Freitag, 30. April 2010

1. Mai: Ich bin dabei

Berlin rüstet sich für das 1. Mai-Wochenende. Befürchtungen vor extremistischer Gewalt und Zusammenstößen zwischen Rechten und Linken machen die Runde.
Bis zu 3.000 Neonazis, teils gewaltbereit, haben für den 1.5. einen Marsch durch den Stadtteil Prenzlauer Berg angemeldet. Nach den geltenden Bestimmungen kann er nicht verboten werden.
Gegendemonstranten (bis zu 10.000) aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen wollen das durch Blockaden verhindern.
Das Dilemma der Polizei: Verhindert sie Blockaden, droht linke Randale.
Am Abend könnte besonders nach der traditionellen linken »Revolutionären 1.Mai-Demo« Gewalt entstehen. Allerdings läuft sie diese Jahr erstmals nicht durch das friedliche »Myfest«. Nach letzten Angaben stehen für diese Tage genügend oder mehr Polizisten als im Vorjahr bereit, so dass die befürchtete Unterbesetzung nicht eintritt.
Im inzwischen schon traditionellen Open-Air-Gottesdienst von Gemeinsam für Berlin auf dem »Myfest«, dieses Jahr unter dem Motto »Hunger nach Gerechtigkeit«, wird besonders für den Frieden an diesem Tag gebetet. Das Projekt der »StreetUniverCity« zur Bildung junger Migranten wird vorgestellt. Die Kollekte ist für sie und für eine christliche Drogenarbeit bestimmt. Eine interkulturelle Band spielt. Ein Vertreter der Polizei wird interviewt und soll stellvertretend für den Dienst seiner Kolleginnen und Kollegen gesegnet werden.
Der Gottesdienst endet mit einem biblischen Friedensgruß in fünf Sprachen, darunter türkisch und arabisch.
Der Open-Air-Gottesdienst »Hunger nach Gerechtigkeit« eröffnet morgen, am 1. Mai, um 12 Uhr auf dem Mariannenplatz in Kreuzberg auf der Bühne vor der St.-Thomas-Kirche das »Myfest«. Ich bin dabei. Du auch?

Donnerstag, 29. April 2010

Schöne Grüße von Jessika

Wer bist du, Jessika?Der Fahrstuhl bleibt stecken, das Licht geht aus, Bernd wird von einer Unbekannten zärtlich geküsst. Als der Lift wieder anläuft und die Tür sich öffnet, verschwindet die junge Frau in Windeseile.
Bald darauf sieht Bernd sie wieder, die beiden werden ein Paar. Doch Jessika hat Geheimnisse. Finstere Geheimnisse. Tödliche Geheimnisse. Womöglich ist sie nicht von dieser Welt. Und Bernd gerät mehr und mehr in ihre Verstrickung. Er erkennt viel zu spät, in welcher Gefahr er sich befindet.

Ein elektronisches Buch hat keine Klappe, aber dennoch einen Klappentext. Der sieht im vorliegenden Fall wie oben zitiert aus. Der vorliegende Fall ist regelmäßigen Blogbesuchern bekannt, denn die haben ja das Entstehen der Erzählung »Wer bist du, Jessika?« miterlebt und, soweit ihnen danach zumute war, mitgestaltet.

Wer mag, kann nun also noch einmal von Anfang bis Ende lesen. Als kostenloses E-Book. Im Format für den Kindle, als EPUB und als PDF, ganz wie’s beliebt.

Bittesehr: Die gar nicht nette Jessika und der ziemlich ahnungslose Bernd bei Feedbooks

Mittwoch, 28. April 2010

ASUS Kundendienst – die nächste Unverschämtheit

So langsam bezweifle ich, dass ASUS interessiert ist an zufriedenen Kunden. An Kunden überhaupt. Ich hatte hier berichtet, dass ich am 21. April das als Ersatz gelieferte Notebook wieder einschicken musste, weil der sogenannte Kundendienst nicht bereit war, einen Ersatzakku probeweise zu liefern: [Ärger mit ASUS – die Fortsetzung]
Nun kam ein Angebot, das ich nur als Unverschämtheit werten kann:

asus Ich hatte das defekte Notebook Ende September gekauft und Anfang Oktober eingeschickt. ASUS konnte es nicht reparieren. Als Ersatz hat man mir nach über sechs Monaten ein “refurbished” Gerät vom März 2009 geliefert, dessen Akku - welch ein Zufall - keine Garantie mehr hat. 172,79 Euro will man nun dafür kassieren, dass ich – vielleicht! – endlich ein funktionstüchtiges Gerät habe? Hallo ASUS, geht’s denn noch unverschämter? Kaum vorstellbar.
Ich haben nun letztmalig die Pressestelle bei ASUS/ den sogenannten Kundendienst / den angeblich kompetenten Herrn Glöde um Veranlassung einer schnellsten und kostenlosen Erledigung ersucht – danach geht der Vorgang samt Unterlagen an die Verbraucherzentrale. Und an die Fachpresse.

image
Oder bin ich zu ungeduldig? Darf man sieben Monate nach dem Kauf eines Gerätes für 699 Euro noch nicht damit rechnen, das Gerät / irgendein Gerät auch benutzen zu können?

Dienstag, 27. April 2010

Gastbeitrag Otto Ernst: Nis Randers

File:Martin, John - The Deluge - 1834.jpgKrachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man’s gut:
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich’s der Abgrund.

Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen.“

Da faßt ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein:
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will’s, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!“

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
„Und seine Mutter?“

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muß es zerschmettern ...! Nein, es blieb
ganz !...

Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des andern springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? – Ein Boot, das landwärts hält –
Sie sind es! Sie kommen! – –

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt...
Still – ruft da nicht einer? – Er schreit’s durch
die Hand:

„Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“

-- -- --

  • P.S.: Diese Ballade kam mir bei der Arbeit an einem Lehrwerk zu Gesicht. Ich vergaß das Arbeiten und las statt dessen, war plötzlich am tosenden Meer gefangen. Vielleicht widerfährt das ja auch den geneigten Blogbesuchern?
  • P.P.S.: Die Ballade ist gemeinfrei, Quelle: Wikisource
  • P.P.P.S.: Gemälde: John Martin – The Deluge, Quelle: Wikicommons
  • P.P.P.P.S.: Die schmucke Werbeeinblendung rechts bezieht sich auf ein Buch, in dem auch diese Ballade zu finden ist. Falls jemand auf den Geschmack gekommen sein sollte.

Montag, 26. April 2010

Wer bist du, Jessika? – Der Schluss

image Nun also folgt der Schluss, die Leser haben ihn mehrheitlich mitbestimmt. Eine lange Vorrede gibt es nicht, nur den Hinweis für Zufallsgäste: Dies ist die Fortsetzung einer Geschichte. Wer Teil 1 und Teil 2  und Teil 3 und Teil 4  und Teil 5 sucht, wird mit Klick auf Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 und Teil 4 und Teil 5 fündig.
--- --- ---
»Schade, Bernd. Ich dachte, du wärest endlich derjenige, der verstehen würde. Habe ich mich so sehr in dir geirrt?«
Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Es war sinnlos, Jessika etwas vorlügen zu wollen. Sie konnte seine Gedanken lesen, wenngleich sie das Gegenteil behauptet hatte. Aber warum sollte ein solches Geschöpf der Finsternis auch die Wahrheit sagen? Bernd hatte, als sie nach Hause kam, versucht, wie Tom Cullen in Steven Kings bestem Buch einfach nur M-O-O-N zu denken, aber das war gründlich schiefgegangen. Sie sah ihn kurz an, lachte vergnügt und sagte: »M-O-O-N, that spells Bernd hat endlich kapiert was Jessika ist?«
Er hatte kapiert. Zu spät. Viel zu spät. Und dann hatte er auch noch das Bier getrunken, das sie ihm gebracht hatte – offenbar mit irgendwelchen KO-Tropfen vermischt. Jedenfalls war er auf dem Sofa eingeschlafen und nackt auf dem Bett, ausgestreckt, Handgelenke und Fußgelenke an die Pfosten gefesselt, wieder aufgewacht.
Jessika saß auf seinen Schenkeln, gab ihm ausgiebig Gelegenheit, ein letztes Mal ihren makellosen Körper zu bewundern. Er schloss die Augen.
»Es muss nicht das letzte Mal sein, Bernd. Ich liebe dich, und ich möchte, dass es so weitergeht mit uns beiden. Warum auch nicht? Es gibt doch keinen Grund, das alles zu zerstören.«
»Du bringst Menschen um, Jessika.«
»Du auch.«
»In meinen Geschichten, ja, aber doch nicht in Wirklichkeit, nicht im echten Leben.«
Bernd öffnete die Augen wieder. Konnte es doch noch ein Entkommen geben?
Sie wirkte konzentriert, als wolle sie ihm tatsächlich das Unerklärliche erklären. »Warum verstehst du das bloß nicht? Es gibt keinen Unterschied. Deine Erzählungen sind so wirklich wie das, was die Tagesschau sendet oder die Zeitung druckt.«
»Nein, Jessika. Nein.«
»Dann bin ich auch nicht wirklich. Dann ist keine von uns wirklich.«
Bernd horchte auf. Gab es mehrere Jessikas? Oder was meinte sie mit der Pluralform? Er fragte: »Wer oder was seid ihr? Sag mir das, bevor ich sterbe.«
Jessika begann, sanft seinen Körper zu streicheln, voller Zärtlichkeit, Hingabe, Zuneigung.
Die Muse und Wagner - Fantin-Latour»Wir sind immer da gewesen. Man nennt uns Musen, man nennt uns Boten oder Inspirationen, man gibt uns viele Namen. Aber die wenigsten Menschen glauben tatsächlich an uns, und noch viel weniger Menschen hatten jemals direkten Kontakt wie du, Bernd. Du bist ein Auserwählter, weil ich in dir etwas Besonderes gesehen habe, etwas was selten ist. Du liebst und lebst die Gestalten deiner Geschichten, du leidest mit ihnen, freust dich mit ihnen, ängstigst dich mit ihnen. Deshalb dachte ich, du würdest verstehen. Zusammenarbeiten.«
»Es ist grausam, Menschen umzubringen. Was haben Inspirationen oder Musen mit den echten Menschen zu tun, die du hast sterben lassen?«
»Es wäre noch grausamer, wenn es den Tod nicht gäbe.«
»Wie meinst du das?«
Er beobachtete erstaunt, dass sein Penis sich unter ihren sanften Berührungen aufrichtete. Damit hatte er in dieser Situation nicht gerechnet. Er war mit größter Wahrscheinlichkeit Minuten vom Tod entfernt, seine Henkerin saß auf seinen Oberschenkeln, das frisch geschärfte große Küchenmesser lag neben seinem Kopf auf dem Kissen… und sein Glied machte, was es wollte, als sei dies nur eine weitere vergnügliche Liebesnacht. Kein Leser würde ihm so etwas glauben, wenn er es in eine Geschichte geschrieben hätte.
Jessika lächelte. Noch immer, trotz allem, verzauberte ihn dieses Lächeln. Sie fuhr fort: »Du bist einer von den Menschen, deren Aufgabe darin besteht, den Rest der Menschheit auf den Tod vorzubereiten. Alle Schriftsteller haben nur diese eine Aufgabe. Wir bringen die Menschen ins Jenseits. Das ist unsere Aufgabe. Und ich glaube immer noch, dass wir beide wunderbar zusammenarbeiten könnten.«
Bernd schüttelte den Kopf. »Das ist Unsinn. Ich kenne einige Autoren, und keiner sieht seinen Job so.«
»Das wissen wir«, entgegnete sie sanft, während sie mit ihrem Becken etwas weiter hinauf rutschte, »dass ihr es nicht wisst. Oder zumindest die meisten Autoren wissen es nicht. Einige ahnen es immerhin, nach vielen Jahren des Schreibens. Alle Literatur dient diesem Zweck, meist ohne Wissen des Schriftstellers. Ein Liebesroman, voller Kitsch, entsetzlich in der Wortwahl, schenkt seinem meist aus älteren Frauen bestehenden Publikum die Illusion, im Leben etwas für die Ewigkeit geleistet zu haben, irgendwo dort drüben eine Belohnung erwarten zu dürfen. Wenn dann hier das Leiden zunimmt, wächst die Freude auf das Jenseits. Die großen Romane der größten Schriftsteller - alle haben das gleiche Ziel, für unterschiedliche Menschen auf unterschiedliche Weise. Auch diejenigen, die sogenannte Gebrauchsliteratur schreiben, tun das Gleiche, nur eben für andere Leser. Ob nun durch Ausmalen des Grauens, das passieren kann oder durch Erhebung des Jenseitigen oder durch Aufwertung des eigenen Leserlebens: Die Angst vor dem Tod mindern, das ist der wahre Zweck der Literatur. Und der Künste überhaupt.«
Bernd begann, zu begreifen, was sie meinte: Die Engel des Todes, die Herbeiführer des Lebensendes versuchten, ihrer Arbeit den Schrecken zu nehmen, und sei es, indem Autoren wie er Unheil in blutroten Lettern vor die Augen der Leser malten. Aber er verstand immer noch nicht ganz, wer oder was Jessika war.
Sie beantwortete die unausgesprochene Frage, während sie sich auf ihn legte. Ihre Lippen nah an seinem Ohr murmelte sie zärtlich: »Du liebst mich, Bernd, sogar jetzt, wo du Angst hast. Dabei brauchst du keine Angst zu haben. Du wirst sterben, heute oder später, Menschen sind nun einmal sterblich. Alles ist sterblich, was auf dieser Welt, die euch so viel bedeutet, existiert. Und wir Musen, unsere eigentliche Aufgabe ist es seit jeher, das Gleichgewicht zwischen Tod und Leben zu wahren. Wir sind nicht nur zur Inspiration der Künste hier, sondern auch zur Ausführung des Lebensendes. Ich war immer gnädig dabei, ich habe immer versucht, die Menschen, deren Zeit gekommen war, in einem Augenblick des Glücks über die Schwelle zu führen.«
»Auch den kleinen Jungen im Sandkasten?«
»Ja, er war glücklich. Uneingeschränkt glücklich. In wenigen Monaten hätte man ein Nephroblastom diagnostiziert.«
»Der Busfahrer und seine Passagiere?«
»Der Busfahrer erlebte gerade, wie ein Traum wahr wurde. Die Passagiere haben nichts kommen sehen, daher hatten sie zumindest keine Angst. Und Schmerzen sowieso nicht.«
»Familie Aksu?«
»Das Unglück mit dem Fahrstuhl hat sie davor bewahrt, beim geplanten Urlaub in der Heimat von radikalen Islamisten verschleppt zu werden.«
»Und der Handelsvertreter? Hast du ihm wirklich bei lebendigem Leib Organe aus der Bauchhöhle geschnitten?«
Ihr Gesicht wurde eine Spur härter, aber ihre Augen sahen weiter voller Liebe und Zärtlichkeit in seine.
»Ja, und das war eine der Ausnahmen. Ich war nicht gnädig. Im Gegenteil. Dieser Mann hatte drei Kinder auf dem Gewissen, deren Zeit noch nicht gekommen war. Er hat die kleinen Mädchen, das jüngste war sieben Jahre alt, das älteste zwölf, vergewaltigt und dann erdrosselt. Ich wollte, dass er leidet. Er hat gelitten.«
Bernd kam nicht umhin, der Logik zu folgen. Jessika war zwar offensichtlich eine Wahnsinnige, aber ihr Irrsin folgte einer inneren Ordnung. Er brauche nicht sterben, hatte sie gesagt. Vielleicht sollte er ihr Spiel mitspielen?
»Und was sollte meine zukünftige Rolle sein?«, fragte Bernd.
»Nichts anderes als bisher. Schreiben, was die Leute lesen müssen, damit sie glauben, dass ihr eigener Tod im Vergleich zu deinen Geschichten geradezu eine Wohltat ist. Das ist alles. Es liegt nur an dir, Bernd, ob deine Erdenzeit weiterläuft oder nicht.«
Er schwieg eine Weile und genoss die langsamen, wohltuenden Bewegungen ihres Körpers. Er dachte darüber nach, ob die Polizei eines Wesens wie Jessika überhaupt habhaft werden konnte. Er überlegte, ob ihr Tun wirklich verwerflich war, denn sterben mussten alle Menschen, da hatte sie recht gehabt. Und er liebte sie, nach wie vor, mehr als er jemals glaubte, lieben zu können.
»Ich liebe dich auch, Bernd. Ich möchte, dass du alt wirst, sehr alt, und dass du glücklich bist bis zum Ende.«
»Bleibst du bei mir? Schreiben wir zusammen weiter vom Tod, vom Schrecken, vom Grauen? Machen wir weiter den Lesern Angst, damit sie die Angst vor dem eigenen Tod vergessen?«
»Ja, Bernd. Ich bin Jessika. Du hast mich nicht erfunden, aber du hast mir diese Gestalt gegeben. Ich bin – in dieser Form, die du so liebst – aus deinem Schreiben, deinem Träumen entstanden. Ich bin für dich geschaffen wie du für mich geschaffen bist.«
»Okay. Ich kann damit leben, Jessika.«
Sie bewegte sich etwas stärker, schneller, als sie spürte, dass sein Orgasmus kurz bevor stand. Im Augenblick der höchsten Lust, schnitt sie ihm mit einer gekonnten und raschen Bewegung die Kehle durch, tief und tödlich, er litt nicht, er begriff nicht einmal mehr, was geschah.
»Du hast es verdient, so glücklich zu sterben.« flüsterte sie und strich ihm liebevoll über die Wangen. »Ich werde noch lange an dich denken.«

Jessika schlenderte über den Kurfürstendamm. Sie dachte an Bernd. Er war ihr schwerster Fall gewesen, denn sie hatte zum ersten Mal erlebt, was wahre Liebe sein konnte. Sie lächelte wehmütig.
»Vielleicht bist du nicht tot, Bernd. Vielleicht denkt sich jemand uns beide aus und holt uns irgendwann wieder hervor für ein neues Leben.«
Ihr Gesicht wurde drohend und hart. Sie blickte mich finster an. »Und wage es ja nicht, nur Bernd zurückzuholen! Wage es nicht!«
--- --- ---
Ich speicherte am Freitag, dem 23. April, das letzte Kapitel der Geschichte und stellte die Publizierung im Blog auf Montag, 26. April, 01:01 Uhr ein. Ich las noch einmal die ersten Teile, dann den Schluss. Das bestärkte mich in meinem Beschluss, den Namen Jessika aus meinem Wortschatz zu streichen. Sie hatte mir Angst gemacht, echte Angst. Sie hatte mich fasziniert. Elvis fiel mir ein: You look like an angel, talk like an angel … but I got wise: You’re the devil in disguise.
Die Geschichte hatte sich selbst geschrieben, fast ohne mein Zutun, gelenkt auch von den Leserabstimmungen, aber auf jeden Fall ohne Mühe. Jetzt hatte ich jedoch die Nase voll von Jessika und ihrem Treiben. Und von Bernd, den die Leser zwar knapp, aber immerhin mehrheitlich tot sehen wollten. Mir war es recht.
Am Samstag fand ich eine Postkarte im Briefkasten. Eine sonnendurchflutete italienische Landschaft auf der einen Seite, auf der anderen meine Adresse in sauberen, wohlgeformten Buchstaben. Eine schöne Schrift, sehr angenehm für das Auge, weiblich, formvollendet. Der Poststempel war aus Parma – wir dachten gerade über einen Sommerurlaub dort nach. Eine Absenderadresse gab es nicht.
Neben meine Anschrift war nur ein rotes Herz gemalt; unter dem Herz standen drei Worte: Liebe Grüße, Jessika

Freitag, 23. April 2010

Reinhard Bonnke: Im Feuer Gottes

Im Feuer Gottes - die Autobiografie von Reinhard BonnkeIm Sommer 2009 habe ich meine geschätzten Blogbesucher gelegentlich wissen lassen, dass ich eine umfangreiche Übersetzungsarbeit zu erledigen hatte. Zum Beispiel hier: [Matschbirne].
Um welches Buch es sich handelt, wer der Autor ist, habe ich seinerzeit nicht gesagt, denn das gehört sich so, wenn ein Werk noch nicht veröffentlicht ist. Ankündigen darf es zuerst der Herausgeber. Nun ist das Werk erschienen. Die Rede ist vom neuesten Buch des wohl bekanntesten deutschen Evangelisten.

Reinhard Bonnke geht am Beginn seiner Autobiografie weiter zurück als in die eigene Kindheit: Im Jahr 1922 kommt Ludwig Graf, ein reisender Laienprediger, in das Dorf Trunz und fragt, ob es wohl Kranke im Ort gebe, für die er beten könne. Es gibt einen solchen, nämlich August Bonnke, der seit Jahren unter schlimmsten Schmerzen leidet, sein Lager nicht mehr verlassen kann. Die Ärzte haben rat- und hilflos schon längst die Behandlung aufgegeben. Der gerade 17jährige Sohn des kranken Mannes, Hermann Bonnke, erlebt die dramatische Heilung durch das Gebet des Predigers mit. Viele Jahre später wird er selbst Kinder haben. Darunter Reinhard Bonnke.
In diesem abgelegenen, kalten und feuchten Waldgebiet sollte im Jahr 1922 die Flamme des Heiligen Geistes weitergereicht werden. Ludwig Graf trug dieses Feuer nach Ostpreußen, das Feuer von Pfingsten, das Feuer, das einmal mein Leben verzehren sollte.
Dies ist ein durch und durch ehrliches Buch. Der Autor hat mich beim Übersetzen immer wieder überrascht, ich war erstaunt, wie offen und aufrichtig Reinhard Bonnke auch Fehlschläge, Irrwege, Niederlagen und – man kann es sich kaum vorstellen – nicht erhörte Gebete auf seinem Lebensweg anspricht. Es ist eben nicht alles eitel Sonnenschein im Glaubensleben, auch nicht bei einem »Mähdrescher Gottes«.
Reinhard Bonnke blickt zurück auf 50 Jahre Dienst als Evangelist. In diesem Buch kommen Höhen und Tiefen seines Dienstes zur Sprache, man lernt einen Mann kennen, der vor Millionen von Menschen spricht, der unzählige Heilungen gesehen hat, der schon Jahrzehnte lang »die Hölle plündert, um den Himmel zu bevölkern« – und der dennoch manchmal seinen Gott nicht versteht, auf schmerzende Fragen keine Antworten erhält, mit ansehen muss, wie engste Angehörige nicht geheilt, nicht errettet werden, wie Mitarbeiter seines Teams im Dienst ums Leben kommen, Besucher seiner Evangelisation totgetrampelt werden...
Aus dem Familienalbum 1941 »Im Feuer Gottes« ist weder ein theologisches Lehrbuch, noch eine Selbstbeweihräucherung, es ist auch keine Anleitung nach dem Motto »Wie man zum erfolgreichen Evangelisten wird«. Diese Autobiografie ist vielmehr ein spannender Bericht über das, was das »Pfingstfeuer« aus dem Leben eines ganz normalen Menschen machen kann, dem als Kind nicht einmal die eigenen Eltern zutrauen mochten, dass aus ihm etwas werden könnte. Reinhard Bonnke weiß sich schon in jungen Jahren von Gott berufen und er lässt sich trotz aller Widerstände und Rückschläge nicht von seinem Erretter und Herrn Jesus Christus abbringen. Unterstützt hat ihn in den ersten Jahren nicht einmal sein Vater, der als Pfingstpastor eine Minigemeinde leitete. Der älteste Bruder sollte sein Nachfolger werden, nicht der »unnütze« Reinhard.
Das Buch ist nicht nur ein Zeugnis der alle Widerstände überwindenden Kraft Gottes, sondern auch eine Ermutigung für jeden Leser, für ganz normale Menschen wie Lieschen Müller und Hans Mustermann, weil deutlich wird, dass es immer noch Gott ist, der wirkt, und nicht etwa der Mensch, der sich ihm zur Verfügung stellt. Reinhard Bonnke ist überzeugt, dass jeder das tun könnte, was er tut. In diesem Buch wird verständlich und glaubhaft, dass er recht damit hat.
Wer so »erfolgreich« mit dem Menschenfischen beschäftigt ist wie der Autor dieses Buches, braucht auf zahlreiche Kritiker nicht lange zu warten. Was hat man ihm nicht alles schon unterstellt und angekreidet. Von charismatisch-pfingstlicher Seite beispielsweise, dass er gerne und regelmäßig mit Gläubigen zusammenarbeitet, die gar nicht an Geistesgaben glauben, sogar mit Katholiken. Von evangelikaler und kirchlicher Seite, dass er eben Pfingstler sei. Säkulare Kritiker wittern sowieso Betrug und Schlimmeres. In diesem Buch nun erfährt man, wie Reinhard Bonnke denkt, arbeitet und dabei seit 50 Jahren immer wieder etwas dazulernt – durchaus auch durch Fehler. Manche Kritiker könnten nur verstummen, wenn sie sich diese Lektüre gönnen würden.
Kolenda und Bonnke Das Buch markiert nach fünf Jahrzehnten Evangelisation den Beginn einer Staffelstabübergabe. Sowohl an einen jungen Mann, Daniel Kolenda, mit dem Reinhard Bonnke seit einiger Zeit zusammen evangelisiert, zum anderen aber auch an die Leser:
Wenn Sie bis hierher meine Geschichte gelesen haben, dann wissen Sie, dass diese Berufung jedem Gläubigen gilt, egal wie begabt oder begrenzt jemand sein mag. Sie mögen eine Hausfrau sein, Verkäufer im Supermarkt, Polizist, Lehrerin, Student, Sekretärin, Auslieferungsfahrer, Koch im Schnellimbiss, Pastor oder Vorstand einer Firma – schauen Sie in den Spiegel. Der Missionsauftrag gilt für Sie. Wenn Sie zu Jesus gehören, bereitet Gott eine Plattform für Sie vor. Er wird Ihre Zuhörermenge versammeln, groß oder klein, von einer verlorenen Seele bis zu Millionen von Zuhörern. Das spielt keine Rolle. Die Botschaft ist die gleiche. Wenn Sie Jesus kennen, wissen Sie das so gut wie ich selbst. Wir rennen gerade im Gleichschritt nebeneinander. Hier ist der Staffelstab. Nehmen Sie ihn, und laufen Sie ihr Rennen.
Mein Fazit: Eine spannende und mitreißende Lektüre, Langeweile kommt beim Lesen genauso wenig auf wie im Leben des Evangelisten. Das Buch ist mit zahlreichen Fotos liebevoll gestaltet und ein Blick hinter die Kulissen für jeden, der wissen will, was aus einem kleinen Jungen, der in seiner Familie und weithin ringsherum als Versager bekannt ist, den »Mähdrescher Gottes« gemacht hat.

Bestellen kann man zum Beispiel hier via Amazon: Im Feuer Gottes: eine Autobiografie

P.S.: Es schickt sich ja nicht, sich selbst allzu sehr zu loben. Zwar habe ich mir viel Mühe mit der Übersetzung gegeben, aber ob sie gelungen ist, muss der Leser selbst entscheiden. Der Verlag immerhin meint: »Dieses Buch bringt nicht nur Fakten über das Leben eines eindrucksvollen Verkündigers, sondern fesselt den Leser durch einen unnachahmlichen Erzählstil von der ersten bis zur letzten Seite.« Da freut sich ein Übersetzer...

Vielleicht will aber auch jemand das Original in Englisch lesen: Living a Life of Fire: An Autobiography

Donnerstag, 22. April 2010

Ein anrüchiges Angebot und ein Schnäppchen

Mich schrieb ein früherer Kaffeeröster an, der inzwischen zum Gemischtwarenladen mutiert ist. Ich soll mich künftig wie folgt gewanden:
Herr Matthia im Jeanskleid?
Ich weiß nicht so recht. Mir scheint das anrüchig, wenn ich ein »Jeanskleid« oder »Cardigan und Top« anziehe, bevor ich ins Büro gehe. Und ich meine auch, dass die beste aller Ehefrauen nicht unbedingt begeistert wäre von meinem neuen »1001 Style«.

So, und nun das Sonderangebot. Mancher wartet ja auf eine »Erweckung«, die dann die leeren Kirchenbänke oder Gemeindestühle füllen wird, damit auch die Kasse (wegen der vielen neuen Spendenden) wieder stimmt. Nun scheint das jedoch irgendwie nichts zu werden, obwohl die Erweckung Jahr für Jahr »jetzt kommt sie!« angekündigt wird. Meine Mutter sagte schon: »Von nichts kommt nichts« Und die Erweckungsprediger predigen ja auch gerne über Saat (Geld von den Gläubigen) vor der Ernte (Segen für die Gläubigen). Also kann man Erweckung bestimmt mit einer Startinvestition in Gang bringen. Diesbezüglich hatte Google neulich einen Tipp parat:
Erweckung zum Schnäppchenpreis!

Mittwoch, 21. April 2010

Apfelzwang

Bisher konnten wir die Apfelwelt umgehen, aber nun muss MatMil, um einen großen Kunden nicht zu verlieren, ein Apple MacBookoder ein ähnliches Gerät anschaffen. Und auch Microsoft Office 2008 Macmuss dazu kommen.

Nun könnte es ja sein, dass jemand unter den geschätzten Blogbesuchern ein gebrauchtes, aber funktionierendes Gerät zum Verkauf anbietet. Wir brauchen nicht unbedingt ein bestimmtes oder nagelneues MacBook oder MacBook Pro oder Contra oder Air oder was es da alles gibt. Wichtig ist nur Apple beziehungsweise Mac und die Office 2008 Ausgabe für den Apfelcomputer.

Falls also jemand etwas Passendes anbieten möchte, bitte gerne per E-Mail an info ät matmil punkt de.

Ärger mit ASUS – Die Fortsetzung

Am 13. März hatte ich hier über die unendlich scheinende Ärger-mit-ASUS-Geschichte berichtet. Am 24. März konnte ich vermelden, dass ASUS Besserung gelobt hat, nachdem ich die Pressestelle gefragt hatte, ob man meine Leidensgeschichte wirklich gerne in einer namhaften Computerzeitschrift sehen würde.
Am 14. April kam das Paket mit dem Ersatz-Notebook an. »Refurbished« stand auf dem Karton. Also kein neues Notebook, aber immerhin endlich, nach sechs Monaten, überhaupt ein Gerät statt des wohl nicht reparablen Computers.
Am Freitag, dem 16. April nahm ich mir dann die Zeit, den Karton auszupacken und das Gerät in Betrieb zu nehmen. Alles schien prächtig zu funktionieren, nach der üblichen Ersteinrichtungsorgie habe ich gleich das Windows-7-Update installiert. Das Notebook hing dabei am Netzgerät, denn so ein Akku will ja erst mal aufgeladen werden. Auch über Nacht ließ ich den Akku laden. Dachte ich. Am nächsten Morgen zog ich dann den Netzstecker, um das Notebook mit ins Wohnzimmer zu nehmen. Der Bildschirm ward schwarz, das Gerät stromlos.
Stecker wieder in die Buchse – Notebook läuft hoch. Blick in die Systemsteuerung: Kein Akku vorhanden, meldet Windows. Der ist aber im Gerät. Also Akku rausnehmen – kritisch anschauen, ob irgendwo eine Folie den Kontakt mit dem Gerät verhindert. Nö.
Folglich ging am Samstag früh eine E-Mail an ASUS raus:
Sehr geehrte Damen und Herren,
das mit "refurbished" gekennzeichnete Gerät ist angekommen (ich nahm an, Sie liefern ein neues). Allerdings ist entweder der Akku defekt oder das Gerät. Jedenfalls gibt das Notebook die Systemmeldung "Kein Akku wurde ermittelt" aus, obwohl er richtig eingelegt und verriegelt ist (und das Gerät über Nacht am Netzteil hing).
Ich würde ungern wieder das Notebook einsenden, da der Austausch ja bereit von Oktober 2009 bis April 2010 gedauert hat.
Wären Sie in der Lage, zunächst einen Austausch-Akku zu schicken? Falls das keinen Erfolg bringt, bleibt mir nichts übrig, als das gerade gelieferte Notebook zur Reparatur einzuschicken.
Freundliche Grüße
G. Matthia
Darauf folgte das übliche ASUS-Schweigen. Am Dienstag dann ein Anruf: Nein, ich solle das Gerät einsenden zur Reparatur. Das geschieht nun heute. Am 21. April.
So setzt sich also die Episode fort, die mit dem Kauf eines defekten Gerätes am 27. September 2009 begann. Ich bin gespannt: Werde ich innerhalb von zwölf Monaten seit dem Erwerb, also vor Ende September 2010, im Besitz eines funktionierenden ASUS-Notebooks sein?

Dienstag, 20. April 2010

Gegrilltes im Sonnenschein

Am vergangenen Sonntag haben wir, angesichts des wolkenlosen und vulkanaschefreien Himmels über Berlin, die Garten-Grillsaison eröffnet. Auf dem Balkon hatten wir schon zwei Wochen zuvor den Gasgrill in Betrieb genommen. Das geht recht einfach.
Im Garten ist, eher als auf dem Balkon, ausreichend Platz, wenn liebe Familienmitglieder anrücken, jedoch ist dort der Umgang mit Holzkohle unvermeidlich, falls man wie Tom Hanks triumphierend in den wolken- und (noch) aschelosen Himmel rufen will: I made fire!
Ich habe Feuer gemacht!
Lecker war’s, was nach einer gewissen Verweildauer über der Glut schließlich auf den Tellern landete. Die Salate und Getränke konnte man ungegrillt genießen. Das beschleunigte den Vorbereitungsvorgang ungemein.
Nun esst, damit es nicht kalt wird!
Max, den regelmäßigen Blogbesuchern kein Unbekannter mehr, hat einen vorzüglichen Vorzug: Er bettelt nicht, wenn die zweibeinigen Rudelmitglieder essen, was auch so bleiben soll. Daher geben die zweibeinigen Rudelmitglieder dem vierbeinigen Rudelmitglied auch nichts vom Tisch ab. Max macht das nichts. Er hat ja anderes, worauf er herumkauen kann:
Mein Ball!
Grillen ist übrigens Männersache. Mir ist nicht bekannt, dass Frauen mit Holzkohle, Brandbeschleuniger, improvisiertem Fächer und Feuerzeug zu hantieren pflegen. Oder kennt jemand eine grillmächtige Dame?
Doch Vorsicht ist geboten, liebe Männer! Neulich schickte mir jemand im Büro dieses Bild zu, wohl ein Hinweis auf Gefahren, denen gerade das starke Geschlecht beim Grillen ausgesetzt sein könnte.
Grillen ist gefährlich!
Ich werde mich in Acht nehmen.

Montag, 19. April 2010

Wer bist du, Jessika? – Teil 5

image Sie neigt sich dem Ende zu, diese Geschichte, unweigerlich. Im ursprünglichen Entwurf der Erzählung (aus dem Jahr 1996) begann die Konfrontation zwischen Bernd und Jessika gleich nach dem Busunglück.
Doch die Leser haben anders abgestimmt. Und ich habe entsprechend überarbeitet. Bin ja ein braver Junge oder so was…

Ach ja, noch schnell der Hinweis für Zufallsgäste: Dies ist die Fortsetzung einer Geschichte. Wer Teil 1 und Teil 2  und Teil 3 und Teil 4 sucht, wird mit Klick auf Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 und Teil 4 fündig.
So. Nun aber:
-- -- --  -- -- --  -- -- --
Zwölf Wochen nach Jessikas Erscheinen in seinem Leben liebte Bernd sie immer noch wie am ersten Tag, nein, immer mehr sogar, je vertrauter sie miteinander wurden. Das Feuer der Leidenschaft erwies sich als unauslöschlich. Trotz aller Zweifel und offen gebliebener Fragen. Man gewöhnt sich an Ungewöhnliches, ziemlich schnell sogar, wenn die Begleitumstände angenehmer Natur sind.
Jessika schien jede Einzelheit seines Lebens, jede Angewohnheit, jeden Gedanken zu kennen. Das machte ihm nichts mehr aus, erstaunte ihn noch hin und wieder, sorgte aber nicht mehr für Irritationen oder Bedenken. Bernd genoss sein unerwartetes und unverdientes Wohlergehen, gelegentlich tauchte unbestimmte Angst auf, dass so viel Glück auf keinen Fall andauern konnte. Doch im Augenblick, nach rund der Hälfte seines Lebens, meinte es das Schicksal außergewöhnlich gut mit ihm. Wenn die zweite Hälfte so weiterging, wenn die Liebe, die er bisher nur aus seinen und anderen Büchern gekannt hatte, tatsächlich für ihn Realität bleiben würde, dann war er eindeutig der glücklichste Mensch auf dieser Welt.
Es interessierte ihn nicht mehr, ob Jessika aus dem Weltraum, aus seinem Kopf oder schlicht aus einem Kuhkaff irgendwo in Vorpommern gekommen sein mochte. Was zählte war, dass sie mit ihm das Leben teilte und dass sie ihn liebte wie er sie liebte. Nicht nur körperlich, doch auch und gerade diese Komponente war eine Offenbarung.
Bernd hatte über Sex geschrieben, nicht immer so dezent wie ein alter Film, wo die Kamera ausblendete oder den Blick aus dem Schlafzimmerfenster hinaus auf den Sonnenuntergang führte, bevor das Paar im Bett die Decken von sich streifte oder strampelte. Er hatte sich nie gescheut, auch erotische Fantasien zu Papier zu bringen; wie detailliert das jeweils ausfiel, hing einfach von der Zielgruppe ab, für die er schrieb.
Auguste Rodin: The KissSein eigenes Sexleben war, bis Jessika auftauchte, langweilig. Er hatte keine Partnerin, die Mutter seiner jetzt sechzehnjährigen Tochter lebte seit vierzehn Jahren mit einem anderen Mann zusammen. Bernd hatte Sex nie für etwas gehalten, was für ihn persönlich wichtig oder sogar eine Quelle unendlichen Vergnügens werden konnte. Er hatte seine rechte Hand, every poet masturbates, hatte er einmal in einem Rockkonzert auf dem Riesenmonitor über der Bühne gelesen, und das war die ganze nüchterne Wahrheit. Mit seinen einundvierzig Jahren hatte er auch keine großen Träume oder Ambitionen mehr gehabt, die große Liebe zu finden.
Mit Jessika war alles anders geworden.
Alles.
Anders.
Geworden.
Er wusste als belesener Mensch natürlich, dass Sex gesund und für das allgemeine Wohlbefinden förderlich ist, aber vor Jessikas Erscheinen hatte Bernd keine Ahnung gehabt, in welchem Ausmaß das zutraf. Er erkannte sich selbst kaum wieder. Every poet needs the pain war ein weiterer Satz vom Monitor beim Konzert mit U2 vor vielen Jahren. Wenn das stimmte, war er kein Poet mehr. Jeglicher Schmerz war vergessen, Bernd war einfach nur glücklich und zufrieden.
Und produktiver als je zuvor. Seit Jessika da war, schrieb er phantasievoller und fließender. Er war auch zuvor nicht schlecht gewesen, abgesehen von Gedichten aus Teenagertagen, aber die schrieb vermutlich jeder Pubertierende und jeder schrieb sie gleichermaßen grauenhaft. Seine Geschichten verkauften sich recht gut, seine Bücher erzielten ansehnliche Auflagen. Dahinter steckte sehr viel Mühe und Arbeit, Ringen um die richtigen Worte, Feilen an Formulierungen, Umschreiben oder Verwerfen ganzer Passagen…
Jetzt schrieb er plötzlich leicht und inspiriert, als diktiere ihm eine unhörbare Stimme. Er schrieb manche Nacht durch, Jessika hielt sich im Hintergrund, brachte ein Glas Wein oder Bier genau dann, wenn ihm danach war, leerte hin und wieder den Aschenbecher neben der Tastatur, fragte nichts und unterbrach ihn nicht. Nur manchmal küsste sie ihn auf die Stirn: Kribbeln tief drinnen, irgendwo.
Wenn er nach stundenlangem Arbeiten erzählen wollte, wie weit er war und was er geschrieben hatte, wusste sie es bereits, obwohl sie selten einmal einen Blick über seine Schulter auf den Bildschirm geworfen hatte.
Er hatte nach einer Weile aufgehört, ihr vom Fortschritt der Arbeit erzählen zu wollen, bat sie stattdessen manchmal um einen Kommentar, eine Wertung, Tipps, Hinweise.
Sie hatte gute - nein, sie hatte perfekte Ideen. Kleinigkeiten meist, die jedoch dem Text etwas hinzufügten, was Bernd als genial bezeichnen musste.
Gelegentlich änderten diese Kleinigkeiten die Richtung, die eine Erzählung nahm, waren am Ende ausschlaggebend für den Schluss; und wenn das vorkam, dann war das Ergebnis immer überzeugender und logischer als das, was er zuerst im Kopf oder auf dem Bildschirm gehabt hatte.
»Meine Muse«, nannte er sie dann, »meine Pampelmuse.«
»Willst du jetzt und hier, gleich am Schreibtisch, pampeln?« Zwinkern, erst rechts, dann links.
»Pampeln ist Babysprache.«
»Wir müssen ja nicht sprechen«, gab sie zurück und entledigte ihn seiner Kleidung. Er ließ es gerne geschehen…
Bernd bemerkte nicht, dass Jessika nicht nur seine Arbeit, sondern sein ganzes Leben prägte, mehr und mehr bestimmte. Unmerklich ging die Übernahme vonstatten. Er war immer sehr auf seine Selbstständigkeit bedacht gewesen, und genau darauf nahm Jessika entweder Rücksicht, oder sie machte instinktiv alles richtig. Sie lenkte ihn wie seine Erzählungen, dirigierte seine Gewohnheiten, seinen Tagesablauf, aber stets so, dass es ihm wie seine eigene Wahl vorkam. Jessika brachte ihn dazu, so zu entscheiden, wie sie es wollte.
Manchmal regte sich etwas in ihm. Eines Nachts hatte sie in der Küche hantiert, Bernd saß am Computer und dachte zurück an sein Leben vor Jessika. Wie ein Schatten, der irgendwo im Nebel der Gedanken schlummert, von dem man weiß, dass er irgendwo vorhanden ist, hatte sich etwas bemerkbar machen wollen in seinem Kopf. Aber es war nicht durchgedrungen. Das es-liegt-mir-auf-der-Zunge-gleich-habe-ichs-Gefühl führte nirgendwo hin. Das Etwas war bedrohlich, dunkel, unangenehm. Sehr sehr unangenehm sogar. Bernd wollte es nicht wissen, aber er fürchtete, dass es von entscheidender Bedeutung war. Er musste nachdenken, weil sonst … weil ihm …
Während er noch im Nebel stocherte, kam Jessika mit frisch angemachtem Salat und einer Flasche Rotwein, ihr Lächeln und die willkommene Ablenkung verscheuchten das Gefühl. Bernd dachte wochenlang nicht mehr darüber nach.

In einer Großstadt passiert jeden Tag Schlimmes. Die Menschen sind daran gewöhnt. Sie lesen Meldungen in der Tageszeitung oder sehen Berichte im Regionalprogramm, murmeln vielleicht wie schrecklich oder die armen Menschen, und dann schieben sie sich die nächste Fuhre Kalbsschnitzel in den Mund und spülen mit Bier nach. Oder Pasta mit Rotwein. Oder die Butterstulle und Pfefferminztee.
Ein Handelsvertreter, der von Tür zu Tür seine Reinigungsmittel anbietet, verschwindet spurlos. Niemand weiß, an welcher Tür er zuletzt geklingelt hat.
Ein Bauarbeiter stürzt vom Gerüst, aus dem neunten Stockwerk, er ist sofort tot. Er kann niemandem mehr erzählen, was ihn so erschreckt hat, dass er das Gleichgewicht verlor.
Niemand weiß, ob der zwölfjährige Junge gegen den einfahrenden U-Bahn Zug gesprungen ist oder gestoßen wurde. Viele wissen, dass seine Gehirnmasse auf dem Bahnsteig im Neonlicht funkelte, weil die BILD Zeitung ausführlich darüber berichtet hat, mit Foto natürlich.
Großbrand einer Tankstelle. Zwölf Tote. Keine Zeugen. Kein Bekennerbrief. Aber Spuren von Brandbeschleunigern.
Raubmord in einer Kneipe auf dem Männerklo. Das Opfer ist beim Pinkeln von hinten erstochen worden. Niemand hat gesehen, wer außer dem Opfer die Toilette betreten hat.
All diese Unglücks-und Kriminalfälle aus den Regionalnachrichten waren Bernd unbekannt. Er bekam gar nicht oder nur am Rande mit, was in Berlin an Sex & Crime vor sich ging. Er interessierte sich für die Tagesschau, den Weltspiegel, das Auslandsjournal, aber kaum für lokale Meldungen. Der Berliner Tagesspiegel, den er abonniert hatte, blieb so gut wie immer ungelesen, abgesehen vom Kulturteil und ein paar Schlagzeilen auf der ersten Seite.
Er arbeitete gerade an einer Gute-Nacht-Story für Leute, die schlecht oder gar nicht schlafen wollten. Sein Verlag bereitete einen Auswahlband von Horrorgeschichten vor und Bernd sollte zwei Erzählungen beisteuern. Eine war seit Wochen fertig, es ging um einen Jungen, der im Buddelsand eine Handgranate findet. Die zweite schrieb er gerade. Eine Medizinstudentin, die einmal durch das Examen gefallen war, übte zu Hause eifrig für die Anatomieprüfung, indem sie Menschen aufschnitt und deren Organe untersuchte. Lebendige Menschen, wegen der Frische der Organe. Etwa zwei oder drei Seiten fehlten dem Manuskript noch zum gewünschten Umfang. Bernd beschloss, eine Denkpause einzulegen.
Er setzte sich ins Wohnzimmer und blätterte im Tagesspiegel, um kurz ausspannen, ein paar Minuten weg vom Bildschirm und den Überlegungen zu seiner Geschichte zu sein.
Ermittlungen ergebnislos - Unfallursache bleibt Geheimnis titelte die Zeitung im Lokalteil, den Bernd zufällig aufschlug. Darunter wurde in kurzen Sätzen berichtet, dass die Untersuchungen eines tragischen Unfalls zwischen Linienbus und Tanklastwagen eingestellt worden waren. Vom Fahrtenschreiber war nichts übrig, und Zeugen konnten nichts zur Klärung beisteuern. Der Arzt der Busfahrers konnte lediglich aus seinen Unterlagen ein gesundes Herz und keinerlei Anzeichen für einen drohenden Gehirnschlag oder sonstiger Gefährdungen attestieren. Busfahrer müssen regelmäßig zur Gesundheitsüberprüfung, die letzte war zum Unfallzeitpunkt erst drei Monate her gewesen.
Das Datum des Unfalls war in Klammern angegeben. Bernd starrte auf die Zeitung: »Bei dem Unglück (14. Mai) kamen fünfzehn Menschen ums Leben.«
Ein Kälteschauer überzog Bernds Stirn, dann den Rücken. Am 13. Mai war er beim Zahnarzt gewesen und hatte sich hinterher betrunken wie nie zuvor. Das Datum hatte sich eingeprägt, weil er eine Kurzgeschichte darüber geschrieben hatte. Vollrausch 13-05 hatte er sie genannt.
Am 14. Mai hatte Jessika ihm Aspirin mitgebracht von ihrem Ausflug zum Bierpinsel. Und sie hatte ganz leicht, fast unmerklich, aber eben nur fast, nach verbranntem Gummi, Benzin, Kerosin, was auch immer… sie hatte nach einem unglaublich heißen Feuer, einer Explosion gerochen. Er hatte an ihrem Haar geschnüffelt und gesagt, dass ihn der Geruch an einen abgebrannten Bauernhof erinnerte, den er vor Jahren besichtigt hatte.
Jessika hatte lachend erwidert: »Ich bin eben so heiß auf dich, Bernd, dass man das schon riechen kann. Gleich brenne ich durch!« Kopfschmerz und Übelkeit vergingen dann zügig, nicht nur dank der Tabletten.
Nun starrte er etliche Wochen später auf dieses Datum und fragte sich, ob es einen Zusammenhang gab. Fast wieder riechen konnte er den seltsamen Feuerodem von damals. Das Etwas drängte sich energisch in sein Bewusstsein.
Jessika hat die Familie Aksu umgebracht. 
Eine dumme Vermutung, längst vergessen.
Und der Brandgeruch?
Zufall, was sonst.
Wo war Jessika, als der Fahrstuhl abstürzte? Wo war sie, als die Menschen im Bus verbrannten? Wo war sie, als…
Jessika war auf dem Balkon, goss im Evaskostüm die Pflanzen. Bernd legte die Zeitung weg und ging zu ihr hinaus.
»Kommst du gut voran mit der Medizinstudentin?«, fragte sie, obwohl sie natürlich wusste, ob und wie er vorankam.
»Ja, sehr gut. Der Handelsvertreter ist jetzt im neunten Stockwerk und klingelt an einer Tür, an der kein Namensschild befestigt ist.«
»Wie wäre es, wenn er, bevor er klingelt, kurz innehält, weil er ein Geräusch hört?«
»Warum?«
»Er könnte zum Beispiel das gedämpfte Summen eines elektrischen Küchenmessers hören.«
»Und dann?« Er sah Jessika gespannt an. »Was dann? Macht die Studentin mit dem blutverschmierten Messer in der Hand die Türe auf oder was?«
Jessika lachte fröhlich. »Nein, natürlich nicht. Sie weiß ja nicht, wer draußen steht, ob es ein passendes Opfer ist oder nicht. Es könnte ja der Postbote sein oder ein Bekannter oder eine Nachbarin… irgend jemand, der schnell vermisst wird. Nein, sie ist ja nicht blöd. Immerhin studiert die Medizin, hat einen enormen IQ.«
Bernd nickte. »Okay, sehe ich auch so, aber warum soll er dann das Messer hören?«
»Er könnte es hören und dabei beschleicht ihn eine Vorahnung, ein dunkles, undefinierbares Grauen vor diesem an und für sich ja harmlosen Geräusch. Fast will er weitergehen. Fast. Später, als sie dann das Messer ansetzt, sind seine letzten Gedanken, dass er genau dieses Geräusch schon einmal gehört hat, er weiß bloß nicht wo und wie, weil die Angst und Schmerzen ihn am Denken hindern. Dann, als er stirbt, im letzten Augenblick eben, weiß er es wieder. Das summende Geräusch hat er durch die Tür gehört.«
»Gefällt mir sehr gut. Manche Leute werden zwar sagen, ich hätte ein bisschen meine Jessika-Story kopiert, mit der schnittsüchtigen Hausmeisterin, aber die Idee ist gut.«
»Dann schreib das auf«, sagte Jessika und küsste ihn auf die Stirn. Das Kribbeln, tief drinnen, und bis hinunter ins Rückenmark. Die Bewegung unter der Gürtellinie. Das Leben, wie er es vor Wochen nicht gekannt hatte.
Am übernächsten Abend sah Bernd in den Fernsehnachrichten einen kurzen Bericht über das Auffinden mehrerer zum Teil schon verwesender Leichen, denen bestimmte Organe entnommen worden waren. Fachmännisch, dem Vernehmen nach. Das jüngste Opfer war ein Handelsvertreter, der…
Bernd rannte auf die Toilette und übergab sich ausgiebig. Jessika war noch unterwegs, wo auch immer, und ihm dämmerte, dass es vielleicht besser wäre, sie würde nicht zurückkommen.
-- -- --  -- -- --  -- -- --
Jetzt, liebe Leser, ist es soweit. Was noch fehlt, was noch kommt, ist der Schluss der Geschichte. Und diesbezüglich begebe ich mich nun völlig in die Hände des Publikums, denn ich weiß nicht, was besser ist: Ein toter Bernd oder ein überlebender Bernd.
Ich tendiere… – ach nein, das würde ja einer Beeinflussung gleichkommen.
Also, bitte helft mir:


Aber Hallo! Ist doch klar:
Bernd muss sterben!
Bernd darf leben!
Isch weeeiß et nit!
Auswertung

P.S.: Bild: Auguste Rodin – The Kiss

Sonntag, 18. April 2010

Schön locker bleiben: Wie Gebet funktioniert

Heute ist Sonntag. Mancher betet am Sonntag eher als an anderen Tagen. Dabei gilt: Schön locker bleiben, Gott nicht zutexten:

Wenn ihr mit Gott redet, könnt ihr schön locker bleiben. Nicht so wie die religiösen Spinner, die gerne in den Kirchen oder auf der Straße herumhängen und Showbeten veranstalten, damit sie jeder bewundern kann. Ich sag dazu nur eins: Vergesst es! Da kommt von Gott auch nichts bei rüber!

Wenn du aber mit Gott reden willst, dann hock dich in deine Kellerbude, mach die Türen hinter dir zu und quatsch dich in Ruhe mit ihm aus. Gott ist wie ein richtig guter Papa, der weiß genau, was in dir abgeht, er wird dir helfen können. Laber deine Gebete nicht so daher wie die Leute, die keine Ahnung von Gott haben. Die glauben doch tatsächlich, wenn sie Gott total zutexten, wird er ihnen schon eine Antwort geben. Hey, euer Papa weiß schon immer vorher, worum es euch diesmal geht.

Jetzt mal ein Paradebeispiel, wie ihr beten könnt: »Hey, unser Papa da oben! Darum geht's, dass du und dein Name allein auf dieser Welt ganz groß rauskommen! Du sollst hier das Sagen haben, auf der Erde genauso, wie es da oben im Himmel ja schon immer der Fall war. Hey, versorg uns doch bitte mit allem, was wir heute so zum Leben brauchen!

Und verzeih uns die Sachen, wo wir mal wieder Mist gebaut haben. Wir verzeihen ja auch denen, die bei uns was verbockt haben. Pass auf, damit wir nicht irgendwelchen schlechten Gedanken nachgeben und dir untreu werden und so. Führe uns nicht in Situationen, wo wir Fehler machen könnten. Rette uns, wenn uns das Böse anzeckt! So passt es [Amen]!«

Quelle: Volxbibel Neues Testament, Matthäus 6, 5-14 

Das Alte Testament der Volxbibel, bei dem ich im Impressum schön pseudonymisiert erwähnt werde: Die Volxbibel: Altes Testament Band 1ist erhältlich.
Altes Testament Band 2 - erscheint demnächst- kann man vorbestellen.

Samstag, 17. April 2010

Original und Fälschung

Das geniale Original…

…und die (gut gemachte) Fälschung der »Grünen«:

Freitag, 16. April 2010

Manchmal lohnt sich schnell sein

Ach bin ich froh, dass ich Blockade Billy gleich am ersten Tag der Ankündigung bei Cemetry Dance Publications bestellt habe – so komme ich in den Genuss der ersten Auflage, und nur der liegt eine handsignierte Baseball-Karte bei, die aus dem Jahr 1957 in unsere Zeit gereist ist. Gereist sein soll.

billy

Am Dienstag hat Herr King, und von dessen nächstem Buch ist hier die Rede, bekannt gegeben, dass es über Amazon & Co einstweilen mau aussieht mit dem Buch. Und mein Exemplar geht voraussichtlich schon nächste Woche auf die Reise nach Berlin. Vorfreude ist was Feines!

Falls jemand noch diese Spezialausgabe mit Illustrationen und Baseball-Karte, von der es nur 10.000 Stück geben wird, ergattern möchte, ist wohl Eile geboten: [Cemetry Dance]

Alle anderen müssen, so sie das Buch zu lesen wünschen, bis Ende Mai oder Anfang Juni warten. Dann kommt es in einer »normalen« Aufmachung, ohne Grafiken, ohne durch die Zeit gereiste Baseball-Karte.

Donnerstag, 15. April 2010

Videos vom Transforum 2010

Falls es mal regnen sollte, oder falls auch bei gutem Wetter Interesse besteht, empfehle ich heute den geschätzten Blogbesuchern nachdrücklich und mit Überzeugung ein paar Videomitschnitte vom Transforum 2010, von dem ja auf diesem Blog mehrfach die Rede war. [2. Februar] [25. Februar] [26. Februar] [27. Februar] [3. März] [19. März]
Die Audio-Mitschnitte und etliche Materialien waren schon länger verfügbar, nun sind auch die Videos (von hervorragender Qualität) im Netz. Wenn es regnet, klickt man auf dieses (bei mir nass gewordene) Foto:
trafo
Wenn es nicht regnet, auch.
Besonders empfehlenswert: Der Vortrag von Volker Brecht, Mitautor des Buches Die Welt verändern: Grundfragen einer Theologie der Transformation und – wurde auf diesem Blog schon sehr gelobt – der Vortrag von Harald Sommerfeld, Mitautor des Buches Beziehungsweise leben: Inspirationen zum Leben und Handeln im Einklang mit Gott und Menschen.

Mittwoch, 14. April 2010

IOT-free – Fans von Bob Dylan lächeln glücklich

das-auge-in-japan Fans von Bob Dylan sind hart im Nehmen. Ich meine Fans, nicht gelegentliche Zuhörer. Fans brauchen aber dann ab und zu auch mal etwas, was die Härte mindert.
Bei Expecting Rain fand ich eine IOT-FREE-Compilation der Konzerte in Japan 2010; Herr Dylan war ja kürzlich einen ganzen Monat bei den freundlichen Schlitzaugen mit dem glücklichen Lächeln zu Gast.
IOT-FREE? Wat issn ditte, dachte ich ratlos. Auch andere Mitglieder bei Expecting Rain waren clueless. Einer mutmaßte: Illuminates Of Thanateros?

Weit gefehlt, die Lösung lautet: IOT = Instrument Of Torture = The Keyboard!

Ich bin Bob Dylan Fan, klares Bekenntnis. Seine Schweineorgel geht mir mitunter auf die Nerven, ebenso klares Bekenntnis. Nun nimmt er aber zum Glück gelegentlich Abstand vom Folterinstrument und spielt Gitarre oder Mundharmonika oder gar nichts.
Solche Lieder finden sich in der genannten Zusammenstellung - 100% orgelfrei!

Die Soundqualität ist, da »Hide« aufgenommen hat, in Ordnung. Der Download über Rapidshare ist zwar langwierig und doof, aber immerhin gibt es zwei CDs mit ohne Keyboard als Belohnung. Einstweilen. Die Bootlegs haben es so an sich, nach einer Weile vom Server zu verschwinden, nämlich genau 60 Tage nach dem letzten Download. Also sollte bald zugreifen, wer Interesse hat.

Japan (IOT Free Compilation) 2010
All tracks are Hide recordings (cheers, mucker!) - Track details are included on the files.

CD1
01 Stuck Inside Of Mobile With The Memphis Blues Again
02 Every Grain Of Sand
03 I'll Be Your Baby Tonight
04 My Wife's Home Town
05 This Wheel's On Fire
06 Sugar Baby
07 Make You Feel My Love
08 It Ain't Me, Babe
09 It's All Over Now, Baby Blue
10 Things Have Changed
11 Cold Irons Bound
12 Love Minus Zero/No Limit
13 Can't Wait
[DOWNLOAD CD 1 HIER]

CD2
01 High Water
02 Senor
03 Don't Think Twice, It's All Right
04 John Brown
05 Lay Lady Lay
06 Blind Willie McTell
07 The Man In Me
08 Forgetful Heart
09 Girl Of The North Country
10 Ballad Of Hollis Brown
11 Not Dark Yet
12 Ballad Of A Thin Man
[DOWNLOAD CD 2 HIER]

Zum Entpacken der MP3-Dateien braucht man übrigens ein (natürlich kostenloses) Programm, das mit dem RAR-Format zurechtkommt. Google hilft bei der Suche. Wer zu faul zum guhgeln ist, geht direkt zu 7-Zip.

P.S.: Natürlich gibt es nicht nur kostenlose Musik von Herrn Robert Zimmermann: His Bobness bei Amazon

Dienstag, 13. April 2010

…ass kickin’ contest – mal wieder

busy Ich habe mal wieder viel zu tun, worüber ich allerdings kein Klagelied anzustimmen gedenke. Das wäre ja noch schöner! So schaut es aus:
Letzte Woche habe ich den Auftrag für die Übersetzung eines Buches angenommen und begonnen, das Projekt soll innerhalb von drei bis vier Wochen fertig werden. Außerdem sind zwei CD-Produktionen, die eine davon ausgesprochen umfangreich, im April zur Abgabe fällig.
Es mag daher sein, dass es auf diesem Blog in den nächsten Tagen und Wochen vermehrt Gast- und Kurzbeiträge gibt, auch Hin- und Verweise. Morgen zum Beispiel geht es um Bob Dylan Bootlegs, übermorgen um Videos, die es anzuschauen lohnt und am Tag darauf um ein Buch, das man eilig bestellen sollte, so man es denn haben möchte.
Jessika-und-Bernd-Fans müssen jedoch nicht verzweifeln. Die beiden noch fälligen Fortsetzungen fallen weder ins Wasser noch sonst wohin. Voraussichtlich geht es am kommenden Montag weiter, und dann hängt es vom Leservotum ab, wie lange ich für den Schluss brauchen werde.
Die goldige Überschrift dieses Beitrages? Ach ja, die Überschrift. Ja ja. Also: I’m busier than a one-legged man in an ass kickin’ contest.
Das putzige Bild? Ach ja, das Bild. Ja ja. Also: Quelle WikiCommons

Montag, 12. April 2010

Wer bist du, Jessika? – Teil 4

image Zur Abstimmung bei der vorigen Folge schrieb mir eine Leserin:
Hallo, Herr Matthia!
Also, ich sehe (zu oft) alleine in den Fernsehnachrichten Grausiges und weiß um (zu) viel durch meine Engagement für Amnesty International. Mit meinem Wunsch nach einer dezenten Ausdrucksweise befinde ich mich aber offenbar auf der Seite der demokratischen Opposition. Ich werde die Fortsetzung aber (trotzdem) gerne lesen. Und Bernd? Der wird sich überlegen, ob „Traumfrauen“ wirklich Traumfrauen sind ;-).
Vielen Dank für die Geschichte und Gruß von …
In einem Kommentar war zu lesen:
Ich bin nicht so ein Leichenfledderer. Ich habe den blumigen Vorhang zwischen den Geschehnissen und der neugierigen Lesernase quasi mitgewebt. Leser haben selber genug Fantasie, man muss ihnen nicht alles vorkauen.
Nun ist das Ergebnis der Abstimmung auch relativ knapp ausgefallen. Daher habe ich einen Mittelweg gewählt, man darf mir glauben, dass die ursprüngliche Version um einiges deutlicher in der Beschreibung war. Ich habe entschärft; es wird den Lesern nicht alles vorgekaut, allerdings ist dieses Kapitel, angesichts der Abstimmung und der Spielregeln, auch nicht als Gute-Nacht-Geschichte für Zehnjährige geeignet.
Ach ja, der übliche Hinweis für Zufallsbesucher: Dies ist die Fortsetzung einer Geschichte. Wer Teil 1 und Teil 2  und Teil 3 sucht, wird mit Klick auf Teil 1 und Teil 2 und Teil 3 fündig.
So. Damma net do, damma net do, aufi geht’s!
--- --- ---  --- --- ---  --- --- ---
Am Abend war Bernd so erschöpft wie seit Jahren nicht mehr, auf eine befriedigende, angenehme, ihn tief durchdringende Weise. Jessika dagegen schien ausgeruht und munter, als wäre sie gerade erst aus erholsamem Schlaf erwacht.
»Wo wohnst du eigentlich?«, fragte Bernd, eine Zigarette im Mundwinkel, während er misstrauisch sein Gesicht im Schlafzimmerspiegel betrachtete und sich ernsthaft fragte, was eine junge Frau, fast noch ein Mädchen, mit so einem alten Schnösel wie ihm anfangen wollte. Sein Bauch war kein Waschbrett, sondern eine deutliche Wölbung, da half auch kein Einziehen und Luftanhalten. Er war kein Schwächling, aber muskulös konnte er sich auch nicht nennen. Er war einfach normal, unauffällig und eindeutig nicht mehr der Jüngste. Alles andere jedenfalls als ein Frauentyp, wie einschlägige Medien ihn darzustellen pflegten.
»Hier, wenn du willst. «
»Ich meine bisher. Du musst doch irgendwo wohnen. Wo sind deine Sachen? Hast du nicht bisher bei den Studenten im sechsten Stockwerk gelebt?«
»Die Studenten kenne ich so gut wie du, nämlich gar nicht. Bisher war ich ein pubertierendes Mädchen, das mit einem Festmahl in der Wohnung der Hausmeisterin zu mitternächtlicher Stunde zu existieren aufgehört hat. Beziehungsweise genau da stehen geblieben ist, stehen gelassen wurde, ohne eine Chance, weiterzukommen. Ich bin sehr froh, dass du mich jetzt endlich nach so vielen Jahren weitergedacht hast.«
Bernd beschloss, zumindest äußerlich das Spiel mitzumachen. Jessika hat die Familie Aksu umgebracht. Das war ihm, einmal gedacht, schon am Nachmittag eine Tatsache gewesen, obwohl nichts darauf hindeutete. Gewissheit braucht keine Beweise. Daher war Vorsicht geboten. Wer sechs Menschen auf dem Gewissen hat, macht sich kein Gewissen um einen 41jährigen Schreiberling.
»Na dann«, sagte er, »dann ging die Frage natürlich in die falsche Richtung.«
»Der Weg ist das Ziel«, gab sie zurück. »Wenn du willst, wohne ich hier.«
Bernd nickte. Natürlich wollte er das. Nicht ohne Bedenken, aber die konnte er ja später genauer betrachten.

Einige Wochen später hatte er Familie Aksu vergessen. Er hatte sich an Jessika gewöhnt, und manches nahm er hin, ohne es zu verstehen. Eigentlich war sie nicht eingezogen, sondern einfach geblieben. Kein Gepäck brachte sie in die Wohnung, sie schien auch nirgends sonst etwas gelagert zu haben. Und doch fehlte ihr nichts. Das war so bedenklich wie die Sache mit dem Fahrstuhl. Und noch viel mysteriöser. Am Morgen des zweiten Tages hatte sie nach dem Duschen ein blassgelbes Kleid getragen; woher das gekommen war blieb Bernd verborgen. Am Abend ein silbern schimmerndes Cocktailkleid. Ein warmer Pullover für kühlere Abende. Dessous…. Jessika war einfach da, ging mit ihm frühstücken, spazieren, einkaufen, hatte Geld und Kreditkarten. Sie fragte nichts, wusste alles. Wenn Bernd Fragen stellte, erhielt er selten eine Auskunft, mit der er etwas hätte anfangen können. Jessika wich nicht aus, sie schien oft einfach nicht zu begreifen, dass ihre Antworten ganz und gar abwegig waren. Sie passten nicht zu den Fragen, passten nicht zur Realität. Auch ihr Alter blieb ihm rätselhaft. Mal schien sie Mitte Zwanzig zu sein, mal eher ein Teenager. Er wurde nicht schlau daraus. Sie war neunzehn, sie war aber auch sechsundzwanzig. Beides war keine Lüge. Und doch konnte nur eines davon stimmen, oder vielleicht war ein ganz anderes Alter richtig? Eines Morgens, als sie aus dem Bad kam, sah sie einen Moment aus wie ein Kind, zwölf, höchstens dreizehn Jahre alt. Bernd schob es auf das blendende Sonnenlicht, das durch die Fenster auf sein Gesicht fiel, denn als Jessika näher kam, war sie wieder die junge Frau, die er kannte und doch nicht kannte.
»Wie alt bist du, Jessika?« fragte er erneut, als sie sich neben ihn an den Küchentisch setzte.
Sie lächelte das Lächeln, das ihn noch immer wie am ersten Tag verzauberte. »Wie alt bin ich? Wie alt ist der Ozean? Wie alt ist das Universum? Wie alt ist die Musik? Wie alt ist die Kunst? Wie alt bist du?«
»Das zumindest ist leicht und eindeutig. Immer noch Einundvierzig.«
»Meinst du. Wenn ja, dann hat die Liebe dich wesentlich verjüngt. Aber manchmal bist du so weise, als hättest du bereits Jahrhunderte gelebt. Vielleicht bist du Saint Germain?«
»Hast du Umberto Eco gelesen?«
»Du hast ihn gelesen, Das Foucaultsche Pendelbisher fünf Mal in den Jahren seit - nun ja. Aber gut, wenn du meinst, dann bist du eben einundvierzig. Ich liebe dich.«
Sie tranken ihren Kaffee, rauchten dazu zwei Zigaretten, dann zog sich Bernd in sein Arbeitszimmer zurück, um ein paar Stunden zu schreiben. Ein Abgabetermin rückte langsam näher, und sein Verleger liebte Pünktlichkeit. Jessika hatte nichts weiter vor, sie wollte im nahen Park spazieren gehen.

Der Vormittag war mild und sonnig, ein leichter Wind spielte mit den Zweigen. Etwa dreißig vergnügte oder gelangweilte Kinder, einige an ihren Müttern herumzerrend, andere ins Spiel allein oder mit anderen Kindern vertieft, bevölkerten den Spielplatz. Ein alltägliches, ein kaum beachtenswertes Bild.
Am Rand des Sandkastens standen Bänke, zum Teil im Schatten großer Bäume, zum Teil in der Sonne. Auf einer dunkelgrün gestrichenen Bank, ein wenig abseits, saß eine junge Frau. Neben ihr lag eine Tasche, aus der ein paar Spielsachen herausragten, leuchtend gelbe Kinderschaufeln für den Sand, ein rotes Sieb, der passende Eimer stand neben den Füßen der Frau. Sie nickte dem kleinen Jungen, er mochte vier oder fünf Jahre alt sein, aufmunternd zu, ein freundliches Lächeln auf den Lippen: »Natürlich darfst du den Eimer ausleihen, Hauptsache, du bringst ihn später zurück.«
Der Knirps schnappte den Eimer und rannte zum Sandkasten, wo er eifrig begann, mit beiden Händen das Gefäß zu füllen.
»Etwas weiter nach links, Junge«, flüsterte die Frau auf der Bank, und obwohl er das Flüstern aus der Entfernung von etwa zehn Metern auf keinen Fall gehört haben konnte, krabbelt er einen halben Meter nach links, um dort eifrig weiterzuschaufeln.
Die junge Frau warf einen forschenden Blick in die Runde, aber niemand achtete auf sie oder das Kind mit dem geliehenen Eimer. Sie wusste, dass sich das gleich ändern würde, zumindest was den Jungen betraf. Oder das, was übrig bleiben mochte. Sie selbst würde dann bereits durch das Gebüsch hinter der Bank getreten sein und auf dem Hauptweg wie eine von vielen Spaziergängerinnen die Ruhe des Parks genießen.
Der Knabe hatte den Eimer gefüllt, leerte ihn mit einem frohen Lachen hinter sich aus, und begann erneut, zwischen seinen ausgestreckten Beinen zu graben.
Die dritte Ladung Sand landete noch im Eimer, eine vierte Ladung gab es nicht mehr. Stattdessen bestaunte der Junge das merkwürdige Gebilde, das er ausgebuddelt hatte. Es war schwer, sah leicht verrostet aus, und es hatte einen Ring, der so ähnlich aussah wie die Ringe, mit deren Hilfe man eine Dose mit Limonade öffnete. Er probierte es aus, zog, betrachtet das metallene Ei, dreht es hin und her, her und hin. Gerade als er das Interesse verlor und das Fundstück wie zuvor den Sand hinter sich werfen wollte, explodierte die Handgranate mit einem trockenen Krachen. Die Vögel flogen erschreckt aus den Bäumen und Büschen auf, die Köpfe der Menschen wandten sich dem Ursprung des Krachens zu, der Körper des Jungen - oder das, was einmal ein Körper war, landete in kleinen Portionen weit verstreut im Sand und im Gebüsch.
Eine junge Frau ging gelassen den Weg hinunter, streichelte den Kopf eines neugierigen Hundes.

Am nächsten Vormittag hatte Bernd einen Termin beim Zahnarzt. Eigentlich war es ein kurzer Weg am Spielplatz vorbei, aber der gesamte Park war gesperrt, da man ihn nach weiterer Munition absuchen wollte und wohl auch musste. Berlin war beunruhigt, nicht nur durch das tragische Unglück mit der Handgranate. »Bomben, Granaten oder Munition würden auch 65 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch ständig gefunden, insgesamt etwa 25 bis 40 Tonnen pro Jahr«, hatte die Sprecherin des Senats einer Zeitung gesagt. »Meist handele es sich um kleinere Sprengkörper. Große Funde, wie die beiden 250-Kilo-Fliegerbomben von Dienstag und Mittwoch, die von Spezialisten aufwendig entschärft werden mussten, seien seltener.« Dass unter den kleineren Sprengkörpern auch Handgranaten gefunden wurden, kam kaum vor, war aber nicht ausgeschlossen.
Bernd küsste seine Jessika zärtlich und drückte sie an sich. »Du siehst bezaubernd aus in diesem weißen Kleid, Jessy. Hinreißend. Makellos.«
»Danke. Du bist der bestaussehende Mann auf Gottes grüner Welt, Bernd. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich.«
Auf dem Weg zur Praxis fragte er sich, woher Jessika das offenbar neue weiße Kleid haben mochte. Sie verbrachten die meiste Zeit miteinander, ohne dass dies einem von ihnen überdrüssig wurde. Sie kauften zusammen ein, aber nie hatten sie Kleidung für Jessika besorgt.  Eigentlich fragte er sich weniger woher, denn das war sowieso rätselhaft und das Rätsel nichts neues. Er fragte sich eher, warum.
Am Vorabend, als er sie hingerissen in der weißen Bluse und den engen blauen Jeans betrachtete, während sie im Restaurant von der Toilette zurück zum Tisch kam, hatte er gedacht, dass ihr ein schlichtes, weißes, ärmelloses Kleid, in der Taille mit einem goldenen Gürtel zusammengerafft, hervorragend stehen müsste.
Und heute Morgen hatte sie genau dieses Kleid getragen.
Vor einer Woche etwa hatte er sich nachts im Bett, als sie schon in seinem Arm schlief, vorgestellt, Jessika würde am Frühstückstisch in einem seidenen Kimono sitzen, der lose geschlungene Gürtel würde sich nach und nach lösen und dabei mehr und mehr von ihrer samtenen Haut enthüllen.
Genau das war am nächsten Morgen geschehen, sogar die Farbe des Kimono, ein schimmerndes Blau, das leicht ins Violett spielte, hatte gestimmt.
»Das gibt es alles nicht,« murmelte er vor sich hin, »das gibt es nicht.«
»Doch, alles was Sie möchten gibt es. Was darf es denn sein?«
Bernd sah überrascht auf. Vor ihm stand ein älterer Herr, volles graues Haar, ordentlich gescheitelt, umrahmte den charaktervollen Kopf, eine goldgeränderte Brille vergrößerte die klaren wachen Augen. Der Fremde trug trotz der sommerlichen Hitze einen dunkelblauen Anzug mit Weste, blitzblanke schwarze Schuhe, ein ausnehmend ordentlicher und korrekter Herr, er wirkte etwas deplatziert in der Wärme des Sommertages.
»Entschuldigung, ich habe nur mit mir selbst geredet«, lächelte Bernd.
»Einen schönen Tag wünsche ich dann noch, und grüßen Sie Jessika herzlich von mir.«
Der Mann ging weiter, aber mit zwei Schritten hatte Bernd ihn eingeholt und hielt ihn am Arm fest. »Moment, bitte, mein Herr. Wer sind Sie? Woher kennen Sie Jessika? Wieso wissen Sie, dass ich sie kenne? Woher kennen Sie mich?«
Ein verständnisvolles Lächeln erhellte das Gesicht des Fremden. »So viele Fragen? Die Antworten sind doch in ihrem Kopf, nicht wahr? Sie wissen genau, wer ich bin.«
»Kommissar Schöffler.«
»Kommissar a. D., aber sonst korrekt. Entschuldigen Sie mich, ich muss weiter. Auf Wiedersehen.«
Er ließ Bernd stehen und verschwand mit ausholenden Schritten um die nächste Ecke. Bernd sah hinterher und schüttelte den Kopf. Er hatte außer Kaffee nichts getrunken, andernfalls hätte er das Erlebte leicht als Produkt seiner überreizten, vom Alkohol beflügelten Fantasie abtun können. Kommissar Schöffler war eine Figur, seine Figur, in zwei Kurzgeschichten und einem Roman. Der Roman war fertig, aber noch nicht veröffentlicht. Der Mann hatte genau so ausgesehen, wie er sich beim Schreiben den Kommissar ausgemalt hatte. Etwas älter wirkte er, aber es war eindeutig dieselbe Person. Selbst die Stimme passte.
Bernd betrat das Haus, in dem die Zahnarztpraxis lag. Er lachte halblaut. Ich werde verrückt, so einfach ist das. Mein Gehirn dreht durch, ich werde in kürzester Zeit in der Klapsmühle landen. Es kann sich nur noch um Tage handeln. Wenigstens weiß ich jetzt, was los ist, das ist doch beruhigend. Der ganz normale Wahnsinn hat mich in den Klauen. Das alles passiert gar nicht.
Als er etliche Stunden später nach Hause kam, war er betrunken. Nicht angetrunken, sondern vollkommen blau. Vom Zahnarzt aus hatte er schnurstracks die nächste Kneipe aufgesucht. 

Der Bierpinsel Am nächsten Morgen hatte er einen erbärmlichen Kater und eine liebevolle Jessika, die seine Stirn kühlte und alles tat, damit er sich bald besser fühlte. Sie fragte nicht nach dem Vortag, und er erzählte auch nichts. Er wusste nicht mehr, was er wirklich erlebt und was er sich im Suff eingebildet hatte. Aus der Entfernung betrachtet war vermutlich alles, woran er sich zu erinnern glaubte, ein Produkt seiner überreizten Fantasie. Trotz der hämmernden Kopfschmerzen musste er grinsen. Schöffler, das war der größte Witz, den sein Gehirn ihm bisher erzählt hatte. Das war der Witz des Jahrhunderts.
Jessika versprach, ihm aus der Apotheke Aspirin mitzubringen, sie wollte mit dem Bus nach Steglitz fahren, um ein paar Fotos vor der Verwandlung des »Bierpinsel« zu machen, der in ein Kunstwerk umgestaltet werden sollte. Sie fand es spannend, das von Anfang an zu dokumentieren.

Alles Mögliche kann versagen. Auch Menschen. Der eine versagt im Beruf, der andere im Privatleben. Mancher versagt in beiden Bereichen. Der Busfahrer hatte bisher nur im Privatleben versagt, an diesem Tag sollte das berufliche Versagen hinzukommen. Damit war dann auch alles Versagen für immer vorbei.
Er hatte seinen Dienst pünktlich begonnen. Da er alleine lebte, von gelegentlichen Übernachtungen mehr oder weniger unbekannter Damen einmal abgesehen, war er lieber unterwegs, sei es bei der Arbeit oder sonst irgendwo, als zu Hause. Meistens suchte er in seiner Freizeit nach einer Frau, die er irgendwie in sein Bett oder sonst irgendwohin bekommen konnte, wo sich die Gelegenheit zum schnellen und brutalen Sex bot. Er suchte eigentlich nicht die Frauen, sondern ihren Körper, was mit den Personen geschah, war ihm vollkommen gleichgültig. Er brauchte Abwechslung, er schlief nie mit einem Körper ein zweites Mal.
An der Haltestelle Kurfürstendamm stieg eine junge Frau zu, die ihn aufmerksamer als andere Fahrgäste musterte, die meisten würdigten die Chauffeure keines Blickes, streckten ihre Monatskarten oder Fahrscheine hin, er nickte höchstens leicht mit dem Kopf, ignorierte die Fahrausweise. Ihm war es sowieso egal, ob die Leute bezahlten oder nicht. Sein Job war das Fahren und das Verkaufen von Tickets, wenn denn jemand unbedingt einen Fahrschein bei ihm lösen wollte.
Die Frau gefiel ihm. Sie sah ihn aufmerksam an, fast forschend. Er lächelte, sie quittierte das mit einem ganz leichten Anheben der Mundwinkel und setzte sich auf den Behindertenplatz gleich neben der Türe, so dass sie ihn beobachten konnte. Er konnte sie dort ebenso gut mustern wie sie ihn. Ein weiterer Körper zum einmaligen Gebrauch schien sich da womöglich anzubieten. Der Fahrer spürte, wie sein Penis sich in Windeseile aufrichtete.
Ein hellgrauer, knielanger Rock, darunter nackte Beine, die nackten Füße in weißen Sandalen, ordentlich lackierte Zehennägel schauten durch das Ledergeflecht. Eine blassviolette Seidenbluse mit kurzen Ärmeln, und eindeutig keinen BH darunter, ein schmaler, wunderbarer Hals, ein ebenmäßiges Gesicht mit sonderbar grünen Augen, ein Grün, das ins Gelbliche spielte. Halblange, dunkle Haare. Die Arme gebräunt wie die Beine und das Gesicht, eine kleidsame, keineswegs übertrieben dunkle Tönung. Schmale Hände, mit dezent lackierten Nägeln. Wunderbar sanfte Hände, die jetzt den Saum des Rockes höher und höher schoben.
Der Fahrer warf einen raschen Blick in den Spiegel, der Bus war fast leer, niemand achtete auf die Frau oder ihn. Er blickte wieder zu ihr, sie zwinkerte ihm zu, erst mit dem rechten, dann mit dem linken Auge. Die geschmeidigen Finger wanderten unter den Rock, der viel höher nicht zu schieben war. Er beobachtete noch den Verkehr, lenkte mit einer Hand, weil die andere im Schoß beschäftigt war, in immer kürzeren Abständen musste er zu diesen schlanken Beinen hinüberschauen. Die waren leicht gespreizt, und der Fahrer sah, dass sein attraktiver Fahrgast unter dem Rock nichts trug als Haut. Glattrasierte Haut. Seine Erektion entlud sich, als sein Bus ungebremst auf einen stehenden Tanklastzug prallte.
Die junge Frau hatte sich beim Aufprall festgeklammert am Sitz, war dann blitzschnell durch die aufgesprungene Tür verschwunden. Die übrigen Passagiere waren nicht so schnell, soweit sie unverletzt geblieben waren und noch hätten schnell sein können. Sie waren nicht schnell genug. Sie brauchten auch nie wieder schnell sein. Das auslaufende Benzin aus dem Tanklastwagen entzündete sich 30 Sekunden nach dem Aufprall.
Die Zeitungen spekulierten am nächsten Tag über Herzversagen des Fahrers, Versagen des Gehirns, aber was immer es auch gewesen sein mochte, ihn konnte man nicht mehr fragen und es war nicht genug von ihm übrig, um Untersuchungen anzustellen. Er war zuerst vom Lenkrad aufgespießt, dann vom Splitterregen der Scheibe gespickt worden und schließlich in der Flammenhölle bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Mit ihm starben vierzehn Passagiere.
--- --- ---  --- --- ---  --- --- ---
Bernd hatte ja längst Verdacht geschöpft, was die Familie Aksu betrifft. Offenbar hat er das aber verdrängt, oder Jessika hat es verdrängt, indem sie ihm keinen Raum für klare Gedanken lässt. Es wird noch zwei Fortsetzungen dieser Geschichte geben, und die Leser dürfen, so sie wollen, entscheiden, wie es weiter geht.
Bernd könnten bereits in der nächsten Folge endlich die Schuppen von den Augen fallen, dann muss er zwangsläufig überlegen, wie er Jessika schnellstens los wird. Die Erkenntnis kann ihn aber auch erst in der letzten Folge ereilen, dann wird es für ihn um so schwieriger sein, denn wir sehen ja: Jessika gewinnt Tag für Tag mehr Einfluss auf ihn. In ihm.
Was darf es denn sein, liebe Leser?


Die Konfrontation mit Jessika...
...beginnt in der nächsten Folge. Basta!
...schieben wir noch bis zur letzten Folge auf. Basta!
Auswertung

Samstag, 10. April 2010

Ein Besuch bei der Bank

Ein ziemlich garstig wirkender Biker betritt eine Bank und erklärt der Dame am Schalter: »Ich will ein Scheiß-Bankkonto eröffnen.«
Die irritierte junge Frau antwortet: »Entschuldigen Sie, mein Herr, ich muss Sie missverstanden haben. Was haben Sie gesagt?«
»Hören Sie doch zu, verdammt noch mal! Ich habe gesagt, ich will ein verdammtes Scheißkonto eröffnen!«
»Es tut mir leid, aber solch eine Ausdrucksweise tolerieren wir hier nicht.«
Die Angestellte verlässt ihren Schalter und geht zum Chef, um ihm die Situation zu schildern. Der  ist ebenfalls der Meinung, dass sie sich solche Ausdrücke nicht anhören muss. Zusammen kehren sie zum Schalter zurück.
»Mein Herr, wo liegt denn das Problem?«, fragt der Filialleiter den Rocker.
»Es gibt kein verfluchtes Problem! Ich habe in einer beschissenen Lotterie acht Millionen Scheißeuro gewonnen und ich will in dieser bescheuerten Bank ein verdammtes Konto eröffnen.«
»Ich verstehe«, meint der Filialleiter, »und diese blöde Kuh hier wollte Ihnen nicht behilflich sein?«

Foto: WikiCommons

Freitag, 9. April 2010

Auch mal schön: Geld fürs Nichtstun

imageManch einer hat sich furchtbar aufgeregt und, soweit selbst Autor, Widerspruch eingelegt, als Google (Motto: Don’t be evil!) begonnen hat, Bücher zu digitalisieren.
Meinereiner fand die Idee gar nicht so schlecht und hat nichts getan. Das kam nämlich einer schweigenden Zustimmung gleich. Ich bin einer von den Autoren, die – gerne auch digital – gelesen werden möchten, das schmeichelt dem Ego. Wenn Ausschnitte meiner Bücher bei den Google Books zu finden sind, stört mich das nicht im Geringsten. Zum Beispiel hier [Klick]. Oder hier [Noch mal Klick]. Manch einer, mich eingeschlossen, wird durch Leseproben neugierig und kauft dann das angelesene Buch.
Nun kam ein Scheck der VG Wort mit dem Lohn fürs Nichtstun bei mir an. Die VG Wort war so freundlich, bei Google eine Pauschalsumme für die digitale Nutzung herauszuschlagen und mein Anteil am Kuchen ließ nicht lange auf sich warten. Ich könnte damit unter anderem zum Beispiel ein Hähnchen, gegrillt, erwerben, um den Dire Straits gerecht zu werden: Money for nothing and your chicks for free- obwohl es da wohl um andere chicks ging, an denen ich wiederum kein Interesse habe.
P.S.: Selbstverständlich kann man meine Bücher auch kaufen, ohne digitale Leseproben vorher in Augenschein zu nehmen. Ein paar Klicks genügen:
Gänsehaut und Übelkeit: Erzählungen :: Liebe und Alltag: 16 Erzählungen :: Es gibt kein Unmöglich!: Roman :: Ich aber habe für dich gebetet: Ein Sachbuch :: Wer einen Amazon Kindle besitzt: Wenn die Nacht vom Himmel fällt: Roman