Mittwoch, 31. März 2010
Jede Menge Sünde auf einem Haufen
Eine liebenswerte Kommentatorin wunderte sich seinerzeit: »Eins jedoch hat mich stutzig gemacht: es gibt Kinderlieder über Sünde und Gesellschaft?« Ich versprach, den Kommentar kommentierend, dass ich das Geheimnis des Kinderliedes lüften würde, wenn der fragliche Artikel erschienen sein wird. Gestern kamen die Belegexemplare bei mir an, also ist es nun so weit.
Man nehme die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift »The Race«, öffne sie auf Seite 28 und lese die erste Strophe besagten Liedes. Die erste Zeile der ersten Strophe hat es sogar auf das Titelbild der Jubiläumsausgabe geschafft: Pass auf, kleines Auge, was du siehst.
Jede Menge Sünde auf einem Haufen oder besser gesagt in einem Heft – die Märzausgabe des Magazins hat ein Schwerpunktthema, das so leicht zu behandeln nicht ist. Können Kinder sündigen? Kann Vergebung unauffindbar sein? Was hat es mit dem »Risikofaktor Gnade« auf sich? Hinter Gittern gelandet – wie sieht da die Schuld im Rückblick aus? Im Dunkeln darf gestohlen werden? Und vieles mehr. Unter den Autoren ist übrigens Haso zu finden, seinen Artikel habe ich als ersten verschlungen: »Komm, Gauner, iss mit mir« soll Jesus zu einem geächteten Kerl gesagt haben. Und Peggy, die im Unwetter wild gegen Gott loswetterte, wurde nicht vom Blitz erschlagen.
Mein Beitrag beschäftigt sich mit dem erhobenen Zeigefinger, dem Begriff Sünde im Spannungsfeld von Gemeinde und Gesellschaft und der Frage, was denn Sünde eigentlich sein soll. Ein weinendes Mädchen kommt vor, ein tröstender, ziemlich aufgebrachter Junge, Lieschen Müllers Steuererklärung und dass der Mensch - Du, lieber Leser dieser Zeilen und ich eingeschlossen - wie Gott geworden ist.
Eine auch jenseits des Schwerpunktthemas hoch interessante Ausgabe, diese Nummer 36. Mehr zum Heft: The Race Online
Dienstag, 30. März 2010
Jessika muss warten…
…und darf erst nach Ostern, voraussichtlich am Dienstag, wieder hier ihr Unwesen treiben. Mich haben schon ungeduldige Nachfragen erreicht – doch Hast wäre fehl am Platze.
Die Fortsetzung, ungefähr im gleichen Umfang wie der vorige Teil, ist geschrieben, aber sie bedarf noch einiger Nacharbeit. Beim Lesen der ausgedruckten Seiten mit dem Kugelschreiber in der Hand blieben Hand und Schreibwerkzeug nicht untätig, wie man leicht sieht. Nach dem Einarbeiten der notierten Änderungen und Ergänzungen folgt ein weiterer Ausdruck und eine erneute Überarbeitung. Jessika legt Wert auf ordentliche Arbeit, und mit ihr ist nicht zu spaßen! Das werden wir, das wird Bernd noch deutlicher zu sehen bekommen, als uns, als ihm lieb ist.
Also mache ich mir lieber die Mühe, bevor ich Jessikas Zorn auf mich ziehe…
Den Tod nicht verleugnen – Dennis Hopper
Dennis Hopper stirbt an Prostatakrebs, aber er hat es sich nicht nehmen lassen, zur Enthüllung seines »Star of Fame« in Hollywood persönlich zu erscheinen. Sichtlich freute er sich besonders, als sein Kollege Jack Nicholson sich für die Fotographen neben ihn setzte.
Wir werden wohl in den nächsten Tagen oder Wochen die Todesnachricht lesen und hören. Mancherorts wird derweil darüber gestritten, ob ein solches öffentliches Sterben angemessen wäre, es ist wohl manchen Menschen einfach unangenehm, dadurch an die eigene Sterblichkeit erinnert zu werden.
Es passt zu Dennis Hopper, sich nicht zu verstecken, sondern die fröhlichen Momente, die das Leben ihm noch schenkt, auch zu genießen. Er verleugnet weder vor sich selbst noch vor der Öffentlichkeit sein Sterben. Ein mutiger Mann, dieser große Schauspieler.
Montag, 29. März 2010
Laut gelacht…
…haben wir gestern, auf dem heimischen Sofa sitzend, als Herr Lindner Herrn Ernst lobte:
Der solchermaßen Gebauchpinselte schien das Lob gar nicht zu verstehen. Vielleicht war ja »durchschnittlich« in der Bewertung doch zu hoch gegriffen?
Datenschutz ist pfui?
Wenn die Stiftung Warentest etwas kritisiert, dann muss es ja wohl pfui sein. Laut »WELT Online« kritisiert die Stiftung Datenschutz in Online-Netzwerken. Und ich dachte immer, Datenschutz wäre gut…
Und wann hat denn der amerikanische Häuptling den Namen gewechselt? Hieß der nicht Barack Obama? Seit wann ist aus Barack Afghanistan geworden? Und geht so eine Namensänderung überhaupt, während man Häuptling von Amerika ist?
Samstag, 27. März 2010
Gastbeitrag Jakob van Hoddis: Weltende
Weltende
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.
Freitag, 26. März 2010
Wer bist du, Jessika? - Teil 2
Die abstimmenden Leser hatten das Wort und ich folge ihrem Votum, das mit 89,5% für eine Fortsetzung deutlich ausfiel. Knapp 24% der mit »Ja…« Stimmenden hatten sich gewünscht, dass Bernd von der Rätselhaften genasführt wird – nun ja. Die Mehrheit war anderer Meinung. Jessika selbst übrigens auch. So viel weiß ich inzwischen von ihr: Sie ist kein braves Mädchen. Wirklich kein braves Mädchen.
Heute werden wir sie ein wenig besser kennen lernen, ohne jedoch bereits durchblicken zu können.
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»Ich weiß nicht, wer du bist, aber dass du bist, ist mir klar«, meinte Bernd. »Immerhin sitzen wir hier am Tisch und nachher liegen wir voraussichtlich im Bett, um dem nächsten Tag entgegen zu schlafen.«
»Hinterher«, erklärte Jessika und kniff erst das rechte, dann das linke Auge zu.
Die erotische Komponente ihrer Liebe war so vollkommen wie das ganze Zusammenleben, das ihn zunehmend irritierte. Zu schön, zu gut, zu perfekt, um wahr zu sein. Und eigentlich für seinen Geschmack – oder besser gesagt für seine Persönlichkeit – viel zu schnell Wirklichkeit geworden.
Kennen gelernt hatte er Jessika vor rund vier Wochen, überfallartig, unversehens, aus heiterem Himmel und auf eine Weise, die er für seine literarischen Figuren als unglaubwürdig verworfen hätte. Kein Leser würde einem Autor so etwas abnehmen, zumindest kein Leser mit nennenswerter Intelligenz. Aber das Leben hatte wieder einmal bewiesen, dass er weitaus merkwürdiger sein konnte als die Fiktion.
Er hatte auf dem Weg zum dringend notwendig gewordenen Lebensmitteleinkauf wie üblich den Aufzug benutzt. Das Licht, das normalerweise das Kommen der Kabine signalisierte, flackerte kurz und erlosch wieder, er hörte jedoch das Poltern und Quietschen, das diesem altertümlichen Fahrstuhl eine fast schon persönliche Note gab. In den zwanzig Jahren, die Bernd hier wohnte, hatte er kein einziges Mal beobachtet, dass eine Wartung oder Überprüfung des Aufzuges durchgeführt worden wäre. Er hätte in jedem anderen Gebäude einen solchen Lift misstrauisch gemieden, aber die Macht der Gewohnheit, gepaart mit der Mühsal, acht Stockwerke zu Fuß zu bewältigen, überwog jegliche Bedenken, die gelegentlich bei besonders misstönendem Quietschen aufkamen. Es war zwanzig Jahre lang nichts passiert, also machte er sich wenig Sorgen, wenn er die knarzende Kabine betrat.
In Gedanken noch mit einer Idee beschäftigt, aus der gerade eine neue Kurzgeschichte werden wollte, stieg er ein und drückte auf die Taste mit dem E.
Im sechsten Stockwerk hielt der Lift, eine ihm unbekannte junge Frau stieg zu, der Fahrstuhl setzte sich wieder in Bewegung, um dann zwischen dem vierten und dritten Stockwerk mit einem Ächzen stehen zu bleiben. Das magere Licht in der Kabine verlosch. Eine Notbeleuchtung war genauso wenig vorhanden wie ein Alarmknopf oder gar ein Telefon, wie man es in moderneren Fahrstühlen fand.
Sein Mobiltelefon lag in der Wohnung auf dem Schreibtisch; zum Einkauf pflegte er es nicht mitzunehmen. Eigentlich vergaß er es so gut wie immer, wenn er das Haus verließ. Er mochte Telefone grundsätzlich nicht, das Mobilgerät hatte er nur angeschafft, um unterwegs im Notfall Hilfe anfordern zu können. Abgesehen von einer Autopanne wegen defekter Batterie vor zwei Jahren war der Notfall noch nicht eingetreten. Jetzt, im Fahrstuhl stecken geblieben, zweifellos ein geeigneter Fall für einen Notruf, war das Gerät nicht zur Hand.
»Sagen Sie«, fragte Bernd in die Finsternis hinein, »haben Sie ein Telefon bei sich?«
Die junge Frau sagte nichts. Stattdessen fühlte er, wie sich eine warme Hand auf seinen Arm legte und sanft seine Haut zu streicheln begann. Er war irritiert, aber unangenehm fühlte sich das nicht an. Eine zweite Hand begann, sein Haar zu durchfurchen.
»Moment mal, bitte, was soll das?«, fragte er.
Die Antwort bestand aus weichen Lippen, die sich auf seinen Mund drückten. Verdattert, aber dann doch nicht widerwillig, gab Bernd nach. Er war sicher, die junge Dame nicht zu kennen, dennoch empfand er diesen unerwarteten Moment wie vertraut, als küssten sie sich täglich viele Male, seit Jahren, ein ganzes Leben lang... – seine Gedanken kamen ihm abhanden, während die Unbekannte sich eng in seine Arme schmiegte. Bernd war sicher, dass er träumte. Einen ziemlich angenehmen, womöglich gar feuchten Traum offensichtlich, denn die Veränderung unterhalb seiner Gürtellinie blieb weder ihm noch derjenigen verborgen, die sich nun noch enger an ihn drückte.
Er versuchte, sich zu erinnern, wie die junge Frau eigentlich aussah. Als sie den Lift betrat, hatte er sie kaum angeschaut, nur einen kurzen Blick geworfen, ob es sich um jemanden handelte, den man grüßen, mit dem man ein paar Worte wechseln musste. Aber sie war ihm fremd gewesen. Also hatte er »Guten Tag« gemurmelt und wieder weggeschaut, auf die Stockwerksanzeige, denn in einer engen Kabine jemanden anzustarren war so unhöflich wie ein Sarrazin auf Hochtouren, wenn es um kleine Kopftuchmädchen ging. Er erinnerte sich nur an dunkle Haare, glatt, schulterlang, ein unauffälliges aber durchaus hübsches schmales Gesicht. Soweit er sich ihr Bild vergegenwärtigen konnte, trug sie Jeans und eine violette Bluse. Seine Hände ertasteten Seide über warmer Haut. Verstand und Zeit standen still.
Die Unbekannte sprach noch immer kein Wort, als runde fünf Minuten später das Licht anging und der Lift sich rumpelnd wieder in Bewegung setzte. Bernd betrachtete ihr Gesicht, ihr feenhaftes Lächeln, die klitzekleinen Grübchen in ihren Wangen. Er hatte die Frau noch nie gesehen, und doch war sie so vertraut, als hätte er bereits ein halbes Leben mit ihr geteilt. Das Gefühl der Unwirklichkeit nahm zu. Vermutlich würde er gleich aufwachen, mit Bedauern. Aber noch träumte er offensichtlich.
»Wer sind Sie?«, fragte Bernd.
Der Fahrstuhl hielt im Erdgeschoß und nach einem Zwinkern, an dem erst das rechte, dann das linke Auge beteiligt war, verschwand die junge Frau leichtfüßig durch den Flur hinaus auf die Straße.
In der Tür drehte sie sich kurz um und sagte »Jessika«.
Bernd stand noch immer fassungslos in der Fahrstuhlkabine und wartete darauf, nun in seinem Bett aufzuwachen. Erst als die Türe sich schließen wollte, setzte auch er sich in Bewegung. Auf der Straße waren Menschen unterwegs, aber nach Jessika suchten seine Blicke vergeblich.
Während er dem Supermarkt zustrebte, fuhr der Lift wieder in den achten Stock hinauf. Familie Aksu, die seit zwei Jahren neben Bernd wohnte, stieg ein zur letzten Fahrt des altertümlichen Fahrstuhles. Herr Aksu wog 110 Kilogramm, seine Frau 75. Die vier Kinder hätten zusammen 160 Kilogramm auf die Wage gebracht, wenn es ihnen gelungen wäre, gemeinsam auf eine zu steigen. Auf eine solche Idee waren sie natürlich nie gekommen. Und in einer halben Minute sollte es mit allen Ideen sowieso für immer vorbei sein. Der Fahrstuhl war für drei Personen zugelassen, 280 Kilogramm stand auf dem Messingschild als Höchstbelastung. Doch die Macht der Gewohnheit, gepaart mit der auch Bernd zueigenen Bequemlichkeit, überwog seit Monaten – schließlich waren sie immer, zwar in drangvoller Enge, aber doch sicher, hinauf und hinunter gefahren.
Herr Aksu drückte auf den Knopf mit dem E, ruckelnd setzte sich die Kabine in Bewegung. Das charakteristische Quietschen der Mechanik verlor jeden halbwegs romantisch-freundlichen Charakter, während die Verankerung der Seile nachgab und die Kabine ungebremst abstürzte.
Dreißig Minuten später bog Bernd wieder in seine Straße. Die Feuerwehr war noch dabei, die Leichen zu bergen. Zwei Polizisten wollten ihm den Zugang zum Haus verwehren, sein Personalausweis überzeugte die Beamten jedoch, dass Bernd ein Hausbewohner war. Was passiert war, wollten oder konnten sie ihm allerdings nicht sagen. Er solle zügig weitergehen und die Rettungsarbeiten nicht behindern, mahnte man ihn.
Er trug den gut gefüllten Einkaufskorb die Treppe hinauf. Im sechsten Stockwerk war Jessika zugestiegen, er setzte den Korb ab, um die Klingelschilder zu studieren. Links wohnte eine alte Dame, rechts ein zerstrittenes Ehepaar in den Vierzigern und in der größeren Wohnung in der Mitte eine Gruppe Studenten. Früher hatte man so etwas Kommune genannt und als anrüchig betrachtet, heutzutage waren studentische Wohngemeinschaften in Berlin an der Tagesordnung. Es standen keine Namen an der Tür, sondern »WG Jura«. Die mittleren Wohnungen im Haus hatten vier Zimmer, Bernd bewohnte selbst eine solche.
Er hatte nie Kontakt mit den Studenten, der Beschriftung nach wohl angehende Juristen, gehabt, sah hin und wieder junge Leute im Treppenhaus oder im Fahrstuhl, aber wer nun dort wohnte oder nur Besucher war, wusste er nicht. Er hatte auch nie besonders auf die Nachbarn geachtet. Er lebte allein und zurückgezogen, seit er mit siebzehn Jahren das Elternhaus verlassen hatte. Die kurze Episode mit Monika lag sechzehn Jahre zurück, und sie war so kurz gewesen, dass weder sie noch er überhaupt einen Gedanken an eine gemeinsame Wohnung verschwendet hatten. Kurz, aber nicht ohne Folgen.
»Guten Morgen«, grüßte eine Stimme hinter ihm, als er zwei Wochen später den Hausbriefkasten auf Post kontrollierte. Er drehte sich um und da stand sie.
Jessika.
Sie trug weiße Jeans, Sandalen und ein weißes T-Shirt. Bernd betrachtete ihre gebräunte Haut und die dunklen klaren Augen unter langen Wimpern, ihre jugendliche Frische ohne erkennbares Make-up gefiel ihm. Die dunkelblonden Haaren trug sie in der Mitte gescheitelt, zwei winzige Diamanten als Ohrstecker, um den Hals ein feingliedriges silbernes Kettchen.
»Guten Morgen, Bernd«, wiederholte sie.
»Äh, hallo Jessika. Guten – also – äh – wie geht es Ihnen – äh dir?«, stotterte er. Er nahm an, dass nach dem Vorfall im Fahrstuhl das unpersönliche Sie nicht mehr angebracht war.
»Gehst du gerade oder kommst du?«, fragte sie statt einer Antwort.
»Ich wollte ins Café an der Ecke, frühstücken«, erklärte Bernd. »Die haben da einen Raucherraum. Darf ich Sie – dich einladen?«
»Gerne.«
Sie legte ihm den Arm um die Taille, zögernd umfasste Bernd ihre Schultern. Wie ein verliebtes Paar gingen sie die Straße hinunter. An diesem warmen Sommermorgen überlegte Bernd erneut, ob er in einem Traum gefangen sei. Er war überhaupt nicht der Typ Mann, der mit fremden Frauen flirten konnte oder wollte, nicht der Draufgänger, der keine Gelegenheit ausließ, sich zu paaren. Ganz im Gegenteil. Die letzte erotische Zweisamkeit mit einer Frau lag 16 Jahre zurück. Und Monika war keine Fremde gewesen, von der er nichts wusste außer ihren Namen.
Nun verhielt er sich mit dieser rätselhaften Jessika, als seien sie seit langem ein Paar. Und vor allem, das war das Sonderbarste, wollte dieses unerklärliche Gefühl der Vertrautheit nicht weichen. Sie konnten nur so, in engem Körperkontakt, nicht etwa einfach nebeneinander, die Straße hinuntergehen. Alles andere wäre unangebracht, fehl am Platze, gewesen. So unangebracht, wenn er nüchtern überlegte, wie die Minuten im Fahrstuhl.
»Also neulich, als der Lift stecken blieb«, sagte er zögernd, »war ich – was war das? Wieso hast du…?«
»Du schuldest mir eine Revanche«, meinte sie lächelnd.
»Was schulde ich? Ach, äh, nein nein, das Ganze ist einfach unglaublich. So etwas passiert nicht. Wer bist du überhaupt?«
»Ich bin 19 oder 26. Und du?«
Offenbar konnte sie so gut wie nie auf eine einfache Frage eine klare und eindeutige Antwort geben. Sie hätte Politikerin werden sollen, womöglich war sie es ja sogar? Nein, zu jung. Er betrachtete sie aufmerksam von der Seite, während sie das Café betraten. Sie wirkte älter als 19 und jünger als 26, aber es mochte auch eine der beiden Angaben stimmen. Im Schätzen des Alters seiner Mitmenschen war er nicht sonderlich treffsicher.
»Einundvierzig«, antwortete er, als sie an einem Tisch am Fenster Platz nahmen. »Damit bin ich mindestens 15 Jahre älter als du, höchstens 22. Findest du das nicht etwas befremdlich?«
Jessika sagte: »Wie viel dummer Unfug und schwachsinniger Aufruhr war nötig, um euch beide zusammenzubringen.« Es klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung.
»Was? Ich verstehe nicht.«
»Ein Zitat aus einem Buch. Amanda Cross hat es geschrieben, es heißt Eine feine Gesellschaft.«
»Ach so, ja. Ich habe es vor Jahren gelesen. Ein Krimi im Universitätsmilieu, soweit ich mich erinnere.«
Jessika griff nach der Zigarettenschachtel, nahm zwei Pall Mall heraus. Bernd gab ihr Feuer. Eine Zigarette reichte sie ihm.
»Wann erscheint dein nächster Roman?« fragte sie, nachdem sie zwei tiefe Züge inhaliert hatte.
Bernd sah seine Begleiterin erstaunt an. Kaum jemand in der Nachbarschaft wusste, dass er unter einem Pseudonym Bücher schrieb.
Hakan, Inhaber und am Vormittag einziger Mitarbeiter des kleinen Cafés, stellte ein Kännchen Kaffee, einen kleinen Milchkrug, eine große Tasse und ein Croissant vor Bernd auf den Tisch. Sein Stammgast wollte immer das Gleiche und musste schon lange nicht mehr darum bitten. Hakan lächelte Jessika fröhlich zu: »Was darf es für die junge Dame sein?«
»Kaffee, mit Milch und ein Croissant«, antwortete Jessika, »wie Bernd.«
»Kommt sofort.«
Hakan ging zur Theke und Jessika sagte: »Tut es dir denn jetzt eigentlich leid um die Familie Aksu?«
Bernd brauchte einen Augenblick, um die Frage zu verstehen. Seine Gedanken waren nicht bei dem Fahrstuhlunglück gewesen. Er entgegnete: »Natürlich tun mir diese Menschen leid. Es ist schon eine Tragödie. Die ganze Familie auf einen Schlag tot…«
Jessika runzelte wie nachdenklich die Stirn. »Ich dachte, das war in deinem Sinne…«
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Diese Bemerkung lässt ja eigentlich nur einen Schluss zu: Jessika hat etwas mit dem Absturz der Kabine zu tun gehabt. Kein braves Mädchen, wirklich nicht. Und unser Bernd? Das dürfen die Leser entscheiden:
Ich dachte, das war in deinem Sinne… |
Bernd ist verliebt: Er sieht nur rosarote Blümchen. |
Bernd schöpft Verdacht: Ist Jessika tödlich? |
Auswertung |
Donnerstag, 25. März 2010
He, Gemann! (Das ist KUNST! Basta!)
Dabei hatte alles so harmlos begonnen. Newsweek just published its list of best albums of the decade, and Bob Dylan's "Love and Theft", released on 9/11/2001, is #2, las ich und zuckte mit den Schultern. War das wirklich eine Nachricht? Wenn Ihr zu Hause den Wasserhahn aufdreht, dann seid Ihr es vermutlich gewohnt, dass das, was Euch da entgegen sprudelt, sauberes Wasser ist. Nun will Hannelore Kraft von der SPD Langzeitarbeitslosen eine neue Freude machen. Sie sollen Senioren in Altenheimen Bücher vorlesen, die Straßen kehren und sich in Sportvereinen nützlich machen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei Pfarrern, Pastoren und den jeweiligen Leitungsgremien einer Gemeinde zu. Drehten sich meine Gedanken etwas im Kreis? Egal. Contribute!
Dass Schriftsteller gemahnt, bedrängt und auf aufdringliche Weise behandelt werden - das ist vor allem schlechte Erziehung der Leser. Unsere Initiative soll auf eine breitere Basis gestellt werden. Dazu dienen Interessen- und Arbeitsgruppen, die sich mit verschiedenen Zielgruppen unserer Stadt und einigen Bereichen der geistlich-missionarischen Herausforderung der Großstadt befassen sollen. Ich begleitete eine Bus-Tour, und in besagter Stadt fehlte uns die Übersicht (oder der Stadt mangelte es an Übersichtlichkeit). Wir fanden unseren Weg nicht und hielten an einem kleinen Elektroladen. Eine freundliche Dame erklärte ungefragt: Die Idee, den Vorgarten zu erweitern, ist nicht neu. Das habe ich ja auch schon mal gemacht, dort, am westlichen Grundstücksrand. Aha, dachte ich. Ob nun Grundstück oder Sichtweise: Das Herz wird leicht. Hinterher fragt man sich, warum man das, was belastet hat, nicht schon früher losgelassen hat.
Es gibt 77717 registrierte Mitglieder im Ganzen, davon 760 auf diesem Board, erklärte man mir fachkundig. Seit ich vor 15 Jahren zum ersten Mal ein arabisches Land besuchte, habe ich ein Stück meines Herzens an die Menschen, die in dieser Region leben, ihre Kultur und Lebensweise verloren. Die neue Wohnung ist mördergeil. Jetzt erstmal Intenet und Telefon einrichten, Schreibtisch aufbauen und tausend Kartons auspacken.
Noch vor dem Einrichten des Telefons rief jemand an und meinte: If you’re not clear on the rules, let Jeremy Piven break things down for you. Ich blickte nachdenklich aus dem Fenster. Hier rennen einige Leute vorbei, die mitnichten hier wohnen, wohl aber arbeiten. Dachbodenausbauer. Alle mit dieser neuen Sportzeitung unter dem Arm oder in der Tasche. Einer ruft: Die erste Ausgabe habe ich schon mit Genuss verschlungen und umso gespannter bin ich nun auf die Zweite! Mir grauste es, ganz bitterlich. Ein sehr kalter Schauer überfuhr mich. Etwas ähnliches passiert, wenn man den Organisten, der meist hinten oben unsichtbar irgendwo spielte, durch eine Band vorne auf der Bühne ersetzt, die (mangels anderer Symbole und Kunstwerke) auch noch den Blickfang abgeben muss, ergo auch gestylt und auf Dauerlächeln beziehungsweise andächtig-verklärte Blicke getrimmt wird. Mein Blick fiel auf einen angegrauten Zettel, der auf dem Fußboden lag: Eingeladen sind Wissenschaftler aus Archäologie, Ägyptologie, Kunstgeschichte oder Geschichtswissenschaften, Kultur-, Religions- und Sozialwissenschaften, Theologen , Ethnologen, Soziologen, Psychologen und Religionswissenschaftler.
Site Temporarily Unavailable durchfuhr es mich beim Lesen, und: Natürlich konnten sich die Kleinen am Ende auch einen tollen Gewinn abholen.
But… then I thought shit. Is radical hospitality about saying “please join us…that is if we aren’t inconvenienced and we don’t have to change anything from the way we like it”?
Die leise kleine Stimme, tief drinnen, meinte: Jetzt wird sich der geneigte Leser vielleicht so langsam fragen: Was will er uns denn nun eigentlich sagen? Ich antwortete selten auf die kleine leise tief drinnen wohnende Stimme, aber nun sagte ich laut und deutlich: There is something unearthly and mysterious deep in Ackerman's Field in rural Maine.
Ironie hat immer etwas Paradoxes. Man sagt etwas anderes, als man meint, um etwas ins Lächerliche zu ziehen.
Doch nun, da sich mittlerweile sogar der März 2010 langsam dem Ende zuneigt, wird es Zeit, meinen Rückblick auf das vergangene Jahr zu beenden. Du sollst mir mein Nutellabrot streichen! Dazu bedürfe es allerdings einer Sicht, die Veränderungen nicht als Störung und Umbrüche nicht als Gefahr sehe.
3 Tage Holland. Wind. Küste. Wellen. Kopje Koffie. Nachdenken, beten, weinen, lachen. Warum überfielen mich ständig solche Erinnerungen? Trotz aller Versuche, nicht zurückzuschauen. Eine umfassende Auswahl zu dem Werk der bekanntesten Philosophen von der Antike bis in die Neuzeit, darunter Platon, Aristoteles, Cicero, Thomas von Aquin, Blaise Pascal, Francis Bacon, René Descartes, Voltaire, Immanuel Kant, Jean Paul, Ludwig Feuerbach, Charles Darwin, Arthur Schopenhauer, Friedrich Nietzsche, Karl Marx, Max Weber. Alle hatte ich gelesen und erkannt: Ein Zwerg wird nicht größer, auch wenn er sich auf einen Berg stellt.
Letztendlich blieben nur die wirklich wichtigen Fragen. Woher stammt das Gerücht, Verona Pooth mache neuerdings für Second-Hand-Klamotten Werbung? Welche Unterwäsche tragen Bangbüxen? Wo liegt das Land Konzentrat? Und warum verkauft Oliver Pocher Eheringe? Und wer könnte schon behaupten: Wir haben die Antworten!
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Falls irgend ein Leser bis hierher durchgehalten haben sollte, will ich dieses Kunstwerk gerne noch kurz erklären: Ich habe da eine Hegemann gebaut; wenn’s Musik wäre, hätte ich dementsprechend einen Bushido gesampelt. Alles, was kursiv gesetzt ist, stammt von mir. Der Rest ist – von oben nach unten durchklickend – von den unter »Hier und Dort« verlinkten Seiten kopiert. Ohne groß auszusuchen, einfach irgend einen Satz oder zwei. Anschließend habe ich das Kursive dazwischen geschrieben.
Das sei Unfug, Unsinn und Unart, meint da jemand vorlaut? Macht ja nix.
Mittwoch, 24. März 2010
Philips: Vorbildlicher Kundendienst
Ich bin kein Freund des Telefonierens, aber es ist heutzutage unumgänglich, zumal für Selbständige wie die beste aller Ehefrauen, telefonisch erreichbar zu sein und Auftraggeber oder Kunden anrufen zu können. Gelegentlich telefoniere ich sogar persönlich.
Ein Anrufbeantworter mit ordentlicher Aufzeichnungsdauer, zwei schurlose Geräte, das Ganze für 79 Euro… – unsere Wahl fiel auf eine Philips-Anlage, als wir im Dezember 2009 unser betagtes und störanfälliges Telefon ausmustern wollten.
Anfang März 2010 wollte das eine der beiden Telefone nichts mehr tun, außer mit Tasten und Bildschirm zu blinken, als sei es ein optischer Rhythmusgeber für Musikanten. Nach ein paar erfolglosen Versuchen, das Gerät wieder dienstbar zu machen (Akkus herausnehmen, zehn Minuten ohne Strom lassen…), suchte ich im Internet nach dem Philips Kundendienst, fand schnell das benötigte Formular zum Einsenden samt Paketaufkleber, der kein Porto vom Kunden verlangt. An einem Montag ging das störrische Gerät auf die Reise, ohne die Telefonanlage, denn dann wären wir ja telefonlos gewesen. Das zweite Telefon immerhin funktionierte bestens.
Am darauffolgenden Donnerstag brachte der Postbote eine nagelneue komplette Telefonanlage, Basisgerät mit Anrufbeantworter, Ladeschale und zwei Telefone. Nicht etwa nur ein Austauschgerät. »Komplettaustausch nach Vorgabe des Herstellers« stand auf dem Lieferschein. Kosten? Null Euro.
Es gibt ihn also doch noch, den Kundendienst, der dem Kunden dient. Nach meinen Erfahrungen mit dem verlogenen »armardi-shop« und dem andauernden Trauerspiel mit ASUS ein wahrer Lichtblick. Also sage ich erfreut, laut und deutlich: Danke, Philips!
P.S.: Die Computer-BILD Redaktion hat Interesse an meiner ASUS-Geschichte zu erkennen gegeben. Ich habe jedoch erst einmal an die ASUS-Pressestelle geschrieben, ob man sich dort wirklich solche Berichte (mein Blobeitrag war natürlich dabei) in der Computer-Fachpresse wünscht. Daraufhin meldete sich ein womöglich kompetenter Mensch vom Kundenservice Deutschland, der sich der Angelegenheit zügig annehmen will. Ich warte mal eine oder zwei Wochen ab…
Dienstag, 23. März 2010
Dies und das. Und jenes.
Dies: Die Fortsetzung der Jessika-Geschichte wird noch etwas auf sich warten lassen. Vielleicht kommt sie pünktlich zum Wochenende. Es spielt ein altersschwacher Fahrstuhl eine Rolle, soviel ist klar, aber Jessika will sich meiner Idee der ersten Annäherung an Bernd nicht so recht fügen. Sie will viel mehr von ihm, als ich ihr in der Fortsetzung zugestehen möchte.
Das: Am vergangenen Sonntag waren wir in einer landeskirchlichen Gemeinschaft zum Gottesdienst. Es hat mir dort sehr gut gefallen, die Predigt über die »Seligpreisungen« hielt ein Wissenschaftler. Intelligent und alltagsrelevant. Am Schluss gab es eine angenehm kurze und aufrichtige Ankündigung zur Kollekte: »Zur Deckung unserer Kosten sind wir auch auf Ihre Mithilfe angewiesen. Wir sammeln jetzt die Kollekte ein.«
Und jenes: »Die letzten werden die ersten sein«, dachte sich unser Berliner Fußballverein, der so heißt wie eine Wurstfabrik, und besiegte den Ersten in der Bundesliga mit 5:1. Aber hallo! Na so was. War das ein Ausrutscher oder machen die jetzt so weiter? Meine Kollegen fachsimpeln fachkundig; ich verstehe nichts vom Fußball, außer: Das Runde muss ins Eckige. Schaun mer mol…
Montag, 22. März 2010
Schule geschwänzt?
Bei der Arbeit an einem Lehrwerk für den Deutschunterricht fiel mir gestern auf, welche Unterrichtseinheiten in den Klassenstufen 7 und 8 diejenigen wegen Krankheit oder Faulheit versäumt haben, die für solche Werbung verantwortlich sind:
Die Herr- und Damenschaften haben es versäumt diesen beiden Unterrichtseinheiten beizuwohnen:
Oder haben sie mangels IQ einfach nichts begriffen? Immerhin ist der Lehrstoff ja als schwer eingestuft.
Sonntag, 21. März 2010
Nach dem Frisörtermin
Frau 1: Oh! Du hast eine neue Frisur! Du siehst so süß aus!
Frau 2: Meinst du wirklich? Als mir die Frisöse den Spiegel reichte, war ich ganz unsicher. Meinst du nicht, dass es zu flockig aussieht?
Frau 1: Oh nein, um Himmels willen! Nein, die Frisur ist perfekt. Ich würde mir gerne solch einen Haarschnitt gönnen, aber mein Gesicht ist wohl zu breit dafür. Mir bleibt wohl nicht viel übrig außer dem Haarschnitt, den ich jetzt habe.
Frau 2: Das meinst du doch nicht ernst! Dein Gesicht ist hinreißend! Du könntest ohne weiteres eine Stufenfrisur tragen - ich glaube, das würde ganz pfiffig aussehen. Eigentlich wollte ich einen Stufenschnitt, aber ich hatte Angst, dass man meinen langen Hals dadurch noch deutlicher sieht.
Frau 1: Du machst wohl Witze! Hätte ich nur einen Hals wie du! Alles, was die Aufmerksamkeit von meiner kantigen Schulterpartie ablenken würde, wäre mir willkommen.
Frau 2: Das meinst du nicht ernst? Ich kenne Frauen, die gerne deine Schultern hätten. Dir steht einfach alles perfekt. Aber schau dir meine Arme an - siehst du, wie kurz die sind? Mit deinen Schultern könnte ich Kleider kaufen, die mir wirklich richtig passen...
Männerversion:
Mann 1: Neue Frisur?
Mann 2: Ja.
Samstag, 20. März 2010
Och nö! Walser verrät Geheimnisse.
Och nö, Herr Walser, nun weiß es die ganze Welt, dass wir Autoren uns dauernd und ausschließlich jenseits der Realität bewegen…
Eine Romanperson lernt man kennen, zuerst ist sie blass und schemenhaft, nach einem Jahr hat sie sich dann so entwickelt, dass sie Ansprüche stellen kann. –Martin Walser im Gespräch mit der WELT
Och nö, Herr Walser, die Leser sollten doch nicht wissen, dass sich Figuren selbständig machen und dann mit uns umspringen, wie es ihnen gerade beliebt.
Ich kann das nicht bestreiten. Ich möchte aber auch nicht zustimmen. –Martin Walser im Gespräch mit der WELT
Och nö, Herr Walser, es sollte doch nicht allgemein bekannt werden, dass Autoren sich nicht festlegen können, sondern immer alle Fluchtwege offen halten.
P.S.: Ob mir der Osterhase wohl Martin Walsers »Mein Jenseits« vom Amazon-Wunschzettel besorgt?
Freitag, 19. März 2010
Obergemach versus Unterstadt, und wessen Mission eigentlich?
So nach und nach kommen die Materialien vom Transforum 2010 zusammen, unter anderem sind mittlerweile zwei (für mich) herausragende Vorträge von der Tagung als MP3 zum Herunterladen vorhanden.
»Teil der Mission Gottes werden« hatte Dr. Volker Brecht, Dozent, Pastor und Berater unter anderem von Daimler-Chrysler, seinen Vortrag überschrieben.
Empfehlenswert für alle, die sich fragen, ob Christsein heutzutage wirklich so bedeutungslos für die Gesellschaft sein und bleiben muss, wie es zur Zeit den Anschein hat. Wessen Mission ist die Mission eigentlich? Und warum?
Direkt zum Mitschnitt geht es hier: Vortrag von Volker Brecht
Der Vortrag von Harald Sommerfeld, Pastor und Berater für urbane Transformation, war der erste Vortrag, den ich in meinem nunmehr ja nicht mehr ganz so kurzen Leben gehört habe, bei dem die Zuhörer vehement »Zugabe!« riefen, als der Referent nach bereits leicht überzogener Redezeit enden wollte.
Das Obergemach in Jerusalem kennen Bibelleser aus der Apostelgeschichte. Die Unterstadt gibt es unter anderem auch in unseren Städten, groß oder klein.
Wer neugierig ist, wie man »vom Obergemach in die Unterstadt« kommt, warum das Verweilen im Obergemach keine gute Idee ist und ob es eine Zugabe gab, sollte hier die Ohren spitzen: Vortrag von Harald Sommerfeld
Es gibt noch zahlreiche weitere und vielfältige Materialien im Archiv des Transforum 2010, weitere kommen nach und nach hinzu, aber diese beiden Vorträge von Theologen, die auch für Laien wie mich mitreißend und verständlich ihr Anliegen vertreten und konkrete Lösungswege für hier und heute aufzeigen, waren für mich die wichtigsten Wortbeiträge der ganzen Tagung.
Donnerstag, 18. März 2010
Wer bist du, Jessika?
Der folgende Text ist etwa vierzehn Jahre alt, zumindest sein erster Entwurf. Er ist Teil einer längeren Erzählung, aus der kaum noch etwas werden wird. Aber, so fand ich, als kleine Kurzgeschichte, als Episode im Leben eines Schriftstellers, geht er nach sorgfältiger Überarbeitung allemal durch. Bitteschön:
Jessika bestellte einen Krug Carpineto und zwei Gläser.
»Moment, bitte, ich hätte lieber ein Bier«, sagte Bernd, bevor der Kellner verschwinden konnte.
Jessika sah überrascht auf. Sie wirkte einen Moment sehr konzentriert - dann entspannten sich ihre Gesichtszüge wieder und ihr Lächeln kehrte zurück, dieses Lächeln, das ihn von Anfang an gefangen genommen hatte.
»Zwei Bier dann, bitte.«
»Du kannst ruhig Wein trinken, wenn du …«
»Zwei Bier«, wiederholte Jessika und der Kellner ging mit einer leichten Verbeugung und freundlichem Schmunzeln seines Weges.
»Du wolltest Wein, Bernd, aber noch wichtiger war dir, nicht das zu wollen, was ich wusste, dass du es willst. Warum? Was mache ich falsch?«
Die Frage war gut gestellt. Es gab keine Antwort, die Bernd hätte in kurze Sätze fassen können. Falsch machte Jessika eigentlich nichts, sie machte alles richtig, und genau das war verkehrt. Jedes menschliche Wesen ist mal ungeschickt, irrt sich, sagt ein Wort zur falschen Zeit, ist unausgeschlafen wenn der Partner hellwach ist oder überdreht wenn der Partner gerade müde wird - Jessika passierte nichts dergleichen. Sie gab die richtigen Antworten, hatte die richtigen Stimmungen, die Harmonie zwischen Bernd und ihr war so perfekt, dass sie zu Bedenken Anlass gab.
Bernd war glücklich, wie noch nie in seinem Leben. Er war so glücklich, dass die Gedanken, es könne sich um einen sehr lebhaften Traum handeln, gelegentlich kaum zu unterdrücken waren. Es war eben alles zu glatt, zu poliert – so sah kein normales menschliches Leben aus. Ein Traum, womöglich, aber niemals die Realität. Zusätzlich irritierte ihn, das er weder Jessikas Vergangenheit, noch ihre Wünsche, Ziele oder Träume kannte.
»Ich weiß nichts von dir, Jessy. Nichts. Das macht mich verrückt.«
Sie sah ihm in die Augen, und er meinte, nur Unverständnis für diese Bemerkung in ihrem Blick zu lesen.
»Aber du weißt doch alles, Bernd! Wenn nicht du, wer denn dann? Du hast mich doch hervorgerufen.«
Er bemühte sich, konzentriert und logisch zu bleiben, ausnahmsweise keine Emotionen zuzulassen. Allein der Blick ihrer wunderbaren Augen wollte ihn alles vergessen lassen, was er eigentlich fragen oder sagen wollte. Doch heute Abend wehrte er sich dagegen. Er wollte ein Homo sapiens sein, mit der Betonung auf sapiens.
»Jessika, können wir für einen Moment, eine oder zwei Stunden vielleicht, einfach mal beide ganz normale Menschen sein? So amüsant das Rollenspiel auch sein mag, ich möchte jetzt gerne wissen, wo du herkommst, wo du gelebt hast, warum du hier aufgetaucht bist. Ich liebe dich, Jessika, das weißt du. Vielleicht ist es dadurch um so schwerer zu ertragen, dass ich für dich ein aufgeschlagenes Buch bin und du für mich ein Buch mit sieben Siegeln.«
Sie nickte ernst. Ihre schmalen Finger zogen zwei Zigaretten aus der Schachtel, beide nahm sie in den Mund. Bernd griff nach dem Feuerzeug und zündete beide Zigaretten an, dann reichte sie ihm seine. Ein Ritual, das sich bereits anfühlte wie seit Jahren, Jahrzehnten gar, eingeübt. So war es beim ersten gemeinsamen Rauchen gewesen. Und geblieben. Er schwieg und wartete.
Jessikas Augen sagten ich liebe dich, grenzenloses Vertrauen, bedingungslose Zuneigung waren in ihre Züge geschrieben.
»Es ist kein Rollenspiel. Ich bin die Jessika, die du vor Jahren für eine Kurzgeschichte erfunden hast.«
»Bitte, lass das. So etwas ist unmöglich. Wir sind doch beide intelligente und realistische Menschen, wollen wir nicht heute einmal auch entsprechend miteinander reden, anstatt romantische Ideen auszuschmücken? Ich liebe dich, Jessika, egal woher du kommst, ob aus dem Bordell, aus dem Gefängnis, aus dem Kloster…«
Der Kellner brachte das Bier und verschwand wieder mit einem freundlichen »zum Wohle«.
Jessika seufzte. »Okay, Bernd. Hör mir einfach zu, woran ich mich erinnere. Ich habe dich nie angelogen und werde es auch nicht tun. Es wäre leicht, dir zu erzählen, ich sei aus Hamburg oder Mainz gekommen, wäre bisher ein Freudenmädchen in Paris oder eine Nonne in Afghanistan gewesen, ich hätte mich in dich verliebt, alle deine Bücher gelesen, deinen PC angezapft, um an die unveröffentlichten Texte zu kommen und so weiter. Aber ich will das nicht. Ich will dir nichts als die Wahrheit erzählen. Hörst du mir zu und sagst erst etwas, wenn ich fertig bin?«
»Einverstanden. Leg los, Jessika. Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich, Bernd.«
Sie beugte sich über den Tisch und küsste ihn, liebevoll, zärtlich.
»Meine erste Erinnerung sieht so aus«, fing sie an zu erzählen, »dass du an deinem Schreibtisch sitzt, auf den Bildschirm starrst und eine Geschichte mit dem Titel Jessika schreibst. Wie meistens, wenn du schreibst, fängst du einfach mit einem Satz, einer Idee, an, und die Geschichte entsteht beim Tippen. Du hast nie die komplette Handlung im Kopf, wenn du beginnst.«
Sie trank einen Schluck Bier. Bernd nickte, sie hatte recht. Aber das hatte er im Vorwort zu einem seiner Bücher der ganzen Welt – soweit sie denn seine Bücher las – verraten. Keine große Zauberei also, dass Jessika dies wusste.
»Du sitzt da jedenfalls, es ist Nachmittag, gegen 14:00 Uhr, und du hast gerade beschrieben, wie eine Frau einem Mann mit einem Brotmesser genüsslich und langsam den Bauch aufschlitzt, dem hervorquellenden Blut zuschaut und abschätzt, wie lange er noch durchhalten wird, weil sie ihm im letzten bewussten Augenblick seines Lebens den Penis abschneiden und ihm das Organ vor die sterbenden Augen halten will.«
»Dass du die Geschichte kennst, ist mir nicht neu, Jessika. Ohne mich zu rühmen: Tausende haben sie gelesen, sie war sehr erfolgreich.«
»Du wolltest einfach zuhören.«
»Ja, sorry. Ich bin ja schon still.«
»Du starrst auf den Bildschirm, und plötzlich hast du ein Gesicht vor Augen oder im Kopf, ein kleines Mädchen, plötzlich siehst du die Geschichte. Das Mädchen wohnt im gleichen Haus und weiß alles. Nur die Hausmeisterin ahnt nicht, dass Jessika, denn so nennst du deine kleine Heldin, ihr blutrünstiges Geheimnis kennt. Die Idee ist da, und du schreibst die ganze Geschichte in der ersten Version fürbass am Stück in den Computer. Dann schaust du um 17:00 Uhr erstaunt auf deine Armbanduhr und fragst dich, wo die Zeit geblieben ist.«
Bernd zündete schweigend zwei weitere Zigaretten an, die Jessika aus der Packung genommen hatte. Er zwang sich, nichts zu sagen, versprochen war versprochen. Sein Job war jetzt das Zuhören. Jessika hatte recht, genau so war es gewesen mit der kleinen Horrorerzählung.
Bernd winkte dem Kellner und deutete auf die beiden leeren Gläser. Jessika nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und fuhr fort: »Also, du hast die Erzählung beendet, die erste Fassung, hast die Datei gespeichert und bist mit dem Hund spazieren gegangen. Dann hast du die ganze Nacht daran gearbeitet, und am Morgen, acht Stunden und sechs Dosen Bier später, war die endgültige Fassung fertig. Du hast mehrmals überlegt, ob du den Schluss so offen lassen oder Jessika doch lieber umbringen solltest.«
Bernd nickte nachdenklich. Das konnte sie nun wirklich nirgends gelesen haben, hatte er es womöglich in einem Gespräch erwähnt?
Jessika redete bereits weiter. »Ich war dafür, mich am Leben zu lassen, sintemal ich erst dreizehn war, und mich doch schon in dich verliebt hatte. Mir war gleichzeitig klar, dass du eine Dreizehnjährige niemals an dich heranlassen würdest, denn das, was du in anderen Erzählungen über Angelina oder die Kinder in Rothberg geschrieben hast, würde dir nicht im Traum im wirklichen Leben einfallen. Ich wusste, dass ich erst erwachsen werden musste. Also wartete ich sechs Jahre, bis ich neunzehn war. Dann schien mir die Zeit reif.«
»Wofür reif? Wo warst du inzwischen?« Bernd hatte mittlerweile vergessen, dass Jessikas Geschichte erfunden sein musste. In diesem Moment glaubte er, was sie erzählte.
»Das ist eben schwer zu beschreiben, Bernd. Ich war und war doch nicht. Ich war nicht fort aus dieser Welt, aber ich war auch nicht real. Nicht in dieser Form, nicht als Frau. Dessenthalben hat es so lange gedauert.«
Bernd grinste. »Sag mal, Jessika, erst sagst du fürbass, dann sintemal und jetzt dessenthalben. Diese Worte sind etwas aus der Mode.«
»Eben, Bernd. Ich halte nichts von Mode. Genau wie du. Darf ich jetzt weiter erzählen?«
»Ja, aber ich glaube, ich kann dir nicht glauben.«
»Das ist – du bist doch ein gläubiger Mensch, das ist bei einigen deiner Texte ja deutlich herauszulesen.«
»Ja und doch nein. Jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es von manchen Kanzeln gepredigt wird. Oder nicht mehr. Ich bin älter geworden und habe vieles gesehen, was ich lieber nicht gesehen hätte. Ich habe vor allem gelernt, selbst zu prüfen, selbst zu hinterfragen, nicht einfach als unumstößlich anzunehmen und nachzuplappern, was ein Pastor oder Politiker oder sonst jemand verkündet. Mir ist eine gewisse Blauäugigkeit abhanden gekommen. Es ist im Leben mehr möglich, als man auf den ersten Blick meinen möchte.«
»Und trotzdem bist du bereits überzeugt, dass meine Geschichte, die doch deine ist, nicht wahr sein kann.«
Er überlegte seine Antwort gründlich. Wenn er von etwas überzeugt war, dann davon, dass man nichts von vorne herein als unmöglich abtun sollte. Das hatten die Menschen getan, bevor sich das erste Flugzeug in den Himmel erhob, bevor es Medikamente gegen bis dahin tödliche Krankheiten gab... Die Menschheit neigte dazu, erst einmal alles als Teufelswerk abzutun, was unvorstellbar schien, sei es das Fliegen, sei es die Heilkunst.
»Ich versuche, zuzuhören, Jessy, und erst später eine Meinung zu bilden. Ist das okay?«
»Ich liebe dich.«
»Ich liebe dich, Jessika. Erzähl mir, wo oder was du gewesen bist in den sechs Jahren.«
»Ich war zumindest zum Teil Angelina. Aber ich mochte sie nicht sonderlich. Du warst von ihr abgestoßen und fasziniert zugleich. Ich war auch ein wenig Sophia, aber sie ist zu jung, mit ihren fünfzehn Jahren. Und sie ist nicht so, wie ich sein wollte. Ein zu vernünftiges, zu erwachsen wirkendes Mädchen, eine weise Frau im Teenagerkörper. Du hast jedenfalls Recht, dass du den Roman noch nicht veröffentlicht hast. An Sophia musst du noch arbeiten, bis sie glaubwürdig wird. Ich wollte Jessika sein, eine erwachsene Jessika, die Jessika, die mit dreizehn Jahren in der Hausmeisterwohnung einen Menschen verspeist hat, zumindest seine Leber und das Gehirn. Mit meiner Vergangenheit, aber kein Kind mehr. Daher habe ich so lange äh – gehofft – oder verharrt, bis du mich jetzt endlich wieder hervorgeholt hast.«
»Hat’s geschmeckt bei der Hausmeisterin?«, fragte Bernd trocken und griff zum Bierglas, das dritte inzwischen.
»Die Leber ja, das Gehirn nein. Prost.«
»Zum Wohlsein.«
Während das Zigarettenritual sich entfaltete, forschte Bernd in seiner Erinnerung. Wenige Wochen zuvor hatte er begonnen, über eine Fortsetzung der rabenschwarzen kleinen Horrorgeschichte nachzudenken. Nicht mit der Hausmeisterin, sondern mit dem Mädchen aus der Nachbarwohnung. Die Versuche waren nicht gelungen, er brachte es nicht fertig, Jessika als Kind wieder aufleben zu lassen. Die Figur entglitt ihm jedes Mal. Doch dann kam er auf die Idee, die Fortsetzung etliche Jahre später anzusiedeln. Warum sollte aus der Dreizehnjährigen nicht eine junge Frau geworden sein? Sie konnte womöglich mit jemandem auf einer Terrasse sitzen, ihrem nächsten Opfer, aber das Opfer ahnte natürlich nichts von seinem Schicksal. Das Opfer konnte ein Mann sein, der sich in Jessika verliebt hatte. Am besten, die beiden lebten bereits etwa zwei Wochen zusammen, dann eines Abends…
Jessikas Stimme unterbrach seinen Gedankengang: »Bin ich nun oder bin ich nicht, Bernd?«
Soll es, wie soll es weitergehen? |
Nein. Hier ist Schluss. |
Ja, Jessika ist wirklich jener Erzählung entstiegen. |
Ja, Jessika führt Bernd an der Nase herum. |
Ja, aber ich weiß nicht wie. |
Auswertung |
P.S.: Die Kurzgeschichte »Jessika« befindet sich in dem Buch »Gänsehaut und Übelkeit«. Angelinas Geschichte gibt er zur Zeit nur im Kindle-Format, aber eine Leseprobe ist verfügbar: Wenn die Nacht vom Himmel fällt
Dienstag, 16. März 2010
Die Grenze: Absurd, aber unterhaltsam
Was nervt, und zwar ganz erheblich, ist wie erwartet die Zerstückelung durch Werbepausen. So manchen womöglich guten Film werden wir einfach aufgrund der Unart solcher TV-Kanäle nicht sehen, Werbeblöcke in den Film zu packen. Zwar bietet das die Gelegenheit, den Ton auszuschalten, auf's Klo zu gehen oder sonstige Verrichtungen zu verrichten, aber so oft muss man ja auch nicht... - gibt es eigentlich wirklich Zuschauer, die mit eingeschaltetem Ton vor dem Bildschirm verharren?
Und der Film, dessen zweiter Teil heute ausgestrahlt wird? Der Stern meinte:
Wer ein "Gedankenspiel" inszenieren will, der muss auch zum Denken anregen. Genau das aber vermeidet der Sat.1-Zweiteiler. Er will überwältigen und bombastisch sein. Er erstickt an seinem eigenen Drang zu Größe und Bedeutung. Er traut dem Publikum letztlich nichts zu. Liegt das am Sender? (Quelle)Man darf von Fernsehkanälen der privaten Art kaum erwarten, dass die Zuschauer zum Denken animiert werden sollen, oder dass dem Zuschauer irgend etwas zugetraut wird, außer eben brav dazusitzen und für Einschaltquoten zu sorgen. Dann kann die Werbeminute nämlich teurer verkauft werden.
Das ist auch bei »Die Grenze« offenbar nicht anders. Zumal dies ja keine Dokumentation ist. Wenn eine Unterhaltungssendung, und nichts anderes ist ein solcher Spielfilm, mal die Probleme der Wirklichkeit streift, dann ist das schon erwähnenswert. Die Wirklichkeit dieses Filmes, soweit das aus dem ersten Teil erkennbar war, spart aus, dass es auch in Rostock vernünftige Menschen geben könnte. Es gibt nur Neonazis und Neokommunisten, dazwischen offenbar nichts. Die Regierung in Berlin regiert nicht, sondern reagiert nur. Der unfreiwillige Agent, Held des Filmes, kommt als Marionette ohne eigene Meinung oder Überzeugung daher. Schon wie er zum Agenten gemacht wird ist dermaßen konstruiert und unglaubwürdig, dass mir die wenigen Haare zu Berge stehen.
Und dennoch: Wir werden auch den zweiten Teil anschauen. Denn unterhaltsam ist das Filmchen allemal. Mit Sicherheit kein Meisterwerk, nicht einmal sonderlich spannend, unfreiwillig komisch an manchen Stellen wegen der absurden Ereignisse, unglaubwürdig sowieso - aber doch recht unterhaltsam.
Und für die Werbepausen liegt ein Buch bereit, ein paar Seiten pro Werbeblock schafft man ohne weiteres.
Montag, 15. März 2010
Herthas neue Trikots?
Vielleicht wurde ja auch die Kleidung vorgeführt, mit der Hertha die letzten paar Fußballspiele der Saison bestreiten wird. Mit solcher Ausrüstung wären erboste Fans auf dem Spielfeld weniger problematisch...
Breaking News!
Sonntag, 14. März 2010
Max
Ein Besuch im Tierheim bleibt normalerweise nicht ohne (hoffentlich) langjährige Folgen. Ich hätte es ja noch ein paar Jahre ohne Besuch im Tierheim und die damit verbundenen Folgen ausgehalten, aber die beiden Damen im Haushalt eben nicht.
Also sind wir gestern quer durch Berlin (70 Minuten) gefahren, um einen Spaziergang durch das Tierheim zu machen. Auf dem Heimweg war dann ein Passagier mehr im Auto. Nämlich Max:
Samstag, 13. März 2010
Vorsicht beim Kauf von ASUS Produkten!
Der Bildschirm friert häufig ein, der Rechner reagiert dann weder auf Maus noch auf Tasten. Beim Reset führt »Windows reparieren« nicht zur Besserung.Mit dieser Fehlerbeschreibung schickte ich ein wenige Wochen zuvor gekauftes ASUS-Notebook an das Customer Service Center ein, in dem Glauben, es mit einem Kundendienst zu tun zu haben. Das war im Oktober 2009. Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass man bei ASUS dem Kunden nicht dienen möchte. Der Kunde ist ein lästiges Ärgernis.
Beim Starten findet das BIOS die Festplatte selten sofort, nur nach mehrmaligem Neustart.
Beim Betrieb kommt es neben dem Einfrieren auch zum Bluescreen, oft bereits nach 10 Minuten Betrieb. Ein komplettes Recovery von der mitgelieferten DVD brachte keine Besserung.
Ich erhielt eine RMA-Nummer und konnte nun über einen Internetzugang verfolgen, ob und wie es mit der Reparatur voran ging. In den ersten Tagen stand da testing, dann mehrere Tage lang awaiting parts, dann repairing und dann wieder awaiting parts. So blieb des Status dann wochenlang stehen. Mehrmalige Nachfragen meinerseits wurden ignoriert. Auch meine Bitte um ein Ersatzgerät wurde ignoriert, so dass wir schließlich – der Computer war kein Lustkauf, sondern eine Notwendigkeit für die tägliche Arbeit – ein anderes Gerät (natürlich von einem anderen Hersteller) kaufen mussten.
Am 25. November 2009 erhielt ich eine Mail von ASUS:
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,Was blieb mir übrig, als zu bestätigen und eine Rechnungskopie, die ich bereits beim Einsenden des Gerätes mitgeschickt hatte, erneut zuzusenden. Ich hegte nun die Hoffnung, innerhalb von 20 Tagen wenigstens einen Großteil der 699 Euro zurück zu erhalten.
hiermit möchten wir Sie informieren, dass wir aus unvorhersehbaren Gründen nicht in der Lage sind Ihren Servicefall zeitnah durch eine Reparatur zu beenden.
Aus diesem Grund bieten wir Ihnen die folgende Option an
Sie erhalten eine vollständige Gutschrift abzüglich eines Aufwand-Abschlags den Ihnen Ihr Fachhändler nennen kann.
Bitte beachten Sie, daß die Gutschrift ausschließlich an Ihren Händler ausbezahlt wird. Sollte der Händler nicht mehr existieren, entfällt leider die Option auf Gutschrift.
Für die weitere Bearbeitung der Gutschrift benötigen wir die Angaben Ihres Händlers sowie eine Rechnungskopie.
Die Bearbeitungszeit für eine Gutschrift beträgt 20 Arbeitstage. Die vorbenannte Bearbeitungszeit zählt vom Tag des Eingangs Ihrer Bestätigung.
Doch es geschah nichts. Also schrieb ich am 16. Dezember 2009:
Sehr geehrte Damen und Herren,Am 28. Dezember kam diese nette Antwort:
anbei noch einmal die Kopie der Rechnung und die Angaben zum Händler. Ich hatte Ihnen dies bereits am 25. November 2009 erneut zugeschickt!
Ich hoffe, dass nun die Gutschrift / Erstattung des Kaufpreises zügig vonstatten geht. Alternativ können Sie mir auch ein baugleiches neues Gerät schicken, damit ich nicht noch zusätzliche Verzögerungen und Laufereien zur Karstadt-Filiale auf mich nehmen muss.
Immerhin wurde das defekte Gerät schon im Oktober eingesandt. Eigentlich hatte ich von ASUS einen besseren und schnelleren Service erwartet...
Wir koennen Ihnen nicht Ihren Einkaufspreis erstatten da ASUS nur ueber den Vertriebsweg agiert.Ich hatte keine Ahnung, was ein Großhändler für Preise an ASUS bezahlen muss, aber das klang mir schon sehr danach, dass ich nur einen Bruchteil des Kaufpreises zu erwarten hatte. Ich schrieb zurück:
Somit bezog sich unser Angebot auf 100% des Distributorenpreises (Preis den der Grosshaendler an ASUS gezahlt hat). Bitte bedenken Sie, dass die Gutschrift auch nur ueber den Handelsweg durchgefuehrt werden kann. (Distributor-> Einzelhaendler-> Endkunde)
Wir Bitten um Mitteilung ob Sie mit dieser Art der Gutschrift einverstanden sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Technical Support Team
Customer Service Center
Guten Tag.Am 5. Januar 2010 kam diese entzückende Antwort:
Ich bin mit dieser Gutschrift einverstanden - mir bleibt ja nichts anderes übrig, nicht wahr? Wie lange dauert das nun noch alles?
MfG …
Sehr geehrte Damen und Herren,Dann wieder Schweigen im Wald. Am 24. Januar wagte ich es, ASUS erneut mit meinem Anliegen zu belästigen:
vielen Dank für Ihre Mitteilung. Wir haben Ihre Entscheidung zur Kenntnis genommen und werden die Gutschrift so schnell wie möglich veranlassen.
Die neue Bearbeitungsnummer lautet NLA1010383. Für weitere Rückfragen verwenden Sie bitte ausschließlich die neue Bearbeitungsnummer.
Sobald uns die Gutschriftsnummer vorliegt, werden wir Sie darüber in Kenntnis setzen.
Mit freundlichen Grüßen …
Sehr geehrte Damen und Herren,Ach, wie lästig ich doch bin! Wie kann ich auch erwarten, dass ein neues Gerät, das sich innerhalb der Garantiezeit als defekt erweist, repariert oder ausgetauscht wird, oder dass ich mein Geld – und zwar die Summe, die ich bezahlt habe – zurückbekomme? ASUS ließ mich am 25. Januar, also schon einen Tag nach meinem Schreiben wissen:
mittlerweile sind wiederum fast drei Wochen vergangen. Im November 2009 war erstmals die Rede davon, dass das Gerät nicht repariert werden kann. Eingeschickt wurde es im Oktober 2009. Ich bin einigermaßen entsetzt über das, was Sie unter Kundendienst verstehen.
Ich erwarte nunmehr entweder ein neues Gerät mit gleicher Ausstattung oder eine Erstattung des Kaufpreises bis Ende Januar 2010. Die Bankverbindung kann ich Ihnen in letzterem Fall zukommen lassen.
Es kann doch wohl nicht sein, dass eine Firma wie ASUS ihre Kunden dermaßen verärgern will, indem ein Garantiefall sich über so viele Monate hinzieht?
Ich hoffe auf sofortige Erledigung der Angelegenheit,
mit freundlichen Grüßen …
Guten Tag Herr Matthia,Umgehend. Aha. Am 26. September 2009 hatte ich ein Gerät gekauft, das ich im Oktober zur Reparatur / zum Umtausch eingeschickt hatte. So lernt man Geduld, und Geduld ist ja sicher eine Tugend. Allerdings bei mir dann doch inzwischen so gut wie aufgebraucht, was ASUS betrifft. Ich wartete vier Wochen ab, ohne eine Nachricht von ASUS. Dann schrieb ich am 23. Februar 2010:
leider mussten wir bei der Überprüfung Ihres Falles feststellen, dass die Abwicklung der Gutschrift über den Vertriebsweg (und damit über die Firma Karstadt) nicht möglich ist, da Karstadt insolvent ist.
Wir sind im Augenblick damit beschäftigt eine andere Lösung für Sie zu finden, damit dieser Fall in beiderseitigem Einvernehmen abgeschlossen werden kann.
Sobald wir eine Lösung für Sie gefunden haben werden wir Sie umgehend kontaktieren und Ihnen unseren Alternativvorschlag unterbreiten.
Ich bitte Sie für die Umstände um Entschuldigung und verbleibe,
mit freundlichen Grüßen…
Sehr geehrte Damen und Herren,
nun sind wiederum vier Wochen vergangen - langsam aber sicher geht meine Geduld zur Neige. Es kann doch wohl nicht sein, dass eine nicht gerade kleine Firma wie ASUS nicht in der Lage ist, einem Kunden Ersatz für ein defektes Gerät anzubieten, selbst wenn der Händler mittlerweile insolvent ist?
Kundendienst sollte eigentlich »Dienst am Kunden« bedeuten, auch für größere Firmen wie Ihre. Wir würden mit unseren Kunden, wenn es einmal Grund zur Beanstandung geben sollte, jedenfalls nicht so umgehen, wie ich es bei ASUS leider seit Oktober 2009 erlebe: Vertrösten - hinhalten - aufschieben... - unser Kunde würde uns vermutlich nie wieder Aufträge geben und ein solchermaßen ramponierter Ruf spräche sich schnell herum.
Wäre es nicht so langsam an der Zeit, dass Sie eine Lösung finden?
Mit freundlichem Gruß …
Meine Mail vom 23. Februar wurde wieder mal ignoriert. Seit dem 25. Januar 2010 kein Wort – geschweige denn ein Gerät oder Geld – von ASUS.
Daher mein Tipp: Lieber andere Hersteller bevorzugen, wenn es um den Kauf von Computern und Zubehör geht. Asus hat offensichtlich kein Interesse an Kunden, die Probleme mit defekten Geräten haben...
Dass es auch ganz anders geht, hat gestern Philips bewiesen – Kundendienst heißt dort offensichtlich Dienst am Kunden. Mehr dazu in den nächsten Tagen.
Freitag, 12. März 2010
Horror im Hirn?
Äh - mal ne Frage:
- Warum schaltet jemand, der von seinem Toyota terrorisiert wird, nicht einfach die Zündung aus und lässt das Fahrzeug ausrollen?
Eine Dame, die ohne Führerschein unterwegs war, wohl nicht im Toyota, hatte besseres zu tun, als auf den Verkehr - also den Autoverkehr - zu achten. Sie machte sich gerade fein für einen anderen Verkehr. Auch das findet man beim Spiegel: Bikinizone rasiert - Unfall gebaut.
In manchem Autofahrergehirn scheint es auch ohne Promille etwas absonderlich zuzugehen. Was wäre wohl zu berichten gewesen, wenn die Dame sich im wild gewordenen Toyota rasiert hätte?
Donnerstag, 11. März 2010
70 Prozent katholisch?
Die TOP TEN des Vatikan (in der Reihenfolge des Erscheinens, ohne Wertung):
- Revolver (The Beatles)
- If I could Only Remember My Name (David Crosby)
- The Dark Side of the Moon (Pink Floyd)
- Rumours (Fleetwood Mac)
- The Nightfly (Donald Fagen)
- Thriller (Michael Jackson)
- Graceland (Paul Simon)
- Achtung Baby (U2)
- What's the Story Morning Glory (Oasis)
- Supernatural (Carlos Santana)
Die Alben mit der grünen Schrift besitze ich. Bin ich also zu 70 Prozent katholisch?
Ich weiß nicht...
…was ich heute bloggen soll. Also dann eben einfach mal nix.
Na ja. Geht ja nicht, immerhin ist das ein Foto, und das sollte ich doch erklären, gelle? Das Bild hat mein Eee aufgenommen, nachdem ich ihn, wie man so sagt, komplett neu aufgesetzt habe. Das ist so etwas wie eine Wiedergeburt, bloß eben für Computer statt Menschen. Nach ein paar Jahren Computerleben gar nicht so schlecht, so eine Wiedergeburt. Da werden Downloadsünden weggewaschen, voreilige Installationen vergeben, unnötige Softwarelast entfernt… sozusagen ist er eine neuen Kreatur, der Eee, obwohl er noch ganz der alte ist. Na bitte. Das hätte auch ein Nikodemus gut verstanden, wenn es damals schon Computer gegeben hätte.
Mittwoch, 10. März 2010
Der Baum
Der Baum begann sein Dasein als unscheinbarer Spross, der mit einigen Blättern aus der Erde hervorbrach. Man vermochte noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob da Unkraut wuchs oder ein guter Baum.
Umgeben von größeren Bäumen, geschützt auf seiner Lichtung, wuchs er dem Licht entgegen. Er wurde größer und stärker, wobei er zwar seine Biegsamkeit mehr und mehr verlor, aber die Festigkeit des Stammes konnte nun den Stürmen widerstehen, die ihn zuvor niedergebeugt hatten, ohne zu zerbrechen.
Er gedieh und gab bald seinerseits Schatten, Schutz, Obdach für Tiere und Pflanzen. Er war wichtig in diesem Mischwald, denn er hatte ganz spezielle Eigenschaften, die andere Bäume nicht hatten. Manche Tiere brauchten ihn, andere brauchten andere Bäume. Er gedieh und schien in seiner Größe und Pracht unbezwingbar, überragte viele andere. So manche Unwetter zogen über ihn hinweg, ohne dauerhaften Schaden anzurichten.
Der Baum wurde alt. Unter seinem Geäst brachen neue Sprösslinge aus dem Boden, denen er das Licht streitig machte, Nährstoffe entzog, Wasser wegsaugte. Eines Tages stürzte er, innerlich morsch geworden und unbeweglich in seiner Erstarrung, weil ein Windstoß ihn traf. Ein Windstoß, der ihn in der Blüte seines Lebens nicht einmal hätte erschüttern können.
Nun war Licht, Wasser, Nahrung, Platz für die jungen Bäume da. Er hatte seinen Zweck erfüllt, jetzt war ihre Zeit gekommen. Zuerst noch unstet, hierhin und dorthin gebeugt, noch nicht fähig, den Tieren gleichen Schutz und Heimat zu bieten wie der alte Baum - aber sie wuchsen und wurden kräftig, wie einst der Baum, unter dessen Dach sie aus der Erde gebrochen waren.
Die Gemeinde A. in der Stadt B. begann ihr Dasein als unscheinbare Versammlung, die sich mit einigen Gläubigen zusammenfand…
Dienstag, 9. März 2010
Amsel, Drossel, Fink und Star
Dem Fink sagt man nach, auch gerne als Schmutzfink aufzutreten. Ist jemand ein Schmutzfink, wenn er sich nicht scheut, den Schmutz unter dem Teppich der Gesellschaft hervorzuholen und in seinen Liedern zu beschreiben? »I don't love the mountains / And I don't love the sea / And I don't love Jesus / He never done a thing for me / I ain't pretty like my sister / Or smart like my dad / Or good like my mama / It's Money That I Love / It's Money That I Love...«
Bei der Drossel muss einem ja die Spottdrossel einfallen, nicht wahr? Wer selbst von geringer Körpergröße ist und dann lauthals singt »They got little baby legs / That stand so low / You got to pick em up / Just to say hello / They got little cars / That go beep, beep, beep / They got little voices / Goin' peep, peep, peep / They got grubby little fingers / And dirty little minds / They're gonna get you every time / Don't want no short people around«, der muss ja wohl eine Spottdrossel sein.
Aber was ist nun mit der Amsel? Egal. Mir reichen drei Frühlingsboten, um mich auf das Konzert am 3. Mai in Berlin zu freuen. Randy Newman habe ich live noch nicht erlebt - ich bin gespannt. Vielleicht wird er, der nach eigener Einschätzung gar nicht singen kann, ja dort auch noch zur Amsel für mich?
Bild von Music Maven
Sonntag, 7. März 2010
Rosemarie Stresemann: Mich zeigen
»Leben ohne falsche Scham« erläutert der Untertitel, worum es in diesem Quadro (Quadros sind quadratische Hefte im Format 15x15 cm) geht. Wenn es falsche Scham gibt, dann muss es ja auch richtige Scham geben, dieser Gedanke liegt nahe.
Anhand der Geschichte von Adam und Eva erläutert die Autorin zunächst, wie Scham in die Welt kam, und wie der Schöpfer mit der Schuld des Menschen umging.
Schreiben wir die Bibel ein bisschen um und stellen uns folgende Szene vor: Der allmächtige und allwissende Gott kommt in den Garten. Er geht mit schnellem Schritt auf das Versteck von Adam und Eva zu, biegt die Büsche auseinander und ruft triumphierend: »Ha, habe ich euch ertappt! Vor mir versteckt sich keiner!«
Solch einen Gott vermutet so mancher Christ: Immer auf der Lauer, uns bei einem Fehlverhalten zu erwischen, um uns dann unsere Sünde um die Ohren zu hauen. Die Bibel jedoch schildert – nicht nur an dieser Stelle – einen ganz anderen Gott. Adam und Eva schämen sich ihrer Blöße, und Gott schickt sie nicht nackt fort. Er reißt ihnen auch nicht die Feigenblätter weg. Statt dessen fertigt er Kleidung an, weil er die Würde seiner Geschöpfe beschützen will.
Die Autorin geht auf einige Erziehungsmethoden ein, zum Beispiel »in der Ecke stehen«, auf Alltagssituationen, in denen Mitmenschen öffentlich beschämt werden und sie zeigt immer wieder Parallelen in der Bibel auf. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn beleuchtet sie beispielsweise aus ungewohnter Perspektive und sie erinnert daran, wie Jesus mit Menschen umging, die sich schämten oder beschämt wurden.
Ein alltagstaugliches Heft ist dieses »Mich zeigen« geworden, weil es wenig theoretisiert, statt dessen alltägliche Situationen aufgreift um zu zeigen: So manche Scham ist unnötig, sogar schädlich. Sie isoliert, schränkt ein, macht krank. Mit Denkanstößen und gezielten Fragen an den Leser gelingt es dann leicht, den Weg aus der Schamfalle zu finden.
Und was ist nun mit der richtigen Scham? Das letzte der vier Kapitel im Buch heißt »Jenseits von Richtig und Falsch«. Darin geht es um den Unterschied zwischen echten Gefühlen und urteilenden Gedanken, und damit kommt man in gewisser Weise ein bisschen weiter, diesbezüglich. Es zeigt sich allerdings: Richtige Scham ist das Thema dieses Quadro nicht, die wird nicht weiter beschrieben oder analysiert. Das muss auch nicht sein, da es ja darum geht, ein Leben unter dem Eimer loszuwerden.
Mein Fazit: Eine lohnende Lektüre für alle, die von Scham gequält werden, sich im Kollegenkreis oder bei öffentlichen Anlässen verschämt in eine Ecke verziehen… – sich verstecken. »Mich zeigen« hilft dabei, den Eimer vom Kopf zu nehmen und in das Leben hineinzutreten.
Überall erhältlich für 4 Euro mit der ISBN 978-3-935992-83-1, oder direkt beim Verlag: Rosemarie Stresemann - Mich zeigen
Freitag, 5. März 2010
Mein Mann hat seine Waldesruh', was mache ich mit dem Förster?
Lissy Meyer-Kemperling sagte sich tausend Mal, dass sie auf ihre Mutter hätte hören sollen. Natürlich wusste sie, dass all das »hätte«, »wäre ich doch« und »wenn doch damals« so überflüssig war wie ein Gerstenkorn im Auge. Geschehen ist geschehen, und sie hatte nun einmal einen unsensiblen Naturburschen geheiratet, weil ihre Hoffnungen auf eine Designer-Karriere nach verpatzter Schneiderlehre geplatzt waren.
Lissy, damals umworbene Dorfschönheit, war vor zwanzig Jahren, die sich wie mindestens fünfzig anfühlten, auf diesen unsäglichen muskelstarken, intellektlosen, ständig fremdgehenden Lukas hereingefallen.
Immer hatte sie auf Besserung gehofft. Dass er zur Ruhe käme, mehr vom Gehirn als vom Unterleib gesteuert. Doch nun war ihr jegliche Hoffnung ausgegangen. Die fünf Blagen waren auf dem besten Wege, zu Kopien des Ehegatten zu werden, Lissy fütterte immer noch die Hühner und die Schweine. Fett war sie geworden, und ziemlich sauer. Jedes Jahr ein bisschen fetter, ein bisschen saurer. Und jeder Krug geht schließlich nur so lange zum Brunnen, bis er bricht. Früher oder später. Zwanzig Jahre - war das nun früher oder war das später? Lissy war es egal.
Lukas hatte wie immer ohne ein Wort der Anerkennung das Abendessen in sich hineingeschlungen, Augen und Ohren nur für das Fernsehgerät. Ob das Pilzgericht etwas bitterer schmeckte als sonst, kommentierte er nicht. Statt dessen schrie er die Mattscheibe an: »Gibt doch den Ball ab, du Volltrottel! So ein Idiot!«
Und nun steht er vor der Tür, der Förster, Lukas Kumpel, schon einen Tag nach der Entsorgung, und will mit dem Verblichenen sprechen. Aber der liegt ja nun zerstückelt im Haschelmoor, mitten im Haschelwald, wo er gern auf Wildschweinjagd gegangen ist, der selige Lukas, niemals ohne Schnaps, niemals, ohne vorher Lissy eine zu ballern und zu sagen: »Ich will meine verdammte Ruhe haben.«
Lissy erklärt dem Förster: »Er ruht sich aus, nehme ich an. Er hat gesagt, er wolle seine Ruhe haben.«
»Im Bett oder wo?«, fragt der Förster, dessen Intelligenz sich mit der des verschiedenen Gatten trefflich messen kann.
»Nein. Er ist von mir geschieden.«
»Geschieden? Hä?«
»Weg. Fort. Vielleicht in seinem Lieblingswald.«
Seine Mine verrät nichts als Misstrauen, aber der Förster zuckt mit den Schultern und wendet sich zum Gehen. »Dann schau ich mal, ob ich ihn finde«, sagt er noch. Und: »Tschö mit Ö.«
Lissy schließt zögernd die Türe. Was nun? Lukas liegt häppchenweise im Wald, der Förster runzelt die Stirn und schnuffelt nach ihm. Da fällt ihr ein, dass ja noch eine große Portion vom gestrigen Pilzgericht im Kühlschrank steht. Sie reißt die Türe auf und ruft ihm hinterher: »Willst du nicht hier im Warmen warten? Bei einem Bierchen und einem Teller Pilzragout?«
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Hier die Erklärung zu diesem wunderlichen Meisterwerk. Also, das ist so: Ich bin (je nach verfügbarer Zeit, manchmal auch Monate lang nicht) im Kurzgeschichten-Forum (in der Seitenleiste zu finden) aktiv. Dort gibt es immer wieder viel zu lernen, für mich als Autor und für mich als Kritiker. Den hiesigen Blogbeitrag über Mikroliteratur hatte ich auch dort eingestellt, mit wesentlich mehr Resonanz als auf dem Blog. Irgendwann im Verlauf der angeregten Diskussion schrieb K*R*, eifrige Forumsteilnehmerin und Autorin:
Mein Mann hat seine Waldesruh', was mache ich mit dem Förster?
Was sagt uns das? Ist das Literatur? Könnte was werden. Wenn sich z.B. M* an die Arbeit macht (gern, stimmt's?) und daraus klugen Kopfes eine Geschichte formt.
Er könnte uns erzählen, dass Lissy Meyer-Kemperling einen unsensiblen Naturburschen/Bauerndepp geheiratet hat, weil ihre Hoffnungen auf eine Designer-Karriere nach verpatzter Schneiderlehre geplatzt sind. Lissy, ehemals Dorfschönheit, heiratet den starken, intellektlosen, ständig fremdgehenden Lukas, kriegt fünf Blagen, füttert die Hühner und die Schweine, wird fett und ziemlich sauer. Lukas wird von ihr entsorgt/getötet, der Förster, sein Kumpel, fragt nach ihm, aber der liegt ja nun zerstückelt im Haschelmoor. Das befindet sich im Haschelwald, wo er gern auf Wildschweinjagd gegangen ist, niemals ohne Schnaps, niemals, ohne vorher Lissy eine zu ballern und zu sagen: "Ich will meine verdammte Ruhe haben."
Das kommentierte ich mit:
Also DAS gefällt mir! Auf ins Haschelmoor, die Leiche suchen.
Darauf K* R*:
Günter, mach da was draus, ist Dein Genre. Lukas liegt häppchenweise im Wald, der Förster runzelt die Stirn und schnuffelt nach ihm.
Das ließ ich mir einige Minuten durch den Kopf und dann in die Finger auf der Tastatur gehen. Sowas kommt von sowas.
Penible Blogbesucher dürfen nun herausklamüsern, welche Worte von K* R* und welche von mir stammen. Wer weniger penibel ist, oder zu faul, kann hier eine farbcodierte Version studieren: Mein Mann hat seine Waldesruh’
*Forumsnamen ausgesternt
Donnerstag, 4. März 2010
Egozentrisch
Wenn einer nicht egozentrisch ist, dann wird er nicht Dichter. So waren sie alle, von Goethe bis Brecht. Nur vermochten Goethe oder Brecht diese Egozentrik einigermaßen zu verbergen. -Marcel Reich-Ranicki
Nur um zu beweisen, wie recht er hat, habe ich ein Foto von mir statt von ihm neben dieses Zitat gepackt.
In der Seitenleiste dieses Blogs weist seit der Blogwerdung dieses Blogs ein Link auf die Kolumne von Marcel Reich-Ranicki hin, die ich bei dieser Gelegenheit mal wieder ausdrücklich zur regelmäßigen (also wöchentlichen) Lektüre empfehlen möchte. Mal kurz, mal länger antwortet Marcel Reich-Ranicki auf mehr oder weniger geistreiche Leserfragen. Hier, weil die Antwort so unvergleichlich reich-ranickig ist, noch ein Beispiel für kurze Antworten:
Dr. Renate Zuckmantel, Seeheim-Jugenheim: Was haben Thomas Mann, Günter Grass und Thomas Bernhard gemeinsam? Ist es nur die Macht der Sprache?
Marcel Reich-Ranicki: Mir ist das Wort „nur“ unangenehm aufgefallen. Mehr möchte ich nicht sagen.
Hier geht es zur wöchentlichen Pflichtlektüre für alle Dichter und Denker und zur gedeihlichen Erbauung für alle übrigen Menschen: Fragen Sie Reich-Ranicki
Mittwoch, 3. März 2010
Wohin?
Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. -Jesus
Hat der Vater Jesus in die Kirche / Synagoge gesandt, oder zu den Menschen draußen?
Jesus predigte das Reich Gottes, und es kam die Kirche. -Adolf Schlatter.
Au weia.
Dienstag, 2. März 2010
Mikroliteratur
Es wird nicht jeder meiner Blogbesucher wissen, was Mikroliteratur sein soll. Daher ein Beispiel, Ernest Hemmingways kürzeste Kurzgeschichte:
For sale: baby shoes, never worn.Sechs Worte. Und wie viele Geschichten sind doch darin verborgen! Mir fallen spontan etliche ein, die damit erzählt werden. Ich sehe die traurige Mine der jungen Frau, die sich auf das Baby gefreut hatte. Ich sehe den jungen Mann, der schweren Herzens das mit viel Liebe vorbereitete Kinderzimmer auflösen muss. Ich sehe die Familie, die ein Mädchen bekommen hat und Tante Erna hat blaue Babyschuhe geschenkt...
Oder diese Kurzgeschichte:
I still make coffee for two.Sofort sehe ich den Mann, der morgens aufsteht und Kaffee für zwei Menschen auf den Tisch stellt, obwohl seine Frau schon vor Monaten gestorben ist. Ausgezogen ist. Entführt wurde. ...
Spannende Sache, das mit der Mikroliteratur. Demnächst erfahre ich wohl mehr über das Projekt, und inwiefern ich daran teilnehmen kann.