Dienstag, 22. Juli 2014

Aber irgendwas machst du doch!–Nein.

Berta: Herrmann?
Hermann: Ja?
Berta: Was machst du da?
Hermann: Nichts!
Berta: Nichts? Wieso nichts?
Hermann: Ich mache nichts!
Berta: Gar nichts?
Hermann: Nein.
Berta: Überhaupt nichts?
Hermann: Nein, ich sitze hier!
Berta: Du sitzt da?
Hermann: Ja.
Berta: Aber irgendwas machst du doch!
Hermann: Nein.
-Loriot (Szenen einer Ehe)

Die meisten Menschen dürften bereits einem immer häufiger auftretenden Trend begegnet sein, der meist mit englischen Vokabeln benannt wird: mindfulness, awareness, simplicity … also Achtsamkeit, Aufmerksamkeit, Vereinfachung, Entschleunigung. Bei der Begrifflichkeit in unserer Sprache bleibe ich auch in dieser Serie von Artikeln über ein paar Grundlagen zum Thema.

crackEs hat sich herumgesprochen, dass unser Lebensmotto »Zeit ist Geld« krank machen kann und dass puritanische Lehren wie »Müßiggang ist aller Laster Anfang« in die völlig falsche Richtung weisen. Dass es zur Falle werden kann, immer mehr in den 24 Stunden, die ein Tag uns schenkt, unterbringen zu wollen. Dass sogar ein Urlaub zur Anstrengung und alles andere als erholsam wird, wenn wir ständig ein selbst auferlegtes Pflichtprogramm aus möglichst weiten Reisen mit möglichst vielen abgehakten Sehenswürdigkeiten absolvieren. Spätestens dann, wenn eine ernsthafte Erkrankung zum Innehalten zwingt, kommt mancher Zeitgenosse auf den Gedanken, den Lebensstil zu überprüfen.

Dabei täte es uns gut, achtsamer und bewusster zu leben, bevor wir krank werden. Das hat sich herumgesprochen, daher die Schwemme von Artikeln, Büchern, Seminaren – sogar die chronisch knauserigen Krankenkassen bezahlen inzwischen Achtsamkeitskurse und Meditationen. Nicht, weil das gerade als modern gilt, sondern weil es preiswerter ist, die Menschen zum Innehalten, zur Schlichtheit zu bewegen, als Herz-, Kreislauf und Krebserkrankungen zu behandeln.

Bereits kurz nach meiner ersten Krebsoperation, in der Rehabilitation, fing auch bei mir endlich das Umdenken bezüglich der Lebenseinstellung und -gestaltung an, als ich unter anderem die progressive Muskelentspannung und Qui Gong kennen lernte. Ich habe seither viel gelesen und ausprobiert, manches war für mich brauchbar, manches nicht. Eine schier unerschöpfliche Quelle ist der Blogger Leo Babauta, er schreibt seit 2007 zum Thema. Seine Texte hat er mit einem »uncopyright« versehen, sie in den Besitz der Menschheit überschrieben. Vieles von dem, was ich in dieser Serie weitergeben werde, sind Übersetzungen seiner Gedanken aus dem Englischen. Etliche Gedanken habe ich aus Büchern übernommen, andere aus Zeitschriften wie »Flow«. Und kürzlich dachte ich: Warum nicht mit den Blogbesuchern auch diese Gedanken, Erlebnisse und Ergebnisse teilen? Eben. Warum nicht.

Entschleunigung - Substantiv, feminin - gezielte Verlangsamung einer [sich bisher ständig beschleunigenden] Entwicklung, einer Tätigkeit o. Ä.
-der Duden

Zunächst geht es darum, wie wir überhaupt anfangen können mit dem gesunden Vereinfachen des Lebens, dem Abbremsen, dem Ausbrechen aus dem Hamsterrad. Wie entdeckt man den Weg zur Schlichtheit? Wo hat die Tretmühle überhaupt einen Ausgang? Was heißt es ganz konkret, Achtsamkeit zu praktizieren und einzuüben?

Schlichtes Leben bedeutet für jeden Menschen etwas Individuelles. Da muss jeder herausfinden, was für ihn richtig ist, anstatt ungeprüft etwas vom Mitmenschen zu kopieren, was diesem sehr gut tut. Es gibt nämlich kein Patentrezept. Es geht darum, das Wesentliche für sich selbst zu entdecken und alles andere daran zu messen und zu bewerten. Chaos gegen Frieden einzutauschen. Mehr Zeit damit zu verbringen, was einem gut tut. Den Wirrwarr des Alltags entsorgen, das versetzt uns in die Lage, plötzlich Zeit für das zu finden, was wirklich wertvoll ist.

So etwas gelingt nicht von heute auf morgen. Es geht um eine Reise, nicht um ein Ziel. Oft genug wird es so aussehen, dass wir zwei Schritte voran gehen und einen zurück. Aber das macht überhaupt nichts. Wichtig ist, unterwegs zu sein, statt den Status Quo hinzunehmen, sich dem Diktat des hektischen Lebens unserer Gesellschaft zu fügen.

Im geplanten nächsten Beitrag zum Thema möchte ich 75 konkrete Vorschläge auflisten. Das wird einiges an Lesestoff bedeuten und mancher wird sich sagen, dass die Zeit zur aufmerksamen Lektüre nicht reicht. Und genau das ist der Punkt: Nehmen wir uns die Zeit für etwas, was uns helfen könnte, was wichtig sein könnte, oder liegen die Prioritäten fest gemauert auf anderen Dingen?

Denjenigen, denen die angekündigten 75 Punkte zu lang und zu viel erscheinen, schenke ich hier zum Schluss dieses Beitrages die Kurzform, die nur aus zwei Punkten besteht:

  1. Identifiziere, was dir am allerwichtigsten ist.
  2. Eliminiere alles andere.

Das ist nun wirklich kurz, und daher vielleicht doch nicht allzu hilfreich, wenn jemand nicht so recht weiß, wie er das auf die vielen Aspekte des eigenen Lebens anwenden kann. Daher folgt demnächst die ausführlichere Form.

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