Dienstag, 3. April 2012

Aufzeichnungen aus dem Krankenhaus /// Teil 4

Auch heute vor dem Text aus dem Krankenhaus ein paar aktuelle Worte: Es sind für die meisten Menschen unbedeutende Kleinigkeiten, aber für mich Grund zur Dankbarkeit und zum Staunen:

  • Ich kann eine Mahlzeit zu mir nehmen, ohne dass mich schon während des Essens ein anschließend stundenlang andauernder Schluckauf befällt.
  • Gestern brauchte ich nur noch zwei Novaminsulfon Tabletten (Schmerzmittel), um die Reduzierung der mittäglichen Morphin-Dosis (Opiat) abzufedern. Bisher waren es 4 oder 6 gewesen.
  • Ich kann wieder auf der linken Seite liegen, ohne dass Schmerzen und Übelkeit die Folge sind.

Kleinigkeiten? Möglich, aber für mich bemerkenswerte Fortschritte.

Nun also die nächste Dosis dessen, was ich mir zum niemals vergessen im Krankenhaus notiert habe. Für mich in erster Linie, und natürlich ist jeder, den es interessiert, eingeladen. Hier beginnt dann auch so etwas wie eine chronologische Ordnung der ganzen Krankheit.

30. März 2012, 7:25

imageDie Umstellung von der Schmerzmittelpumpe auf Tabletten könne etwas holperig verlaufen, hatte man mir angekündigt. Na ja. Am Mittwoch war das Gerät morgens leergelaufen und dann abgeschaltet worden, so gegen 7 Uhr. Um 6 Uhr hatte ich bereits Morphin in Tablettenform erhalten, um 8 Uhr bekam ich Novalgin flüssig dazu – und gegen 13 Uhr wüteten die Schmerzen so bösartig in meinem Bauch, dass mich Schüttelfrost und Krämpfe überfielen. Der Zustand besserte sich dann ein wenig, in Nuancen, als via Infusion weiteres Novalgin zugeführt wurde. Erst am Abend, weil es wirklich keine wesentlichen Fortschritte gab, entschlossen sich die Ärzte, die Dosis auf 3 x 20 mg Morphin heraufzusetzen, die 22 Uhr Gabe waren schon 20 mg. Doch war es in der Nacht gegen 1 Uhr wieder so schlimm, alle Novalgin und sonstigen Beigaben halfen nicht, dass eine erfahrene Schwester mir Paracetamol an die Infusion hängte. Und siehe da: Binnen zwanzig Minuten war ich endlich soweit schmerzfrei, dass ich an Schlaf denken konnte.

Am Donnerstag bewährte sich die Dosierung 3 x 20 mg Morphin, am Morgen war noch eine Infusion mit Paracetamol notwendig, dann kam ich mit dem Morphin aus. Ich bekam zwar Tropfen (Novalgin) ans Bett gestellt für zwischendurch, aber die konnte ich stehen lassen.

Und heute, am Freitag, nach einer Nacht ungestörten Schlafes, ohne Übelkeit aufgewacht, bisher auch ohne quälenden Schluckauf, kann ich mir ernsthaft vorstellen, zu Hause besser aufgehoben zu sein als hier. Zum ersten Mal seit dem 15. März, als ich nachts mit dem Notarztwagen hier eingeliefert wurde.

Am 14. März war ich morgens ganz normal aufgestanden, um mich für den Tag im Büro fertig zu machen. In den Tagen zuvor hatte ich hin und wieder Schmerzen und Übelkeit verspürt, es kam wieder zu häufigem Schluckauf und Aufstoßen – alles Symptome, die mich Anfang Februar schon einmal zum Arzt, in ein anderes Krankenhaus und zu der Diagnose Divertikulitis gebracht hatten. Nur war es jetzt nicht so schlimm wie im Februar. Ich stand also auf, ging in die Küche, um der Kaffeemaschine meinen Wunsch nach Café Latte kundzutun, und dann ins Bad, wo die Zeit gerade noch reichte, den Klodeckel hochzuklappen, bevor sich das gestrige Abendessen kaum verdaut aus dem Magen ergoss. Ich war ziemlich überrascht, weil keine Übelkeit vorangegangen war – die kam nach dem Erbrechen und blieb. Ich rief im Büro an, dass ich eher zum Arzt als zur Arbeit fahren würde und legte mich wieder hin, mit zunehmender Übelkeit. Zweimaliges Erbrechen in den Stunden vor der Praxisöffnung brachte wenig Mageninhalt zum Vorschein, aber doch gewisse Erleichterung, was die Übelkeit betraf.

Die Ärztin, die schon im Februar auf die (wie ich jetzt weiß) Fehldiagnose Divertikulitis hereingefallen war, erklärte mir, ich habe wohl einen Magen-Darm-Virus, solle aber, falls es nicht besser würde, umgehend ein Krankenhaus aufsuchen.

 

30. März 2012, 11:45 Uhr

Das geschah dann am 15. März in den Abendstunden mit Notarztwagen, Blaulicht und neugierigen Nachbarn an den Fenstern und vor der Türe. Die Papiere von der Februar-Behandlung aus dem Bethel-Krankenhaus nahm ich mit.

Es war schon am nächsten Tag ziemlich klar, was ich nicht hatte: Eine Divertikulitis. Einer der zahlreichen Fachärzte knurrte etwas ungehalten vor sich hin: „Mit einem Ultraschall diagnostiziert man überhaupt nichts. Niemals.“

Erleichterung gegen die ständige Übelkeit brachte die Magensonde, so unangenehm die Minuten des Einführens durch die Nase auch waren. „Glauben Sie mir, das, was Sie womöglich in den nächsten Tagen über den Magen abführen, möchten Sie nicht im Mund haben. Da ist die Magensonde das kleinere Übel“, erklärte mir eine Chirurgin. Heute weiß ich: Sie hatte recht. Die Magensonde wurde meine Freundin in den folgenden Tagen und Nächten.

Nach zwei Tagen Untersuchungen durch alle in Frage kommenden Fachrichtungen wurde ich dann am 17. März auf die Chirurgie verlegt. Mehrere Röntgenuntersuchungen sowie all die Blut- Urin- und sonstigen Proben (Stuhlproben gab es nicht, seit dem 12. März hatte ich keinen Stuhlgang) ließen an der Diagnose Darmverschluss keine Zweifel mehr zu. Wie gefährlich die Lage war, zeigte sich aber erst bei der Computertomographie am Nachmittag des 17. März. Man brachte mich zurück auf mein Zimmer, und kaum dass die Ergebnisse vorlagen, wurde eine sofortige Verlegung auf die Intensivstation vorbereitet. Ich konnte gerade noch der besten aller Ehefrauen mitteilen, dass sie mich am nächsten Tag dort finden würde, da ging es auch schon los: Das Pflegepersonal sammelte meinen persönlichen Besitz ein, um ihn wegzuschließen und ich wurde abtransportiert. Allerdings zuerst zur Endoskopieabteilung, auf dem Weg versuchte mir der Arzt, der persönlich mein Bett schob, weil das Warten auf die Transportkräfte zu lange gedauert hätte, zu erklären, was er vorhatte und versuchen wollte.

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