Montag, 24. Oktober 2011

Johannes /// Teil 4

Das Thema scheint zwar kaum auf Interesse zu stoßen, aber ich erzähle die Geschichte trotzdem weiter. Und sei es nur für mich selbst. Ätsch!

Die vorigen Teile: [Teil 1]  [Teil 2] [Teil 3]

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Zacharias schreibt: Johannes!Doch die Überraschungen waren noch nicht zu Ende. In diesem Moment erfüllte sich auch der letzte Teil der Voraussagen des Gottesboten am Räucheraltar. Vielleicht erschrak Zacharias? Sein »Mund wurde aufgetan und seine Zunge gelöst«, so lesen wir es in den Überlieferungen. Er »redete und lobte Gott«.

Selbstverständlich kannte er als Priester die Schriftrollen der Propheten, aus denen in den Synagogen vorgelesen wurde. Er zitierte in seiner Rede einige dieser Voraussagen. Was er nun, als er nach mehr als neun Monaten wieder sprechen konnte, über seinen Sohn Johannes sagte, ging jedoch deutlich über das hinaus, was er nach rein menschlichem Ermessen wissen konnte.

»Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat sein Volk besucht und erlöst und hat uns eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David aufgerichtet. Das hat er bereits vor sehr langer Zeit durch den Mund seiner heiligen Propheten angekündigt, dass er uns errettet von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen.« Die Zuhörer nickten, denn auch sie kannten ja die uralten Prophetien, auf deren Erfüllung das Volk hoffte, seit die Römer die Herrschaft übernommen hatten. Man tröstete sich mit dieser Hoffnung über die trostlose Realität hinweg, doch warum Zacharias daran ausgerechnet bei der Beschneidung seines Sohnes erinnerte, war nicht ganz verständlich. Hätte er nicht eher etwas über den Bund zwischen Abraham und Gott sagen sollen, von jener ersten Beschneidung in der Geschichte des Volkes erzählen müssen?

Zacharias fuhr fort: »Gott hat versprochen, unsern Vätern Barmherzigkeit zu erzeigen und an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er unserm Vater Abraham geschworen hat, zu denken.«

Ach – aha! Endlich kam der Priester, auf einem Umweg, doch zum Thema. Nun war der Zusammenhang schon verständlicher.

»Gott hat uns versprochen, dass wir, erlöst aus der Hand unserer Feinde, ihm dienen werden. Und zwar ohne Furcht, unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen«, fügte Zacharias noch hinzu.

Vielleicht dämmerte nach diesen Worten einigen Verwandten und Freunden, dass der stolze Vater der Geburt seines Sohnes mehr Bedeutung beimaß als – bei aller Freude über den so spät im Leben noch erfüllten Kinderwunsch – zu erwarten war. Sollte die Namensgebung eine tiefere Bedeutung haben? Meinte Zacharias womöglich, dass die Erlösung aus der Hand der Feinde, der Römer, unmittelbar bevorstand? Sollte das Kind dabei eine Rolle spielen?

Nun sah Zacharias seinen Sohn Johannes an und erklärte: »Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und seinem Volk Erkenntnis des Heils gibst in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.«

Wir sind etlichen der eben genannten Begriffe und Worten entfremdet, »Heil« hat in unserem Land sogar einen üblen Beigeschmack bekommen. Dieser Schluss der Ansprache ist recht poetisch formuliert, was ja nicht an und für sich verkehrt ist, uns aber doch das Verständnis für die Reaktion der Anwesenden etwas erschwert. Kurz zusammengefasst hatte Zacharias gesagt, dass sein Sohn im Auftrag Gottes reden und ein Wegbereiter für die Befreiung des Volkes sein würde – aus der Finsternis der augenblicklichen Situation hinaus, in eine helle und friedliche Zukunft hinein.

Es war eine merkwürdige Stimmung, die sich nach den Worten des Vaters über sein Kind breit machte in der Festtagsrunde. Furcht kam über alle Nachbarn; man spürte, dass eine höhere Macht die Hand im Spiel hatte. Die ganze Geschichte wurde bekannt »auf dem ganzen Gebirge Judäas«, also weit über die nächste Nachbarschaft hinaus. Und alle, die es hörten, nahmen es sich zu Herzen und sprachen: »Was, meinst du, will aus diesem Kindlein werden?«

»Denn die Hand des Herrn war mit ihm«, hat jemand angemerkt, der diese Geschichte auch schon erzählt hat. Woran das in der Kindheit und Jugend des Johannes erkennbar war, wissen wir nicht, denn über seine Entwicklung hat niemand etwas aufgeschrieben, damals, vor so langer Zeit. Wir können immerhin davon ausgehen, dass Johannes ein gesundes, kräftiges und intelligentes Kind war, denn der Bericht schließt damit, dass er »wuchs und stark im Geist wurde«. Das Kind wurde zum Jugendlichen. Manche Menschen, die sich noch an jene außergewöhnliche Feier der Beschneidung und an die sonderbaren Umstände der Schwangerschaft erinnerten, mochten Johannes gespannt beobachten, denn wenn das, was sein Vater damals verkündet hatte, richtig war, musste der Junge ja nun langsam mal aktiv werden. So stellte man sich das vor.

Und dann verschwand Johannes.

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Das Bildnis ist entlehnt von dieser Seite: Glasmalerei des 20. Jahrhunderts

Fortsetzung folgt. Basta.

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