Ende der letzten Woche nahm ich eine Einladung zu einem kleinen »Männerabend« an. Klein, weil wir zu viert waren: Ein Unternehmer aus der Immobilienbranche, ein (medizinischer) Wissenschaftler, ein kaufmännischer Angestellter (unser Gastgeber) und meine Wenigkeit. Von 19:30 Uhr bis Mitternacht sprachen wir über eine breite Palette von Themen: Mr. Bean, Erweckung, Loriot, Krankenheilung, gute Autos - schlechte Autos, Finanzkrise, Gemeindebau, Armut in der Welt und Reichtum der Christen.
Bei Loriot und Mr. Bean waren wir uns einig: Alle verfügbaren Daumen nach oben. Bei anderen Themen wichen unsere Meinungen zum Teil erheblich von einander ab, was aber unserer Freundschaft keinen Abbruch tat und tun wird.
Zum Beispiel die Sache mit der Finanz- beziehungsweise Wirtschaftskrise: Wird es besser? Wird es schlimmer? Entwickelt sich gerade eine globale Gesellschafts- und Kulturkrise, oder ist eher damit zu rechnen, dass es zwar Erschütterungen, aber keinen totalen Zusammenbruch geben wird?
Einer aus unserer Runde, der Unternehmer, folgt gerade dem Rat von David Wilkerson, sich mit Lebensmitteln und Wasser zu bevorraten. Sogar einen Generator wird er sich zulegen, um im Fall der Fälle Strom erzeugen zu können. Ein anderer, der Wissenschaftler, meint dagegen, dass Gott jetzt sein Versorger sei, warum dann nicht auch im Fall des Zusammenbruchs unserer »sicheren« Systeme?
Ich habe David Wilkerson vor mehr als 30 Jahren kennen gelernt, Leser meines Buches »Es gibt kein Unmöglich!« wissen, wie das vor sich ging. Ich halte ihn nach wie vor für einen aufrechten, treuen Mann Gottes, wenngleich ich mit seiner aktuellen und einigen vorangegangenen »Prophetien« durchaus Schwierigkeiten habe. Oder besser gesagt mit den Interpretationen, die er mit den geistlichen Inspirationen zu verflechten pflegt. Nach meinem ganz persönlichen und sicher nicht allgemein maßgeblichem Empfinden ist er so eine Art moderner Jona, dem Gott aufträgt, Gericht zu predigen, was ihm nicht gerade leicht fällt. Dann ist Gott gnädig, das Gericht fällt aus, und der Prophet ist ziemlich irritiert.
Doch zurück zur Krise: Kommt es nun also zum Zusammenbruch? Unser Gastgeber war völlig überzeugt, dass den Christen der »Segen Abrahams« zustehen würde, und zwar unter anderem materieller Wohlstand. Wir müssten das nur bei Gott »abholen«. Es sei uns schließlich der Reichtum der Nationen (zur persönlichen Verwendung) verheißen, und der Heilige Geist werde uns in absehbarer Zeit in die Lage versetzen, diese Abholung durchzuführen, indem er uns den notwendigen Glauben schenkt. Die einfache Gleichung: Genug Glaube = Reichtum.
Hier musste ich energisch widersprechen. In meiner Bibel lese ich nämlich nicht nur von wohlhabenden Gläubigen, sondern auch davon, dass Paulus für die Jerusalemer Christen landauf, landab Geld sammelt, weil dort eine Hungersnot herrscht. Ich lese von Paulus, dass er von sich sagt, sehr wohl Mangel zu kennen und genötigt zu sein, Zelte herzustellen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich lese, dass Jesus seiner Gemeinde, seinen Nachfolgern aufträgt, sich um die Armen zu kümmern. Ich lese, wie Paulus dem Timotheus schreibt: »Die Gottseligkeit mit Genügsamkeit aber ist ein großer Gewinn; denn wir haben nichts in die Welt hereingebracht, so dass wir auch nichts hinausbringen können. Wenn wir aber Nahrung und Kleidung haben, so wollen wir uns daran genügen lassen.«
Nahrung und Kleidung. »Kleidung« heißt sicher nicht, einen sechstürigen Kleiderschrank so zu füllen, dass die Türen kaum noch zu schließen sind. »Nahrung« dürfte sicher unterhalb des 3-Gänge-Menüs im 5-Sterne-Lokal anzusiedeln sein.
Natürlich gibt es in den biblischen Berichten die Wohlhabenden, Menschen wie Abraham oder Salomo, bei denen »Segen« mit Wohlstand einherging. Aber daraus macht die Bibel kein Gesetz oder Rezept. Sondern, so Paulus weiter: »Die aber reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstrick und in viele unvernünftige und schädliche Begierden, welche die Menschen in Verderben und Untergang versenken. Denn eine Wurzel alles Bösen ist die Geldliebe, nach der einige getrachtet haben und von dem Glauben abgeirrt sind und sich selbst mit vielen Schmerzen durchbohrt haben. Du aber, Mensch Gottes, fliehe diese Dinge; strebe aber nach Gerechtigkeit, Gottseligkeit, Glauben, Liebe, Ausharren, Sanftmut!«
Das heißt ja nicht, dass Gott dieses Streben nicht auch noch mit finanzieller Ausstattung ergänzen kann. Paulus predigt keineswegs ein Gebot der Armut oder Askese. Er hat auch die Wohlhabenden unter den Gläubigen im Blick: »Den Reichen in dem gegenwärtigen Zeitlauf gebiete, nicht hochmütig zu sein, noch auf die Ungewissheit des Reichtums Hoffnung zu setzen - sondern auf Gott, der uns alles reichlich darreicht zum Genuss - Gutes zu tun, reich zu sein in guten Werken, freigebig zu sein, mitteilsam, indem sie sich selbst eine gute Grundlage auf die Zukunft sammeln, um das wirkliche Leben zu ergreifen.« Wenn es einen »Anspruch« auf Wohlstand gibt, warum redet Paulus dann hier von der »Ungewissheit«? Vielleicht hat er ja zu wenig Glauben gehabt...
Gibt es einen »Anspruch auf Wohlstand«, einen Anspruch auf den materiellen »Segen Abrahams«? Braucht man zur Verwirklichung nur genug Glauben?
Ich verneine es.
Wer es bejaht, der möge freundlicherweise beispielsweise den Christen in Afrika erklären, dass sie halt leider nicht genug Glauben haben, andernfalls würden sie als Eltern nicht mit ansehen müssen, wie ihre Kinder an Hunger, Malaria oder Cholera sterben, bevor sie selbst zugrunde gehen.
Und den Hartz-4-Empfänger hierzulande kann er dann gleich mit zu der Gemeinde nehmen, in der solch ein Segen Abrahams verfügbar gemacht wird. Ich bin gespannt auf die Erfolgsberichte...