Jemand behauptete, der »Zehnte« gehöre, das sei göttliches Gesetz, in die Gemeinde. Mit dem dann noch verbliebenen Geld könne man »Almosen« geben. Ich fragte ihn, ob er denn auch alle übrigen über 600 Vorschriften des Gesetzes einhalten würde. Er gestand ein, das sei nicht der Fall. Das habe aber gar nichts mit der Weitergeltung des »Zehnten« zu tun.
Ich hatte bisher Apostelgeschichte 15, 1 bis 21 so verstanden, dass wir »Heidenchristen« aus dem Gesetz und den Vorschriften des Alten Testamentes nur folgendes zu beachten haben:
...daß sie sich enthalten von den Verunreinigungen der Götzen und von der Unzucht und vom Erstickten und vom Blut. (Vers 21)Nun ist es unstrittig, dass eine Gemeinde oder Kirche als Organisation Kosten zu decken hat. Sei es die Miete für den Versammlungsraum oder ein eigenes Gebäude, seien es die Ausgaben für Angestellte, Material, Werbung... - zweifellos entsteht Bedarf an Geld, wenn es eine lokale »Versammlung der Gläubigen« gibt. Je nach Größe mehr oder weniger.
Man kann diesen Bedarf mit freiwilligen Zuwendungen der Mitglieder und Freunde decken, mit Kirchensteuern wie die Großkirchen oder, wie es einige wenige Gemeinden tun, mit Mitgliedsbeiträgen, gestaffelt nach dem Einkommen der Mitglieder. Man kann sich als Gemeindeleitung entscheiden, nur das Geld auszugeben, was tatsächlich vorhanden ist, oder man kann sich entscheiden, »im Glauben« Projekte zu beginnen, bevor die Gelder auf dem Bankkonto liegen. Man kann (und darf) die Mitglieder und Freunde auffordern, zum Gelingen der gemeindlichen Arbeit beizutragen.
Aber man darf nicht, auch wenn die Finanznot eine ganz erhebliche sein sollte, etwas zum göttlichen Gesetz erklären, was keines mehr ist, seit Jesus gekommen ist, um »das Gesetz zu erfüllen«, wie er in der Bergpredigt erklärte.
Natürlich argumentieren manche so: Statt des Tempels haben wir heute das Kirchen- / Gemeindegebäude. Statt der Leviten haben wir Pastoren und andere Mitarbeiter, die Gehalt bekommen. Also gilt das mosaische Gesetz vom »Zehnten« in diesem Sinne auch heute und für uns. Allerdings entbehrt diese »Übertragung« jeglicher Grundlage in der Bibel, so oft sie auch von »bibeltreuen Christen« wiederholt wird.
Ich bin überzeugt, dass das von Jesus und seinen Jüngern gelebte und gepredigte Prinzip vom »Geben und Segen empfangen« gültig und richtig ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass großzügiges Geben tatsächlich nicht ohne göttliche Antwort bleibt. Ich bin, damit niemand das falsch interpretiert, für das Geben, Austeilen, Spenden. Ich bin auch dafür, dass die Menschen, die Nutznießer eines Gebäudes, eines Pastors und all der gemeindlichen Angebote sind, dafür in die Tasche greifen. Das ist bezüglich Gemeinde / Kirche so normal wie die Tatsache, dass man für einen Sportverein oder eine politische Partei Beiträge entrichtet, wenn man dazu gehört. Das gebietet einfach schon der Anstand.
Aber ich bin absolut dagegen, daraus ein Gesetz zu machen oder zu predigen, um die Gemeindefinanzen zu sichern. Und noch verkehrter ist es, damit Wohlstandsversprechen zu verbinden.
Denn wer einen Teil des Gesetzes als Voraussetzung für die Gerechtigkeit vor Gott betrachtet, ist nun mal verpflichtet, das ganze Gesetz zu halten. Andernfalls »fällt er aus der Gnade« und ist wieder für die eigene Gerechtigkeit zuständig. Darüber, wie es einem dann ergeht, schreibt heute der Storch einen ganz hervorragenden Beitrag: Galater 5, 1-2