Jeder gebe, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat: nicht mit Verdruß oder aus Zwang, denn einen fröhlichen Geber liebt Gott. (2. Korinther 9, 7)Das eignet sich wunderbar zur Motivation der im Gottesdienst versammelten Gemeinde, die Brieftasche bei der »Opfer«sammlung noch ein wenig weiter zu öffnen, dazu noch kann man unterschwellig mitklingen lassen, dass ja doch wohl jeder von Gott geliebt werden möchte. Daher wäre es keine gute Idee, nichts zu geben. Oder gar mit saurer Mine.
Aber Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth überhaupt nicht darüber, wie man sich angesichts des Klingelbeutels oder Eimers oder was auch immer durch die Reihen gereicht wird, verhalten sollte. Es geht ihm vielmehr darum, dass notleidende Menschen etwas zu Essen auf den Teller und ein paar Klamotten an den Leib bekommen.
Aus dem gleichen Kapitel des Briefes an die Korinther wird auch ein zweiter Satz ganz gerne zitiert, wenn das Geld der Gläubigen eingesammelt wird:
Gott aber vermag euch jede Gnade überreichlich zu geben, damit ihr in allem allezeit alle Genüge habt und überreich seid zu jedem guten Werk; (Vers 8)Oft wird das dann mit blumigen oder salbungsvollen Worten noch erläutert: »Wer jetzt großzügig in die Tasche greift, dem blüht in Bälde materieller Überfluss aus himmlischer Quelle. Also lasst die Münzen stecken, die Scheine garantieren viel größere Belohnung.«
Das hatte Paulus gar nicht im Sinn. Er fährt nämlich fort, indem er denjenigen beschreibt, der da »alle Genüge« haben wird:
...wie geschrieben steht: Er hat ausgestreut, er hat den Armen gegeben; seine Gerechtigkeit bleibt in Ewigkeit. (Vers 9)Geschrieben steht das wiederum in Psalm 112. In dem Psalm geht es um einen wohlhabenden Menschen, der gerne und reichlich gibt. Den Menschen nämlich, denen es nicht so gut geht wie ihm.
Neulich erzählte mir jemand aus unserem Hausbibelkreis, dass er seinen »Zehnten«
nicht in die Gemeinde, sondern dorthin geben würde, wo das Geld seinem Emfinden nach dringender gebraucht würde - weil echte Not zu lindern sei. Dadurch ist er, eigenem Empfinden gemäß, ein echter »fröhlicher Geber«.
Wir haben uns vorgestern spontan entschieden, unseren »Zehnten« einer Frau in großer finanzieller Bedrängnis zu geben. Das hat uns (nicht zum ersten Mal) zu »fröhlichen Gebern« gemacht.
Es ist eine gern verschwiegene Wahrheit, dass es abgesehen von Steuern wie dem »Tempelgroschen« und den alttestamentlichen Abgaben für die (an Grund und Boden besitzlosen) Leviten in der Regel darum geht, Armut zu lindern, notleidenden Menschen beizustehen, wenn in der Bibel vom Geben die Rede ist. Das gilt auch und vor allem für Paulus, der sich nicht zu schade war, mit seiner Hände Arbeit einen »weltlichen« Beruf auszuüben, damit er niemandem auf der Tasche liegen muss. Statt Häuschen am Stadtrand und Mittelklassewagen galt für den großen Apostel:
Bis auf diese Stunde leiden wir Hunger, Durst und Blöße, werden geschlagen und haben keine Bleibe und arbeiten mühsam mit unsern eigenen Händen. (1. Korinther 4, 11-12)Es ist nichts verkehrt daran, reich zu sein. Die Bibel portraitiert eine ganze Menge wohlhabender Menschen unter den Gläubigen. Es ist auch nichts verkehrt daran, die Gemeinde um finanzielle Unterstützung für all die notwendigen Ausgaben zu bitten. Aber es ist verkehrt, den Christen mit verfälschten Zitaten und zusammenhanglosen Schlussfolgerungen, womöglich gar noch Wohlstandsverheißungen und Heilsversprechungen, das Geld aus der Tasche zu locken.
Das hat allerdings Tradition:
Sobald der Gülden im Becken klingt / im huy die Seel im Himmel springt.P.S.: Das Portrait zeigt den Urheber des letzten Zitates, einen Dominikanermönch.