Jesus tat, was er den Vater tun sah, lehrte, was er vom Vater hörte. Als Philippus ihn bat, dass er doch den Jüngern den Vater zeigen sollte, antwortete Jesus:
Glaubst du nicht, dass ich in dem Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, rede ich nicht von mir selbst; der Vater aber, der in mir bleibt, tut seine Werke. (Johannes 14, 10)
Hat das irgend etwas mit uns zu tun? Vielleicht ja, denn welcher Christ wollte nicht irgendwie mehr vom Vater sehen, wie Philippus? Jesus fuhr fort:
Glaubt mir, dass ich in dem Vater bin und der Vater in mir ist; wenn aber nicht, so glaubt um der Werke selbst willen! (Johannes 14, 11)
Jesus geizte nicht mit Zeichen und Wundern. Sie waren alltäglich in seinem Leben und gehörten zu seinem Dienst. Ob er nun die Naturgewalten bedrohte oder Kranke heilte, dem Gastgeber einer Hochzeit durch Qualitätswein aus der Verlegenheit half oder einen toten Freund auferweckte; das Übernatürliche war für ihn etwas ganz Natürliches.
Nun mag mancher meinen: »Das war ja auch der Sohn Gottes, wir können uns doch kaum daran orientieren, was Jesus getan hat. Unsere menschlichen Möglichen sind eben beschränkt...«
Das würde vielleicht gelten, wenn Jesus nicht im gleichen Atemzug gesagt hätte:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer an mich glaubt, der wird auch die Werke tun, die ich tue, und wird größere als diese tun, weil ich zum Vater gehe. (Johannes 14, 12)
Jesus stellte mit diesen drei zitierten Sätzen einen unmittelbaren Zusammenhang her: Er und der Vater waren eins, der Vater in ihm, er im Vater, und das
zeigte sich anhand der Werke, die er tat – die der Vater durch ihn tat. Nun gut. Der Sohn Gottes eben. Die Ungerheuerlichkeit jedoch ist: Diejenigen, die an ihn glauben, werden zumindest die gleichen Werke tun,
im Normalfall jedoch noch größere. Weil Jesus inzwischen zum Vater gegangen ist.
Tun wir das? Wenn ja – prima. Wenn nein – warum eigentlich nicht? Weil Jesus sich geirrt hat? Weil er nur die erste Generation der Jünger gemeint hat? Weil es heute nicht mehr notwendig ist, dass wir tun, was er tat? Weil unvorhergesehene Entwicklungen im Himmel zu einer Änderung des göttlichen Willens geführt haben? Weil...
Könnte es sein, dass wir nicht in ihm sind, er nicht in uns, so wie er es gemeint und vorgelebt hat? Zwar errettet, wiedergeboren, gläubig, treu, eifrig für den Glauben – allemal und unbestritten! Aber doch mit einem Manko, das uns gar nicht mehr bewusst wird, weil wir uns so daran gewöhnt haben. Möglicherweise haben wir, wie schon Generationen vor uns, etwas missverstanden, einschließlich derjenigen, die Wunder und Zeichen heute noch erwarten.
Jesus hat Wunder getan. Die ersten Christen haben Wunder getan. Es gehörte einfach dazu. Aber war das der Kern ihres Dienstes? War es der Sinn und Inhalt ihres Lebens? Waren übernatürliche Werke das Ziel ihres Glaubens?
Jesus tat, was er den Vater tun sah. Der Vater wirkte durch Jesus. Es ging Jesus aber
nicht um Zuschauerzahlen. Es ging ihm
nicht um Reklame für seinen Club. Es ging ihm
nicht darum, populär zu sein. Es ging ihm auch
nicht darum, seine theologische Überzeugung zu beweisen und die Kritiker blass aussehen zu lassen.
Er hatte keinerlei Ambitionen, durch Werke oder Worte den Beweis anzutreten, dass er wirklich der Messias war. Zwar sagte er zu Philippus, dass die Jünger
wenigstens wegen seiner Werke an ihn glauben sollten, aber es ging ihm nie um die Wunder, nie um die Zeichen an und für sich. Er weigerte sich, die Wundersucht der Massen zu befriedigen. Er lehnte es ab, auf Wunsch und zum Beweis für seine Sendung als Messias irgend etwas zu tun. Zwei Beispiele:
Dann antworteten ihm einige der Schriftgelehrten und Pharisäer und sprachen: »Lehrer, wir möchten ein Zeichen von dir sehen!« Er aber antwortete und sprach zu ihnen: »Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden als nur das Zeichen Jonas, des Propheten.« (Matthäus 12, 38-39)
Und die Pharisäer kamen heraus und fingen an, mit ihm zu streiten, indem sie von ihm ein Zeichen vom Himmel begehrten, um ihn zu versuchen. Und er seufzte auf in seinem Geist und spricht: »Was begehrt dieses Geschlecht ein Zeichen? Wahrlich, ich sage euch: Nimmermehr wird diesem Geschlecht ein Zeichen gegeben werden!« Und er ließ sie stehen, stieg wieder ein und fuhr an das jenseitige Ufer. (Markus 8, 11-12)
Jesus ging es nicht um die Wunder der Wunder wegen. Er wurde, zumindest von der religiösen Obrigkeit, oft genug gerade
wegen der Zeichen angegriffen. Aber Jesus heilte trotzdem auch am Sabbat und antwortete auf Kritik:
Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke. (Johannes 5, 17)
Auch bei dieser Gelegenheit bestätigte er, dass er und der Vater eins waren. Dass der Vater in ihm war, dass er im Vater war. Als sich die Schriftgelehrten und Pharisäer darüber aufregten, erklärte er ihnen:
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selbst tun, außer was er den Vater tun sieht; denn was der tut, das tut ebenso auch der Sohn. Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er selbst tut; und er wird ihm größere Werke als diese zeigen, damit ihr euch wundert. (Johannes 5, 19-20)
Wie ist das bei uns? Zeigt uns Gott alles, was er selbst tut, weil er uns liebt? Zeigt uns Jesus noch größere Werke, die wir dann ausführen?
Vielleicht haben wir etwas übersehen: Die Zeichen und Wunder, die Jesus getan hat, die für seine Jünger (auch uns heute) den oben zitierten Worten gemäß der Normalfall sein sollten, geschahen aus Liebe. Gott liebt die Menschen, so sehr, dass er sein Kostbarstes geopfert hat. Gott will weder Krankheit noch Not.
Jesus stillte den Sturm, sättigte mit ein paar Broten und Fischen Tausende, verwandelte Wasser zu Wein, um jeweils einer Not abzuhelfen - aus Liebe zu den Notleidenden. Er heilte Kranke und
weckte Tote auf, aus Liebe zu den Betroffenen und Hinterbliebenen. Weil die Liebe Gottes zu den Menschen in ihm lebendig war.
Vielleicht werden wir Wunder tun, sobald wir damit
weder unsere lokale Gemeinde, noch uns selbst, noch das Christentum an und für sich fördern wollen. Sobald in uns die Liebe Gottes zu den Menschen so lebendig wird wie in Jesus. Eine Liebe, die nicht verurteilt, nicht nach Schuld sucht, sondern eine Menge Sünden zudeckt und ausschließlich das Beste für den Menschen will. Für den Mitchristen genauso wie für den Moslem, für den Einflussreichen genauso wie für den Habenichts.