Dienstag, 6. November 2007

Salz

Das Matthäusevangelium überliefert uns sehr detailliert eine Fülle der Lehren Jesu. Die Kapitel 5 bis 7 umfassen das, was meist als „Bergpredigt“ bezeichnet wird. Darin gibt es ein paar Stellen, die oft in Predigten oder anderen Betrachtungen nicht im Zusammenhang gesehen, sondern aus ihm herauslöst werden. Dabei geht leicht zumindest ein Teil dessen verloren, was Matthäus tatsächlich berichtet.

Zum Beispiel:
Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz fade geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden. (Matthäus 5, 13)
Das klingt erst mal ganz gut, meist wird daraus eine Predigt darüber, dass man Zeugnis geben und sein, das Evangelium zu den Menschen bringen soll. Oder dass Salz eine konservierende, reinigende Wirkung habe und wir als Christen insofern „salzig“ sein müssten. Das ist an und für sich völlig richtig. Aber – ist das wirklich das, was Jesus hier anspricht?

Im Zusammenhang gesehen lesen wir:
Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden um meinetwillen. Freut euch und jubelt, denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren. Ihr seid das Salz der Erde; wenn aber das Salz fade geworden ist, womit soll es gesalzen werden? Es taugt zu nichts mehr, als hinausgeworfen und von den Menschen zertreten zu werden. (Matthäus 5, 11-13)
Nun mag mancher fragen: Was hat denn Verfolgung, Schmähung und lügnerische Rede mit dem Salz zu tun? Eine ganze Menge. Salz ist nämlich in der Heiligen Schrift nicht nur ein Konservierungs- und Geschmacksmittel, sondern häufig etwas, was geopfert wird:
Alle Opfergaben deines Speisopfers sollst du mit Salz salzen und sollst das Salz des Bundes deines Gottes auf deinem Speisopfer nicht fehlen lassen; bei allen deinen Opfergaben sollst du Salz darbringen. (3. Mose 2, 13)
Salz ist auch ein Zeichen der Vernichtung:
Und Abimelech kämpfte jenen ganzen Tag gegen die Stadt. Und er nahm die Stadt ein, und das Volk, das darin war, erschlug er. Und er riß die Stadt nieder und bestreute sie mit Salz als Zeichen bleibender Verwüstung. (Richter 9, 45)
Es geht Jesus in Matthäus 5 nicht um das Evangelisieren oder das Bewahren von christlichen Werten, sondern darum, dass seine Nachfolger verfolgt, geschmäht, verlästert und ihres Lebens beraubt werden. Das wird noch deutlicher, wenn wir uns die entsprechenden Verse bei Lukas anschauen:
So kann nun keiner von euch, der nicht allem entsagt, was er hat, mein Jünger sein. Das Salz nun ist gut. Wenn aber auch das Salz kraftlos geworden ist, womit soll es gewürzt werden? Es ist weder für das Land noch für den Dünger tauglich; man wirft es hinaus. Wer Ohren hat zu hören, der höre. (Lukas 14, 33-35)
Auch bei Markus finden wir das Salz im Zusammenhang mit Nachfolge um jeden Preis und Opferbereitschaft:
Und wenn dein Auge dir Anlaß zur Sünde gibt, so wirf es weg! Es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes hineinzugehen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, "wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt". Denn jeder wird mit Feuer gesalzen werden und jedes Schlachtopfer wird mit Salz gesalzen werden. Das Salz ist gut; wenn aber das Salz salzlos geworden ist, womit wollt ihr es würzen? Habt Salz in euch selbst, und haltet Frieden untereinander! (Markus 9, 47-50)
Wenn Jesus also im Rahmen seiner Bergpredigt sagt, wir seien das Salz der Erde, dann meint er, dass wir als seine Nachfolger Salz sind, wenn „sie uns schmähen und verfolgen und alles Böse lügnerisch gegen uns reden werden.“ Solches Salz wird nicht „hinausgeworfen und von den Menschen zertreten“, sondern es ist etwas Wertvolles. Dann dürfen wir uns „freuen und jubeln“.

Sicher ist es angenehmer, in Frieden und unbehelligt zu leben. Merkwürdig – also würdig, sich das zu merken – scheint mir dabei der Umstand, dass die Gemeinde in Jerusalem erst Verfolgung brauchte, um ihren Auftrag, „in alle Welt“ zu gehen, anzupacken.

Hier in Deutschland kommt die Welt zu uns: Asylanten, Migranten, Studenten, Spezialisten, Touristen... Und dann ist ja da auch noch unser Nachbar, der von Jesus nichts weiß.

Was darf uns eigentlich die Nachfolge Jesu und sein Auftrag an uns kosten?