Samstag, 3. Januar 2009

Barack Obama: Dreams from My Father

barack Selbst wenn der Autor nicht zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden wäre, hätte ich dieses Buch früher oder später gelesen. Es war der besten aller Ehefrauen aufgefallen und in den Warenkorb gesprungen, als Hillary Clinton noch die wahrscheinlichere Kandidatin war. 1995, als Barack Obama das Buch schrieb, war noch keine Rede davon, dass er das höchste Amt in seinem Land anzustreben würde. Daher kan man ein ehrliches Buch, das nicht mit Rücksicht auf den Wahlkampf irgend etwas weglässt oder hinzufügt, erwarten. Das Buch jedenfalls lag mit anderen noch zu lesenden Werken bereit.

Nun saß ich kurz vor Weihnachten mit vier sehr lieben Menschen in einem sehr grauenhaften Restaurant und wir unterhielten uns auch über Bücher. Zwei der anwesenden hatten das Buch bereits gelesen und erzählten ein wenig... - ich holte es noch vor Weihnachten aus dem Stapel nach weiter oben... - nun bin ich dank der Urlaubszeit recht zügig fertig geworden mit der Lektüre.

Barack Obama erzählt in diesem Buch sein Leben bis zur Hochzeit mit Michelle und rückt dabei so manches gerade, was sich an Vorstellungen über das Leben eines Farbigen in Amerika in meinen Vorstellungen angesammelt hatte. Er erzählt auch von den anderen Stationen seines Lebens, den Begegnungen mit Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen. Seine Sprache ist lebendig und ausdrucksstark, man merkt von den ersten Seiten an, dass hier ein hoch intelligenter Harvard-Absolvent am Werk war. Er flicht kleine Alltagsbegebenheiten mit Ereignissen der großen Politik zusammen, schildert Charaktere in ihrer Verschiedenheit ohne verurteilend zu werden, sucht immer wieder - auch und gerade beim eigenen Scheitern - nach dem Weg, der weiter führt, anstatt aufzugeben.

Mich hat neben der persönlichen und beruflichen Entwicklung Obamas auch interessiert, wie er seinen schwierigen Weg von einem vagen Vermuten, dass es einen Gott geben müsste, zu seiner Begegnung mit Jesus Christus in diesem Buch schildert. Auch dieser Aspekt seines Suchens und Findens wirkt auf mich ganz und gar ehrlich (womöglich waren seine Wahlkampfmanager nicht so glücklich mit diesen Passagen des Buches).

Sein soziales Engagement bringt Barack Obama zwangsläufig zur Zusammenarbeit mit Kirchen ganz verschiedener Prägung, denn in Amerika ist es noch so, dass sich die Gläubigen der christlichen Kirchen in erster Linie um die Nöte ihrer Mitmenschen kümmern, statt dies - wie bei uns - dem Staat zu überlassen. Obama schildert sich dabei als jemanden, der durchaus aufgeschlossen für die Christen ist, aber... - it seemed that I always argued too much with God. Gar nicht der schlechteste Ausgangspunkt, finde ich.

Je länger er mit Christen zu tun hat, desto mehr erlebt und begreift er, dass ihr Handeln, ihre Nächstenliebe, auf einer lebendigen Beziehung zu ihrem Gott gegründet ist und dass sie daraus die Kraft schöpfen, nie aufzugeben, obwohl es meist um die Nöte anderer geht (und nicht so sehr die eigenen). Obama beginnt zu spüren, dass ihm etwas fehlt. Und schließlich landet er in einem Gottesdienst, der zu einer Begegnung mit Gott wird, die mich sehr an eigenes Erleben vor vielen Jahren erinnert hat.

...I stuffed myself between a plump older woman who failed to scoot over and a young family of four, the father already sweating in his coarse woolen jacket, the mother telling the two young boys beside her to stop kicking each other.
"Where is God?" I overheard the toddler say.
"Shut up!" the older boy replied.
"Both of you settle down right now," the mother said.
...
Then the choir filed down the aisle...
I'm so glad, Jesus lifted me,
I'm so glad, Jesus lifted me,
I'm so glad, Jesus lifted me,
Singing Glory, Hallelujah, Jesus lifted me!

So beginnt der Bericht über diesen Gottesdienst. Und so endet er:

As the choir lifted back up into a song, as the congregation began to applaud those who were walking to the altar to accept Reverend Wright's call, I felt a light touch on the top of my hand. I looked down to see the older of the two boys sitting beside me, his face slightly apprehensive as he handed me a pocket tissue. Beside him, his mother glanced at me with a faint smile before turning back toward the altar. It was only as I thanked the boy that I felt the tears running down my cheeks.
"Oh Jesus," I heard the older woman beside me whisper softly. "Thank you for carrying us this far."

Die fünf Seiten, in denen Barack Obama diesen Gottesdienst, die Predigt und das, was in ihm geschieht, schildert, haben mich von den 440 Seiten am tiefsten berührt. Doch auch die übrigen 435 Seiten lohnen die Lektüre. Unbedingt.

Mein Fazit: Eine lesenswerte Autobiographie nicht nur für Menschen, die an Politik oder Rassenfragen interessiert sind, sondern schon aufgrund der sprachlichen und erzählerischen Fähigkeiten Barack Obamas ein Lesegenuss. Keine leichte Lektüre so nebenbei, aber um so lohnender, wenn man sich darauf einlässt.

Ach ja, meine treuen Leser wissen schon, was jetzt noch als Nachsatz kommt: Inwieweit die deutsche Übersetzung gelungen ist, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich das Original gelesen habe.