Einige Leitgedanken nach Eddie Gibbs und Ryan Bolger, was eigentlich emergentes Christsein beinhaltet, habe ich beim TransForum im Februar (unter anderem) kennen gelernt.
- Keine Trennung mehr zwischen profan-weltlich und sakral-heilig (Transforming Secular Space)
- Identifikation mit Jesus (Identifying with Jesus)
- Leben und unterwegs sein als Gemeinschaft (Living as Community)
- Gastfreundschaft im umfassenden Sinne (Welcoming the Stranger)
- Grosszügigkeit wird ohne Strategie, Ziel, Programm sondern als Lebensstil praktiziert (Serving with Generosity)
- Alle Beteiligten gestalten das Gemeindeleben / den Gottesdienst (Participating as Producers)
- Alle Begabungen, die Gott und gegeben hat, sollen eingebracht werden können (Creating as Created Beeings)
- Leitung in flacher Hierarchie (Leading as a Body)
- Neue Spiritualität (Merging Ancient and Contemporary Spiritualities)
1. Keine Trennung mehr zwischen profan-weltlich und sakral-heilig (Transforming Secular Space)100% - wie man aus meinem schriftstellerischen Schaffen ohne weitere Mühe ablesen kann. Ich schreibe Artikel zum Glauben mit der gleichen Freude am Entstehungsprozess wie Krimis oder sonstige »weltliche« Texte. Ich genieße »christliche« Musik genauso gerne wie »säkulare«. Ich lese »fromme« Bücher mit der gleichen Begeisterung (falls sie gut sind) wie Werke von Menschen, denen der Glaube fremd ist oder war. Und ich entschuldige schlechte Bücher oder Musik nicht damit, dass sie ja einem christlichen Zweck dienen würden.
2. Identifikation mit Jesus (Identifying with Jesus)Das ist schwer zu messen. Mein Wunsch und Ziel ist die uneingeschränkte Identifikation, aber ob ich die je erreichen werde, vermag ich nicht zu sagen. Zur Zeit jedenfalls nicht immer. Tröstlich ist mir da Paulus, der ja anmerkte, dass er gelegentlich das Gute, was er will, (noch) nicht vollbringt, dem Ziel aber unverdrossen nachjagt. So geht es mir auch.
3. Leben und unterwegs sein als Gemeinschaft (Living as Community)Als Individuum kann ich diese Maxime natürlich nur begrenzt anwenden, aber jedenfalls bejahe ich das Ziel zu 100 %. Ich würde mir sehr wünschen, dass ich zusammen mit anderen Christen nicht in einer Parallelgemeinschaft lebe, sondern in meiner gesellschaftlichen Situation überall Jesus mitbringe, ob nun Freizeitgestaltung, Arbeit oder sonst etwas dran ist. Ganz natürlich, nicht als Predigt. Sondern durch mein Leben, mein Teil der Gemeinschaft sein. Ich will mich nicht einer vom Rest der Welt isolierten frommen Nische aufhalten.
4. Gastfreundschaft im umfassenden Sinne (Welcoming the Stranger)Soweit es mir möglich ist: Ja. Ob nun der türkischen Nachbarin geholfen werden kann oder dem Mitglied der Gemeinde, ist mir wurscht. Wenn ich kann, helfe ich. Wer Zuflucht sucht, soll sie finden. Wer zu Gast ist, soll sich angenommen, willkommen fühlen. Bei mir zu Hause und in meinem Land.
5. Grosszügigkeit wird ohne Strategie, Ziel, Programm sondern als Lebensstil praktiziert (Serving with Generosity)Wiederum 100 % Zustimmung. Großzügigkeit mit dem Hintergedanken, etwas zurück zu bekommen, fand ich eigentlich schon immer widerlich. Und auch der Gedanke, den Menschen etwas anzubieten, damit sie in die Gemeinde kommen (und später zahlende Mitglieder werden), ist mir nicht geheuer. Als eine bekennende Atheisten aus dem Freundekreis in Geldnot geriet, haben wir ihr geholfen, ohne dass ich irgend ein Programm damit verfolgen würde. Als ein Hauskreismitglied Hilfe mit seinen Bewerbungsunterlagen brauchte, habe ich genauso geholfen.
6. Alle Beteiligten gestalten das Gemeindeleben / den Gottesdienst (Participating as Producers)Das, würde der Volksmund sagen, ist ein weites Feld. Ich bin ja nun kein Gemeinde- oder sonstiger Leiter, insofern habe ich keinen wesentlichen Einfluss auf die Gestaltung der Zusammenkünfte.
Die Gemeinde, in der ich zu Hause bin, bietet (im Gottesdienst) kaum Möglichkeiten dazu. Der Hauskreis, dem ich angehöre, dagegen durchaus. Dort darf jeder beitragen, was er möchte, ob es nun ein Lied zur Gitarre ist, der Bericht von kürzlich Erlebtem, Gesprächsbeiträge zum Thema des Abends... - in unserem Fall kein Problem.
Nicht immer habe ich etwas beizutragen. Manches Mal verlässt kein Wort meine Lippen, abgesehen von der Begrüßung am Anfang und der Verabschiedung am Schluss. Damit bin ich dann rundum zufrieden, weil ich eben für den Abend nichts mitgebracht habe. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich innerlich andere kritisieren, die dauernd etwas zu plappern haben. Wenn ich mich dabei ertappe, erteile ich mir flugs eine Rüge: Wenn es der betreffenden Person gut tut, warum eigentlich nicht? Es richtet ja keinen Schaden an.
7. Alle Begabungen, die Gott und gegeben hat, sollen eingebracht werden können (Creating as Created Beeings)Das ist so eine Sache, wie beim vorigen Punkt. Zumindest, soweit es das Gemeindeleben betrifft. Meine Begabung liegt ja nun hauptsächlich im Niedergeschriebenen, und das kann man gegebenenfalls vorlesen. Andere Begabungen teile ich je nachdem, ob es passt, mit den anderen. Aber es heißt ja, sollen eingebracht werden können - und das ist der Fall.
Als Rezipient freue ich mich über eine Vielfalt von Gaben und kreativen Beiträgen anderer Menschen, je vielfältiger, desto besser.
8. Leitung in flacher Hierarchie (Leading as a Body)Ich leite zur Zeit nichts - das ist auch gut so. Wenn ich Leiter von irgend etwas wäre, würde ich eher zum Teamgeist tendieren, jedenfalls war das in der Vergangenheit so, als Bandleader oder Lobpreisleiter genauso wie im beruflichen Umfeld als Gruppenleiter.
9. Neue Spiritualität (Merging Ancient and Contemporary Spiritualities)Das ist mir, soweit ich es beurteilen kann, zueigen. Eigentlich schon seit der Jugendzeit, da waren wir als Jesus-People eigentlich ganz patente Vorreiter. Gerne habe ich an katholischen (ancient) Messen mit ihren Ritualen teilgenommen, genauso gerne an unseren eher wilden (contemporary) Frömmigkeitsausbrüchen. Ich war immer (und bin noch heute) ein Feind der Feindbilder. Ich liebe es, von »Glaubenshelden« etwas zu lernen, genauso aber lerne ich gerne von »Lieschen Müller«, wenn Lieschen etwas weiß oder kann oder erlebt hat, was mir fehlt. Das kontemplative Gebet ist mir nicht weniger fremd als der sogenannte Gebetskampf. Ich sehe in zahlreichen Kirchen und Gemeinden sehr wertvolle Eigenarten, Traditionen und Glaubensausprägungen.
Bin ich also ein emergentes Individuum? Irgendwie schon. Vor allem, weil emergent immer einschließt, dass etwas in Bewegung ist, lebendig, veränderbar. Und festgefahren, verknöchert möchte ich keinesfalls sein. Um noch einmal mit Paulus zu sprechen: Das sei ferne!
Nun ist, falls er bis hierher gelesen hat, der geneigte Leser an der Reihe, in einer ruhigen Stunde darüber nachzudenken.