„Die geistliche und menschliche Erneuerung“ in Afrika hat Papst Benedikt XVI. als Leitziel seiner Reise nach Afrika bezeichnet. Das gelte auch für die Sexualität, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Dienstag im Flugzeug auf dem Weg von Rom nach Yaoundé, der Hauptstadt Kameruns. Der Gebrauch von Präservativen würde das Problem der Aids-Epidemie nicht lösen, sagte der Papst. Kondome zu verteilen würde die Gefährdungen vielmehr erhöhen. Man könne diese „wahre Tragödie“ nicht mit Geld aus der Welt schaffen. (Quelle: F.A.Z.)Richtig scheint mir, dass der Gebrauch von Kondomen das Problem der Aids-Epidemie nicht lösen kann. Allerdings ist auch die »geistliche und menschliche Erneuerung« kein sofort wirkendes Wundermittel gegen HIV-Infektionen. Es ist zwar anzunehmen, dass geistlich erneuerte Menschen zu einem Sexualverhalten finden werden, das die Ausbreitung von Aids nicht weiter fördert, aber das akute Problem ist dadurch natürlich nicht gelöst.
Diesbezüglich wies der Papst darauf hin...
...dass die Kirche mit ihren Gesundheitseinrichtungen und Sozialstationen viel gegen die Aids-Seuche unternehme. „Menschliches Verhalten, sittlich und korrekt, aufmerksam und mitfühlend, gegenüber den Kranken“ sei geboten, forderte Benedikt. (Quelle: F.A.Z.)Dass die katholische Kirche in Afrika und weltweit der größte nichtstaatliche Anbieter von Gesundheitsfürsorge (Krankenhäuser, Diakonie und vieles mehr) ist, nehmen die meisten lautstarken Kritiker natürlich nicht zur Kenntnis, wollen sie doch möglichst kein gutes Haar an Kirche und Religion lassen. Die gegenwärtige Aufregung ist nur ein willkommener Anlass, mal wieder kräftig loszutreten.
Nun bin ich kein Katholik und teile nicht die Auffassung, dass Familienplanung und Vorsorge vor Ansteckung mittels Kondomen zu verurteilen sei. Ich meine auch, dass man von Menschen, die bei der »geistlichen und menschlichen Erneuerung« noch nicht angekommen oder darin noch nicht weit gediehen sind, kein Sexualverhalten erwarten kann, das kirchlichen Ansprüchen gerecht würde - zumal diese Ansprüche in einigen Bereichen auch innerhalb der Kirche umstritten sind und einem stetigen Wandel unterliegen.
Nicht nur bei den Katholiken, übrigens: War es beispielsweise in pfingstlichen Kreisen vor 30 Jahren denkbar, dass geschiedene Menschen geistliche Ämter anstreben oder bekleiden? Aus meiner Erinnerung nicht. Heute dagegen bereitet ein frisch geschiedener und (mit neuer Frau) wieder verheirateter Evangelist sein Comeback im charismatischen Segment vor, mit Rückendeckung und Unterstützung namhafter Leitungspersonen. Ich habe nichts dagegen, denn ich meine, dass jeder Mensch Gnade empfangen kann, darf und sollte - von Gott und Menschen.
Zurück zum Kondom. »Sicher« ist es nicht, es kann unsachgemäß gebraucht werden, schadhaft produziert, beschädigt werden... Es dürfte aber in der gegenwärtigen Situation die womöglich einzige Möglichkeit sein, der weiteren Ausbreitung von Aids zügig entgegen zu wirken. Die Verfügbarkeit von Präservativen könnte darüber hinaus erheblich dazu beitragen, Schwangerschaften zu vermeiden, was angesichts des Hungers und der Überbevölkerung kein schlechter Dienst an der Gesellschaft in weiten Teilen Afrikas wäre. Die Annahme, dass Millionen Menschen künftig auf Sex verzichten, halte ich für ziemlich illusorisch.
Und dennoch hat der Papst recht, dass langfristig eine »geistliche und menschliche Erneuerung« der einzige Weg ist, nicht nur die Aids-Seuche, sondern auch viele andere Probleme in den Griff zu bekommen. Nicht nur in Afrika.
P.S.: Foto von WikiCommons