Freitag, 29. April 2011
Donnerstag, 28. April 2011
Gastbeitrag Lao tse: Der Axtdieb
Einige Tage später fand der Mann zufällig das Beil unter einem Bretterhaufen.
Am anderen Tag sah er den Sohn des Nachbarn: Sein Gang war nicht der eines Axtdiebes, auch sein Blick war nicht der eines Axtdiebes.
Dienstag, 26. April 2011
Mein Googlemail-Account...
Ich hoffe, dass mit der Änderung meines Passwortes der Spuk behoben ist.
Wer eine Mail (angeblich von mir) mit einem obskuren Link bekommen hat: Ich war es nicht.
Montag, 25. April 2011
Damit nicht nur …
… Facebook-Freunde und Twitterfolgende wissen, warum hier auf dem Blog nichts los ist:
Der Blogger befindet sich mehr in Wäldern und mittelalterlichen Städten als am Computer.
Freitag, 22. April 2011
Es geht gut.
Mut zum Risiko und vermutlich Routine sorgen dafür, dass auch Unwahrscheinliches funktioniert. Und das ist auch gut so.
Geht das gut?
Unterwegs in den Osterurlaub stellte sich mir die Frage, ob das Aufladen eines Automobile über lose Bretter auf einen LKW wohl gut gehen kann...
Donnerstag, 21. April 2011
Vom Hasenfest und der Josefslegende
Karfreitag - ein willkommener freier Tag für Arbeitnehmer, soweit sie nicht in einer Branche tätig sind, die gerade an oder auch an Feiertagen dienstbereit sein muss. Ein Tag für Ausflüge, zum Entspannen, zum Genießen. Den Prognosen zufolge wird auch das Wetter sich von seiner angenehmen Seite zeigen.
Manchen Menschen ist noch irgendwo bekannt, dass es sich um einen christlichen Feiertag handelt. Details weiß man nicht so genau, muss man auch nicht wissen. Jemand mutmaßte kürzlich: »Hat das nicht was mit der biblischen Legende vom Josef zu tun?«
Wikipedia wüsste zu berichten, dass der Karfreitag »zusammen mit Ostern für die Christen einer der höchsten Feiertage« ist, aber der religiös nicht interessierte Mensch freut sich zu Ostern ja mehr über Hasen und Eier als über die Auferstehung eines Messias, also muss auch der Karfreitag nicht mit tieferem Sinn oder gar Gedenken gefüllt werden.
Manche Christen finden es nicht gut, dass der ursprüngliche Sinn und Anlass von Ostern, Weihnachten, Himmelfahrt und Pfingsten aus dem Bewusstsein und den Medien mehr und mehr verschwinden. Sie beklagen sich, dass die Buchhandlung Thalia ein frohes »Hasenfest« wünscht und verkünden lauthals, dass sie fürderhin die Buchläden der Kette nicht mehr zu besuchen gedenken. Ob sie je dort eingekauft haben, sei dahingestellt.
Aber was soll den so schlimm daran sein, wenn Bräuche und Riten, die zur bloßen Äußerlichkeit verkommen sind, verschwinden? Das schafft Ballast beiseite. Keiner hält sich mehr für »christlich«, weil er an hohen Feiertagen ein Gotteshaus aufsucht. Niemand verwechselt mehr Tradition mit Glauben. Wer das Hasenfest feiert, gibt sich keinen Illusionen hin, irgendwie ein wenig fromm und damit Gott, falls er doch irgendwo irgendwie existieren sollte, wohlgefällig zu sein. Wirkt sich also die Sinnbefreiung der sogenannten christlichen Feste nicht eher positiv aus?
Ich wünsche meinen Blogbesuchern schon mal frohe, friedliche und erholsame Feiertage, ob nun mit christlicher Botschaft oder ohne.
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Mittwoch, 20. April 2011
Montag, 18. April 2011
Dieser Blogpost dient nur ...
Fragmente #2 – Herr K. bekommt eine CD
Es gibt Notizen in meinen Archiven, die dazu gedacht waren oder sind, dass Erzählungen oder Sachtexte daraus werden. Manche dieser Fragmente bleiben ewig was sie sind, manche werden nach Jahren dann tatsächlich verwendet.
… … …
Herr K. bekam eine CD geschenkt, deren Umhüllung er etwas ratlos studierte. Er war kein Verächter zeitgenössischen Liedgutes, aber beim Lesen der Titel beschlich ihn die Vorahnung, dass er dieser Musik womöglich nicht allzu viel abgewinnen würde.
Er legte die CD ein und drückte auf die Starttaste.
… … …
Vielleicht hat ein Leser einen Tipp, was aus diesem Fragment werden könnte?
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Samstag, 16. April 2011
Endlich enthüllt: Was Jesus wirklich zu den Aposteln gesagt hat
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Freitag, 15. April 2011
Donnerstag, 14. April 2011
Wenn ich Gott wäre …
- … dann hätte ich meinen Geschöpfen keinen verbotenen Baum in den schönen Garten gestellt, sondern dieses Gewächs, falls es schöpfungsbedingt notwendig gewesen wäre, jenseits eines unüberwindbar tiefen Grabens untergebracht.
- … dann hätte ich der Schlange, als sie auf dem Weg zu meinem weiblichen Krone-der-Schöpfung-Geschöpf war, um eine Konversation über Obstsorten anzustoßen, einen Tritt gegeben, bevor das Gewürm am Ziel angekommen wäre.
- … dann hätte ich mich klarer ausgedrückt, als ich Mose ankündigte, dass ich die Nase voll von meinem Volk hatte und es mit Mann und Maus vertilgen würde. Das hätte Mose die Verlegenheit erspart, sich mit mir streiten zu müssen.
- … dann hätte ich nach dem Sündenfall nicht hunderte und tausende Jahre gewartet, bis ich einen Erlöser schicke, sondern spätestens in der zweiten Generation eine Erlösungsmöglichkeit anstelle der immer umfangreicher und komplizierter werdenden Gebote und Opfer angeboten.
- … dann hätte ich anstelle diverser heiliger Bücher, die jeder anders auszulegen in der Lage ist, eine Datenbank mit Antworten auf alle erdenklichen Fragen und komfortabler Suchfunktion in das Internet gestellt, das ich natürlich spätestens um das Jahr 30 nach Christus bereits hätte erfinden lassen.
- … dann hätte ich sicherlich andere Überlegungen als diese und ähnliche. Sonst wäre ich ja wohl doch kein Gott.
Dienstag, 12. April 2011
Fragmente #1 - Gerhard und Rebekka
Es gibt Notizen in meinen Archiven, die dazu gedacht waren oder sind, dass Erzählungen oder Sachtexte daraus werden. Manche dieser Fragmente bleiben ewig was sie sind, manche werden nach Jahren dann tatsächlich verwendet.
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»Wann i«, erklärte Gerhard kategorisch, »wann i nimmer megn dat, gangat i hoam.«
Rebekka lauschte den Klängen nach, versuchte, sie bekannten Worten zuzuordnen, jedoch vergeblich. Sie wusste, dass in dieser Gegen das »i« häufig oder sogar immer für »ich« stand, und das »nimmer« müsste eigentlich als Synonym für »niemals« stehen, aber der Rest?
Das Schweigen schien Gerhard zu lange zu dauern, denn er fragte: »Host mi etzat verstanden?«, wobei das letzte Wort so sorgsam ausgesprochen wurde, dass es wie ein Fremdkörper in der Rede wirkte.
Rebekka schüttelte den Kopf. »Verstanden habe ich nichts. Außer verstanden, das habe ich verstanden.«
»Ja do legst di nieder uns schtehst nimmer auf.«
Hinlegen und nicht mehr aufstehen? Rebekka sah ihren Gesprächspartner ratlos an. Sie fand ihn ja recht sympathisch, aber um sich jetzt mit ihm oder für ihn niederzulegen, war bestimmt nicht der geeignete Zeitpunkt gekommen. Der würde auch nicht kommen, denn Rebekka dachte gar nicht daran, mit diesem Kerl ein Verhältnis, noch dazu ein erotisches, einzugehen.
»Spinnts du? Warum sollte ich mich hinlegen? Ich glaube, ich breche jetzt auf.«
Gerhard riss entsetzt die Augen auf. »Naa, net du. I leg mi nieder, host mi? Oiso net in echt, dös sogt ma nur so. Wanns einen sozusagen umhaut, gell?« So-zu-sagen, das kam wieder wie sorgsam abgelesen aus seinem Mund.
Wollte er nun noch weitermachen oder nicht? Das hatte Rebekka immer noch nicht herausbekommen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, hier in südlichen Gefilden überhaupt damit anzufangen.
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Vielleicht hat ein Leser einen Tipp, was aus diesem Fragment werden könnte?
Samstag, 9. April 2011
Freitag, 8. April 2011
Bärbel und der Traum vom Ballkleid
Bärbel war stolz darauf, dass sie den großen Krug voller Milch auf dem Kopf balancieren konnte, während sie der Molkerei zustrebte. Die erwachsenen Frauen machten es genauso, aber dass sie mit 13 Jahren diese Kunst schon beherrschte, war doch bemerkenswert. Fand zumindest Bärbel.
Die Milch in dem Tonkrug gehörte ihr ganz allein. Sie hatte dem Bauern im Stall geholfen, eine Woche lang, und als Belohnung durfte sie nun die Ausbeute des abendlichen Melkens nach Gutdünken verwenden. Bärbel hatte vor, die Milch zu verkaufen. Sie wusste, wie viel Geld sie bekommen würde, und sie hatte bereits ausgerechnet, dass der Erlös ihr den Kauf von 50 Eiern gestattete. Selbst wenn nicht aus allen auch Kücken schlüpften, war es doch ziemlich sicher, dass sie mit mindestens 40 Hühnern rechnen konnte. Ihr Vater hatte schon zugestimmt, dass Bärbel die Brutanlage auf dem heimischen Hof für ihr privates Projekt benutzen durfte.
Auf dem Markt hatten Hühner, wenn sie groß genug geworden waren, einen Wert, mit dem sie sich endlich das ersehnte Ballkleid für den Herbsttanz kaufen konnte. Sie sah sich schon von jungen Burschen umringt und bewundert auf der Tanzfläche ihre Runden drehen ...
Die Molkerei kam in Sicht, nun war es fast so weit, der Traum schon greifbar nahe. Natürlich würde sie auf dem Ball dann all die jungen Männer abblitzen lassen, das stand jetzt schon fest. So viele Schmeicheleien ihr auch zugeflüstert werden mochten, sie würde energisch, ganz entschieden den Kopf schütteln. Bärbel stellte sich auf den letzten 50 Metern vor der Milchannahmestelle die Szene so lebhaft vor, dass sie unwillkürlich heftig den Kopf schüttelte. Der Krug fiel von ihrem Kopf und zerbarst auf dem steinigen Weg.
Mittwoch, 6. April 2011
Von bösen Moslems und bösen Christen
Es kann sich in den USA jeder dahergelaufene Trottel Pastor nennen, und manch einer tut es auch. 20 bis 30 Anhänger hat »Pastor« Terry Jones, der Mann, der unbedingt einen Koran verbrennen musste. Die amerikanischen Medien hatten sich - im Gegensatz zur abgeblasenen Koranverbrennung im September 2010 - diesmal zurückgehalten und die absurde Veranstaltung ignoriert. Der selbsternannte Pastor stellte sein Video ins Internet - ebenfalls ohne irgend ein Medienecho und ohne nennenswerte Zuschauerzahlen. So weit, so gut.
Aufmerksamkeit für die Veranstaltung entstand erst, als beim angeblichen Protest gegen die Koranverbrennung Moslems in Afghanistan Menschen umbrachten, die mit dem Geschehen in Florida überhaupt nichts zu tun hatten. Selbst wenn sie bei der Verbrennung des Koran mitgemacht hätten, wäre dies kein Grund, ihnen das Leben zu nehmen, aber die Ermordeten waren sicher keine Sympathisanten des Terry Jones.
Die Versuchung liegt nahe, hier Unrecht (öffentliche Bücherverbrennung) und Verbrechen (Ermordung von Menschen) gegeneinander in die Waagschale zu legen. Der Mob in Afghanistan gibt dem Pastor in Florida tatsächlich im Nachhinein Recht, denn einer Religion, die solche Gewaltexzesse fordern und fördern würde, wäre unbedingt entgegen zu treten. Zwar nicht mit dem Verbrennen von Büchern, aber doch sehr entschieden.
Nun ist allerdings Terry Jones so »christlich« wie die Mörder »moslemisch« sind. Es geht weder auf der einen noch auf der anderen Seite um den Glauben an einen Gott. Hassprediger aller Couleur missbrauchen die jeweilige Religion für ganz andere Ziele als sie vorgeben; Macht, Einfluss, Geld, Politik ... alles mögliche spielt eine Rolle, aber auf keinen Fall die Liebe zu Gott oder der Dienst für ihn.
Manch ein Kommentator hat in diesen Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass der Islam im Gegensatz zu anderen Religionen vor allem durch Gewalt und Mord auffällt. Das stimmt. Doch woran das liegt, wird kaum beachtet. Es reicht ja meist, festzustellen, dass hier die Guten und dort die Bösen zu finden sind.
Die Geschichte des Christentums ist streckenweise eine sehr blutige, brutale und grauenhafte Geschichte. Von erbarmungslosen Eroberungskriegen bis zur Enthauptung von Christen, die ihren Glauben anders lebten als die kirchliche Führung es wollte, von Sklaverei bis zu geistlichem und körperlichem Missbrauch; zum Teil bis heute.
Ist daran der christliche Glaube Schuld? Kein vernünftiger Mensch wird das wohl heute noch so sehen. Man weiß zu unterscheiden zwischen denen, die wie Terry Jones den Glauben missbrauchen und dem Glauben an sich. Es ist Vernunft eingekehrt.
Beobachtet man die Gewaltexzesse in islamischen Ländern, dann ist von Vernunft nicht viel zu bemerken. Vielleicht liegt das auch daran, dass normale Menschen, ob sie nun an Jesus oder Mohammed glauben, für die Medien uninteressant sind. Die Vernünftigen, die Gebildeten, die sprengen sich und andere nicht in die Luft und die ermorden keine UN-Helfer. Sie verbrennen auch keine Bücher. Sie bekommen folglich auch keine Schlagzeilen.
Gleichwohl gibt es deutlich mehr Gewalt und Verbrechen im Namen des Islam als es bei anderen Religionen heute der Fall ist. Vielleicht wird der Islam, wenn die Vernunft aufgrund vermehrter Bildung und Aufklärung zunimmt, immer weniger als Deckmäntelchen für Fanatiker taugen, so wie das Christentum als Deckmäntelchen für Terry Jones und ähnliche Gestalten nicht taugt? Womöglich werden die Fanatiker weniger zahlreich, wenn das Bildungsniveau steigt?
Es wäre zu wünschen.
Montag, 4. April 2011
Demnächst ...
Sonntag, 3. April 2011
Ich bin eine Maske
Man erzählt sich eine (wahrscheinlich apokryphe) Geschichte: Zur Zeit seines höchsten Ruhmes wurde einer der größten Theologen des 20sten Jahrhunderts zu einer Maskenorgie der obersten Gesellschaftsschicht eingeladen. Diese Veranstaltungen wurden von vielen Berühmtheiten besucht und alle Teilnehmer waren sehr darum bemüht, ihre Identität geheim zu halten. Deshalb trugen die Geladenen nichts außer einer Maske, hinter der ihr Gesicht verborgen blieb. Der Theologe nahm die Einladung an und fuhr in der betreffenden Nacht zur genannten Adresse. Als er den großen Saal betrat, in dem die Orgie stattfinden sollte, bot sich ihm der Anblick von Dutzenden Gästen, die abgesehen von der Gesichtsmaske, vollkommen nackt waren.
Als der Gastgeber den Theologen hereinkommen sah, erschrak er zutiefst, denn dieser trug nichts am Leib, nicht einmal sein Gesicht war verborgen. Der Hausherr eilte zu ihm und zog ihn beiseite. »Dies ist ein Maskenball«, erklärte er, »damit die Menschen ihre Identität verbergen können. Was tun Sie hier ohne Maske?«
Darauf erwiderte der Theologe gelassen: »Warum die Aufregung, mein lieber Freund? Was Sie sehen, ist meine Maske.«
(Übersetzt aus diesem Beitrag von Peter Rollins: [I am a mask]
Freitag, 1. April 2011
Jessika – ein Verhängnis /// Teil 17
Wie immer die Linkerei: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4] /// [Teil 5] /// [Teil 6] /// [Teil 7] /// [Teil 8] /// [Teil 9] /// [Teil 10] /// [Teil 11] /// [Teil 12] /// [Teil 13] /// [Teil 14] /// [Teil 15] /// [Teil 16]
Und nun die lang ersehnte Fortsetzung:
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Aus heiterem Himmel – urplötzlich – auf einmal – wie aus dem Nichts … allerlei Formulierungen fallen dem Menschen ein, wenn etwas nicht vorhergesehen oder auch nur geahnt werden kann. Für Unfälle gilt das in der Regel, denn könnte man das Geschehen voraussehen, würde man ja wahrscheinlich noch etwas tun können, um es abzuwenden.
Jessika war nicht unaufmerksam am Steuer, nicht abgelenkt, sie fuhr nicht zu schnell und sie missachtete auch keine sonstigen Verkehrsregeln. Als die Gestalt im Lichtkegel der Scheinwerfer auftauchte, trat sie sofort auf die Bremse, der Bordcomputer verrichtete tadellos mit seinem Anti-Blockier-System die ihm von den Ingenieuren übertragene Aufgabe, das Fahrzeug blieb lenkbar, während es rapide an Geschwindigkeit verlor. Vor dem Zusammenprall versuchte Jessika noch, nach links auszuweichen, jedoch vergeblich.
Warum der junge Mann zu nächtlicher Stunde und ausgerechnet in diesem Moment über die Autobahn hatte rennen müssen, wohin er eigentlich wollte, wovor er womöglich davon rannte, warum er überhaupt nicht in die Richtung schaute, aus der ein Fahrzeug kommen konnte, erfuhren Jessika und Johannes nicht. Mit noch etwa 40 Stundenkilometern erfasste das Auto den Körper, er landete auf der Motorhaube und wurde dann hoch durch die Luft etliche Meter in Richtung Grünstreifen zwischen den Fahrspuren geschleudert. Dort blieb er liegen.
Der Dodge Nitro stand still, leicht schräg zwischen zwei Fahrspuren, die Scheinwerfer beleuchteten die reglose Gestalt an der Leitplanke.
»Warnblinker«, murmelte Jessika, »Warnblinker, Verbandskasten. Warndreieck? Notruf?«
Aber sie rührte sich nicht, starrte nur durch die Windschutzscheibe. Johannes tastete nach dem Schalter für die Warnblinkanlage, während er fragte: »Ist der jetzt noch am Leben?«
Jessika löste ihren Sicherheitsgurt und stieg aus. Zögernd ging sie auf die Gestalt zu, beugte sich herab und legte zwei Fingerspitzen an den Unterkiefer des jungen Mannes, um nach dem Puls zu fühlen. Auch Johannes verließ nun das Fahrzeug und gesellte sich zu Jessika.
Sie blickte auf und nickte.
»Er lebt«, sagte sie, »aber er ist nicht bei Bewusstsein.«
»Das ist gut. Wir müssen verschwinden, bevor jemand kommt.«
Jessika sah sich um. Weit und breit waren keine anderen Fahrzeuge zu sehen. Wie war das möglich? Es war kurz nach 23 Uhr, sie befanden sich auf einer der Hauptverkehrsadern Italiens, bis vor kurzem war der Verkehr zwar nicht dicht, aber doch rege gewesen.
Johannes betrachtete Jessika prüfend. Sie war jetzt eine attraktive Frau von etwa 40 Jahren, ihre dunklen Haare von grauen Strähnen durchzogen, die Gesichtshaut noch immer glatt, aber im grellen Licht der Scheinwerfer waren einige Fältchen, die das leben eingegraben hatte, unverkennbar.
»Du willst ihn hier so liegen lassen?«, fragte sie erstaunt.
»Sobald du ihn geheilt hast, verschwinden wir.«
Jessika richtete sich auf und trat dicht an Johannes heran. Ihre Stimme war nicht laut, aber wohl gerade deshalb umso eisiger und drohender: »Hör sofort damit auf. Was tust du hier mit mir? Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«
Er wich nicht zurück. »Kannst du ihn denn nicht heilen?«
So etwas wie plötzliche Erkenntnis leuchtete in Jessikas Augen auf. Du tauchst plötzlich in Parma auf … das Mädchen im Zug … die ganze Zeit fühle ich mich wie ferngesteuert … du meinst, du hältst die Zügel in der Hand, Johannes?
Sie starrte ihm zehn lange Sekunden in die Augen, dann drehte sie sich um und ging zum Auto zurück. Sie nahm ihre Handtasche vom Rücksitz, rief »ich gehe Pinkeln« und verschwand ohne ein weiteres Wort über die Böschung der Autobahn in den Wald. Johannes sah ihr nach. Er wusste, dass sie nicht zurückkommen würde. Dann stieg er in seinen Wagen und fuhr los. Bis zur Raststätte konnte er noch mit der vollen Blase durchhalten.
Eine halbe Minute später hielt ein Notarztwagen neben dem Verletzten. Die Polizei traf kurz darauf ein und sicherte die Unfallstelle; der Verkehr staute sich binnen weniger Minuten fast drei Kilometer. Das Unfallopfer wurde mit einer Halsmanschette versehen und dann behutsam auf eine Trage gebettet. Mit Blaulicht und Sirene ging es ins nächstgelegene Krankenhaus, während die Polizisten noch dabei waren, die Spuren zu sichern, so gut das in der Dunkelheit möglich war.
Ich saß an meinem Schreibtisch und versuchte, Jessika einstweilen zu vergessen. Ein Unterfangen, das genauso erfolgreich war, wie nicht an den blauen Elefanten zu denken, wenn jemand sagt: Denken Sie jetzt nicht an einen blauen Elefanten. Da steht er dann vor dem geistigen Auge, blau und groß und zweifellos ein Elefant.
Draußen auf der Straße war mein Auto geparkt, die Unfallschäden unübersehbar. Das Gutachten eines Sachverständigen lag auf dem Schreibtisch und bezifferte die Reparaturkosten auf 4.600 Euro. Es gab genug Dinge, mit denen sich mein Geist hätte beschäftigen können, aber meine Gedanken waren bei Jessika. Hätte ich sie dort am See verbluten lassen sollen? Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende? Woran hatte sie plötzlich gemerkt, dass ich – dass Johannes – derjenige war, der ihr Schicksal bestimmte? Was hatte sie nun vor?
Jessika trat aus dem Wald und betrachtete das Dorf, das in der Morgendämmerung schlief. Eine Kirche stand etwas erhöht auf einem Hügel, ringsum breiteten sich die Häuser aus, von kleinen Gärten umrahmt, mit weiß getünchten Fassaden und dunklen Fenstern, hinter denen Menschen dem Tag entgegen träumten.
»Ich könnte das ganze Dorf auslöschen«, murmelte Jessika. »Warum eigentlich nicht?«
Das kann sie eben nicht, sagte ich mir, denn damit würde sie wie die Hausmeisterin damals aus reiner Mordlust töten. Sie muss Nitzrek gehorchen. Und Nitzrek hat nichts davon gesagt, dass ein ganzes Dorf ausgelöscht werden soll.
Meine Finger verharrten über der Tastatur. Ich wusste noch so vieles nicht über Jessika, obwohl mir einiges während der Italienreise klar geworden war: Dass sie eine Nephilim ist. Dass sie einem Blutsbund angehört. Dass sie auch Gutes tun kann, wenn ihr die Gelegenheit geboten wird. Dass es noch andere ihrer Art gibt. Dass deren Aufgabe, Menschen vom Diesseits ins Jenseits zu befördern, nicht einfach gut oder böse zu nennen ist.
Aber so vieles, was ich hatte erfahren wollen, fehlte mir nach wie vor: Wo sprudeln die offenbar unerschöpflichen Geldquellen? Was hat es mit dem Körperkontakt auf sich, der zur Heilung eingesetzt wird? Wenn Nephilim Kinder mit Menschen haben, sind diese dann zwangsläufig Nephilim oder können sie auch normale Menschen sein?
Jedenfalls kann sie nicht aus Mordlust töten, das wäre gegen alle Regeln. Wenn Jessika machen könnte, was ihr einfällt, dann hätte ich mir ja ein Verhängnis herbei geschrieben.
Neben der Kirche lag eine Tankstelle, auf deren Parkplatz zwei Tanklastzüge standen. Die Vorhänge der Fahrerkabinen waren zugezogen, vermutlich schliefen die Fahrzeugführer so tief und friedlich wie das ganze Dorf. Ob die Tanks leer oder voll waren, konnte Jessika aus der Entfernung nicht feststellen. Sie ging langsam über die Wiese, die zwischen Dorf und Waldrand lag.
Jessika nahm ihre Zigaretten aus der Handtasche. Sie zündete sich eine Pall Mall an und spielte gedankenverloren mit dem Feuerzeug in der rechten Hand.
»Du sagst mir nicht, was ich zu tun und zu lassen habe«, sprach sie in die kühle Morgenluft. »Du nicht, Johannes – oder wie immer du auch heißen magst. Ich bin nicht dein Geschöpf, mit dem du nach Belieben umspringen kannst.«
Sie nahm einen tiefen Zug aus ihrer Zigarette und schritt dann zielstrebig auf die Tankstelle zu.
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So, liebe Blogbesucher. Ich höre schon den entsetzten Aufschrei aus einigen Kehlen: »Hier und jetzt soll Schluss sein? Wehe! Das wagst du nicht!«
O doch, ich wage es. Einstweilen. Natürlich wird Jessika mich weiter beschäftigen, denn so manches Geheimnis will ich unbedingt noch aufdecken. Aber wann und wie das geschieht, sei erst einmal dahingestellt.
Ich bedanke mich für die fleißige Beteiligung an den jeweiligen Abstimmungen, für die Kommentare, für Lob und Tadel zu dieser Geschichte. Es hat mir Spaß gemacht, mich beziehungsweise den Fortgang der Geschichte den Lesern immer wieder auszuliefern.
Oder habe ich Jessika meinen lieben Lesern ausgeliefert? Das wäre vielleicht nicht so gut. Sie scheint so etwas übel zu nehmen. Vielleicht sollten wir alle uns in den nächsten Wochen lieber zwei Mal umsehen, bevor wir in eine dunkle Gasse treten?
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