Heute ist die Fortsetzung kürzer als gewohnt – dafür wird es mit der nächsten Folge nicht allzu lange dauern. Es wird auch keine Leserentscheidung über den Fortgang geben, denn den habe ich schon im Kopf und zum Teil niedergeschrieben. Ich hätte diesen Teil natürlich durch weiteren Text länger gestalten können, konnte es mir aber nicht verkneifen die geschätzte Leserschaft mal ein paar Tage einem sogenannten cliffhanger auszusetzen. Ein bisschen Qual muss ja ab und zu sein. Ätsch!
Das aber noch zuvor: Die vorangegangenen Teile: [Teil 1] /// [Teil 2] /// [Teil 3] /// [Teil 4] /// [Teil 5] /// [Teil 6] /// [Teil 7] /// [Teil 8] /// [Teil 9] /// [Teil 10] /// [Teil 11] /// [Teil 12]
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Schließlich, es schien eine Ewigkeit zu dauern, schwanden die Kräfte des Mannes. Er stolperte, sank auf die Knie, ließ das Messer fallen und griff mit beiden Händen nach Jessikas Arm, um den Würgegriff zu lösen. Seine Fingernägel gruben sich in ihr Fleisch. Sie ließ nicht locker, auch als er sich nicht mehr auf den Knien halten konnte und umfiel, hielt sie unerbittlich fest.
Johannes stand zwei Meter entfernt, den blutverschmierten Dolch in der rechten Hand, in der linken ein Handtuch. Er konnte nicht sagen, ob Jessikas Arm von ihrem eigenen Blut verschmiert war oder von dem des Räubers, aber notfalls wollte er die Wunde abbinden können.
»So. Das reicht dir wohl«, sagte Jessika endlich und ließ los. Sie stand, etwas schwankend, auf und schaute Johannes an. »Lass den Dolch fallen.«
Er tat es. Er brauchte keine Waffe mehr. Er wollte Jessika in die Arme nehmen, zum ersten Mal, sie trösten, falls sie Trost brauchte, sie beruhigen, falls sie aufgewühlt war. Wie ein Vater seine Tochter, die gerade Schlimmes durchgemacht hat. Er atmete tief durch und fragte: »Bist du verletzt?«
Jessika nickte. »Er hat mich mit der Klinge erwischt. Aber das macht nichts. Wir heilen schnell, anders als ihr normalen Menschen.«
Johannes ging die zwei Schritte zu ihr hin. Der Stich hatte sich tief in den Oberarm gebohrt, unaufhörlich quoll das Blut. Vorsichtig drückte Johannes das Handtuch auf die Wunde. Er versuchte, sich an den längst vergessenen Unterricht in Erster Hilfe zu erinnern, da war es auch um einen Druckverband gegangen. Einen Knoten musste man machen, und mit einem Stock dann irgendwie den Stoff spannen. Es fiel ihm nicht ein, wie das gehen sollte. Es fiel ihm auch nicht ein, dass er im Auto einen ordnungsgemäß ausgerüsteten Verbandskasten hatte. Das Handtuch färbte sich zügig rot, die Blutung hielt unvermindert an.
»Tut es sehr weh?«
»Ja.« Ihre Stimme war ungewohnt schwach.
»Du musst zu einem Arzt.«
»Nein.«
»Jessika, bitte. Sei nicht unvernünftig. Das ist ein tiefer Stich und du blutest unaufhörlich.«
Sie griff mit ihrer rechten Hand nach dem Handtuch, presste es auf die Verletzung, stöhnte, presste noch stärker, biss sich auf die Lippen und bat dann: »Nimm mich in die Arme.«
Hätte es Zuschauer gegeben, wäre der Begriff Liebespaar das erste gewesen, was ihnen beim Anblick der beiden in den Sinn gekommen wäre. Zwei nackte Menschen, eng umschlungen, die Frau geborgen in den Armen des Mannes. Lediglich das Blut, mit dem sie mittlerweile beide verschmiert waren, störte das romantische Bild.
Abgesehen von einem Händedruck in Parma war dies sie erste körperliche Berührung der beiden. Johannes fühlte ihr Zittern, hielt sie fest, strich ihr über den Rücken. Sie atmete tief, schien schwächer zu werden, wankte auf unsicheren Beinen. Das blutdurchtränkte Handtuch fiel zu Boden, ihre Arme hingen kraftlos herab. Er hielt sie fest, als sie ihm zu entgleiten drohte. Johannes überlegte, ob er sie zu den Decken hinübertragen, hinlegen und Hilfe holen sollte. Das Telefon lag im Handschuhfach. Als er zu dem Schluss gekommen war, dass ihm nichts anderes übrig blieb, kam ein Laut aus ihrer Kehle, der kaum menschlich klang, ein Klang wie aus der Verzweiflung einer geschundenen Kreatur geboren, die ihren Peinigern nicht entrinnen kann.
Unvermittelt wurde es, obwohl der Sonnenuntergang noch fern war, dunkel. Ein tiefer Schatten fiel auf die Lichtung, hüllte die beiden ein. Als sei das Feuer der Sonne plötzlich erloschen. Dunkelheit und Kälte, von einem Augenblick zum nächsten. Eine uralte Dunkelheit, die nicht hierher gehörte. Und in der Finsternis war jemand. Etwas.
Jessika hing wie tot in seinen Armen, Johannes hielt sie fest, sonst wäre sie auf der Erde gelandet. Atmete sie noch? Er drückte sie an sich, versuchte, sie vor der Dunkelheit zu schützen. Oder eher vor dem, was in der Dunkelheit verborgen war. Ihre Haut war warm, noch war sie warm. Es war sinnlos, um Hilfe zu rufen, es war sinnlos, weglaufen zu wollen. Diese Finsternis war nicht von dieser Welt, wohl auch nicht auf dieser Welt. Sie waren in der Finsternis gefangen.
Johannes starrte ins Leere. So etwas wie ein unwirklich graues Schimmern war verblieben, ohne Ursprung; nur vage Schemen der Bäume um die Lichtung waren auszumachen, obwohl die Augen sich schnell an die fehlende Sonne gewöhnten. Er sah nichts, aber er spürte, dass sich näherte, was in diesem Todesschatten wohnte.
Wie angekündigt geht es nun nicht um den Fortgang der Geschichte. Aber diese Frage ist nicht unwichtig, womöglich hängt von der Abstimmung das Ende der Erzählung ab.
Wie geht es den geschätzten Lesern mit Jessika? |
Inzwischen mag ich sie. |
Keine angenehme Zeitgenossin. |
Wer ist Jessika? |
Auswertung |
Fortsetzung sehr bald an dieser Stelle.