Freitag, 14. Dezember 2007

Christliche Angstzustände

Eigentlich sollte es keine Angstzustände bei uns Christen geben. Wenn wir schon post mortem (oder Haso zuliebe meta mortem) wären, gäbe es sie auch nicht mehr. Aber einstweilen kann man ihnen immer wieder begegnen.

Zur Zeit geht die Angst bei einigen etablierten Kirchen / Gemeinden / Organisationen / Werken beziehungsweise deren Leitern um, dass ihre Anhängerschar / Mitgliederschar / Beitragszahlerschar / Spenderschar dezimiert werden könnte durch ein Phänomen, das man mangels eines passenden Begriffes oder mangels Verständnisses, was da passiert, als neue Bewegung bezeichnet. Die Rede ist von Emerging Church / Emerging Conversation / Emerging Deutschland. (Meine constant readers wissen, dass ich Anglizismen zu vermeiden suche, wo sie nicht am Platz sind, aber in diesem Fall gibt es wirklich (noch) keinen passenden deutschen Begriff.)

Es geht Angst um, von Helmuth Matthies (idea) in Worte gekleidet:
Auf der einen Seite kämpfen einige traditionelle Werke um ihre Existenz, auf der anderen Seite präsentieren sich immer neue Bewegungen und Werke, von denen viele auch am Spendenkuchen teilhaben wollen.
Was ist passiert? Eigentlich nichts, was die Ängste rechtfertiern würde - es sei denn, man denkt in Mustern wie "meine Mitglieder / Spender / Beitragszahler / Fans / Bewunderer..." Ganz abgesehen davon, dass die fragliche neue Bewegung sich nirgends um Teilhabe am Spendenkuchen bemüht, da hat Herr Matthies wohl nicht ordentlich recherchiert.

Ich bin nicht der einzige, der sich seit vielen Jahren weigert, eine Konfession oder Denomination für die richtige (und andere für falsch) zu halten. Ich finde, wenn ich es will, in jeder Suppe ein Haar, ob es nun eine evangelikale Suppe ist oder eine katholische, eine lutherische oder eine charismatische, nicht zu vergessen die methodistische, adventistische, pfingstlerische, hausgemeindliche, mega-gemeindliche, middle-sized-gemeindliche... - die Speisekarte ist umfangreich. Ich will aber lieber die Suppe genießen, als das Haar darin zum Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit zu machen.

Nun fängt auch in Deutschland etwas an zu wachsen, sichtbar und spürbar zu werden, was unerhört ist: Ohne Rücksicht auf Kirchengrenzen und Gemeindezugehörigkeiten werden Christen emergent. Das macht den Kassierern und Schatzmeistern so viel Angst wie den Vorständen und Kirchenleitungen, soweit sie Mietlinge statt Hirten sind, denn es lässt sich nicht so recht katalogisieren, etikettieren und in eine Ecke stellen, denn es gibt keine emergente "Leitung", keine "Bewegung", keine "Gruppe"... Es passiert das, was die Reformation so gefährlich für die geistliche Obrigkeit gemacht hat: Gläubige fangen an, selbst zu denken, selbst in der Bibel zu forschen, ob es sich wohl so verhält, wie es ihnen von den Kanzeln und Podien gepredigt wird.

Noch ist das Ganze ein Anfang, es ist keineswegs auszumachen, wohin die emergente Reise geht, aber ich habe da so einen Traum: Eine Gemeinde Jesu Christi, die nicht darüber diskutiert, sondern tut, was wir im Neuen Testament vorfinden:
Durch die Kraft, die er euch gibt, werdet ihr in der Lage sein, euch für mich vor allen Leuten in Jerusalem grade zu machen, und auch in Judäa, in Samarien und überall auf der ganzen Erde. (Apostelgeschichte 1, 8 nach der Volxbibel)
Wenn das auch durch Emergent Conversation, Emergent Church oder Emergent Wasauchimmer geschehen kann, dann möge sich der Emergent Virus schnellstens ausbreiten und die Ängste der Mietlinge zur Gewissheit werden.

Ein paar Links für Interessierte:

8 Kommentare:

Günter J. Matthia hat gesagt…

P.S.: Ich hatte oben "haugemeindliche" geschrieben statt "hausgemeindliche". Na ja, soll es ja auch geben, Haugemeinden.

Auf den Tippfehler hat mich B.D. per Mail aufmerksam gemacht. Achtung, B.D.: Meine Antwortmail ist unzustellbar, weil Dein Web-Postfach zu voll ist, meinte Dein Mailserver. Also mal ein wenig ausräumen...

Anonym hat gesagt…

Haugemeinden kenne ich auch. Da wird man verhauen, wenn man eine abweichende Meinung kundtut. Aber vielleicht kann der emergente Virus ja sogar aus Haugemeinden Baugemeinden machen...

Anonym hat gesagt…

@günter:
hab´aufgeräumt und aussortiert...
;-)

@markus:
immerhin haben die "Haugemeinden"
ja einiges ausgelöst...
;-)

Don Ralfo hat gesagt…

Was mach ich bloß? Meine Hauskirche IST eine solche "Haugemeinde"!
Darüber hatte ich mich schon hier beschwert:
http://donralfo.blogspot.com/2007/02/verfolgung-in-der-hauskirche.html
Gibt mir irgendjemand Kirchenasyl?

Don Ralfo hat gesagt…

Mist der Link war zu lang:
http://donralfo.blogspot.com/2007/02/
verfolgung-in-der-hauskirche.html

Günter J. Matthia hat gesagt…

so geht es mit dem link

das gute alte a href ist was feines...

Thomas-BDD hat gesagt…

Der Internetauftritt von Emergent scheint noch die Form deutlich über den Inhalt zu stellen, wie bei Web 2.0 fast immer bemerkbar. Günter, du bietest da ja eine sehr löbliche Ausnahme. Also ich, trotz meines Methusalem-Alters von 51 bin als user ziemlich web-erfahren, trotzdem gelang es mir nicht, geistliche Inhalte auf emergent zu finden. Es ging fast nur um Verfahrensfragen und um geplante Vorhaben. Die Terminologie läßt vermuten, dass es sich um eine Ansammlung von Kommunikatationswissenschaftern handelt. Begriffe wie "einbringen" oder gar "permanente kulturelle Kontextualisierung" erinnern mich an WG und Diskussionsrunde. Jedenfalls dürfte die Zielgruppe ziemlich klein sein, insofern braucht sich Herr Matthies keine Sorgen zu machen. Revolutionäre aller coleur waren immer eine ganz kleine, etwas abgehobene Gruppe, die meist erfolglos versuchten, die Masse in Bewegung zu setzen. Wirklich was erreicht haben meist die, die nach ihnen kamen. Ich habe sowieso das Gefühl, dass hier Politik eine Rolle spielt. Wenn Jim Wallis, der u.a. geistlicher Beistand von Bill Clinton ist und dessen sehr bemerkenswertes Buch "God's Politics: Why the Right Gets It Wrong and the Left Doesn't Get It" ich mit Gewinn gelesen habe, dabei ist, klingen bei Herrn Mathies und idea die Alarmglocken wegen "Gefahr von Links". Trotzdem mag ich idea sehr, lese das Heft jede Woche im Nu aus, und habe großen Gewinn daraus gezogen. Seine positive Wirkung auf die Entwicklung des Glaubenslebens im Osten kann kaum überschätzt werden. Da geniesse ich, wie du sehr gut gesagt hast, die Suppe ungeachtet des Haares darin. Vielleicht wird emergent ja auch noch zu einer Suppe, im Moment schmeckt es nach wenig.

Günter J. Matthia hat gesagt…

Hallo Thomas,

ich bin insofern mit Dir einer Meinung, dass die emergenten Lebenszeichen bisher auf mich arg theoretisch und geisteswissenschaftlich wirken. So irgendwie "nicht von dieser Welt", all das theologisieren und analysieren und so weiter.

Aber, das Ziel all der Theorie ist ja, soweit ich es verstehe, dass die Gemeinde, der Christ vor Ort ganz praktisch und völlig diesseitig für die Menschen ohne Gott zu einem glaubwürdigen und relevanten Überbringer des Evangeliums wird.

Und das löst meine Sympathie, Zustimmung und - wer weiß - nach all dem Theoretisieren möglicherweise Unterstützung aus.