Ich sprach vor kurzem im Rahmen meiner Berufstätigkeit mit einem jungen Menschen, der mit seiner Motivation zu kämpfen hatte. Er begeistert sich für ein Projekt oder einen Plan und ist anfangs sehr motiviert. Aber nach ein paar Tagen oder spätestens Wochen vertrocknet die Euphorie. Verschlepperei und Aufschieberitis (von manchen Zeitgenossen gerne als Prokrastination bezeichnet) beginnen, bis dann das Projekt irgendwann ganz abgeschrieben wird, der Plan gescheitert ist. Im Grunde will er ernsthaft das Projekt fertigstellen, den Plan ausführen, doch die Motivation schwindet zusehends. Immer wieder.
Ich erklärte dem jungen Mann, dass es sich lohnt, in die Abhilfe Zeit zu investieren, denn nur wenige Probleme können so negative Auswirkungen haben wie dieses, sowohl im beruflichen als auch im privaten Lebensbereich. Ich schlug ihm ein mehrwöchiges Experiment zur Motivation vor. Jeder Mensch wird anders motiviert (und im Lauf des Lebens kann sich das auch ändern), so dass man bei solchen Schwierigkeiten erst einmal herausfinden sollte, was persönlich wirklich motivierend wirkt. Übrigens ist das auch für mich selbst ab und zu ratsam – und vielleicht für den einen oder anderen Blogbesucher?
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Gegen Müßiggang habe ich gar nichts einzuwenden. Ausspannen, Faulenzen … wichtig und richtig. Nur wenn wir im Leben und Alltag gar nichts mehr »gebacken kriegen«, dann sollten wir über Abhilfe nachdenken. Denn der Fliesenboden muss nun mal gereinigt werden, sonst sieht er bald aus wie bei Hempels unter dem Sofa. Garantiert. Einverstanden?
Und wie funktioniert das Experiment? Sie probieren jede Methode eine Woche lang aus und notieren die Ergebnisse. Nach ein paar Wochen wissen Sie mehr über Ihren persönlichen Motivationsstil als je zuvor. Hier sind acht Vorschläge zum Ausprobieren:
1. Unvermeidliche Folgen
Setzen Sie einen Termin fest, an dem die Aufgabe abgeschlossen werden soll und legen Sie eine unvermeidliche Folge fest, falls Sie den Termin nicht einhalten. Am besten ist es, diese Frist und die Folge einem zuverlässigen Partner mitzuteilen oder öffentlich zu machen. Und natürlich müssen Sie dann auch ehrlich sein.
Ein Beispiel: Ich könnte auf Facebook erklären, dass ich in der kommenden Woche 1000 Worte pro Tag an meinem Buch schreiben werde. Falls ich es nicht tue, kann am Sonntag nicht den Tatort sehen. Das Modell funktioniert natürlich nur, wenn die Konsequenzen wirklich wehtun. Wenn ich als unvermeidliche Folge festlege, dass ich nicht in die Diskothek darf, dann werde ich frohen Gemüts keine 1000 Worte pro Tag schreiben.
2. Abschlusszwang bei Listen
Viele Menschen, mich eingeschlossen, empfingen den starken Drang, eine angefangene Liste auch zu vervollständigen. Wenn Sie beispielsweise 15 von 20 Episoden einer Serie gesehen haben, möchten Sie wahrscheinlich auch den Rest nicht verpassen. Das ist der »Abschlusszwang«. Ich denke, jeder erlebt ihn irgendwann – vor allem, wenn es realistisch ist, die Liste zu vervollständigen. In unserem Sportstudio bei der Einführung gab mir der Trainer damals Listen: Drei mal zehn Übungen an Gerät Nummer 22. Und natürlich zählte ich dann mit und absolvierte die Liste. Zehnerliste für Zehnerliste. Hätte er gesagt, ich solle ungefähr dreißig Übungen machen … wer weiß.
Die Methode: Unterteilen Sie ein großes Projekt oder eine langwierige Aufgabe in zehn kleine Aktionen, die Sie in dieser Woche schaffen möchten, oder fünf kleine Aktionen, die Sie pro Tag beenden wollen. Ihr tägliches beziehungsweise wöchentliches Ziel ist es, die überschaubare Liste komplett abzuhaken. Man kann dies mit der ersten Methode kombinieren: wenn ich meine tägliche Liste nicht beende, darf ich nachher den Roman nicht weiter lesen.
3. Eine starkes Warum
Machen Sie sich die tieferen Gründe bewusst, weshalb Sie ein Ziel erreichen oder eine Aufgabe erfüllen wollen. Es sollte ein Grund sein, der Ihnen wirklich etwas bedeutet, von dem Sie zutiefst überzeugt sind.
In meinem Fall ist da zum Beispiel die sportliche Betätigung: Ich weiß, dass ich meine Überlebenschance um bis zu 67 Prozent verbessern kann, wenn ich mindestens drei Mal pro Woche mindestens 45 Minuten Ausdauersport treibe. Das haben langjährige Studien mit tausenden Krebspatienten belegt. Glauben Sie mir, liebe Blogbesucher, das ist ein sehr motivierender Grund. Sie können sich aber auch einfach beispielsweise im Berufsleben ins Gedächtnis rufen, dass Sie diese oder jene Arbeit erledigen, weil Sie nicht zu den Pfandflaschensammlern gehören möchten.
4. Aufgaben spannender und erfreulicher machen
Es ist einfach, sich am Anfang für ein Projekt oder Ziel zu begeistern, aber das lässt nach, wenn etwas alltäglich und normal wird. Also erneuern Sie die Begeisterung!
Jeder Tag beginnt mit einem Ziel, das Sie erreichen können und das Ihnen wichtig ist. Machen Sie die Erreichung des Ziels (oder auch den Weg dahin) interessant: Lassen Sie sich inspirieren, visualisieren Sie Ihre Leistung, finden Sie Musik, die Sie motiviert, suchen Sie ein inspirierendes Zitat ... irgend etwas, was Sie begeistert, damit Sie Ihr Ziel für den Tag erreichen!
Bei mir funktioniert Musik in vielen Bereichen. Ich kann zum Beispiel zu klassischer Musik mit wesentlich besserer Motivation an Übersetzungen arbeiten. Wenn es um das Aufraffen zu einer mühsamen oder inhaltlich langweiligen Übersetzung geht, kann mir die Vorfreude auf den Kunstgenuss das Loslegen deutlich erleichtern, denn ich darf ja dabei Mozarts Harfenkonzert hören. Oder Cellokonzerte von Haydn. Beim Training auf dem Laufband dagegen wähle ich Rock, Blues, Country … von Nirvana bis Kris Kristofferson ist alles dabei. Und beim Saubermachen, da singe ich gerne.
5. Zuverlässigkeit einüben
Einer der wichtigsten Pluspunkte im Leben liegt darin, Vertrauen zu genießen. Wenn es Menschen gibt, die glauben, dass Sie auch tun werden, was Sie versprechen, dann führen Sie ein ganz anderes Leben als im gegenteiligen Fall. Wenn die Menschen Ihnen nicht vertrauen, werden Sie keine guten Beziehungen haben, weder im Liebesleben, noch mit Freunden, noch bei der Arbeit. Oder würden Sie jemanden einstellen, von dem Sie nicht wissen, ob er morgen zur Arbeit erscheint und seine Aufgabe erledigt? Vielleicht ja, aber nach einer Woche würden Sie ihn kündigen.
Das Motto »Halte dein Wort« sollte eine Ihrer Prioritäten im Leben sein oder werden. Das beginnt mit kleinen Dingen und es hilft auch bei dem Thema, um das es hier geht. Versprechen Sie jemandem, dass Sie eine kleine Aufgabe erledigen, die 10 bis 30 Minuten in Anspruch nimmt. Dann tun Sie es. Wiederholen Sie diesen Vorgang mehrmals am Tag. So werden andere Ihnen zunehmend vertrauen und gleichzeitig wächst Ihr Selbstvertrauen. Schreiben Sie das Motto irgendwo auf, wo Sie es häufig sehen, damit Sie es nicht vergessen.
6. Finden Sie eine Gruppe
Menschen sind soziale Lebewesen, und Sie können das zu Ihrem Vorteil nutzen. Gründen oder finden Sie eine Gruppe von Freunden oder Kollegen, die Ziele erreichen oder Projekte beenden wollen. Setzen Sie sich gemeinsam tägliche oder wöchentliche Ziele und besprechen Sie miteinander regelmäßig die Ergebnisse. (Das kann eine Facebook-Gruppe oder eine Gruppe sein, die sich in Ihrer Nachbarschaft trifft).
Setzen Sie in der Gruppe Belohnungen und/oder peinliche Konsequenzen (siehe oben) fest. Man kann wöchentliche Belohnungen für diejenigen einführen, die am besten ihre Ziele erreicht haben. Ermutigen und helfen Sie einander, wenn jemand ins Stocken geraten sollte. Es geht aber auch ohne solche Anreize - oft reicht es, dass man einander Rechenschaft ablegt.
7. Genießen Sie Erfolge
Nach jeder Aufgabe, die Sie abgeschlossen haben, machen Sie eine Pause, in der Sie ganz bewusst und völlig eigennützig Ihr Gefühl genießen, etwas geschafft zu haben. Das ist ein tolles Gefühl! Teilen Sie Ihren Sieg mit anderen. Genießen Sie es, das Vertrauen in sich selbst zu stärken. Stürzen Sie sich nicht sofort in die nächste Aktivität – feiern Sie Ihren Erfolg.
Wenn Sie dann eine neue Aufgabe beginnen, wissen Sie schon vorher, wie gut Sie sich fühlen werden, wenn Sie auch das nächste Ziel erreichen.
8. Schnelle Belohnungen
Im Grunde ist das die Umkehrung der ersten Methode. Erstellen Sie ein System, in dem Sie kurze Aufgaben (nur zehn bis zwanzig Minuten) erledigen und gleich anschließend eine kleine Belohnung erhalten, weil Sie es geschafft haben. Zum Beispiel: ich brauche nur zehn Minuten zu schreiben, dann bekomme ich einen Latte macchiato. Oder ich arbeite meinen Email-Posteingang ab, dann kann ich mir eine Schallplatte aussuchen und auflegen. Oder ich belohne mich nach drei absolvierten Ausdauertrainings in der Woche mit einer Tüte Lakritze.
Wenn Sie die Aufgabe nicht erledigen, gibt es auch die Belohnung nicht! Je kleiner die Aufgabe, desto besser, denn dann legen Sie viel eher los.
Das sind acht Vorschläge, Sie können sich natürlich andere ausdenken oder finden, wie die Seinfeld-Methode oder die Pomodoro-Technik. Alles, was zählt, ist, dass Sie das Experiment durchführen und die Ergebnisse notieren. Am Ende eines jeden Wochenexperimentes schreiben Sie einen kurzen Überblick darüber, wie es gelaufen ist. Bewerten Sie Ihre Produktivität auf einer Skala von 10 Punkten. Dann versuchen Sie das nächste Modell.
Am Ende werden Sie ein paar tolle und ein paar für Sie unpassende Methoden ausprobiert haben und wissen, was Ihnen am meisten hilft. Sie könnten Methoden kombinieren oder verschiedene zu unterschiedlichen Zeiten nutzen. Und vielleicht werden Sie, nach all diesen Experimenten, so viel Selbstvertrauen in Ihr Durchhaltevermögen und damit so viel Motivation entwickelt haben, dass Sie gar keine Methoden mehr brauchen!
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Ehre, wem Ehre gebührt: Die Idee für die acht Ideen stammt von Leo Babauta. Das Bild ist mein eigenes Kunstwerk.
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P.S.: Hilfreiches für einen gelingenden Alltag steht auch in diesen beiden Büchern:
- Entschleunigung und Achtsamkeit (Günter J. Matthia)
- Das kleine Buch über die Zufriedenheit (Leo Babauta)
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