Montag, 9. April 2012

Aufzeichnungen nach dem Krankenhaus /// Teil 4

»Ohne!«

In der Medizinern nun einmal eigenen Sprache heißt es:

Am 21.03. führten wir den Eingriff als Hemikolektomie links unter Mitnahme von Anteilen des Zwerchfells durch. Die Darmkontinuität wurde mittels Transversorektostomie wiederhergestellt. Die postoperative Behandlung erfolgte für einen Tag auf der Intensivstation.

Um 10 Uhr wurde ich am 21. März zum Operationstrakt gefahren. Zunächst wurde der Periduralkatheder gelegt, das ist eine Leitung, die wenige Millimeter vom Rückenmark entfernt endet, durch die dann nach der Operation eine Schmerzmittelpumpe Morphin und andere Medikamente direkt zu bestimmten Nervenbahnen führen kann. Dadurch entsteht ein tauber Gürtel rings um den Körper. Man hatte mir diese Methode sowie zwei andere für die Schmerzbehandlung vorgestellt, mir schien die automatische Variante trotz der genannten Risiken (Querschnittlähmung, Impotenz, Verlust von Gefühl in bestimmten Regionen … ) am praktischsten und ich unterschrieb nun die Belehrung, so dass der Zugang gelegt werden konnte.

Anschließend unterschrieb ich, dass ich über die Risiken und Nebenwirkungen der Narkose aufgeklärt worden war und um 10:30 Uhr schaute ich zum letzten Mal auf die Uhr über dem Durchgang zum eigentlichen Operationssaal. »Wir fangen jetzt an«, sagte jemand, und bevor ich noch ja oder nein dazu sagen konnte, war ich schon weggetreten aus dieser unserer Wirklichkeit.

Der Schnitt ein paar Tage späterDer Rest des Mittwochs ist ziemlich vernebelt in der Erinnerung. Um 15:30 kam ich kurz zu mir, bemerkte, dass ich mich wieder auf der Intensivstation befand und fragte mich, ob das ein schlechtes Zeichen sein mochte. Dann tauchte mein Chirurg in meinem Blickfeld auf, strahlte mich an und sagte: »Ohne!« Es dauerte wohl einen Moment, bis ich verstand. Ich fragte: »Kein künstlicher Darmausgang?« »Nein. Wir müssen abwarten, ob die Nähte halten und der Darm so zusammenwächst, aber erst einmal sind Sie ohne davon gekommen.« Ich wollte mich bedanken, aber die Augen fielen wieder zu.

Um 16:30 Uhr war dann Eva, die beste aller Ehefrauen, da. Sie hielt meine Hand, sah sehr müde aus, aber sie lächelte und es tat mir gut, dass sie da war. Viel zu reden war ich nicht in der Lage, immer wieder überwältigte mich der Schlaf ohne dass ich es wollte, aber immerhin brachte ich es fertig, sie zu fragen, ob ich ihr irgend etwas holen könnte, einen Tee vielleicht?

Ansonsten, wie gesagt, ist der 21. März in meiner Erinnerung nur bruchstückhaft und vernebelt vorhanden. Ich weiß noch, dass zwei Menschen vom Schmerzdienst kamen und mir erklärten, dass die Schmerzmittelpumpe in Betrieb sei und dass ich mich sofort melden solle, wenn ich Schmerzen hätte, die Krankenschwestern oder Ärzte würden dann rund um die Uhr jemanden vom Schmerzdienst erreichen und holen können.

Am nächsten Tag musste ich einige Male Gebrauch davon machen. Im Laufe des Vormittags stellten sich Schmerzen ein, die ziemlich rasch zunahmen. Da niemand von den Pflegekräften und auch niemand von den Ärzten die »sündhaft teure« Schmerzmittelpumpe bedienen oder irgend welche Einstellungen ändern wollten (»da gehen wir nie und nimmer ran, das machen nur die Spezialisten vom Schmerzdienst«), bekam ich zunächst Tropfen und dann über die Infusion zusätzliche Schmerzmittel. Die Spezialisten für die Pumpe kamen alle paar Stunden vorbei und am späten Nachmittag, als ich schon wieder auf der chirurgischen Station lag, war dann die richtige Dosierung gefunden.

Ich bin ja, da ich schon als Kind Karl May gelesen und mich mit Winnetou und Old Shatterhand verbündet hatte, überzeugt, dass ein Indianer (also ich) keinen Schmerz kennt (also nie und nimmer zugibt, dass er ebendiesen erleidet). Im Krankenhaus allerdings machten mir die Ärzte sehr ernsthaft klar, dass es der Heilung förderlich sei, wenn ich tatsächlich völlig schmerzfrei war, denn andernfalls verkrampft sich der Mensch, Indianer hin oder her, und ein verkrampfter Organismus heilt langsamer oder gar nicht an den entscheidenden Stellen.

Was, wie der Arztbericht formuliert, »am zweiten postoperativen Tag allerdings« passierte und inwiefern mir das zugute kam, obwohl es erst einmal ganz böse aussah, davon berichte ich dann in der nächsten Fortsetzung.

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