Dass in den sozialen Netzwerken Unfug in allen Variationen zur vollen Blüte gelangen kann, ist ja nicht neu. Das gab es schon seit deren Erfindung. Vom geteilten Bildchen, mit dem der Benutzer den angeblich gerade geänderten Nutzungsbedingungen von Facebook widersprechen will bis zur Bielefeld-Verschwörung reicht die Palette an dummen bis lustigen Lügen, Legenden und Lausbubenstreichen. Dazu kann man amüsiert den Kopf schütteln, einen launigen Kommentar hinterlassen oder, wenn man den Spaß mitmachen will, fleißig weiterspinnen, was irgendjemand ersonnen hat. Das hat unter anderem dazu geführt, dass es die Bielefeld-Verschwörung (über deren finsteres Treiben auch ich auf diesem Blog berichtet habe) bis in die ZDF-Serie »Wilsberg« und eine Tatort-Folge geschafft hat.
In letzter Zeit allerdings wird aus dem Spaß, dass jeder und jede auch noch so dahergelaufene Person im Internet jeglichen Unfug schreiben und verbreiten kann, zunehmend Ernst. Weil immer mehr Menschen glauben, was da zu lesen und zu sehen ist.
- Die AfD sei eine Vereinigung von Neonazis, kann man lesen. Man kann aber auch lesen, dass die AfD die letzte Hoffnung sei, zu einer vernünftigen Politik zurückzukehren.
- Die einen teilen fleißig Beitrag um Beitrag, wenn darin beschrieben wird, dass sogenannte Flüchtlinge für Einbrüche, Vergewaltigungen, Raub und sonstige Verbrechen verantwortlich sind. Die anderen schreiben unablässig und unermüdlich, dass der Islam keine Gefahr darstellt und die sogenannten Flüchtlinge alle ganz liebe Menschen sind.
- Die einen sehen in der Bundeskanzlerin eine Lichtgestalt von historischer Bedeutung, die anderen halten sie für diejeinige, die dem deutschen Volk und Europa das Grab schaufelt.
Macht sich eigentlich niemand mehr die Mühe, die Herkunft und den Wahrheitsgehalt dessen zu hinterfragen, was bei Facebook, Twitter oder in diversen Foren behauptet und verbreitet wird? Ist denn mehrheitlich der Verstand schon so weit abhanden gekommen, dass für bare Münze genommen wird, was irgendein völlig unbekannter Mensch auf einer durch niemanden auf Authentizität überprüfbaren Plattform von sich gibt?
Die etablierten Medien tun ihren Teil zur Entwicklung hinzu, indem sie - von Ausnahmen abgesehen - zunehmend nur noch gefilterte Nachrichten veröffentlichen oder Nachrichten gar nicht verbreiten, wenn sie der jeweiligen politischen Coloeur unangenehm sind. Die Herkunft von Straftätern wird verschwiegen oder wie jüngst bei den Anschlägen in Frankreich bewusst irreführend formuliert, weil ja »ein französischer Bürger« (der ganz zufällig Mohammed Soundso heißt) politisch eher korrekt ist also von einem vor ein paar Monaten eingebürgerten Syrer zu sprechen.
Es scheint, als könne man inzwischen auch den bisher als seriös geltenden Nachrichtenmedien nicht mehr glauben, was sie verbreiten. Man muss hinterfragen, interpretieren, sieben und abwägen. Das ist schade. Das war früher nur bei Sensationsblättern wie BZ und Bild oder den Beiträgen im Unterschichtenfernsehen notwendig.
Wird sich das wieder ändern? Ist die Vernunft nur untergetaucht? Kommt sie irgendwann wieder zum Vorschein? Das bleibt abzuwarten. Ich befürchte, dass das nicht der Fall sein wird. Es sei denn, Politik und Nachrichtenredaktionen werden wieder glaubwürdig und halten sich an die Wahrheit, und zwar die ganze Wahrheit. Unwahrheiten aller Art sind und bleiben bei Facebook, Twitter und Co bestens aufgehoben.
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