses Denken (und Establishment) es in Amerika oder hierzulande zulassen möchte.

Es ist ein mutiges Buch, denn dass ein Autor, selbst in einem Roman, dermaßen radikal mit dem herkömmlichen Gottesbild bricht, muss zu vehementen Protesten der traditionsverhafteten Geistlichkeit führen. Das war auch in Amerika prompt der Fall, manch ein Hirte wollte seinen Schäfchen gar verbieten, »The Shack« zu lesen. Dennoch (oder deshalb?) hat das Buch offensichtlich ein Dauerabonnement für die Bestsellerlisten.
Nun ist die deutsche Ausgabe erschienen, man darf gespannt sein, ob es auch hierzulande entsprechende Reaktionen geben wird.

Doch zurück zur Geschichte, die William Paul Young erzählt und zu der Zwiespältigkeit, die ich empfunden habe. Erzählerisch ist »The Shack« kein Meisterwerk.
Mack wird sehr idealisiert dargestellt, so perfekt, dass er mir im Lauf der Lektüre unglaubwürdig wird. Beim besten Willen kann ich mir einen solchen Mustervater, Musterehemann und Mustermenschen nicht im wirklichen Leben vorstellen - samt Musterehefrau übrigens. Beide machen immer so gut wie alles richtig.
Auch meine ich, dass der Autor sich etwas zu viel vorgenommen hat, zumindest für den Umfang des Buches. Er will möglichst allen Fragen nachgehen, die es rund um Gott, Mensch und das Leid sowie die Ungerechtigkeit der Welt gibt. Und Antworten vorschlagen.
  • Wie kann Gott, vorausgesetzt, er ist ein guter Gott, solch ein Verbrechen an einem unschuldigen Kind zulassen?
  • Wie muss man leben, damit Gott zufrieden ist?
  • Bestraft und erzieht Gott die Menschen durch Krankheit oder anderes Leid?
  • Wird das nicht langweilig, im Himmel immer nur auf goldenen Straßen rumzulaufen und Loblieder zu singen?
  • Wer ist für Naturkatastrophen verantwortlich zu machen?
  • Warum all die Kriege und Abschlachtereien im Alten Testament?
  • ... und viele weitere Fragen und Problemkreise.
Was Young schreibt, ist - wie schon oben angedeutet - alles andere als »kirchenkonform«. Zum Beispiel wenn sich Mack und Jesus über die Kirche / Gemeinde unterhalten:
Mack paused, searching for the right words. "You're talking about the church as this woman you're in love with; I'm pretty sure, I haven't met her." He turned away slightly. "She's not the place I go on Sundays," Mack said more to himself, unsure if it was safe to say out loud.
"Mack, that's because you're only seeing the institution, a man-made system. That's not what I came to build. What I see are people and their lives, a living, breathing community of all those who love me, not buildings and programs."
Mack was a bit taken back to hear Jesus talking about "church" this way, but then again, it didn't really surprise him. It was a relief. "So how do I become part of that church?" he asked. "This woman you seem to be so gaga over."
...
"As well-intentioned as it might be, you know that religious machinery can chew up people!" Jesus said. "An awful lot of what is done in my name has nothing to do with me and is often, even if unintentional, very contrary to my purposes."
"You're not too fond of religion and institutions?" Mack said, not sure if he was asking a question or making an observation.
"I don't create institutions - never have, never will."
Die Antworten, die Young anbietet, habe ich so gut wie immer als nachvollziehbar empfunden, und sie sind auch in sich schlüssig. Das Gottesbild, das er in diesem Roman zeichnet, teile ich weithin schon eine ganze Weile. Ich halte dieses Buch für hervorragend geeignet, dem einen oder anderen Christen ein wenig die Augen dafür zu öffnen, dass nicht alles, was von einer Kanzel verkündet wird, unbedingt und immer richtig sein muss.
Doch, und da taucht der Zwiespalt wieder auf, so gut dieses Buch für nachdenkliche und suchende Gläubige sein mag, es taugt meiner Meinung nach nicht dazu, Menschen für Gott zu interesieren, die davon überzeugt sind, dass es keinen Gott gibt. Das muss und soll ja nun auch nicht die Aufgabe eines Romans sein.
Es ist dem Autor jedoch nicht gelungen, das zeigen auch etliche Rezensionen und Bewertungen in säkularen Medien, so spannend und interessant zu erzählen, dass ein Leser, der mit dem Glauben nicht viel oder gar nichts am Hut hat, dem Buch sonderlich viel abgewinnen könnte.
Wer am Thema »Gott und Mensch« grundsätzlich nicht interessiert ist, wird die seitenlange Dialoge als ermüdend und die Handlung als ungenügend empfinden. Der arg konstruierte Schluss sei hier sowieso mit dem gnädigen Mantel des Schweigens bedeckt.
Man muss schon am Thema an und für sich interessiert sein, wenn man das Buch interessant finden soll. Als Erzählung ist »The Shack«, trotz einiger hervorragender Szenen, allenfalls Durchschnitt. Stilistisch und sprachlich zeichnet sich der Text ebenfalls nicht aus: Nicht schlecht, aber auch nicht gut.

Mein Fazit: Ich habe das Buch trotz der oben angedeuteten Schwächen mit Begeisterung und nicht unerheblichem »inneren Gewinn« gelesen. Ich empfehle es mit voller Überzeugung als eine herausragende Lektüre, weit besser als mancher Alltagslesestoff. Nur sollte der Leser erstens nie vergessen, dass er einen Roman liest, und zweitens nicht zu sehr an traditionellen Formen und Lehren festkleben wollen. Die werden nämlich kräftig erschüttert. Und das ist auch gut so!
Ach ja, und drittens: Wer am Thema Gott und Mensch grundsätzlich nicht interessiert ist, den wird das Buch kaum sonderlich begeistern. Es sei denn, Sarayu wird aktiv?

Dienstag, 16. Juni 2009

Neulich im Naturschutzgebiet

Sommer. Urlaub. Idylle. So weit, so gut.

Am frühen Vormittag kam - nennen wir ihn Paul - von einem langen Ausflug mit seinen Angeln, Ködern und Netzen zurück ins Ferienhäuschen und beschloss, ein Nickerchen zu machen. Die Utensilien ließ er im Boot, er konnte sie ja später noch verstauen. Gefangen hatte er sowieso nichts außer etwas Schlick und einem Tennisball.

Obwohl sie eher ungern ruderte, hielt es seine Frau - nennen wir sie Paula - für eine gute Idee, mit dem Boot ein Stück hinauszufahren und dort in der friedlichen Stille ein Buch zu lesen. Womöglich hatte das etwas damit zu tun, dass Paul, verlässlichen Quellen zufolge, zum Schnarchen neigte? Verlässlicher als die Ehefrau kann ja kaum eine Quelle sein, wenn es um nächtliche Gewohnheiten geht.
Jedenfalls ruderte Paula ein Stück hinaus, machte es sich bequem und begann zu lesen. Sie hatte noch nicht eimal fünf Seiten umgeblättert, als sie ein unschönes Knattern aus der Ferne vernahm. Nein, nicht ihr Paul. Um seine Geräusche wahrzunehmen, war sie zu weit hinausgefahren. Es klang eher wie ein Außenborder. Tatsächlich kam ein Wildhüter mit seinem Motorboot quer über den See gefahren und hielt neben ihr an.
»Guten Morgen gnädige Frau, was tun Sie hier?«
»Ich lese ein Buch«, antwortete sie und dachte: Ist das nicht offensichtlich, du Dösbaddel?
»Sie befinden sich in einem Naturschutzgebiet, Fischfang ist an dieser Stelle des Gewässers verboten«, informierte er sie. Er zeigte auf eine Boje in der Nähe. »Das ist durch die Bojen klar ersichtlich, gnädige Frau.«
»Das wusste ich nicht, ich kenne mich mit Bojen nicht aus. Aber ich fische ja auch nicht. Ich lese.«
»Schon, aber Sie haben die komplette Ausrüstung dabei. Soweit ich die Situation überblicken kann, könnten Sie jeden Augenblick damit anfangen. Ich muss eine Anzeige gegen Sie aufnehmen.«
Paula runzelte die Stirn. »Für das Lesen eines Buches?«
»Sie befinden sich in einem Sperrgebiet für Angler«, wiederholte er und griff nach Kugelschreiber und Vordruck für Anzeigen samt Klemmbrett als Unterlage.
»Wenn Sie das tun, dann erstatte ich Anzeige gegen Sie wegen sexueller Belästigung.«
»Ich habe Sie doch überhaupt nicht angerührt!«, rief der Wildhüter entrüstet.
»Das mag sein, aber Sie haben die komplette Ausrüstung dabei. Soweit ich die Situation überblicken kann, könnten Sie jeden Augenblick damit anfangen.«
»Ich wünsche noch einen schönen Tag«, sagte der Mann und fuhr eilends mit laut knatterndem Motor davon.

Und die Moral von der Geschicht: Leg dich nicht mit einer Frau an, die Bücher liest. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie denken kann, mag sie nun Paula heißen oder einen anderen Namen tragen.

Montag, 15. Juni 2009

Das Schloss - Franz Kafka

Es war spätabends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schloßberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloß an. Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Landstraße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbare Leere empor.
Dann ging er, ein Nachtlager suchen; im Wirtshaus war man noch wach, der Wirt hatte zwar kein Zimmer zu vermieten, aber er wollte, von dem späten Gast äußerst überrascht und verwirrt, K. in der Wirtsstube auf einem Strohsack schlafen lassen.
Als K. erwachte, glaubte er zuerst, kaum geschlafen zu haben; das Zimmer war unverändert leer und warm, alle Wände in Finsternis, die eine Glühlampe über den Bierhähnen erloschen, auch vor den Fenstern Nacht.
Da öffnete sich die Tür. Es war die Wirtin. Sie tat erstaunt, K. noch hier zu finden. K. entschuldigte sich damit, daß er auf die Wirtin gewartet habe, gleichzeitig dankte er dafür, daß es ihm erlaubt worden war, hier zu übernachten. Die Wirtin verstand nicht, warum K. auf sie gewartet habe. K. sagte, er hätte den Eindruck gehabt, daß die Wirtin noch mit ihm sprechen wolle, er bitte um Entschuldigung, wenn das ein Irrtum gewesen sei, übrigens müsse er nun allerdings gehen, allzulange habe er die Schule, wo er Diener sei, sich selbst überlassen, an allem sei die gestrige Vorladung schuld, er habe noch zu wenig Erfahrung in diesen Dingen, es werde gewiß nicht wieder geschehen, daß er der Frau Wirtin solche Unannehmlichkeiten mache wie gestern. Und er verbeugte sich, um zu gehen. Die Wirtin sah ihn an, mit einem Blick, als träume sie.
»Ich ziele nur darauf ab, mich schön zu kleiden, und du bist entweder ein Narr oder ein Kind oder ein sehr böser, gefährlicher Mensch. Geh, nun geh schon!« So sprach die Wirtin.
K. war schon im Flur, als die Wirtin ihm nachrief: »Ich bekomme morgen ein neues Kleid, vielleicht lasse ich dich holen.«
Soweit Franz Kafkas Roman »Das Schloss«. Und nun, lieber Blogbesucher:
  • Alles verstanden?
  • Lehren daraus gezogen?
  • Geistig gewachsen?
  • Bildung vervollständigt?
Nein? Merkwürdig. Sehr merkwürdig. Dabei sind doch alle Sätze, die ich oben aufgeschrieben habe, Originalsätze. Und gestern im Gottesdienst hat es doch der Pastor in tausenden Kirchen und Gemeinden genauso gemacht: Er nahm aus einem längeren Text einige Sätze heraus und alle Besucher nickten, zufrieden mit der erbaulichen, gesalbten Predigt, die daraus wurde...

P.S.: Mir ist schon klar, dass einem Pastor nicht viel anderes übrig bleibt. Er muss wohl darauf hoffen, dass die Gemeinde den Zusammenhang kennt?

Samstag, 13. Juni 2009