Samstag, 22. Februar 2014

Fünf Einführungen

Manche meiner Blogbesucher wissen, dass ich in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen als Moderator durch die Gottesdienste unserer kleinen und von mir hochgeschätzten Kirchengemeinde führe. Hier folgen fünf von inzwischen vielen Einführungen aus den letzten Monaten – einschließlich der von morgen früh. Welche das ist, verrate ich aber nicht.

Einführung 1

Guten Morgen und herzlich willkommen zu unserem Gottesdienst.

Unsere Konsum- und Marktwirtschaft beruht auf der Idee, dass man Glück kaufen kann, wie man alles kaufen kann. Und wenn man kein Geld bezahlen muss für etwas, dann kann es einen auch nicht glücklich machen. Dass Glück aber etwas ganz anderes ist, was nur aus der eigenen Anstrengung, aus dem Innern kommt und überhaupt kein Geld kostet, dass Glück das »Billigste« ist, was es auf der Welt gibt, das ist den Menschen noch nicht aufgegangen.

Das sagte Erich Fromm, der berühmte Psychoanalytiker, in seinem letzten Interview 1980. Nun darf man auch solch prominenten Menschen widersprechen, wo es geboten ist. Ich bin nicht davon überzeugt, dass Glück nur aus eigener Anstrengung zu erreichen ist, sondern ich glaube und weiß aus Erfahrung, dass Gott dabei eine wichtige Rolle spielt. Ansonsten aber hat Herr Fromm durchaus den Nagel auf den Kopf getroffen. Glücklich sein – dafür muss man kein Geld ausgeben.

Wir werden heute in der Predigt von jemandem hören, der sehr reich und noch dazu mit bedeutender Weisheit ausgestattet war. Ein Mann, der in seiner Gesellschaft einen Spitzenplatz einnahm, sich alles leisten und erlauben konnte, was er wollte, und der zurückschauend dann sein Leben eine »leidige Plage« nannte.

Der Autor George Bernard Shaw hat die Sache mit dem Glücklichsein einmal so auf den Punkt gebracht:

Es ist nicht schwer, Menschen zu finden, die mit 60 zehnmal so reich sind, als sie es mit 20 waren. Aber nicht einer von ihnen behauptet, er sei zehnmal so glücklich.

Ich wünsche uns allen, dass wir bei diesem Gottesdienst demjenigen begegnen, der unserem Leben eine Grundlage geben kann, auf der Glück wirklich unabhängig von äußeren Gegebenheiten möglich und erlebbar wird.

Einführung 2

Guten Morgen und herzlich willkommen zu unserem Gottesdienst.

Ich gebe es zu. Ich war versucht, an dieser Stelle ein Adventsgedicht vorzutragen. Das hätte so angefangen:

Es naut die Blacht – Verzeihung.

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneeflöcklein leis herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner weißer Zipfel.

Aber nein. Anstelle eines Adventsgedichtes oder der dreihundertvierzigsten Aufklärung darüber, dass Advent etwas mit Ankunft zu tun hat, stellt euch einmal vor, ihr wäret ein junger Mann. Auch die anwesenden Damen, gleich welchen Alters. Sagen wir er wäre 25 Jahre alt.

Also du bist jetzt ein junger Mann, sitzt hier im Gottesdienst und bist mit den Gedanken nicht ganz dabei. Deine Frau ist nämlich hochschwanger, sie liegt zu Hause auf dem Sofa und es kann jeden Moment so weit sein, dass die Wehen einsetzen. Darum liegt das Telefon griffbereit neben deiner Frau auf dem Couchtisch und du, hier im Gottesdienst, hast dein Mobiltelefon in der Tasche und rechnest jeden Augenblick mit dem Anruf deiner Frau: »Schatz, es ist so weit!«

So. Und das ist auch die einzige Konstellation, bei der es einen Grund gibt, das Telefon während des Gottesdienstes eingeschaltet zu lassen. Alle anderen, deren Frau nicht hochschwanger zu Hause auf dem Sofa liegt, dürfen jetzt noch einmal nachsehen, ob ihr Gerät nicht versehentlich doch noch eingeschaltet ist. Dankeschön.

Unser imaginärer junger Mann hat übrigens so einiges vorbereitet. Ein Kinderzimmer hergerichtet mit Babybett und Wickelkommode, es stehen mehrere Kartons mit Windeln bereit, Kleidung für das Ungeborene wurde eingekauft. So eine Geburt kommt ja in der Regel nicht völlig überraschend und auf manche Dinge im Leben bereitet man sich sorgfältig vor.

Warum es manchmal so wichtig ist, sich gut vorzubereiten, nicht auf eine Geburt, sondern auf eine Hochzeit, darüber hören wir in der Predigt nachher einiges.

Einführung 3

Guten Morgen und herzlich willkommen zu unserem Gottesdienst.

Foto: http://a.rgbimg.com/cache1vKUtQ/users/j/jw/jwgeertsma/600/oocCYJE.jpgWenn ihr jetzt dieses Glas betrachtet, könnte der eine oder die andere auf die Idee kommen, dass es wieder mal um die Frage geht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Aber nein, damit wollen wir uns heute nicht beschäftigen. Es ist übrigens halb voll.

Wenn ich dieses Glas in die Hand nehme, weil ich meinen Durst stillen möchte, passiert mit mir nichts weiter. Das Anheben und Hochhalten des Trinkgefäßes hat keine Auswirkungen. Ich kann es auch etwas heben, etwas senken, weiter nach links oder rechts bewegen.

Wenn ich nun aber eine halbe Stunde lang dieses Glas hochhalten würde, dann wären gewisse Auswirkungen sicher unvermeidbar. Meine Muskeln würden müde werden. Die Folgen wären sicher noch eine ganze Weile spürbar.

Hielte ich das Glas den ganzen Gottesdienst hindurch so in der Hand empor, dann bin ich ziemlich sicher, dass ich auch morgen noch die Folgen spüren würde, womöglich sogar mehrere Tage. Dabei hätte das Glas sein Gewicht überhaupt nicht verändert, es wäre nach zwei oder vier oder acht Stunden immer noch so leicht wie jetzt.

So ähnlich verhält es sich mit unseren Sorgen und unserer Seele oder unserem Geist. Wenn uns ein sorgenvoller Gedanke bewegt, passiert erst einmal nichts von größerer Bedeutung. Das hat keine dauerhaften Auswirkungen.

Wenn wir aber stundenlang über die Sorgen und Probleme in unserem Leben brüten und grübeln, uns ausgiebig ausmalen, wie schlimm und wie böse es kommen könnte, wenn wir die Sorge festhalten und festhalten und festhalten, immer wieder betrachten, herumdrehen, erneut betrachten … dann wird das nicht ohne Auswirkungen auf unser Leben und unser Befinden bleiben. Dann wird das unserer Seele, unserem Geist weh tun.

Der Apostel Petrus fordert im ersten uns überlieferten Brief seine Leser auf: »Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.«

Wenn man in einer schwierigen oder gar bedrohlichen Situation ist, dann möchte man antworten: Leicht gesagt, lieber Petrus. Wir können negative Gedanken, Furcht und Sorgen nicht einfach per Knopfdruck ausschalten, so wie ich einfach das Glas hier abstellen kann. Das geht oft nicht. Aber glaubt mir: Es kann gelingen, das Sorgenmachen einzugrenzen, abzugrenzen und auszugrenzen. Das ist etwas, was wir bewusst tun können.

Um es mal persönlich auszudrücken: Ich weiß um die Tatsache, dass jederzeit irgendwo in meinem Körper neue Metastasen entstehen können. Aber ich habe mich entschieden, nicht ständig darüber zu grübeln, mir dauernd Sorgen zu machen. Dass solche Gedanken auftauchen, kann ich nicht verhindern und sie sind ja durchaus berechtigt. Aber da ich nicht mehr für mein Gesundbleiben tun kann als ich tue, liegt der Rest in Gottes Händen. Und mit diesem Gedanken kann ich dann meist die bedrohlichen Überlegungen und Sorgen loslassen und loswerden.

Ich wünsche uns allen, dass auch dieser Gottesdienst eine Gelegenheit wird, Sorgen und Nöte und Befürchtungen nicht zu leugnen, sondern abzugeben und Mut und Trost von demjenigen zu empfangen, der unser Heiland und Retter ist.

Einführung 4

Guten Morgen, und herzlich willkommen zum Gottesdienst.

Wisst ihr, was wirklich peinlich ist? Wenn mitten in der Predigt oder während der Gebetszeit oder auch beim andächtigen Gesang ein mehr oder weniger geschmackvoller Klingelton aus deiner Handtasche oder deinem Jackett laut wird.

Daher empfehle ich euch, falls ihr zu den Mobiltelefonbesitzern zählt, euch jetzt zu vergewissern, dass das Gerät ausgeschaltet oder zumindest stummgeschaltet ist.

Es mindert nämlich nicht die Peinlichkeit, sich nach der Störung des Gottesdienstes durch das Klingeln Gründe zurechtzulegen, warum das Telefon unbedingt eingeschaltet sein musste oder welche Umstände daran Schuld sind, dass es mitten im Gottesdienst Lärm machen musste.

Wir Menschen sind ja recht schnell dabei, Entschuldigungen und Ausflüchte zu suchen. Der Preußenkönig Friedrich II., in späteren Lebensjahren auch der „Alte Fritz” genannt, war beim Volk für seine Gerechtigkeit beliebt. Einmal, so wird erzählt, besuchte der Alte Fritz ein Gefängnis. Zu seinem Erstaunen musste er bei den Gesprächen mit den Gefangenen feststellen, dass alle unschuldig waren. Jeder hatte eine Ausrede parat.

Schließlich traf er auf einen Mann, der den Kopf hängen ließ und sich selbst einen Schuft nannte. Ungeschminkt berichtete er, wie er auf die schiefe Bahn gekommen war.

Der Preußenkönig sagte zu dem Gefangenen: „Du bist hier der einzige Lump unter lauten anständigen Leuten. Scher dich fort, damit die anderen nicht durch dich verdorben werden!”

Dieser Mann bekam die Freiheit geschenkt, weil er seine Schuld erkannte und bekannte.

Wenn wir unsere Lebensschuld vor der höchsten Majestät zugeben, gewährt auch er uns Vergebung und Befreiung. Es heißt in der Bibel: Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und uns von aller Ungerechtigkeit reinigt.

So ein Gottesdienst bietet Gelegenheit für vieles, für das Lob Gottes durch Lieder zum Beispiel. Wir werden auch eine Predigt hören und dabei mit- und nachdenken können, wie es wäre, unsere Stadt mit den Augen Jesu zu sehen. Und es kann auch jeder im stillen Gebet dem himmlischen Vater Sünde bekennen – in der frohen Gewissheit, dass Vergebung und Befreiung von Schuld in greifbarer Nähe sind.

Einführung 5

Guten Morgen, und herzlich willkommen zum Gottesdienst.

In unserer Straße gibt es ein Haus, das bunt geschmückt ist mit tibetanischen Fähnchen, Wimpeln und Ornamenten, auch ein etwas beleibter Buddha im Garten, aus Stein natürlich, nicht lebendig, ist im Vorgarten zu sehen.

Am Gartenzaun ist ein Metallschild mit einem QR-Code aufgestellt. Neulich hatte ich, als wir an dem Haus vorbei gingen, mein schlaues Mobiltelefon griffbereit und da ich eine QR-Code-Anwendung installiert habe, konnte ich endlich mal herausfinden, was das Metallschildchen eigentlich sagen will, wenn man über die geeignete Ausrüstung zum Entschlüsseln verfügt. Also richtete ich das Kameraauge meines Telefons auf das Schild, drückte auf dem Bildschirm »Scannen« und konnte dann sofort die Botschaft lesen:

For one minute please, stand here in silence and look at the sky, and contemplate, how awesome life is.

Eine Aufforderung also, wenigstens einen Augenblick zur Ruhe und zur Besinnung zu kommen, sich darüber Gedanken zu machen, wie großartig und eindrucksvoll das Leben ist.

Man muss ja keinen Buddha im Garten haben – es tut uns allen immer wieder gut, innezuhalten und uns zu erinnern, dass das Leben – trotz aller Widrigkeiten, die uns begegnen, trotz aller Durststrecken, die wir durchwandern, trotz Krankheit, Not, Armut oder anderen Qualen doch mehr ist, als wir gerade in Schwierigkeiten zu erkennen in der Lage sind.

Manchmal hilft so ein Blechschild mit einem QR-Code, sich daran zu erinnern. Es kann aber auch ein Gottesdienst sein. Wie wäre es mit dem heutigen zum Beispiel für dich und mich? Es ist nämlich, davon bin ich überzeugt, kein Zufall, dass unser Leben großartig und beeindruckend ist, wenn wir nur genau hinschauen. Ich glaube, da steckt jemand dahinter!

In der Schriftlesung, die wir nachher hören, erinnert Mose das Volk: Der Herr, euer Gott, geht doch vor euch her. Er wird für euch kämpfen, wie er es schon in Ägypten vor euren Augen getan hat. Ihr habt erlebt, wie der Herr, euer Gott, euch den ganzen langen Weg durch die Wüste bis hierher getragen hat, wie ein Vater sein Kind trägt.

Ich wünsche mir und uns allen, dass uns das heute ganz neu bewusst wird, dass der Herr, unser Gott nicht fern von uns ist, sondern bei uns, gerade und vor allem auch dann, wenn wir ihn vor lauter Sorge oder Not oder Angst einmal aus den Augen verlieren.

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P.S.: Wer nun unbedingt wissen will, welche Einführung die vom 23.02.2014 sein wird, ist genötigt, morgen um 10:30 zum Gottesdienst der Johannes-Gemeinde in der Wrangelstraße 6 in 12165 Berlin zu erscheinen.

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