Steter Tropfen, das wissen wir alle, höhlt den Stein. Und doch handeln wir oft so, als käme es auf unbedeutend Scheinendes nicht an, obwohl die steten Tropfen ein immer größeres Loch im felsenfesten Grund entstehen lassen.
Dass vor allem in den »zivilisierten« Ländern der westlichen Welt eine bestürzende Zunahme von Krebserkrankungen festzustellen ist, halte ich nicht für Zufall oder gar die Strafe einer erzürnten Gottheit. Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir es mit einer selbst angerichteten Entwicklung zu tun haben, dass die vielen steten Tropfen inzwischen eine Höhlung gegraben haben, die deutlich sichtbar ist. Auch ich habe die Tropfen jahrzehntelang unbeachtet gelassen, mein Um- beziehungsweise Nachdenken begann erst vor ein paar Jahren und auf manche Tropfen wurde ich erst nach und nach aufmerksam.
Als mich zu Beginn der Chemotherapie im Frühjahr 2012 die mich betreuende Ärztin in der Rehabilitationsklinik fragte, ob ich denn bereit sei, zukünftig meinem Körper zu helfen, Krebszellen abzuwehren, habe ich natürlich bejahend geantwortet. Da hatte ich viele der Tropfen bereits abgestellt – allerdings wie gesagt nach vielen vielen Jahren der Unwissenheit oder Ignoranz.
Wer würde seinen Körper nicht schützen und bewahren wollen – ob nun gegen Krebs oder andere schwere Erkrankungen? Sie, geschätzter Leser dieser Zeilen, wollen doch sicher Ihr Immunsystem nach Kräften beim Kampf gegen Angriffe auf die Gesundheit unterstützen.
Das Fatale ist, dass jeder Tropfen für sich allein betrachtet harmlos ist. Es sind Summierung und Stetigkeit, die zum tödlichen Risiko führen können. Und solange wir gar nicht wissen, wo die schleichende Schwächung unserer Abwehrkräfte stattfindet, können wir nicht aktiv werden. Ich will hier daher einige der steten Tropfen beim Namen nennen, die ich über Jahrzehnte auf den vermeintlich unzerstörbaren Grund habe fallen lassen. Vielleicht finden Sie sich ja bei der Lektüre an der einen oder anderen Stelle wieder?
Tropfen Nummer 1: E 150 a bis d – den meisten Menschen sagt das gar nichts. Auch ich habe den Angaben der Inhaltsstoffe auf Getränkeverpackungen nie Interesse entgegen gebracht, bis ich 2009 – nach etlichen Jahrzehnten unbekümmerten Genusses – las, welche Zeitbombe (abgesehen vom schädlich hohen Zucker- oder Süßstoffgehalt) in sogenannten Soft-Drinks oder Erfrischungsgetränken, ob sie nun aus dem Hause Coca-Cola, Pepsi oder einem Billigproduzenten für Aldi und Co stammen, enthalten ist. Eine Langzeitstudie über 30 Jahre hatte gezeigt, dass das Krebsrisiko bei Menschen, die regelmäßig zu solchen Getränken greifen, um bis zu 60 Prozent erhöht ist. Und das liegt allein an den Beigaben E 150 a bis d.
Den Herstellern drohte seit einigen Jahren in den USA die Auflage, die Etiketten mit dem gleichen deutlichen Warnhinweis wie bei Zigaretten, nämlich dass der Genuss tödliche Folgen haben kann, versehen zu müssen. Schließlich wurde für den amerikanischen Markt 2013 die Rezeptur verändert – die E-Stoffe werden seither durch natürliche Beigaben ersetzt. Auf dem Rest der Welt verkaufen die Konzerne unbekümmert weiter ihre Getränke mit den chemischen Zeitbomben in jeder Flasche. Die sind nämlich preiswerter und Profit ist nun einmal wichtiger als die Gesundheit der Kunden.
Übrigens: Die E…-Farbstoffe finden sich auch in Knabberartikeln, Süßigkeiten und diversen anderen Lebensmitteln. Ein Blick auf die Inhaltsangaben beim Einkaufen kann sehr aufschlussreich sein.
Die Industrie behauptet, dass der Genuss eines Glases Cola oder Limonade nicht gesundheitsschädlich sei. Das stimmt sogar. Das eine Glas Coca-Cola, die eine Flasche Fanta wird niemanden ins Grab bringen, genauso wie eine Zigarette keine Bedrohung für den Organismus wäre. Auch zwei oder drei.
Tropfen Nummer 2: Auch dabei spielt der Profit (so funktionieren Wirtschaftssysteme nun einmal) die große Hauptrolle, gepaart allerdings mit dem Geiz der Verbraucher, die alles so billig wie möglich haben wollen. Eigentlich genügt der gesunde Menschenverstand, um den giftigen Tropfen zu identifizieren: Wenn das Fleisch im Supermarkt pro Kilogramm 4,99 Euro kostet, nachdem beim Verkauf trotzdem der Händler Gewinn macht, der Transportunternehmer, der die Waren ins Geschäft liefert etwas verdient hat, die Verpackung samt Gewinn für den Hersteller im Preis enthalten ist und auch die Fleischfabrik und der Tierzüchter nicht draufgezahlt haben – wie mag es dann wohl um die Tiere bestellt gewesen sein, deren Fleisch als Billigangebot im Kühlregal landet?
Wer möchte, kann sich ausführlich aus frei zugänglichen Quellen informieren, wobei die Zustände in der Fleischindustrie bei den meisten Menschen ziemliche Übelkeit hervorrufen dürften. Ich beschränke mich hier auf die logische Erkenntnis, dass profitable Fleischerzeugung bei den billigen Supermarktpreisen nur möglich ist, wenn den Tieren massiv Hormone, Antibiotika, Wachstumsbeschleuniger und andere chemische Keulen verabreicht werden. Ende 2013 wurde eine Studie veröffentlicht, nach der mehr als 25.000 (Fünfundzwanzigtausend) Todesfälle in Europa allein deshalb nicht verhindert werden können, weil die Patienten durch den jahrelangen Genuss von Billigfleisch an Infektionen mit resistenten Krankenhauskeimen zugrunde gehen.
Und unsere Lebensmittelkontrolle? Funktioniert die nicht? Doch, denn auch beim Fleisch gilt: Der Verzehr eines solchen Schnitzels, eines Hamburgers bei McDonald oder einer anderen Fast-Food-Kette ist nicht gesundheitsschädlich. Auch zwei oder drei bringen niemanden um. Genau wie eine Zigarette allein keine Bedrohung für den Organismus ist.
Tropfen Nummer 3: Was beim Fleisch gilt, ist bei anderen Lebensmitteln nicht anders. Mit welchen chemischen Keulen wird wohl das Huhn am Leben erhalten, und unter welchen Bedingungen fristet es sein Dasein, wenn das Ei für ein paar Cent bei Lidl und Co zu haben ist? Wie viele Giftstoffe sind im Ei enthalten, das von einem solchermaßen geschundenen Geschöpf, das noch dazu sein Leben lang kein einziges Körnchen natürliches Futter erhält, gelegt wurde? Denken Sie daran: Von der Eierlegefabrik bis zum Supermarkt, in dem Sie einkaufen, haben alle in der Handelskette bereits Geld verdient.
Oder denken Sie über Obst nach, das an Bäumen wächst, die regelmäßig, auch von der Blüte bis zur Ernte, mit Insektengiften eingesprüht werden. Oder Gemüse, das in Böden heranreift, in denen kein Würmchen und kein Insekt und keine Pflanze, die man als Unkraut bezeichnet, überleben kann – das soll durch simples Abwaschen oder Schälen plötzlich frei von Schadstoffen sein? Die Milch von Kühen, die nur durch Medikamenteneinsatz überhaupt die Bedingungen überleben, unter denen sie gehalten werden und deren Milchfluss mit Hormonen angekurbelt und in Gang gehalten wird, die Milch ist plötzlich frei von jeglichen unnatürlichen Zusätzen, wenn wir sie mit unserem Kaffee zu uns nehmen? In den letzten Jahren wird nun auch noch mit genetisch verändertem Obst und Gemüse experimentiert … die Folgen des Verzehrs sind völlig unbekannt.
Ich esse aus gutem Grund nicht in der firmeneigenen Kantine. Dort werden billige Mahlzeiten angeboten, die portionsweise tiefgekühlt angeliefert und zur Mittagszeit erhitzt werden. Was auf den Etiketten an Inhaltsstoffen steht, liest ja niemand: Antioxidationsmittel (warum Lebensmittel oxidieren sollten, ist mir schleierhaft), sogenannte Geschmacksverstärker (es handelt sich um Nervengifte, die künstlich Appetitgefühle im Gehirn erzeugen), Emulogatoren zweifelhafter Herkunft … und so weiter. Solch eine Mahlzeit kostet etwa 3 bis 4 Euro. Bis sie in der Kantine serviert wird, haben der Lieferant, der Verpackungshersteller, der Großküchenbetrieb, die Zulieferer und die Erzeuger Geld verdient, von vielen weiteren beteiligten Unternehmen ganz zu schweigen. Wer davon ausgehen möchte, dass solche Preise bei schadstofffreier Beschaffenheit der Lebensmittel möglich sind, der muss schon eine gewisse Blauäugigkeit mitbringen.
Natürlich gilt auch bei diesem Tropfen, dass die eine Mahlzeit in der Kantine, das eine oder andere Ei und so weiter keinen Schaden anrichten wird. So wie die eine Zigarette völlig bedenkenlos geraucht werden könnte.
Drei Beispiele – es gäbe noch einiges mehr zu nennen, aber wer erst einmal anfängt, über Zusammenhänge nachzudenken, wird ziemlich schnell selbst dahinter kommen. Mir ist das ja auch gelungen. Stichworte wie Solarium, Chemie in der Kleidung und Kosmetikartikeln et cetera fallen bestimmt jedem schnell ein.
Das sei zu teuer, sagen manche Menschen, wenn es um biologisch erzeugte Lebensmittel (oder fair hergestellte und gehandelte Waren) geht. Das können sie sich nicht leisten, behaupten sie.
Stimmt das wirklich? Es mag für Sozialhilfeempfänger tatsächlich zutreffen, dass sie bei Lidl und KiK und so weiter einzukaufen gezwungen sind. Aber der Großteil der Bevölkerung hat durchaus die Wahl: Muss ich so gut wie jeden Tag Fleisch essen, oder sind vielleicht eine oder zwei Mahlzeiten pro Woche, dafür dann mit biologisch einwandfreiem Fleisch, ausreichend? Wie viel Geld ist mir meine Gesundheit (oder die meiner Familie) wert? Ist der neue Flachbildfernseher wichtiger als die langfristige Gesundheit?
Steter Tropfen, das wissen wir alle, höhlt den Stein. Und wenn es dann noch verschiedene Tropfen sind, die regelmäßig auf den Stein unserer Abwehrkräfte prallen? Vielleicht sollten wir alle etwas genauer hinschauen, wo in unserem Leben solch regelmäßiges Plitsch und Platsch stattfindet?
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