Sonntag, 1. April 2012

Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus /// Teil 2

25. März 2012, 11 Uhr

imageChronologisch aufschreiben, wie alles kam und verlief … für heute scheint mir das noch zu anstrengend. Statt dessen notiere ich ein paar herausragende Empfindungen, besondere Momente, wertvolle Dinge, die ich nicht vergessen möchte, wenn ich irgendwann wieder zu Hause sein werde.

  • Der tägliche Besuch von Eva, so traurig und entkräftet sie auch aussieht, gibt mir Kraft und Mut und Entschlossenheit: Ich will durchhalten. Vor allem in den Tagen vor der Operation waren diese Stunden mit ihr an meinem Bett unschätzbar wertvoll, um nicht zu verzweifeln. Ich hätte ihr gerne mehr erzählen wollen, fragen wollen, reden wollen, aber alle paar Minuten fielen meine Augen zu … sie war trotzdem da, hielt meine Hand, und Liebe strömte in mich hinein.
  • Besuche von Teresa und meinen Söhnen, Sam auch mit Tanja und einmal sogar den Enkeln - Vico hat es bis an mein Bett auf der Intensivstation geschafft, weil die Schwester gerade abgelenkt war. Niki durfte dann leider nicht mehr herein, schade, aber Tanja hat Videobotschafterin zwischen ihm und mir gespielt … immerhin. Sam nimmt Eva und mir auch eine wichtige Arbeit ab, die termingebunden ist, das ist mir eine gewaltige innere Entlastung, diese Sorge los zu sein. Wichtiger noch als diese ganz praktische Entlastung: Ich sehe all diejenigen, für die es sich weiter zu kämpfen und weiter zu leben lohnt. Ich bin nicht allein, da gibt es eine Familie, die ich liebe und die mich liebt.
  • Die Besuche meines Freundes und Pastors Martin, der zuhört, keine theologischen Patentrezepte aus der Tasche zieht, zugibt, dass er Gottes Handeln oder Nichthandeln nicht verstehen kann. Der für mich am Bett betet - selbst kann ich nicht glauben oder beten, sondern nur hoffen und gegen die Mutlosigkeit kämpfen. Es tut trotzdem ungeheuer gut, dass Martin für mich an höchster Stelle vorspricht, samt der ganzen Gemeinde bei den sonntäglichen Gottesdiensten.
  • Der Besuch meines Freundes Harald. Ich darf endlich weinen, meine Sorge um Eva, die immer erschöpfter und trauriger wirkt, obwohl sie versucht, mir Mut zu machen, aussprechen und ich darf schwach sein, weinen, weinen. Mein Freund ist da und er versteht. Und er erinnert mich, dass der emergente Jesus nicht weniger Kraft hat als der charismatische Jesus. Womöglich sogar viel mehr Kraft, weil nämlich die ausbleibenden falschen Hoffnungen und Versprechungen vor tiefen und großen Enttäuschungen schützen und das angestrengte, qualvolle „ich muss mehr glauben!“ wegfällt.
  • Die vielen, wirklich vielen E-Mails und Facebook-Nachrichten, die Eva mir täglich ausgedruckt mitbringt, zeigen mir, wie viele Menschen hinter uns stehen und mit uns leiden und uns mit allen Mitteln, die sie haben, unterstützen. Ich lese die Seiten, wenn Evas Besuch vorüber ist und oft genug fließen die Tränen der Dankbarkeit über so viel Anteilnahme. Ich bin vor allem auch für Eva froh, dass ihr Mut gemacht wird. Ich freue mich über Menschen, die nicht gläubig in irgend einer typisch christlichen Weise sind, und die für mich und uns „zum Universum“ oder wohin auch immer beten - das ist so kostbar! Oder die Daumen drücken, bis sie platt sind - danke!
    Ich lese die vielen Seiten mehrmals. Und schöpfe Kraft und Hoffnung. Und meine Dankbarkeit wächst.

.