Donnerstag, 30. Januar 2014

Gibt es was Neues? Nö.

Das Gleichnis mit dem Glas, das man als halb voll oder halb leer zu betrachten in der Lage ist, kann ja mittlerweile mit Fug und Recht zu den alten Eisen gezählt werden. Originell wäre es höchstens noch, neben dem Optimisten und dem Pessimisten noch eine dritte Figur ins Spiel zu bringen, nämlich den Opportunisten, der flugs das Glas austrinkt. Aber neu ist auch diese Wendung der betagten Metapher nicht.

Was ist neu? Ganz und gar neu? Wie ein eben aus dem Ei, das nicht auf dem Frühstücktisch des Bauern gelandet ist, geschlüpftes Küken? Solch ein Hühnernachwuchs ist neu, zweifellos. Als Individuum. Das Minihuhn ähnelt vielleicht anderen, aber es war noch nicht da. Und wird nicht wieder sein. Andererseits: Dass aus Eiern, wenn sie bebrütet werden, Küken schlüpfen, ist ganz und gar nicht neu. Das geht schon Jahrhunderte und Jahrtausende so vor sich, Tag für Tag. Bildschirmfoto - gemopst von puk.comWer etwas wirklich ganz und gar Neues sucht, wird so leicht nicht fündig.

Mir war in letzter Zeit danach, eine neue Kurzgeschichte zu schreiben. Aber, so dachte ich mir nach den ersten Sätzen immer wieder, wird das wirklich etwas noch nicht Geschriebenes, eine neue, ganz und gar noch nicht dagewesene Erzählung?

Tom Waits, ein einzigartiger Musiker, dessen Kunst ich außerordentlich schätze, erzählte bei einem Konzert: My wife says I can only write two songs. Grand weepers or grim reapers. So ähnlich geht es mir mit dem Schreiben. Ich fange eine Erzählung an und schon weiß ich, dass sie zwar neu als individuelle Geschichte entstehen würde, dass aber sehr ähnliche Texte schon unendlich oft geschrieben wurden, von mir oder von anderen Autoren. Daher ist es bisher bei mehreren Fragmenten geblieben, aus denen Erzählungen hätten werden können.

Beispiel 1:
»Und wie geht das nun genau? Ich meine, wie fange ich an, was kommt als nächstes ... so ganz praktisch. Das hat mir in all den Aufklärungsbüchern und –stunden in der Schule noch niemand sagen wollen.«
Jennifer blickte ratlos um sich.

Der so angefangene Text würde sich zu einer Erzählung über das Erwachen beziehungsweise die Entdeckung der Erotik in einem jungen Menschenleben entwickeln. Eine Geschichte die täglich millionenfach erlebt wird und über die schon unzählige Autoren mehr oder weniger gelungene Sätze zu Papier gebracht haben. Neu natürlich für Jennifer, aber für die Menschheit eine uralte Geschichte, die auch in Zukunft Tag für Tag erlebt werden wird.

Beispiel 2:
»Denken Sie«, sagt der Dozent, »denken Sie jetzt mal bitte nicht an einen rosa Elefanten. Denken Sie an alles andere, was Ihnen so einfällt, aber nicht an einen rosa Elefanten.«
Na, liebe Leser, was sehen wir wohl vor uns nach dieser Aufforderung?
Genau.

Aus diesem Ansatz kann nur ein philosophischer Exkurs werden, oder eine Erzählung über jemanden, der es doch schafft, nicht an einen rosa Elefanten zu denken. Dieser Jemand ist nämlich anders als alle anderen, und damit hat der Autor Stoff genug, um auch 900 Seiten zu füllen, wenn es denn ein Roman werden soll. Aber auch diese Geschichte ereignet sich alle Tage und wurde in zahlreichen Varianten immer wieder aufgeschrieben.

Beispiel 3:
Es ziemt sich nicht, sagte ich mir, es ziemt sich ganz und gar nicht.
Wurde die Waffe in meiner Hand schwerer? Nein, natürlich nicht. Es kam mir nur so vor. Ich zielte schließlich nicht täglich mit einem Revolver auf einen Menschen.

Bildschirmfoto - gemopst von puk.comNa ja, und daraus, das ist klar, kann nur eine Krimiszene oder eine Horrorepisode oder etwas ähnliches entstehen. Auch das hat die Welt schon tausend Mal gelesen und gehört und gesehen. Ob mein Ich-Erzähler dann der Böse oder der Gute ist, ob er wider Willen oder ganz bewusst mit der Waffe in der Hand vor einem Mitmenschen gelandet ist, sei dahingestellt. Aber wirklich neu wären solche Ideen nicht.

So. Das war es, was ich heute an neuen Erkenntnissen mitzuteilen hatte.

Dass diese Erkenntnisse so ganz taufrisch nicht sind, brauchen Sie mir nicht extra unter die Nase reiben, liebe Leser. Ich kenne das Lied Time von Roger Waters: You run and you run to catch up with the sun but it is sinking, and racing around to come up behind you again! Und ich habe auch die deprimierten Worte des König Salomo gelesen: Alle Flüsse fließen ins Meer, und das Meer wird nicht voll. Zum Ort, wohin sie fließen, da fließen und fließen sie. Alle Dinge mühen sich ab, keiner fasst sie alle in Worte. Das Auge wird vom Sehen nicht satt und das Ohr vom Hören nicht voll. Was gewesen ist, wird wieder sein; was man getan hat, wird man wieder tun; und nichts ist wirklich neu unter der Sonne.

Quod erat demonstrandum.

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Dienstag, 28. Januar 2014

Diagnose Krebs – ein Artikel

Titelseite der Zeitschrift / Ausgabe 02/2014 - (C) Oncken VerlagFür die Zeitschrift »Die Gemeinde«, das ist die offizielle Zeitschrift der deutschen Baptisten mit einer Auflage von 5.500 Stück, schrieb ich kürzlich diesen Artikel, der in der Ausgabe 02/2014 erschienen ist. Meinen Blogbesuchern darf ich ihn nun auch hier präsentieren, mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

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Diagnose Krebs

Vom Umgang mit der Krankheit

»… mir wird nichts mangeln … fürchte ich kein Unglück …« - mit ehrlicher und fester Überzeugung konnte ich den Psalm 23 oder andere vergleichbare Bibeltexte sprechen und beten, solange die Gesundheit stabil und das eigene Sterben irgendwo in weiter Ferne schien. Doch als ich im März 2012 erfuhr, dass ich an Darmkrebs im Stadium 3 litt, war es auf einen Schlag vorbei mit dem »nichts mangeln« und der Furchtlosigkeit vor jeglichem Unglück. Ich fürchtete mich sehr und der Mangel an Gesundheit war unübersehbar.

Dennoch wäre es verkehrt, rückblickend alles schwarz zu malen und von totaler Hoffnungslosigkeit zu reden. An vielen Punkten habe ich seither erlebt, dass ich trotz meines Unglücks nicht ohne einen guten Hirten unterwegs bin. Ich schreibe diese Zeilen im Januar 2014 – bin also 22 Monate nach der Diagnose noch am Leben. Wie viel Zeit mir auf dieser Welt bleibt, ist ungewiss – aber immerhin: Ich lebe noch.

Am 14. März 2012 war ich morgens ganz normal aufgestanden, um mich für den Tag im Büro fertig zu machen. In den Tagen zuvor hatte ich hin und wieder Schmerzen und Übelkeit verspürt, es kam auch zu Schluckauf und Aufstoßen – alles Symptome, die mich Anfang Februar schon einmal zum Arzt, zur Klärung der Ursachen in ein Krankenhaus gebracht und dort zu der Diagnose Divertikulitis (Entzündung in der Darmschleimhaut) geführt hatten. Da die Symptome nun weniger stark waren, war ich kaum beunruhigt. Ich war überrascht, als ich plötzlich mehrmals erbrechen musste, weil keine Übelkeit vorangegangen war – die kam und blieb erst danach.

Mein Hausarzt war nicht in der Praxis, seine Vertretung erklärte mir nach der Untersuchung, mich habe wohl der zu jener Zeit grassierende Magen-Darm-Virus erwischt. Falls es nicht besser würde, sollte ich allerdings umgehend ein Krankenhaus aufsuchen.

Das geschah dann am 15. März, ich hatte solch böse Krämpfe bekommen, dass ich nicht mehr gehen und stehen konnte.

Plötzlich steht alles still, was so lange und so ungehindert in Bewegung war, auf einmal ist alles Wichtige vollkommen nebensächlich und was im Alltag so gut wie keine Beachtung fand, ist mit einem Schlag entscheidend wie nichts anderes. Das Überleben der nächsten Stunden und Tage rückt nach vorne, alles andere verschwindet im Nebel der Bedeutungslosigkeit.

Ich lag auf der chirurgischen Station, die Darmoperation lag drei Tage zurück, als ich diese Zeilen aufschrieb. Zwei aprikosengroße Tumore waren zusammen mit einem Stück Zwerchfell, etwas über der Hälfte des Dickdarms und ein paar schon vom Krebs befallenen Lymphgefäßen aus meinem Körper herausgeschnitten worden.

Ich notierte in der Woche nach der Operation, soweit meine Kräfte (und die ziemlich starken Schmerzmittel) es zuließen, Empfindungen und Gedanken, was ich nicht vergessen, woran ich mich später erinnern wollte, wofür ich dankbar und froh war.

Was mir Mut machte, Kraft zum Durchhalten schenkte, war und ist an erster Stelle meine Frau.

Der tägliche Besuch von Eva, so traurig und entkräftet sie auch aussieht, gibt mir Kraft und Mut und Entschlossenheit: Ich will durchhalten. Diese Stunden mit ihr an meinem Bett sind so unschätzbar wertvoll, um nicht zu verzweifeln. Ich würde ihr gerne mehr erzählen, fragen, reden – doch alle paar Minuten fallen meine Augen zu … sie ist trotzdem da, hält meine Hand und Liebe strömt in mich hinein,

schrieb ich auf.

Oder auch diesen Absatz:

Wertvoll sind die Besuche meines Pastors Martin, der zuhört, keine theologischen Patentrezepte aus der Tasche zieht, der zugibt, dass er Gottes Handeln oder Nichthandeln nicht immer verstehen kann. Der für mich am Bett betet. Selbst kann ich nicht glauben oder beten, sondern mich nur gegen die Mutlosigkeit sträuben. Es tut trotzdem (oder deshalb?) ungeheuer gut, dass Martin für mich an höchster Stelle vorspricht, samt der ganzen Gemeinde.

Es dauerte einige Monate, bis ich selbst wieder zaghaften Glauben verspüren und Gebete ehrlich formulieren konnte.

Der Artikel in der gedruckten FormNach der Entlassung aus dem Krankenhaus folgten eine dreiwöchige Rehabilitationsmaßnahme und dann eine Chemotherapie. An einigen Schäden, die durch die hoch dosierten Zytostatika verursacht wurden, leide ich bis heute. Der gesundheitliche Vorteil dagegen lässt sich kaum schätzen – je nach statistischem Modell verbessern sich die Chancen auf Heilung vom Krebs um 10 bis 15, nach anderen Berechnungsarten 3 bis 5 Prozent. Da jedoch niemand feststellen kann, ob einzelne Krebszellen im Körper unterwegs waren oder nicht, sind all die Zahlenspiele hypothetisch.

Aber weil ich nichts unversucht lassen wollte, willigte ich in der Hoffnung, dass der Krebs mich nicht wieder heimsuchen würde ein, und mein Körper wurde bis zum November 2012 mit Oxaliplatin und Xelox malträtiert.

Bis zum September 2013 sah es so aus, als hätte ich den Kampf gewonnen. Ausgerechnet an meinem 58sten Geburtstag mussten meine Frau und ich dann aber eine bittere Diagnose zur Kenntnis nehmen: Zwei Lebermetastasen.

In einer solchen Situation reagiert vermutlich jeder Mensch anders. Bei mir setzte zuerst eine Art gedankliche Schockstarre ein – als beträfe die Diagnose nicht mich: Das muss ein Irrtum sein. Das ist eine Verwechslung. Bis zum Begreifen dauerte es eine Weile.

Ein paar Tage nach der Diagnose zog ich Bilanz:

  • Ich weiß, dass mein Vater im Himmel Krankheit heilen kann, mit oder ohne Zutun von Ärzten.
  • Ich weiß aber auch, dass Gebet und Flehen und Fasten manchmal nichts gegen tödliche Krankheiten bewirken.
  • Ich kann mir anhaltende Gesundheit nicht erarbeiten und nicht erkaufen, aber hoffen und beten, dass mir noch viele Jahre Leben geschenkt werden.
  • Ich kann bis zum Ende, ob bald oder später, jeden Tag bewusst und dankbar leben und genießen.

Inzwischen habe ich auch die Leberoperation hinter mir und bin wieder einigermaßen bei Kräften. Welche Ergebnisse ich bei den nächsten Untersuchungen hören werde, ist offen – neue Metastasen oder keine Spur davon.

Es geht meinem Glauben heute ungefähr so, wie der Vater empfunden haben mag, der sein todkrankes Kind zu Jesus brachte und dann schrie: »Ich glaube; hilf meinem Unglauben!« (Mark. 9,24) Es ermutigt mich zu lesen, dass Jesus damit zufrieden war.

Wer mehr über mein Empfinden, mein Glauben und Zweifeln, meine wunderbaren und schlimmen Erlebnisse seit der Krebsdiagnose wissen möchte, kann ausführlich nachlesen unter http://tinyurl.com/q7socqp - dort berichte ich in unregelmäßigen Abständen.

Lesern dieser Zeitschrift, die Eva und mich in ihre Fürbitte einschließen, danke ich sehr!

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Mehr zur Zeitschrift hier: [Oncken Verlag – Die Gemeinde]

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Montag, 20. Januar 2014

Von einem »christlichen« Sumpf, der zum Himmel stinkt

Es darf sich von mir aus jeder Mensch öffentlich daneben benehmen wie er möchte. Wer demonstrieren will, dass auch nur einigermaßen akzeptables Benehmen, von gutem Benehmen ganz zu schweigen, nicht zum persönlichen Repertoire gehört, der möge das tun. Wer dumm ist und seine Dummheit hinausposaunen mag … meinetwegen.

Es sei denn, und das ist der Anlass für diese Zeilen, es sei denn, jemand besudelt, beleidigt und verunglimpft mit seinen Entgleisungen andere Menschen und ich gerate in die Gefahr, mit solchen üblen Ausdünstungen in einen Zusammenhang gebracht zu werden.

Ich bin Christ. Und wenn sich jemand erdreistet, angeblich im Namen des christlichen Glaubens unfassbar niveaulose Verbalinjurien abzusondern, dann muss ich widersprechen, denn sonst werde ich womöglich noch in den gleichen Jauchetopf geworfen.

facliAktuell werden hier und da auf unerträgliche Weise homosexuelle und lesbische Menschen verurteilt und verbal geprügelt, so dass ich mich frage, wes Geistes manche Schreiberlinge, die sich Christen nennen und um fromme Sprüche nie verlegen sind, eigentlich sind. Beispiele? Die gibt es überall in den sozialen Netzwerken. Bitteschön, hier sind einige Zitate von Facebook, eins zu eins kopiert, samt aus offensichtlicher Bildungsferne resultierenden Schreibfehlern:

»Ich sag dir mal was, wenn homos kinder kriegen KÖNNTEN, würden noch viel mehr Kinder in den "Müll" geworfen werden.«

»... meinst du im ernst hier wäre irgend jemand, der Prostitution und Unzuch in irgend einer form befürworten würde oder anders darüber denken würde wenn es homosexuelle Unzucht ist?«

»Die EKD ist weder evangelisch noch Kirche. Ein verkommener Haufen. Und selbst die Freikirchen rutschen immer tiefer.«

»Eine Gesellschaft die nicht mehr die Familie Vater und Mutter schützt, dafür die Homosexualität propagiert, ist dabei sich selbst auszurotten. Homos können nunmal keine Kinder zeugen.«

»...  dass uns mit scheinbarem Glücksgewinn ("die Frucht war schön anzusehen") in Wirklichkeit tödliches Gift angeboten wird (z.B. bei Ehebruch / Homosexualität usw.)«

Pfui Teufel! Wo so viel Hass und solch menschenverachtender Unflat öffentlich ausgeschüttet werden, da steckt vermutlich genau dieser dahinter. Denn im Evangelium ist von solchen Entgleisungen und Ausfällen nicht die Rede.

Selbst wenn - nur mal ganz hypothetisch – selbst wenn Homosexualität Sünde wäre, dann hätten wir als Nachfolger des Jesus Christus, nach dem wir uns »Christen« nennen, doch wohl die Aufgabe, seinem Beispiel zu folgen. Als man eine »Sünderin« zu ihm brachte, die auf frischer Tat beim gesellschaftlich geächteten Sex ohne Trauschein - noch dazu mit einem verheirateten Mann - erwischt worden war, schwieg Jesus beharrlich. Er weigerte sich, die Frau zu verurteilen. Als die gesetzestreuen Tugendwächter schließlich aufgegeben hatten und verschwunden waren, fragte er die Frau, wo denn ihre Ankläger seien. Weg waren sie, fort und verstummt. Niemand klagte sie mehr an. Auch Jesus nicht. Er schon gar nicht.

Man darf unterschiedlicher Meinung sein, das ist normal und jedermanns Recht. Wer Homosexualität für Sünde halten möchte und dafür Gründe zu haben meint – der möge sich öffentlich darüber ausbreiten, wenn er es für nötig hält, und einer sachlichen Diskussion stellen, wenn er den Mut und das moralische Format dafür mitbringt. Aber man darf nicht in der oben zitierten und oft noch grässlicherer Weise über irgend einen Mitmenschen herziehen, dafür gibt es keine Entschuldigung.

Also mein Fazit in aller Deutlichkeit: Mit Christen, die andere Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihres sozialen Status oder aus welchen angeblichen Gründen auch immer verächtlich machen, beschimpfen, angreifen oder beleidigen, möchte ich bitte nicht in einen Topf geworfen werden. Deren Topf stinkt nämlich ganz erbärmlich zum Himmel.

Wir hatten in der deutschen Geschichte schon mal solch einen üblen Sumpf, der rosa Winkel, Judensterne und unermessliches Unheil brachte …

So. Das musste mal gesagt beziehungsweise geschrieben werden.

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Samstag, 18. Januar 2014

Von steten Tropfen, vom Krebs und unserer Blauäugigkeit

Steter Tropfen, das wissen wir alle, höhlt den Stein. Und doch handeln wir oft so, als käme es auf unbedeutend Scheinendes nicht an, obwohl die steten Tropfen ein immer größeres Loch im felsenfesten Grund entstehen lassen.

Dass vor allem in den »zivilisierten« Ländern der westlichen Welt eine bestürzende Zunahme von Krebserkrankungen festzustellen ist, halte ich nicht für Zufall oder gar die Strafe einer erzürnten Gottheit. Ich bin ziemlich überzeugt, dass wir es mit einer selbst angerichteten Entwicklung zu tun haben, dass die vielen steten Tropfen inzwischen eine Höhlung gegraben haben, die deutlich sichtbar ist. Auch ich habe die Tropfen jahrzehntelang unbeachtet gelassen, mein Um- beziehungsweise Nachdenken begann erst vor ein paar Jahren und auf manche Tropfen wurde ich erst nach und nach aufmerksam.

Als mich zu Beginn der Chemotherapie im Frühjahr 2012 die mich betreuende Ärztin in der Rehabilitationsklinik fragte, ob ich denn bereit sei, zukünftig meinem Körper zu helfen, Krebszellen abzuwehren, habe ich natürlich bejahend geantwortet. Da hatte ich viele der Tropfen bereits abgestellt – allerdings wie gesagt nach vielen vielen Jahren der Unwissenheit oder Ignoranz.

Wer würde seinen Körper nicht schützen und bewahren wollen – ob nun gegen Krebs oder andere schwere Erkrankungen? Sie, geschätzter Leser dieser Zeilen, wollen doch sicher Ihr Immunsystem nach Kräften beim Kampf gegen Angriffe auf die Gesundheit unterstützen.

Das Fatale ist, dass jeder Tropfen für sich allein betrachtet harmlos ist. Es sind Summierung und Stetigkeit, die zum tödlichen Risiko führen können. Und solange wir gar nicht wissen, wo die schleichende Schwächung unserer Abwehrkräfte stattfindet, können wir nicht aktiv werden. Ich will hier daher einige der steten Tropfen beim Namen nennen, die ich über Jahrzehnte auf den vermeintlich unzerstörbaren Grund habe fallen lassen. Vielleicht finden Sie sich ja bei der Lektüre an der einen oder anderen Stelle wieder?

Tropfen Nummer 1: E 150 a bis d – den meisten Menschen sagt das gar nichts. Auch ich habe den Angaben der Inhaltsstoffe auf Getränkeverpackungen nie Interesse entgegen gebracht, bis ich 2009 – nach etlichen Jahrzehnten unbekümmerten Genusses – las, welche Zeitbombe (abgesehen vom schädlich hohen Zucker- oder Süßstoffgehalt) in sogenannten Soft-Drinks oder Erfrischungsgetränken, ob sie nun aus dem Hause Coca-Cola, Pepsi oder einem Billigproduzenten für Aldi und Co stammen, enthalten ist. Eine Langzeitstudie über 30 Jahre hatte gezeigt, dass das Krebsrisiko bei Menschen, die regelmäßig zu solchen Getränken greifen, um bis zu 60 Prozent erhöht ist. Und das liegt allein an den Beigaben E 150 a bis d.

Bildschirmfoto vom verlinkten Spiegel-BeitragDen Herstellern drohte seit einigen Jahren in den USA die Auflage, die Etiketten mit dem gleichen deutlichen Warnhinweis wie bei Zigaretten, nämlich dass der Genuss tödliche Folgen haben kann, versehen zu müssen. Schließlich wurde für den amerikanischen Markt 2013 die Rezeptur verändert – die E-Stoffe werden seither durch natürliche Beigaben ersetzt. Auf dem Rest der Welt verkaufen die Konzerne unbekümmert weiter ihre Getränke mit den chemischen Zeitbomben in jeder Flasche. Die sind nämlich preiswerter und Profit ist nun einmal wichtiger als die Gesundheit der Kunden.

Übrigens: Die E…-Farbstoffe finden sich auch in Knabberartikeln, Süßigkeiten und diversen anderen Lebensmitteln. Ein Blick auf die Inhaltsangaben beim Einkaufen kann sehr aufschlussreich sein.

Die Industrie behauptet, dass der Genuss eines Glases Cola oder Limonade nicht gesundheitsschädlich sei. Das stimmt sogar. Das eine Glas Coca-Cola, die eine Flasche Fanta wird niemanden ins Grab bringen, genauso wie eine Zigarette keine Bedrohung für den Organismus wäre. Auch zwei oder drei.

Tropfen Nummer 2: Auch dabei spielt der Profit (so funktionieren Wirtschaftssysteme nun einmal) die große Hauptrolle, gepaart allerdings mit dem Geiz der Verbraucher, die alles so billig wie möglich haben wollen. Eigentlich genügt der gesunde Menschenverstand, um den giftigen Tropfen zu identifizieren: Wenn das Fleisch im Supermarkt pro Kilogramm 4,99 Euro kostet, nachdem beim Verkauf trotzdem der Händler Gewinn macht, der Transportunternehmer, der die Waren ins Geschäft liefert etwas verdient hat, die Verpackung samt Gewinn für den Hersteller im Preis enthalten ist und auch die Fleischfabrik und der Tierzüchter nicht draufgezahlt haben – wie mag es dann wohl um die Tiere bestellt gewesen sein, deren Fleisch als Billigangebot im Kühlregal landet?

Foto von: Daniel Acker/Bloomberg via Getty ImagesWer möchte, kann sich ausführlich aus frei zugänglichen Quellen informieren, wobei die Zustände in der Fleischindustrie bei den meisten Menschen ziemliche Übelkeit hervorrufen dürften. Ich beschränke mich hier auf die logische Erkenntnis, dass profitable Fleischerzeugung bei den billigen Supermarktpreisen nur möglich ist, wenn den Tieren massiv Hormone, Antibiotika, Wachstumsbeschleuniger und andere chemische Keulen verabreicht werden. Ende 2013 wurde eine Studie veröffentlicht, nach der mehr als 25.000 (Fünfundzwanzigtausend) Todesfälle in Europa allein deshalb nicht verhindert werden können, weil die Patienten durch den jahrelangen Genuss von Billigfleisch an Infektionen mit resistenten Krankenhauskeimen zugrunde gehen.

Und unsere Lebensmittelkontrolle? Funktioniert die nicht? Doch, denn auch beim Fleisch gilt: Der Verzehr eines solchen Schnitzels, eines Hamburgers bei McDonald oder einer anderen Fast-Food-Kette ist nicht gesundheitsschädlich. Auch zwei oder drei bringen niemanden um. Genau wie eine Zigarette allein keine Bedrohung für den Organismus ist.

Tropfen Nummer 3: Was beim Fleisch gilt, ist bei anderen Lebensmitteln nicht anders. Mit welchen chemischen Keulen wird wohl das Huhn am Leben erhalten, und unter welchen Bedingungen fristet es sein Dasein, wenn das Ei für ein paar Cent bei Lidl und Co zu haben ist? Wie viele Giftstoffe sind im Ei enthalten, das von einem solchermaßen geschundenen Geschöpf, das noch dazu sein Leben lang kein einziges Körnchen natürliches Futter erhält, gelegt wurde? Denken Sie daran: Von der Eierlegefabrik bis zum Supermarkt, in dem Sie einkaufen, haben alle in der Handelskette bereits Geld verdient.

Foto von http://www.lebensmittellexikon.de/g0002440.phpOder denken Sie über Obst nach, das an Bäumen wächst, die regelmäßig, auch von der Blüte bis zur Ernte, mit Insektengiften eingesprüht werden. Oder Gemüse, das in Böden heranreift, in denen kein Würmchen und kein Insekt und keine Pflanze, die man als Unkraut bezeichnet, überleben kann – das soll durch simples Abwaschen oder Schälen plötzlich frei von Schadstoffen sein? Die Milch von Kühen, die nur durch Medikamenteneinsatz überhaupt die Bedingungen überleben, unter denen sie gehalten werden und deren Milchfluss mit Hormonen angekurbelt und in Gang gehalten wird, die Milch ist plötzlich frei von jeglichen unnatürlichen Zusätzen, wenn wir sie mit unserem Kaffee zu uns nehmen? In den letzten Jahren wird nun auch noch mit genetisch verändertem Obst und Gemüse experimentiert … die Folgen des Verzehrs sind völlig unbekannt.

Ich esse aus gutem Grund nicht in der firmeneigenen Kantine. Dort werden billige Mahlzeiten angeboten, die portionsweise tiefgekühlt angeliefert und zur Eine Mahlzeit in der Firmenkantine ...Mittagszeit erhitzt werden. Was auf den Etiketten an Inhaltsstoffen steht, liest ja niemand: Antioxidationsmittel (warum Lebensmittel oxidieren sollten, ist mir schleierhaft), sogenannte Geschmacksverstärker (es handelt sich um Nervengifte, die künstlich Appetitgefühle im Gehirn erzeugen), Emulogatoren zweifelhafter Herkunft … und so weiter. Solch eine Mahlzeit kostet etwa 3 bis 4 Euro. Bis sie in der Kantine serviert wird, haben der Lieferant, der Verpackungshersteller, der Großküchenbetrieb, die Zulieferer und die Erzeuger Geld verdient, von vielen weiteren beteiligten Unternehmen ganz zu schweigen. Wer davon ausgehen möchte, dass solche Preise bei schadstofffreier Beschaffenheit der Lebensmittel möglich sind, der muss schon eine gewisse Blauäugigkeit mitbringen.

Natürlich gilt auch bei diesem Tropfen, dass die eine Mahlzeit in der Kantine, das eine oder andere Ei und so weiter keinen Schaden anrichten wird. So wie die eine Zigarette völlig bedenkenlos geraucht werden könnte.

Drei Beispiele – es gäbe noch einiges mehr zu nennen, aber wer erst einmal anfängt, über Zusammenhänge nachzudenken, wird ziemlich schnell selbst dahinter kommen. Mir ist das ja auch gelungen. Stichworte wie Solarium, Chemie in der Kleidung und Kosmetikartikeln et cetera fallen bestimmt jedem schnell ein.

Das sei zu teuer, sagen manche Menschen, wenn es um biologisch erzeugte Lebensmittel (oder fair hergestellte und gehandelte Waren) geht. Das können sie sich nicht leisten, behaupten sie.

Stimmt das wirklich? Es mag für Sozialhilfeempfänger tatsächlich zutreffen, dass sie bei Lidl und KiK und so weiter einzukaufen gezwungen sind. Aber der Großteil der Bevölkerung hat durchaus die Wahl: Muss ich so gut wie jeden Tag Fleisch essen, oder sind vielleicht eine oder zwei Mahlzeiten pro Woche, dafür dann mit biologisch einwandfreiem Fleisch, ausreichend? Wie viel Geld ist mir meine Gesundheit (oder die meiner Familie) wert? Ist der neue Flachbildfernseher wichtiger als die langfristige Gesundheit?

Steter Tropfen, das wissen wir alle, höhlt den Stein. Und wenn es dann noch verschiedene Tropfen sind, die regelmäßig auf den Stein unserer Abwehrkräfte prallen? Vielleicht sollten wir alle etwas genauer hinschauen, wo in unserem Leben solch regelmäßiges Plitsch und Platsch stattfindet?

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Dienstag, 14. Januar 2014

Vom dankbaren Aufatmen

n3Das schier unerträglich lange Warten auf die Befunde der MRT-Untersuchung hatte heute endlich ein Ende. Der Brief ist endlich angekommen. Schwarz auf Weiß können wir so oft wir wollen nachlesen, was der Blick unter die Haut ergeben hat: Keine neuen Metastasen, keine geschwollenen oder sonst auffälligen Lymphknoten.

Da können wir aufatmen und erleichtert aus tiefem Herzen »Gott sei Dank« sagen.

Zwar sind allerlei Schäden, durch die Operation vor drei Monaten verursacht, noch vorhanden und eine gründliche Ultraschalluntersuchung am kommenden Freitag steht noch aus, auch die Frage der schlechten Blutwerte ist noch ungeklärt … aber wenn das MRT keine Metastasen offenbart, dann sind auch zur Zeit keine vorhanden. So viel ist sicher und das ist die Hauptsache!

Ich hatte ja kürzlich hier berichtet, wie es sich mit all der Ungewissheit so anfühlt. Wir atmen heute erleichtert und dankbar auf, wissen aber trotzdem, dass die nächste Untersuchung oder die übernächste wiederum niederschmetternde Ergebnisse bringen könnte. Damit muss der Mensch leben, wenn der Krebs einmal aufgetreten ist. Aber jetzt können wir erst einmal froh und mit neuer Hoffnung ausgestattet den kurz bevorstehenden Geburtstag der besten aller Ehefrauen feiern.

Die beiden Fotos, oben kurz nach der Operation und unten ziemlich aktuell, zeigen, dass sich auch äußerlich eine Normalisierung einstellt. Zwar werde ich meine Karriere als Mr. Universum wohl abhaken können, aber es gibt ja auch andere Freizeitbeschäftigungen.

Wer sich also mit uns freuen will, darf das gerne tun. Und wer weiter an uns denkt und uns mit guten Gedanken, Wünschen und Gebeten durch die kommenden Monate und Jahre begleitet, dem danken wir ganz herzlich.

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Samstag, 11. Januar 2014

Bob Dylan in Prag

Cover Bob Dylan in PragueDiese Aufnahmen enthalten einige Juwelen – und sind wie alle Konzertmitschnitte des Herrn Robert Zimmermann natürlich kostenlos!

Wer wie ich die Konzertgestaltung von Bob Dylan über viele, wirklich viele Jahre beobachtet und zumindest ab und zu in einige der Aufnahmen hineinhört, wird wissen, dass es in den 90ern nur gelegentlich besonders herausragende Auftritte gab. Bob Dylan sang und arrangierte damals nicht schlecht, aber richtig kreativ-funkensprühend-außergewöhnlich war selten ein Konzert.

Falls es Leser geben sollte, die sich jetzt wundern, wie man das wissen kann, ohne ständig mit Bob Dylan um die Welt zu reisen und alle Konzerte zu besuchen: Man kann jeden Auftritt von Bob Dylan und seiner Band meist bereits ein paar Stunden nach dem Konzert, spätestens am übernächsten Tag, anhören. Umsonst. Weil das manchem neu sein mag, sei der Hinweis auf Expectingrain hier eingefügt. Man meldet sich dort ein Mal kostenlos und unverbindlich an und hat dann über das Forum unter »Rare Dylan Recordings« Zugriff auf Tausende von Aufnahmen. Englisch sollte man allerdings können, um sich dort zurecht zu finden.

Doch zurück zum Thema. Im Früjhar 1995 trat Bob Dylan drei Abende in Prag auf (weitert unten folgt der Link) zu einer Auswahl der besten Stücke aus diesen Konzerten. Der Gesang ist wesentlich engagierter als sonst. Nach »Tangled Up In Blue« merkt Bob Dylan an, dass er eine Erkältung habe - Prag sei allerdings ein wunderbarer Ort, um ein solches Leiden loszuwerden. Ob es an Prag lag oder nicht, sei dahingestellt, aber die Aufnahmen hier beweisen samt und sonders, dass der Sänger seine Stimme auf eine in jenen Jahren selten erlebte Weise einzusetzen Lust und Gelingen hatte.

Besonders hervorheben will ich erstens »License To Kill«. Ich kenne etliche Versionen aus vielen Jahren Konzerttätigkeit, aber diese ist die außergewöhnlichste, die ich jemals gehört habe.
Auch »Mr. Tambourine Man« bringt Bob Dylan in einer außergewöhnlichen Fassung zu Gehör - aus meiner Sicht hat er das Lied nie besser dargeboten als am 13. März 1995 in Prag.
Und schließlich »Shelter From The Storm« - das Lied hat Bob Dylan kaum einmal so intensiv aufgeführt wie 1995 in der tschechischen Hauptstadt – unter etlichen Versionen, die mir gefallen, ist diese die beste.

Aber nicht nur die drei genannten, sondern alle Aufnahmen dieser Zusammenstellung lohnen das Herunterladen - Fans von Bob Dylan werden ihre Ohren garantiert nicht nur ein einziges Mal damit verwöhnen. Bei mir bekommt die CD jedenfalls einen festen Platz in der Sammlung der regelmäßigen Ohrenschmausmaterialien.

Ach ja, dieser Hinweis darf natürlich nicht fehlen: Das Material unterliegt keinem Copyright und darf auf gar keinen Fall verkauft oder gegen Entgelt verliehen werden. Die Mitschnitte von Bob Dylans Konzerten sind grundsätzlich kostenlos und dabei muss es auch in Zukunft bleiben. Ausgenommen sind offiziell von Columbia veröffentlichte Alben - die unterliegen dem internationalem Urheberschutz und werden von den Fans auch nicht ins Netz gestellt. In diesem Fall verdanken wir die Aufnahmen Tywilc – ganz herzlichen Dank!

Bitteschön, hier der Link zum Herunterladen: http://tinyurl.com/ocem5kj

Und hier der Inhalt:

Bob Dylan in Prag – 1995

  1. Down In The Flood – March 11
  2. Just Like A Woman – March 13
  3. Tangled Up In Blue – March 12
  4. License To Kill – March 13
  5. Boots Of Spanish Leather – March 11
  6. Mr. Tambourine Man – March 13
  7. Desolation Row – March 12
  8. God Knows – March 11
  9. If Not For You – March 11
  10. All Along The Watchtower – March 13
  11. Shelter From The Storm – March 11
  12. It's All Over Now, Baby Blue - March 11

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Donnerstag, 9. Januar 2014

… nicht die Absicht, mich unterkriegen zu lassen.

Die regelmäßigen Untersuchungsserien, denen ich mich im Verlauf der Krebsnachsorge unterziehe, lösen jedes Mal Befürchtungen aus, so richtig und wichtig sie auch sind. Keine regelmäßige Nachsorge zu haben wäre töricht – denn nur ein früh entdeckter Tumor kann in der Regel so entfernt werden, dass kein vom Krebs befallenes Gewebe im Körper zurückbleibt. Trotzdem – mit Bangen warten Eva und ich jedes Mal auf die Befunde.

Die Intensität der Angst hatte sich bei mir bis zum Herbst 2013 bereits gemindert, da es von Untersuchung zu Untersuchung seit der Darmkrebsoperation im März 2012 ausschließlich gute Nachrichten gegeben hatte. Man gewöhnt sich sehr leicht daran, dass jedes Mal bei den Befunden »negativ« steht, dass die sogenannten Tumormarker in einem ganz und gar unverdächtigen Bereich liegen und dass man abschließend hört: Alles in Ordnung.

Als wir im September 2013, eineinhalb Jahre nach der Darmoperation, dann die Worte »zwei Metastasen« im Befund der Leberuntersuchung lasen, war der Schock erheblich. Eineinhalb Jahre lang war alles wie erhofft und erbeten gut gegangen - und dann solch ein Tiefschlag.

Am 4. Oktober 2013 wurde die zweite Krebsoperation durchgeführt. Eigentlich, genau betrachtet, die dritte. Denn bereits Anfang 2002 war ein Hodentumor diagnostiziert und operiert worden, der allerdings in einem so »harmlosen« Stadium gewesen war, dass noch nicht einmal eine Chemotherapie oder eine andere Nachbehandlung folgte.

Nach fünf Jahren gilt ein Krebs als geheilt, wenn keine Metastasen auftreten, also konnte ich den Hodenkrebs spätestens 2007 als »erledigt« betrachten. Ich hatte ihn bereits viel früher gedanklich abgehakt. Zehn Jahre später war er dann soweit aus dem Bewusstsein verdrängt, dass ich bei der Aufnahme ins Krankenhaus 2012 zunächst gar nicht daran dachte, die so weit zurückliegende Operation zu erwähnen.

Der Darmkrebs hatte auch ursächlich nichts mit dem Tumor von 2002 zu tun, das ergaben die Laboruntersuchungen im April 2012. Da ich wieder im selben Krankenhaus war, konnten die archivierten Befunde zum Vergleich herangezogen werden. Es handelte sich um einen neuen, einen anderen Krebs.

Wie eingangs erwähnt schien sich 2012 und 2013 die Heilungsgeschichte zu wiederholen, obwohl beim Darmkrebs das Tumorstadium 3 in einem der beiden Tumore diagnostiziert wurde und ich mich einer Chemotherapie mit acht Zyklen unterzog, da auch einzelne Lymphgefäße vom Krebs befallen waren. Die zum Teil irreversiblen Schäden aus der Chemotherapie und die permanente Verkürzung des Darms waren (und sind) im Vergleich zu Tumoren im Körper durchaus in Kauf zu nehmen; immerhin kann ich mit einigen Einschränkungen bei der Ernährung weitgehend normal am Leben teilnehmen. An taube Finger- und Zehenspitzen habe ich mich genauso gewöhnt wie an die bleibenden Schäden im rechten Arm durch eine verunglückte Infusion von Zytostatika während der Chemotherapie.

imageDoch zurück zu den aktuellen Untersuchungen und den damit verbundenen seelischen Befindlichkeiten. Dass 18 Monate nach der Darmoperation Lebermetastasen gefunden wurden, hat die (zugegeben voreilige) Hoffnung auf eine bereits eingetretene Heilung vom Krebs zunichte gemacht. Mein Optimismus war zwar, solange er anhielt, für das seelische Befinden wohltuend, aber je höher die Erwartungen angesiedelt sind, desto tiefer ist natürlich die Enttäuschung, wenn es dann anders kommt als erhofft. Der Krebs in der Leber war schon ein herber Rückschlag, eine bittere Enttäuschung und ein deutlicher Dämpfer für zukünftige Hoffnung.

Daher lösten die Nachsorgetermine im Januar 2014 ziemlich deutliche Ängste aus. Natürlich sind nicht die Untersuchungen an und für sich zu fürchten. Blut abnehmen lassen, für ein MRT auf die Pritsche legen, für Aufnahmen der Lunge hinstellen - ein Kinderspiel. Was Ängste auslöst, ist vielmehr die Frage, was die Mediziner nach der Auswertung an Ergebnissen präsentieren.

Die Furcht, den Kampf gegen den Krebs zu verlieren, ist seit der Entdeckung der Lebermetastasen, also seit bald vier Monaten, immer wieder da. Gelegentlich raubten mir düstere Gedanken den Schlaf. Es fiel und fällt mir schwerer als zuvor, solche Überlegungen abzuweisen und aktiv umzudenken, Gutes zu erwarten.

Ein Anruf aus der Arztpraxis, dass die Leberwerte aus der Blutuntersuchung vom 3. Januar so bedenklich seien, dass baldmöglichst der Doktor mit mir darüber beraten wolle, half nicht gerade bei der Aufrechterhaltung oder Wiedergewinnung des Seelenfriedens. Der Termin wurde auf den 17. Januar festgelegt, weil dann auch die MRT- und Röntgenuntersuchung ausgewertet sein würden.

Ein ziemlich gewichtiger Stein fiel mir aber am 7. Januar vom Herzen, als der Radiologe im Röntgeninstitut mir gleich nach den Röntgenaufnahmen die gute Nachricht verkündete, dass die beiden seit der Lungenuntersuchung im Oktober 2013 fraglichen »pulmonalen Rundherde« keinen Anlass zur Besorgnis darstellten. Es handele sich, erklärte er mir, um vermutlich ältere harmlose Stellen, die sich seit der vorigen Aufnahme nicht verändert hätten. Da bei Darmkrebspatienten am ehesten Leber und Lunge von Metastasen befallen werden, sei jedoch auch zukünftig eine regelmäßige Lungenkontrolle, spätestens alle zwölf Monate, wichtig.

Ich fragte den Radiologen, die Gelegenheit beim Schopfe packend, nach den Blutwerten, die meinem Hausarzt so bedenklich schienen. Er meinte: »Sie sind doch erst vor drei Monaten an der Leber operiert worden. Zwei recht große Stücke wurden herausgeschnitten - wie sollen denn da jetzt schon die Leberwerte im Blut unauffällig sein? Das kann sechs bis zwölf Monate dauern, bis sich das normalisiert hat. Bei manchen Patienten sogar noch länger.«

Nun gut, dachte ich, der eine Arzt findet es beunruhigend, der andere hält es für normal. Obwohl besonders der eine auffällige Wert (neben zahlreichen anderen möglichen Ursachen) auf einen Tumor im Körper hindeuten könnte, tendiere ich eher dazu, den Blutwerten keine allzu bedrohliche Bedeutung zuzuordnen, denn vor der Leberoperation, während also in meinem Organismus Metastasen wuchsen, waren gerade diese Werte im Normalbereich gewesen.

Eine »Entwarnung« empfinde ich andererseits nicht, aber immerhin eine leichte Beruhigung, ein Fünkchen mehr Hoffnung.

Nun heißt es noch ein paar Tage abwarten, wie die Befunde des MRT aussehen und was bei der Besprechung am 17. Januar an Empfehlungen und gegebenenfalls Behandlungsvorschlägen herauskommt.

Als medizinischer Laie bleibt mir nichts übrig, als Rat von Fachleuten zu suchen und anzunehmen. Im Gegenteil, ich bin froh und dankbar für die hervorragenden Ärzte und unser Sozialversicherungssystem, das mir eine gute medizinische Versorgung ermöglicht. Krebspatienten in manchen anderen Ländern geht es da viel schlimmer …

Wenn es um einen kleinen Schnupfen geht oder andere unbedeutende Wehwehchen, dann gehe ich natürlich nicht zum Arzt. Wenn es um Überlegungen geht, ob Sport oder gesunde Ernährung eine Rolle beim Gesundwerden beziehungsweise -bleiben spielen, brauche ich auch keine medizinische Beratung. Da reicht mein Verstand aus.

Anders sieht es bei speziellen Fragen aus:

  • Wie hoch darf ich die Herzfrequenz beim Training treiben?
    Antwort meines Arztes: Kurzzeitig bis 160 Schläge/Minute, beim gesamten Ausdauertraining sollte der Durchschnittswert nicht über 150 liegen.
  • Darf ich nach der Leberoperation abends ein Glas Wein trinken?
    Auskunft einer Ärztin bei der Entlassung aus dem Krankenhaus: Ja. Ein Glas ist okay. Auskunft meines Hausarztes, nachdem die Blutwerte dauerhaft ungut blieben: Nein. Kein Alkohol.

imageDass ich mich an solchen ärztlichen Rat dann auch halte, versteht sich von selbst. Ich will und werde tun, was in meiner Macht liegt, um noch viele Jahre am Leben zu bleiben. Viel kann ich sowieso nicht dazu beitragen – aber auslassen will ich natürlich auch nichts.

Einen Rat, der keineswegs neu ist, will ich gerne abschließend meinen geschätzten Blogbesuchern genauso wie mir selbst in Erinnerung rufen: Sorgen und Grübeln ist niemals eine gute Idee, denn keiner von uns kann dadurch seinem Leben auch nur eine Minute hinzufügen. Dankbarkeit für jeden neuen Tag und bewusstes Erleben jeder Stunde verhelfen dagegen zu seelischem Gleichgewicht und die Heilungskräfte, die daraus erwachsen, sind so unbedeutend nicht.

Es gelingt mir nicht rund um die Uhr, den Ängsten Einhalt zu gebieten, aber ich habe nach wie vor nicht die Absicht, mich unterkriegen zu lassen.

Eine ähnliche Haltung und dazu noch göttlichen Beistand wünsche ich meinen Lesern, soweit sie bis zum Ende dieses langen Beitrages gelesen haben, falls sie ebenfalls mit ernsthaften Bedrohungen zu kämpfen haben.

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Donnerstag, 2. Januar 2014

Gelesene Bücher 2013

Auch zu diesem Jahreswechsel möchte ich meinem Internettagebuch namens Blog nicht vorenthalten, wie es sich mit der Lektüre im vergangenen Jahr begeben hat. Vielleicht interessierte es ja jemanden – ansonsten kann wenigstens ich Jahr für Jahr zurückblättern.

Wie immer folgt die Liste alphabetisch sortiert nach Autoren, danach wird der Titel des Buches verraten, dann folgt eine kurze Bemerkung und meine subjektive Bewertung (+ heißt gutes Buch, 0 heißt Durchschnitt, – heißt schlechtes Buch – unten in den entsprechenden Farben leicht zu erkennen). Es schließt sich an das Kürzel für die Sprache, in der ich das Buch gelesen habe (E für Englisch, D für Deutsch) und dann das Kürzel, ob es ein gedrucktes Werk (P wie Papier) war oder ein Kindle-Buch (K).

Statistisches: Ich fand zwei von den 34 gelesenen Büchern schlecht, elf durchschnittlich und demzufolge 21 Werke gut. Elf waren in Englisch verfasst, die Mehrzahl kam in deutscher Sprache daher. 16 der Titel las ich auf dem Kindle, die anderen waren »echte« Bücher, auf Papier gedruckt.

Die Einzelheiten? Bitteschön:

  • Arthur, Randall /// Forgotten Road /// First quarter very semi-liquid, rest inspiring /// + /// E /// P
  • Falada, Hans /// Kleiner Mann, was nun? /// Nach vielen vielen Jahren erneut gelesen - und nicht bereut. Gutes Buch. /// + /// D /// P
  • Fitzeck & Tsokos /// Abgeschnitten /// Gar nicht schlecht … prima konstruiert und nie langweilig. /// + /// D /// P
  • Fitzeck, Sebastian /// Der Nachtwandler /// Spannend ist es allemal, wenngleich doch etwas sehr umständlich herbeikonstruiert. /// 0 /// D /// P
  • Goolrick, Robert /// A Reliable Wife /// No must-read, but not bad either. Gets better towards the end. /// 0 /// E /// P
  • Haas, Wolf /// Das große Brenner-Buch /// Skurril, schrullig, amüsant. Ein österreichisches Vergnügen. /// + /// D /// P
  • Haslinger, Josef /// Ignatz Hajek / Die mittleren Jahre /// Zwei bewegende Novellen - einfühlsam geschildertes Bauernleben /// + /// D /// P
  • Hunold-Reime, Sigrid /// Schattenmorellen /// Wird immer spannender, je länger man liest. /// + /// D /// K
  • Hustvedt, Siri /// The Summer without men /// One of those very good books one is planning to read again one day. /// + /// E /// P
  • Karasek, Hellmuth /// Frauen sind auch nur Männer /// Höchst amüsant und außerordentlich unterhaltsam. /// + /// D /// P
  • King, Stephen /// Joyland /// Very nice, much too short. Another great King. /// + /// E /// P
  • King, Stephen /// Dr. Sleep /// I wasn't sure what to expect from a sequel - but this was great stuff – very thrilling hours spent reading. /// + /// E /// P
  • King, Stephen & Hill, Joe /// Throttle /// Great storytelling! /// + /// E /// K
  • Koelle, Patricia /// Flaschenpost vom Meer. Strandgeschichten /// Geht so … na ja … geht so. Beinahe wäre es ein – geworden … /// 0 /// D /// K
  • Konrath, J.A. /// Mr. K. – Thriller /// Zunächst etwas verwirrend, dann immer spannender /// + /// D /// K
  • Lafferty, Linda /// The Bloodletter's Daughter /// Not bad at all … but it should have been cut down to half the number of pages. /// 0 /// E /// P
  • Link, Charlotte /// Im Tal des Fuchses /// Unerwartete Irrungen und Wirrungen … spannende Lektüre! /// + /// D /// P
  • Löhr, Robert /// Erika Mustermann /// Nicht ganz der Löhr, den ich gewohnt bin, aber allemal sehr unterhaltsam. /// + /// D /// P
  • Montero, Rosa /// Tears in Rain /// Science Fiction - but a readable one. Thumbs up! /// + /// E /// K
  • Mooney, Mick /// SNAP /// The author wants to make his message clear so badly that he skips or forgets about storytelling /// 0 /// E /// K
  • Nicholls, David /// Zwei an einem Tag /// Ein recht guter Roman - zeitgemäß und glaubhaft erzählt. /// + /// D /// K
  • Rademacher, Cay /// Der Trümmermörder /// Spannend, hervorragend erzählt - rundum gelungener Krimi /// + /// D /// K
  • Ratzinger, Joseph /// Jesus von Nazaret - Die Kindheitsgeschichten /// Fundiert und informativ wie erwartet - unterhaltsam sogar … gut so! /// + /// D /// P
  • Russel, Alan /// Shame /// Surprisingly thrilling after a slow start. /// + /// E /// K
  • Schebesta, Lutz /// Frauenheld /// Unterhaltsam … nicht herausragend, aber ganz nett. /// 0 /// D /// K
  • Schiller, Barbara und Christian /// Die Fotografin /// Gelegentlich etwas langatmig, nicht immer stilsicher, aber im Ganzen doch spannend. /// 0 /// D /// K
  • Taylor, T. Nelson /// Dust /// A book with some thrill - a strange solution … nice entertainment, but not more. /// 0 /// E /// K
  • Templar, Richard /// Die Regeln der Arbeit /// Irgendwo zwischen humorvoll und hilfreich … na ja. Gerade noch 0, fast schon ein - /// 0 /// D /// K
  • Vermes, Timur /// Er ist wieder da /// Gelegentlich grenzwertig, aber doch genial. Ragt aus der Masse deutlich heraus. /// + /// D /// P
  • Verschiedene Autoren /// Wir sind die Toten der Nacht – Gruselgeschichten /// Teils ganz unterhaltsam, meistens albern … jedenfalls kein Grusel dabei /// - /// D /// K
  • Walser, Martin /// Die Inszenierung /// Sprachlich wie erwartet hervorragend, die Geschichte selbst leider ein wenig dünn. /// 0 /// D /// P
  • Winterfeld, Chrissi /// Anarchie im Herzen /// Selten solch schlechtes Deutsch mit so vielen Fehlern gesehen - dazu noch langweilig. /// - /// D /// K
  • Zafon, Carlos Ruiz /// Der Gefangene des Himmels /// Nimmt den Leser gefangen und lässt ihn nicht mehr los. Bravo! /// + /// D /// P
  • Zweig, Stefan /// Die Heilung durch den Geist /// Recht mühsam zu lesen trotz interessanter Inhalte - aber auch nichts Weltbewegendes. Nur für historisch Interessierte lesbar. /// 0 /// D /// K

Noch ein paar Zahlen beziehungsweise statische Anmerkungen: Ich habe 2013 weniger Bücher gelesen als 2012, da listete ich 49 auf. Im Jahr 2011 waren es noch mehr: 55 Stück. Und 2010, als ich damit anfing, die gelesenen Bücher zu notieren, landeten 54 Bücher auf der Liste, allerdings hatte ich bei zweien die Lektüre vor dem Ende abgebrochen, weil sie so fürchterlich waren. Also waren es 52 gelesene Werke.

Nun bin ich gespannt, welche Lektüre 2014 mein Leben bereichern wird.

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