Wie versprochen: Heute wird diese kleine, zweifellos von Bob Dylan und seinem Brownsville Girl inspirierte Erzählung komplettiert:
Sie suchten nach jemandem mit einem Pompadour. Als ich die Straße überquerte, fielen Schüsse. Ich wusste nicht, ob ich mich hinwerfen oder wegrennen sollte, also rannte ich. Jemand rief: »Wir haben ihn auf dem Friedhof umzingelt.«
Melissa war unterwegs, als sie mich in eine Zelle sperrten. Am nächsten Morgen sah sie mein Bild auf der Titelseite, darunter stand: »Ein Mann ohne Alibi.«
Sie kam sofort, um zu bezeugen, dass ich den Tag mit ihr verbracht hatte. Der Untersuchungsrichter zweifelte. Melissa brach zusammen und weinte echte Tränen.
»Aber er sieht dem Gesuchten zumindest sehr ähnlich«, sagte ein Zeuge.
Der Richter fragte den Beamten, der mich verhaftet hatte: »Trug er einen Pompadour bei sich?«
»Nein. Er hatte nichts bei sich, hat auch nichts weggeworfen, solange wir ihn beobachtet haben.«
Ich dachte an Melissas kleine Beuteltasche, die sie im Kofferraum verstaut hatte, als wir in Paris ausstiegen. »Jean wird sie sich holen«, hatte sie erklärt. Es waren runde 2 Kilogramm darin verstaut.
»Ähnlich ist nicht gut genug.« Der Richter schloss die Akte. Ich durfte gehen. Melissa weinte immer noch. Oder erst jetzt.
Ich war immer jemand, der die Gesetze nicht gern übertritt, aber manchmal findet man sich plötzlich auf der anderen Seite der dünnen Linie wieder. Die Linie verändert auch ihren Verlauf, gelegentlich.
Wenn es eine originelle Idee gegeben hätte, wäre sie mir in jenem Moment recht gewesen. Aber schließlich reichten ihre Tränen und ihr offener Blick aus aufrichtigen Augen.
Wir warteten vor einem Kino auf den Einlass. »Billy Two Hats«, stand auf dem Poster. Ein Film mit Gregory Peck, aber nicht der, in dem ich mich befunden hatte, als wir in Longostagno auf Henry gewartet hatten. Das einzige, was sie mit Sicherheit über Henry wusste, war, dass er nicht Henry hieß. Aber Henry hatte uns den Wagen vollgetankt und auf dem Sitz lag ein Umschlag mit vielen gebrauchten Banknoten, italienischen, französischen und deutschen.
Es nieselte, während wir vor der Kinotüre standen. Melissa hielt ihren Pompadour in der linken Hand und sah mich mit ihren braunen Augen prüfend an.
»Wie geht es dir?«
»Ziemlich gut«, antwortete ich, »aber es könnte mir noch viel besser gehen, wenn du mich lehren würdest, wie.«
»Worum geht es eigentlich in dem Film?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich sehe jeden Film mit Gregory Peck.«
Sie hatte Zähne wie Perlen. Weiche Locken, braune Augen. Dunkler Honig. Liebe.
Ein Schatten fiel von hinten auf uns. Vier Männer hatten uns umringt.
Normalerweise läuft kaum etwas im Leben so, wie man es plant. Sie hatte etwas an sich gehabt, was ich mochte, etwas, das immer zu gut für diese Welt gewesen war.
»Du hast etwas in Frankreich verloren«, sagte sie zwischen zwei Liedern im Auto, »was ich an dir gemocht habe.«
Menschen, die gemeinsam etwas durchleiden, sind einander enger verbunden als die, denen es recht gut geht. Wir hatten Schaden genommen in Frankreich, um ein Haar nur waren wir entronnen.
Aretha Franklin sang jetzt über den »Son of a Preacherman«. Melissa stimmte ein. Dann sagte sie: »Die Menschen tun nicht das, woran sie glauben. Sie gehen den bequemsten Weg und dann tun sie Buße.«
»Bleib bei mir«, sagte ich, »wir lassen uns nieder und hoffen gemeinsam, dass der Sturm uns nicht das Dach vom Haus weht.«
Wir parkten hinter meinem Volkswagen. Der Mais war längst geerntet. Graue Wolken türmten sich über den Hügeln. Der Käfer war von Staub bedeckt.
Sie stieg aus, mit ihren unmöglichen Schuhen, die sie auf meine Höhe brachten. Aus dem Kofferraum ihres Capri nahm sie den Kanister und füllte die zwanzig Liter Benzin in den Tank meines Autos.
Vor langer Zeit. Ihre Haut war zart und weich. Mondperlen. Honigaugen. Braunlocken.
Ich weiß nicht mehr, wer ich war oder wohin unterwegs. Ich weiß nur noch, dass Gregory Peck einen Revolver trug und von hinten erschossen wurde.
Es scheint lange her zu sein. Damals, bevor die Sterne vom Himmel gewischt wurden.