Dienstag, 8. Mai 2012

Chemotherapie – Tag 1 und 2

Die Behandlung begann gestern mit zwei Infusionen gegen Übelkeit um 14 Uhr, dann folgten zweieinhalb Stunden Infusion des eigentlichen chemischen Wirkstoffes. Die onkologische Praxis, in der ich behandelt werde, verfügt im Therapieraum über Sessel der Senioren-TV-Sorte, elektrisch verstellbar und gar nicht unbequem. Ich las und las und las auf meinem Kindle, während die Substanzen in meinen Körper gepumpt wurden, und merkte nur so nebenbei dass der rechte Arm, in dem der Zugang steckte, zunehmend weh tat.

Da ich mich für die Infusion-Tabletten-Variante entschieden habe, ist ein sogenannter Port, ein Kästchen unter der Haut, für meine Chemotherapie entbehrlich. Ich wollte nicht schon wieder eine Operation haben, auch wenn es nur darum gegangen wäre, das Kästchen in meinem Körper unterzubringen - dann lieber alle 3 Wochen eine Infusion in den linken oder rechten Arm, auch wenn sie mit (wohl vorübergehender) Pein verbunden ist.

Die Schmerzen wurden dann im Lauf des Abends schlimmer, bis ich es grundsätzlich vermeiden musste, den rechten Arm zu bewegen (was bei solchen Tätigkeiten wie Ausziehen, Waschen, Zähne putzen, Schlafanzug anziehen ... eine ziemlich unmögliche Angelegenheit ist). Auch die richtige Schlafhaltung zu finden, war so einfach nicht, und bei so manchen Bewegungen im Schlaf wurde ich in der Nacht dann auch schmerzhaft geweckt.

Ansonsten war mir aber gestern nach der Chemo-Infusion nur absonderlich zumute. Dass ich keine einigermaßen treffenden Worte finde, einen Zustand oder ein Empfinden zu beschreiben, mag manchem meiner Leser merkwürdig vorkommen. Na dann, lieber Leser, merke es dir. Ich fühlte mich nicht so ganz in meinem Körper und auch nicht ganz draußen - irgendwie nicht ganz da und doch nicht fort ... eben unbeschreiblich, weil nie zuvor erlebt.

Heute Morgen bemerkte ich dann mit ziemlichem Entsetzen, wie stark die (von den Ärzten vorausgesagte) Kälteempfindlichkeit über Nacht angewachsen ist. Es war mir nicht möglich, mit bloßen Händen Käse, Wurst, Saftflasche und anderes aus dem Kühlschrank zu nehmen. Eine kurze Berührung war (und ist) unangenehm, ein Festhalten wird sehr schmerzhaft, und wenn es nur vom Kühlschrank zur Arbeitsfläche gleich daneben ist. Na ja - mit einem Handtuch oder Geschirrtuch zwischen Gegenstand und Hand geht es dann doch.

Es sind nicht nur die Hände, wie ich schnell festgestellt habe. Ein Glas Wasser mit Zimmertemperatur fühlt sich beim Trinken wie Eiswasser an, ein Joghurt direkt aus dem Kühlschrank schmerzt beim Schlucken, weil viel zu kalt ... und von dem nun wirklich nicht künstlich gekühlten Toilettensitz und meinem Hautkontakt bei gewissen Verrichtungen wollen wir hier lieber schweigen.

Dass dieser Nervenschaden (aus der Infusion stammend) so schnell und so intensiv auftritt, hatte ich nicht erwartet. Tröstlich: Spätestens 12 Monate nach der Behandlung sollen angeblich die geschädigten Nerven wieder normal reagieren und ein normales Temperaturempfinden möglich sein. Ich hoffe ja, dass es so lange nicht dauert und schlimmer nicht wird.

Seit etwa einer Stunde ist der Schmerz im Arm fast völlig verschwunden – eine willkommene Wohltat. Wenn es jeweils nur 24 Stunden wehtut, meinetwegen. Ein Indianer kennt keinen … ja ja, ich bin kein Indianer, aber trotzdem!

Die Tabletten (morgens genommen) blieben bisher ohne spürbare böse Nebenwirkungen, ein leichtes Schwindelgefühl begleitet mich durch den Tag, aber damit kann ich gut zurecht kommen. Keine Übelkeit, kein Durchfall, kein Erbrechen und bisher Gott sei Dank auch kein Hand-Fuß-Syndrom. Zwar liegen die (stärkere) abendliche Dosis und weitere zwei Wochen Tabletteneinnahme noch vor mir, und keiner weiß, was kommt, aber am ersten Nachmittag der Behandlung bin ich zumindest recht zufrieden mit meinem Befinden. Weiter als drei Wochen mag ich jetzt sowieso gar nicht denken. Wer will schon etwas von sechs Monaten hören?

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