Sonntag, 30. September 2007

Lesen statt Schreiben

Ich lese gerade zwei Bücher. Im einen steht zum Beispiel:

I clicked on the radio. Johnny Cash was singing "Boy Named Sue." Once upon a time Johnny had shot a man in Reno just to watch him die. Now he was saying that he was stuck with a girl's name that his father had given him. Johnny was trying to change his image, too.

Im anderen lese ich unter anderem:

The next time Derek preached in Hyde Park, he stressed his usual themes: the need for salvation, the value of the baptism of the Holy Spirit, and the power of God to heal. This time, though, he also talked about the need for believers to join with those of like faith.

Und dann, wenn diese beiden ausgelesen sind, warten zwei weitere Bücher, die den Weg zu mir anlässlich des Herbstanfanges gefunden haben, darauf, gelesen zu werden. Selbstverständlich habe ich schon geblättert, was mich erwartet. Im einen solche Sätze:

Vom Gegenteil einer Sache zu sprechen ist auch eine Art, von der Sache selbst zu sprechen, - sogar eine Art, mit welcher der sachlichen Verständigung vortrefflich gedient ist.

Im anderen werde ich - endlich - das Buch hatte ich mir schon letztes Jahr gewünscht und habe es erst jetzt bekommen - solchen Überlegungen begegnen:

Aber nun steht die Grundfrage auf: Stimmt denn die Richtung, die der Herr uns in den Seligpreisungen und in den entgegengesetzten Warnungen zeigt? Ist es denn wirklich schlimm, reich zu sein - satt zu sein - zu lachen - gelobt zu werden? Friedrich Nietzsche hat seine zornige Kritik des Christentums gerade an diesem Punkt angesetzt.

Der geneigte Leser wird verstehen, dass ich bei so viel ganz hervorragender Lektüre in den nächsten Tagen das Schreiben ein wenig vernachlässigen werde.
Immerhin: Morgen gibt es voraussichtlich etwas über Lauras Achselhaare, das ist schon seit ein paar Tagen fertig. Und dann ist da noch der Artikel über Masturbation, und der Psalm 40 hat ja mehr als 4 Verse, und es gibt eine kleine grausige Erzählung, die es nicht in das letzte Buch geschafft hat, und ...

Samstag, 29. September 2007

40

Beharrlichkeit ist vielen Menschen fremd geworden. Ausdauer, Ausharren, Geduld; es gibt allerlei Begriffe für den selten gewordenen Umstand, dass jemand nicht nach ein paar Versuchen oder Minuten aufgibt.
Heute will man gerne alles ohne Zeitverlust, und möglichst mühelos. Informationen sind per Internet sofort verfügbar, Schnellrestaurants und Imbissbuden bieten an jeder Ecke schnelle Hilfe gegen den Hunger. Es gibt Blitzkurse für das Kochen, für die Anwendung von Software, das Flirten, und natürlich sind die Christen auch mit dabei, wenn es um Eile geht, man findet allerlei Angebote von Kurzbibelschulen, für Instant-Jüngerschaft und, weil das Original ja viel zu dick ist, eine Kurzbibel.

David, ein König und Poet, kannte noch die Ausdauer:

Beharrlich habe ich auf den HERRN geharrt, und er hat sich zu mir geneigt und mein Schreien gehört. Er hat mich heraufgeholt aus der Grube des Verderbens, aus Schlick und Schlamm; und er hat meine Füße auf Felsen gestellt, meine Schritte fest gemacht.
Und in meinen Mund hat er ein neues Lied gelegt, einen Lobgesang auf unseren Gott. Viele werden es sehen und sich fürchten und auf den HERRN vertrauen.
(David: 40)

In der Version von U2 wurde schon ein wenig Ungeduld spürbar, die Frage, wann es denn nun endlich so weit sein würde, tauchte auf:

I waited patiently for the Lord, he inclined and heard my cry
He brought me up out of the pit, out of the miry clay
I will sing, sing a new song, I will sing, sing a new song
How long to sing this song? How long to sing this song?
How long, how long? How long, how long to sing this song?

He set my feet upon a rock and made my footsteps firm
Many will see, many will see and fear
I will sing, sing a new song, I will sing, sing a new song
How long to sing this song? How long to sing this song?
How long, how long? How long, how long to sing this song?
(U2: 40)

Vielleicht wäre manche Enttäuschung und manche Frustration vermeidbar, wenn wir die Kraft zur Langsamkeit wiederentdecken würden? Vielleicht würde mehr Harren zu mehr Siegen führen?

Weil du das Wort vom Harren auf mich bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird.
(Offenbarung 3, 10)

Man kann nicht fünf Minuten ausharren, sich auch nicht in 5 Stunden bewähren. Da sind schon längere Zeiträume gemeint.

Wir rühmen uns auch in den Bedrängnissen, da wir wissen, dass die Bedrängnis Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Hoffnung; die Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben worden ist.
(Römer 5, 3-5)

Freitag, 28. September 2007

Jung und Alt

A man bangs the 8-ball into a corner pocket
Neon sputters and goes out

His Bobness hat getreu seinem Motto Dreams, Themes and Schemes auch bei der zweiten Sendung der neuen Theme Time Radio Hour viel Vergnügliches ausgeplaudert, Lieder gefunden, die samt und sonders hörenswert sind:

  • Young Man's Blues - Mose Allison
  • Small Fry - Hot Lips Page
  • Like Young - Linda Lawson
  • I Don't Wanna Grow Up - The Ramones
  • Enjoy Yourself - Guy Lombardo
  • Enjoy Yourself - Prince Buster
  • Separation Line - Laura Lee
  • Older Guys - Flying Burrito Brothers
  • Young Fashioned Ways - Muddy Waters
  • We Live A Long Time To Get Old - Jimmy Murphy
  • Old And Only In The Way - Charlie Poole - (1928)
  • Aged And Mellow - Esther Phillips
  • Old Man - Neil Young
  • Happy Birthday Everybody - Ray Barretto

Willy the Shake - ich musste (bei 80 km/h auf der Autobahn) so lachen, diesen Namen für William Shakespeare hatte ich noch nie gehört. Laura Lee war mir bis gestern unbekannt - eine ganz hervorragende Stimme, eigentlich gefällt sie mir besser als die ihrer Freundin Aretha... Wie immer hat Bob Dylan eine ganz faszinierende Mischung in der Sendung gehabt. Und Berlin wird auch erwähnt. Klasse. Weiter so bei den nächsten (hoffentlich) 48 Folgen...

Jung und Alt hatten übrigens auch viel Freude an dem Konzert mit Sleepy Ray, auf das ich letzte Woche hingewiesen hatte. Der Mann ist vierfacher Großvater und spielt Gitarre, als hätten Jimi Hendrix, Mark Knopfler und Eric Clapton sich zu einer Person vereinigt. Ich habe die knapp zwei Stunden genossen, in der ersten Reihe, es war angehm laut und die Musik genau mein Geschmach, Blues-Rock und Rock-Blues mit gelegentlichen Jazz-Splittern. Sleepy Ray meinte am Anfang:

It can get pretty loud in here. If so, please let us know. It won't change anything. It's like your pastor looking at his watch while preaching.


Er erzählte kleine Anekdoten zu seinen Liedern und wunderte sich über die nach dreißig Minuten leicht verstimmte Gitarre:

I have no idea why it is again out of tune. Someone must be banging on this guitar all the time...


Er kann seine Gitarre streicheln und verhauen, bringt sie zum Weinen und zum Lachen, entlockt ihr eine enorme Bandbreite von musikalischen Emotionen. Der Bassist war der Prototyp des Bassisten (cool, relaxed, what's up, man?) und der Schlagzeuger der Prototyp des Bluesdrummers (dick, gemütlich, es sieht aus als sei er nicht ganz da, doch der Schein trügt. Mit präzisem Rhythmus sowie genau den richtigen Akzenten in den Hand- und Fußgelenken macht er die Musik einzigartig).
Die drei Bluesmusiker aus Texas bereiteten einen Hochgenuss für uns Berliner zu, so etwas sollte es eigentlich öfter geben.

Donnerstag, 27. September 2007

Aktives Ehrenamt

„Freiwillige vor!“ - so lautet das Motto der Christlichen Freiwilligenagentur von Gemeinsam für Berlin. Die Arbeit besteht nun seit zwei Jahren und wächst dynamisch. Sie war die erste ihrer Art und findet in der Fachwelt viel Beachtung. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse ist Schirmherr.

Es werden Freiwillige in soziale Einrichtungen vermittelt, um christliche Nächstenliebe praktisch zu denen zu bringen, die sie besonders brauchen. Es besteht bei vielen Organisationen großer Bedarf an dieser Vermittlung. Daneben berät und begleitet die Agentur Gemeinden und Hauskreise bei Planung und Durchführung eigener Projekte. Der Bedarf ist so groß, dass die Mitarbeiterinnen und die Finanzierung kaum Schritt halten können. Inzwischen hat auch das regionale Diakonische Werk eine eigene Freiwilligenvermittlung. Die beiden Arbeiten ergänzen einander gut.

Monika Helbig, Staatssekretärin und Beauftragte des Senats für bürgerschaftliches Engagement, sagte: „Ich möchte, dass Berlin die Hauptstadt des ehrenamtlichen Engagements wird.“ Berlin ist auf einem guten Weg dahin: Bereits jeder dritte Arbeitnehmer engagiert sich ehrenamtlich. Während in anderen Städten die Zahlen sanken, stieg in Berlin die Bereitschaft zum Ehrenamt in den letzten Jahren um 5 % an. Unternehmen sollen weiter motiviert werden, das freiwillige Engagement ihrer Mitarbeiter zu fördern. Darüber hinaus soll das Potential von Menschen, die nicht (mehr) im aktiven Berufsleben stehen, stärker genutzt werden.


Das ist ein Text aus der nächsten Ausgabe von Gebet für Berlin. Zur Zeit steht Redaktionsarbeit vor Blogarbeit auf der Freizeit-Ehrenamt-Prioritätenliste, denn auch die nächste Ausgabe von Männer auf dem Weg will fertig werden, bevor der September vorüber ist.

Mittwoch, 26. September 2007

Über das Schreiben 3

Gut finde ich diesen Text:

Ich weiche einer Gruppe jugendlicher Fahrradfahrer aus, die waghalsig ihren Slalom um die Passanten veranstalten, verfolgt von zwei Hirtenhunden, die fröhlich kläffen. Ich bin fast an der zweigeteilten Brücke, auf der Zoobesucher und Tiergartenspaziergänger getrennt das Wasser überqueren können.


Das hier aber habe ich veröffentlicht:

Harald weicht einer Gruppe jugendlicher Fahrradfahrer aus, die waghalsig ihren Slalom um die Passanten veranstalten, verfolgt von zwei Hirtenhunden, die fröhlich kläffen. Er ist fast an der zweigeteilten Brücke, auf der Zoobesucher und Tiergartenspaziergänger getrennt das Wasser überqueren können.


Die endgültige Version meiner Kurzgeschichte Ein ganz normaler Tag blieb nicht in der Ich-Perspektive, die sie in einem Zwischenstadium gehabt hatte. Nach einigen Experimenten habe ich mich für einen Harald entschieden, anstatt mir selbst in die Hosen zu machen.

Kluge Leser haben es bereits bemerkt: In der kleinen Reihe über das Schreiben geht es heute um die Ich-Erzählung. Diese hat Vor- und Nachteile.

Wer in der ersten Person Singular erzählt, beschränkt sich auf eine einzige Perspektive, es sei denn, er geht das Wagnis ein, von Kapitel zu Kapitel zu wechseln. Das ist ungeheuer schwierig, wenn das Ergebnis lesenswert sein soll; ich würde es mir nicht zutrauen.

Normalerweise wird man also, wenn man als Ich-Erzähler schreibt, Wahrnehmung und Wissen auf das beschränken müssen, was der Protagonist nach menschlichem Ermessen wahrnehmen und wissen kann. Er weiß eben nicht, was der Gesprächspartner für Gedanken hat, ob um die Ecke schon das Unheil lauert oder die große Liebe hereinbrechen wird, was 2 oder 200 Kilometer entfernt gerade vor sich geht. Man ist also, das ist der Nachteil, erheblich eingeschränkt.

Die Ich-Perspektive hat aber auch Vorteile. Die Erzählung wird für den Leser viel persönlicher, es fällt ihm leichter, sich mit den Protagonisten zu freuen, zu fürchten, zu feiern und zu leiden. Einblicke in Gefühlswelten wirken authentischer, subjektives Empfinden glaubhafter. Es entsteht Nähe, Vertrautheit, der Leser identifiziert sich eher mit einem Ich als mit einem Harald oder einer Sophia.

Ein Beispiel dazu, aus einem bisher unveröffentlichten Roman:

Diese Augen. Dieser Strudel des Lebens, der in ihnen wirbelte. Die unendliche Tiefe, in die ihr Blick mich hineinzog. „Fenster der Seele“ hatte mal ein kluger Mensch die Augen des Menschen genannt, aber Angelinas Augen waren mehr. Ich konnte in ihnen versinken. Ich wollte in ihnen versinken. Und wenn ich dort ertrank... konnte es ein angenehmeres Ende des irdischen Daseins geben?


In der dritten Person erzählt fände ich den Einstieg in den Roman weniger wirkungsvoll:

Diese Augen. Dieser Strudel des Lebens, der in ihnen wirbelte. Die unendliche Tiefe, in die ihr Blick ihn hineinzog. „Fenster der Seele“ hatte mal ein kluger Mensch die Augen des Menschen genannt, aber Angelinas Augen waren mehr. Gerhard konnte in ihnen versinken. Er wollte in ihnen versinken. Und wenn er dort ertrank... konnte es ein angenehmeres Ende des irdischen Daseins geben?


Im von mir in dieser Reihe über das Schreiben schon erwähnten Forum wurde letztes Jahr unter anderem die Erzählperspektive diskutiert. Da schrieb jemand:

Ich denke, es kommt darauf an, was ich mit meiner Geschichte ausdrücken will. Will ich den Leser ganz nah an den Protagonisten heranführen, ihn fühlen lassen, was er fühlt, ist zweifelsohne die Ich-Perspektive sehr klug.


Sehr richtig. In dem Roman, aus dem ich oben zitiert habe, will ich meinen zukünftigen Leser durch eine Bandbreite von Empfindungen führen, und zwar so, dass er (als Mann) Angelina genauso liebt wie Gerhard, beziehungsweise als Leserin sich einen Gerhard wünscht, der so empfindsam in die Seele einer Frau zu blicken vermag.

Es gibt jedoch eine Gefahr: Schlichte Gemüter unter den Lesern verwechseln den Protagonisten schnell mit dem Autor - eine für diesen nicht immer angenehme oder wünschenswerte Schlussfolgerung. Wenn jemand liest...

Mir fiel nur die blödeste Anmache ein, die es gibt. „Darf ich Sie zu einem Drink einladen?“, rief ich hinüber. Sie würdigte mich keines Blickes, ignorierte mein Angebot und meine Anwesenheit. Die Musik war nicht so laut, dass sie mich nicht gehört hatte. Es war offenbar viel interessanter, die Rücklichter des vor ihr schleichenden Opel zu betrachten.

„Bitte, oder haben Sie keine Zeit?“, versuchte ich es erneut.

„Komm, steig ein“, meinte sie mit einem kurzen Blick, der mich frösteln ließ. Lodernder Hass und Wut funkelten mir aus ihren großen Augen entgegen, aber ich folgte ihrer Aufforderung und stieg ein. Das war so einfach nicht, da sie die Fahrt kein bisschen für mich verlangsamte. Etwas unbeholfen plumpste ich auf den Sitz und zog die Tür wieder zu. „Danke“, sagte ich. Höflichkeit ist der wirkliche Adel eines Menschen, pflegte meine Mutter mir schon als Kind einzutrichtern.


...dann könnte eine kleine Zahl von Lesern mich für jemanden halten, der fremde Frauen anspricht, wenn sie Augen haben, in deren Strudel ich versinken möchte. Man könnte mir, denn in dem Roman wird auch allerlei Ungutes passieren, unterstellen, dass ich in ähnliche Begebenheiten verstrickt sei. Natürlich ist das Unfug. Und die meisten Leser wissen durchaus zu trennen zwischen einem Autor und seinen Figuren. Mit solchen Reaktion muss aber eher rechnen, wer in der ersten Person erzählt.

Ich empfehle Schreibwilligen, beides auszuprobieren, sich nicht auf eine Form zu beschränken. Wie gesagt, Ein ganz normaler Tag hat gegen Ende des Entstehens die Perspektive gewechselt. Es war mir als Ich-Erzähler unmöglich, das Ausmaß des Grauens zu schildern, das die Berliner Innenstadt heimsucht. Mit Angelina (Arbeitstitel) war es umgekehrt. Schon beim Schreiben der ersten Kapitel bemerkte ich, wie sehr diese Frau es verdient, dass der Erzähler seine Leser ganz persönlich miterleben lässt, in welche ungeahnten Welten sie zu führen vermag.

Der Tipp für heute: Die Perspektive wählen, mit der man sich beim Erzählen selbst am besten in die Situation hineinfindet. Dann wird es für den Leser am ehesten nachvollziehbar.

Dienstag, 25. September 2007

Beweisführungen

Ich habe letzte Woche (in meiner Eigenschaft als Mitarbeiter einer Redaktion) mehrere Artikel und Abhandlungen über ein in manchen Kreisen immer noch strittiges Thema gelesen: Masturbation. Für die Mehrzahl dieser Texte gilt das, was Storch in einem ganz anderen Zusammenhang, dem Dorn im Fleisch des Paulus, schreibt:


Die Stelle ist geradezu ein Paradebeispiel dafür wie Christen oft zu falschen Ansichten kommen. ... Interessanterweise muss der Stachel für einige absurde Theologien als „Beweisführung“ herhalten – wo die Bibel schweigt kann man offenbar hineininterpretieren, was man will.


Die Bibel schweigt, und es wird in dieses Schweigen hineininterpretiert, was die jeweilige durch Erziehung, kulturelles Umfeld oder sonstwie erworbene Meinung verlangt. Es wird munter nachgeplappert, was man hier oder dort gehört oder gelesen hat, ohne zu hinterfragen. Das gilt nicht nur für den Dorn im Fleisch.

Jeder darf, kann und soll seine persönliche Meinung zu verschiedenen Fragen haben, dagegen spricht ja nichts. Aber es spricht sehr viel dagegen, finde ich, diese Auffassung dann als "christlich" oder gar als "biblisch" zu verkünden. Was die Bibel nicht sagt, kann nicht biblisch werden, indem man die Lücken auf mehr oder weniger abenteuerliche Weise zu schließen versucht.

Ebenfalls als Redaktionsmitarbeiter habe ich mir ein Buch zugemutet, das vor drei Wochen erschienen ist. Aus einem "christlichen Verlag", von einem "christlichen Autor". Es ist (abgesehen von der hundsmiserablen handwerklichen Qualität) haarsträubend. Es ist grauenhaft Es ist voller Mutmaßungen, was Gott meinen und wollen könnte - und diese (oft genug lächerlichen) Spekulationen werden als "biblisch fundiert" verkauft. Es ist voller Behauptungen, die der mir vorliegenden Bibel, egal welche Übersetzung ich wähle, widersprechen. "Gott redet überwiegend durch Träume zu den Menschen", behauptet das Buch zum Beispiel. Der Autor verkündet, dass Gott fast ständig "geheime Botschaften" von sich gibt, die es zu entschlüsseln gilt. "Gott wird Namen, die sich reimen, Wortspiele, Rätsel, Sprüche, einfach alles, was vorstellbar ist ... gebrauchen."
Pardon, aber das ist nicht der Gott, der in meiner Bibel mit seinen Kindern kommuniziert.

Es gibt noch immer viel zu wenig Christen, die selbst die Bibel lesen. Der Pastor oder ein "christlicher Autor" verkündet etwas, und damit muss es ja schließlich stimmen. Das könnte auch tatsächlich gelten, wenn Pastoren oder andere geistliche Leiter Menschen wären, die gegen jeden Irrtum, jede Fehlinterpretation gefeit wären. Sind sie aber nicht, so weit meine Kenntnisse reichen.

Jeder kann selbstverständlich seine Meinung zu in der Bibel nicht behandelten Themen haben und sagen, dagegen spricht ja nichts. Es ist zulässig, für sich selbst Schlüsse zu ziehen, aus dem Alltag, aus Erlebnissen, aus Erfahrungen. Wenn Gott zu einer Person überwiegend durch Träume spricht, ist das völlig in Ordnung, solange daraus keine allgemein gültige Regel gebastelt wird. Wer meint, dass der Stachel im paulinischen Fleisch ein Augenleiden gewesen sei, sündigt nicht.

Beweisführungen, die Lücken füllen wollen, wo die Bibel nichts sagt, sind so wertvoll wie eine Mineralwasserflasche ohne Etikett im Rückgabeautomaten. Mein Tipp: In die Tonne damit.

Lieber selber forschen und für sich selbst Antworten finden.

Montag, 24. September 2007

Danke. Merci. Gracias. Thanks.

Allen, die den gestrigen 52. Herbstanfang, den ich auf diesem Planeten erlebe, mit lieben Grüßen und Beiträgen zu einem reichhaltigen Geschenkeberg bereichert haben, ganz herzlichen Dank!

Ich werde die zahlreichen persönlichen Zuschriften in den nächsten Tagen natürlich beantworten, bis dahin soll das Foto sagen: Ich habe mich gefreut!


Sonntag, 23. September 2007

Ruhetag


Something isn't quite right.
Nobody will answer the phone.

Der Blog hat Ruhetag. Langeweile? Dann empfehle ich eine Stunde Bob Dylan zuzuhören, wie er über Hello plaudert und wunderbare Musik spielt:

Hello – Sherman Williams Orchestra (194 ?)
Hello Mary Lou – Ricky Nelson (1961)
Hello It’s Me – The Nazz (1968)
Hello Darlin’ – Conway Twitty (1970)
Hello Josephine – Luke ‘Long Gone’ Miles (196 ?)
I Wanna Say Hello – Pee Wee King (195 ?)
Hello, Mello Baby – The Mardi Gras Loungers (195 ?)
Hello Trouble – Buck Owens (1964)
Hello, Aloha! How Are You ? – The Radiolites (1926)
Hello Walls – Willie Nelson (1962)
Hello Stranger – The Carter Family (1939)
Hello Stranger – Barbara Lewis (1963)
Hello In There – John Prine (1971)
Hello I Must be Going – Groucho Marx (1930)
Hello Goodbye – The Beatles (1967)

Siehste! Seit die Theme Time Radio Hour zurück ist, gilt die Ausrede "weißnichtwasichmachensoll" für Langeweile nicht mehr. Man kann ja schließlich auch die ersten 50 noch mal hören...

P.S.: Thanks, Patrick Crosley, for making it so easy to download the first and now the second season! Great work! God bless!

Freitag, 21. September 2007

Ein Narzisstenstrauß

Als ich diesen Blog startete, hatte die beste aller Ehefrauen gewisse Bedenken anzumelden. Ob das nicht ein wenig - oder gar mehr als ein wenig - narzisstisch sei, ein Blog an und für sich und die Tatsache, dass ich nun einen begönne, im Besonderen. Inzwischen habe ich recherchiert, gegrübelt, geforscht und bin zu zwiespältigen Ergebnissen gekommen.

Narzissmus ist eine Charaktereigenschaft, die sich durch ein geringes Selbstwertgefühl bei gleichzeitig übertriebener Einschätzung der eigenen Wichtigkeit und dem großen Wunsch nach Bewunderung auszeichnet.

So definiert Wikipedia den Begriff. Ist also die Gemeinschaft der Blogger ein Narzisstenstrauß und bin ich eine Blüte in selbigem? (Ich weiß übrigens, dass eine Narzisse mit dem Narzissten nichts gemein hat, aber das Wortspiel ist zu schön, um darauf zu verzichten.)

Schauen wir noch mal bei Wikipedia nach:

Manche Menschen haben in ihrer frühkindlichen Entwicklung weniger Liebe von Bezugspersonen als andere erhalten, sie leiden oft lebenslang darunter und geben ihre Reaktionen auf ihre Entbehrungen an andere weiter. Dies muss aber nicht zwangsläufig zu einer narzisstischen Erkrankung führen. Sie reagieren mit Verhaltensweisen, die von der Psychologie als narzisstische Charakterstörungen eingeordnet werden. Diese psychologische Deutung versteht den Narzissmus als ein Leiden, weil die Betroffenen Schwierigkeiten haben, Objektbeziehungen zu führen. Sie versuchen ihr Gegenüber zu kontrollieren und suchen nach ständiger Bestätigung ihrer Grandiosität, da sie sich ohne diese leer fühlen.

Aha. Suchen nach ständiger Bestätigung ihrer Grandiosität - durch die Leser des Blogs? Das scheint mir darauf hinzudeuten, dass es narzisstische Tendenzen bei uns Bloggern geben mag.

Es gibt allerdings anschließend auch Beruhigendes zu lesen:

Jeder Mensch durchläuft narzisstische Zustände.

Entwarnung also. Das Bloggen, wenn es denn narzisstisch sein sollte, ist temporär wie eine Erkältung, die früher oder später vorüber ist, Aspirin hin oder her.

Jedoch:

Nach Sigmund Freud unterscheidet man den primären und sekundären Narzissmus. Beim primären Narzissmus richtet das Kleinkind seine sexuelle Energie (Libido) ganz auf sich selbst. Beim sekundären Narzissmus wird die sexuelle Energie von äußeren Objekten wieder abgezogen und auf sich selbst bezogen (Regression). Dieser Zustand trete vor allem nach enttäuschter Liebe oder Selbstwertkränkungen auf.

Erich Fromm bezeichnet Narzissmus als Gegenpol zur Liebe und unterscheidet neben dem Narzissmus des Einzelnen auch den Gruppennarzissmus (siehe Patriotismus bzw. Fanatismus). Narzissten neigen laut Fromm dazu, einen Bezug zu ihrer Umwelt dadurch zu gewinnen, dass sie Macht über sie erlangen.

O weh! Wir Blogger sind eine Bedrohung für jede Demokratie, laut Freud, und unfähig zu einem gesunden Sexleben, laut Fromm.

Aber andererseits:

Heute bezeichnet der Begriff Narzissmus innerhalb der psychoanalytischen Theorie nicht nur eine krankhafte Bezogenheit auf sich selbst, sondern ist auch Ausdruck eines gesunden Selbstwertes. Vor allem die selbstpsychologische Schule (innerhalb der Psychoanalyse) von Heinz Kohut hat diesen Wechsel in der Bewertung des Narzissmus als bedeutendes Modell für die psychische Gesundheit eingeleitet.

Also sind wir Blogger nicht krank, sondern strotzen vor psychischer Gesundheit, sogar modellhaft. Fein. Oder wie jetzt?

Es scheint, als könne man trefflich streiten, schon über Begriff und Definition an und für sich. Ist ein Narzisstenstrauß nun eine erfreuliche Bereicherung oder ein Bündel von Blumen des Bösen? Wäre vielleicht ein Blick auf diverse Blogs aufschlussreich bei der Analyse?

Ein Blog ist ein digitales Journal, ein Tagebuch. Thomas Mann schrieb säuberlich mit Tinte auf Papier seine Tagebücher, die dann nach seinem Tod mühsam in eine druckbare Form gebracht werden mussten. Es blieb ihm ja gar nichts anderes übrig, da Bill Gates und andere erst viel später auf die Welt kamen. Aber dass Thomas Mann seine Tagebücher nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Nachwelt schrieb, ist kein Geheimnis. Ich vermute: Thomas Mann hätte heute einen Blog, den ich natürlich als RSS Feed abonnieren würde.

Ein Tagebuch muss nicht täglich geführt werden, klar. Es gibt Blogger, die ab und zu etwas notieren, andere schreiben täglich mehrmals, wieder andere fangen wild an und dann versiegt der Strom zu einem Rinnsal, das schließlich in staubigem Sand endet. Rest in peace, dear Blog. Und es gibt inhaltliche Unterschiede, die auf verschiedene Grade des Narzissmus schließen lassen. Wie schön, dass es solche Untersuchungen gibt:

Eine Studie des Singapore Internet Research Centre unter etwa 1200 englischsprachigen Bloggern (Koh et al. 2005, S. 2ff) teilte die Blogs in zwei Kategorien ein: 73 Prozent der Befragten führten ein so genanntes personal Blog, 27 Prozent ein non-personal Blog. Die Blogger der zweiten Gruppe schreiben vor allem, um „zu kommentieren“ und „Informationen zu liefern“. Ihr Ziel ist zudem, ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Auch soziodemographisch unterscheiden sich die beiden Gruppen: Non-personal-Blogger sind zum Großteil Männer, die eine höhere formale Bildung als Personal-Blogger haben. Außerdem haben sie im Schnitt mehr Leser, aktualisieren ihr Blog häufiger und verbringen mehr Zeit damit.

Ähnliche Ergebnisse erbrachte im Jahr 2005 eine Umfrage unter mehr als 4000 deutschsprachigen Bloggern. 71 Prozent der befragten Blogger gaben an, „zum Spaß“ zu schreiben; 62 Prozent wollen in ihrem Blog „eigene Ideen und Erlebnisse für sich selbst festhalten“. Demgegenüber bloggen 33 Prozent, weil sie ihr „Wissen in einem Themengebiet anderen zugänglich machen wollen“, und 13 Prozent „aus beruflichen Gründen“ (Schmidt 2006, S. 43).


Was Thomas Mann und den Blogger heute unterscheidet, ist natürlich auch die Möglichkeit der Leser, das Geschriebene zu kommentieren. Ich schätze die Kommentare meiner Blogbesucher sehr, fordere sie manchmal geradezu heraus. Das war Thomas Mann nicht möglich. Ob er es gewollt hätte, sei dahingestellt, aber er war, den Tagebüchern zufolge, begierig, jegliche Kritik zu seinen Werken zu lesen.

  • Es gibt Blogs, die eigentlich eine Litfaßsäule sind, weil der Blogger zwar Kommentare haben möchte, aber nie und nimmer darauf reagiert. Ein solcher Blog wird an abnehmenden Besucherzahlen und versiegender Beteiligung der Leser leiden. Ein anschauliches Beispiel dafür ist das (narzisstische? beruflich bedingte?) Experiment eines hiesigen Politikers: Pflügers Litfaßsäule.
  • Es gibt andere, die vom regen Austausch zwischen Leser und Autor profitieren, selbst wenn der Autor sich den Namen eines flugunfähigen Vogels zulegt wie der Storch.
  • Und dann gibt es Blogs, die eine bestimmte Zielgruppe ansprechen wollen, zum Beispiel die männliche Häfte der Bevölkerung: Männer auf dem Weg.
  • Wiederum andere dienen überwiegend der Familien- und Hobbychronik für Freunde und Verwandte: SamPix.

Die Vielfalt an Blogs, die zu finden sind, ließe noch eine lange Liste zu, doch soll das genügen. Den eigenen Blog hier aufzuführen wäre ja nar... - äh, na ja.

Also wie ist das jetzt, sind wir Blogger Narzissten? Ich stelle fest, dass mir eine Antwort nicht gelingt. Vielleicht kommt ja über die Kommentarfunktion Erleuchtung zustande?

Donnerstag, 20. September 2007

Hut ab!

Als Mensch, der tatsächlich Hut trägt, kann ich das nicht nur im übertragenen Sinne sagen, aber egal wie: Hut ab vor Thomas Aders!

Wer das ist? Es ist der Autor des Weltspiegel-Beitrages Das Geschäft mit den Kinderpredigern, über den ich am Montag hier geschrieben habe.
Ich hatte meine Enttäuschung über den Umgang mit dem Thema selbstverständlich auch der Redaktion mitgeteilt. Gestern kam ein langes Schreiben (2 ganze Seiten) vom Autor Thomas Aders bei mir an, in dem er einiges an Sachzwängen durch das Medium Fernsehen erläutert, das Zustandekommen der Sendung schildert und - es ist kein Formschreiben sondern eine persönliche Auseinandersetzung mit der Kritik - seine Sicht näher erläutert, als das in sechs Minuten Sendung möglich wäre.

Hut ab deshalb, weil er sich die Zeit genommen hat, wirklich auf einzelne Punkte einzugehen und etliches zu erklären, zu erläutern und zu ergänzen. Ich zitiere hier nicht aus dem Schreiben, da es ungehörig wäre, einen persönlichen Brief öffentlich zu machen. Ich werde ihm aber persönlich antworten.

Wir sind auch nach seinem Schreiben nicht einer Meinung, aber ich verstehe besser, warum die von mir in dem Beitrag wahrgenommene Schieflage entstanden ist und kann seinen Zeilen entnehmen, dass er besser versteht, was Zuschauer empfinden, denen Evangelisation und Jesus Christus als einziger Retter mehr bedeuten als exotisches religiöses Brauchtum.

Daher Hut ab vor einem Journalisten, der die Zuschauer und ihre Kritik ernst nimmt.

Mittwoch, 19. September 2007

Neue Anzeige gegen Gott

Bereits im Juli gab es eine Anzeige gegen Gott, von einem Rumänen, mein damaliger Bericht steht hier: Ein moderner Hiob?
Nun berichtet unter anderen ProBlog von einem weiteren juristischen Vorgehen gegen Gott, in Amerika wurde Klage eingereicht.

Komisch, dass bisher wohl noch keiner auf die Idee gekommen ist, Satan anzuzeigen. Das wäre vor einem Gericht auf dieser Welt ähnlich erfolgversprechend, aber zumindest der richtige Beschuldigte.

Dienstag, 18. September 2007

This Pastor's Got The Blues

Am kommenden Samstag gibt es Blues aus Texas. Da ich dieses Mal kein Ordner bin, sondern ganz normaler Zuschauer, wird es kein Konzert verkehrt herum, sondern ich wende meine Aufmerksamkeit der Bühne zu.

Der unter dem Künstlernamen Sleepy Ray bekanntgewordene Raymond McDonald ist ein Pionier christlich kontemporärer Bluesmusik. Seit nunmehr 20 Jahren tritt er weltweit unter dem Vineyard Music Lable auf. In Berlin wird er von seinem Bassisten, Bobby McDonald und Schlagzeuger Joel Knox begleitet.

Rays Spielweise und Bandbreite ist atemberaubend: Von Chuck Berry über George Benson bis hin zu Stevie Ray Vaughan zelebriert er den Blues. Sein Timing und seine Technik sind fehlerlos, sein Gesang kraftvoll und tief bewegend.

In einem Interview sagte er:

...I got involved with the music of the day. Jimi Hendrix, that kind of thing. Bob Seger. Back then the rock and roll was generated more by some of the older stuff. But I gave up guitar after a while, and just started singing. Everyone in Texas plays guitar, few of them sing, and somebody had to sing, so that's what I started doing. I did that for about two years, then went back to playing guitar. By this time I was back in the church, and they told me if I played that kind of music I was going to hell, so I kinda had to refrain from playing the wilder stuff, I started playing bluegrass, which was good but also acceptable. As long as you didn't sing about drinking. But I really was just into the blues side of rock. I'd get into trouble 'cause we'd be playing bluegrass and I'd start playing the honky-tonk sort of stuff, which I loved...

Gut, dass er das mit dem "going to hell" nicht geglaubt hat...

Seit den späten 90’ger Jahren ist Raymond hauptamtlich Pastor einer Vineyard Kirche in der Nähe von Houston, tritt aber weiterhin in den gesamten USA auf Gastkonzerten auf. Der Auftritt in Berlin ist Raymonds erstes Konzert in Europa seit 10 Jahren.

Ich bin gespannt auf den Pastor, der den Blues hat. Erfreulich: Eintritt frei, einfach kommen und genießen. Samstag, 22. September, 20 Uhr im C-Campus, Waidmannsluster Damm 7c-e, 13507 Berlin

P.S.: Foto von ChristianbluesNet

Montag, 17. September 2007

Die Erweckung fällt doch nicht aus

Wenn wir uns darauf einigen, dass mit dem unbiblischen Begriff Erweckung gemeint ist, dass eine in Form und Ritual erstarrte Kirche sich wandelt und lebendig wird, wodurch sie wiederum das Diesseits entscheidend verändert, dann ist zu beobachten, dass die Erweckung zwar in Deutschland und Europa ausfällt, jedoch andernorts stattfindet.

"Wiedergeburt im Glauben" – der Kernsatz des heutigen evangelistischen Gottesdienstes. In dieser Nacht hat die Gemeinde in Sao Paulo einen Superstar eingeladen: den Kinderpriester Alex Silva, 14 Jahre.

So begann der gestrige Bericht im Weltspiegel (ARD) über Erweckung in Brasilien. Natürlich zeigt der Bericht, was dabei herauskommen muss, wenn ein farbenblinder Mensch ein Gemälde beschreibt. Unweigerlich, es ist ja die ARD, muss das Geschehen mit Zynismus und Verkürzungen so dargestellt werden, dass der Zuschauer den Eindruck gewinnt, es ginge den jungen Evangelisten und ihren Familien nur ums Geld.

Immerhin werden ein paar Fakten nicht verschwiegen:

  • Dämonen werden ausgetrieben
  • Kranke werden geheilt
  • Die Kinder haben direkten Zugang zum Wort Gottes (für Katholiken wohl unvorstellbar?)
  • Jesus ist die Rettung
  • Ehen werden geheilt
  • Nirgendwo auf der Welt wachsen die Gemeinden schneller als in Brasilien. Es gibt mittlerweile circa 24 Millionen wiedergeborene Christen
  • Auch Kinder, die evangelisieren, sind ganz normale Kinder
  • "Ich und Alex, wir machen nichts. Gott macht etwas mit uns."
  • DVDs mit Gottesdienstmittschnitten haben inzwischen die gleichen Verkaufszahlen wie Volksmusik

Schade, dass es kein sachlicher Bericht geworden ist, sondern wieder mal von der Redaktion in Schieflage gebracht werden musste. Verwunderlich ist das vielleicht nicht, denn der BR ist nun mal katholisch geprägt und der katholischen Kirche laufen die Basilianer weg, wenn sie gläubig werden. Schon die Wortwahl im Bericht offenbart diesen Hintergrund, kaum ein Gläubiger ausserhalb des Katholizismus würde wohl den Begriff Kinderpriester benutzen.
Bei aller Kritik am finanziellen Segen der Gemeinden und Prediger ist der Redaktion auch nicht eingefallen, dass die katholische Kirche wahrlich kaum am Hungertuch nagt.

Immerhin: Bei allen Schwächen des Fernsehbeitrages wurde laut und deutlich im Ersten Deutschen Fernsehen ausgesprochen, dass Jesus die einzige Rettung ist und dass er nichts von seiner Kraft und Vollmacht eingebüßt hat. Das ist erfreulich.

Sonntag, 16. September 2007

Buddelschütte

Heute widme ich mich, wenn neben Gottesdienst, Familie und Entspannen Zeit bleibt, dem letzten Schliff an einer männlich geprägten Buddelschütte.

Samstag, 15. September 2007

Über das Schreiben 2

Vor kurzem habe ich als Beteiligung an einer Ausschreibung einen Auszug aus einem Buch übersetzt, das ich freiwillig nicht lesen würde. Das Genre war mir fremd und meine Frau kommentierte meine Übersetzung sinngemäß so:

Du schreibst auf einem zu hohen sprachlichen Niveau. Du musst beim Übersetzen an BZ und Bild-Zeitung denken, wer solche Bücher liest, ist mit Literatur überfordert.


Eva hatte recht, wie immer, sie ist meine beste Kritikerin. Die Vorlage war ein lupenreiner Schundroman, sogenannte Frauenliteratur mit dem niedrigsten Niveau, das denkbar ist – nein, ohne jegliches Niveau. Ich wäre der falsche Übersetzer für solche Texte gewesen, das hat wohl auch der betreffende Verlag festgestellt und den Auftrag anderweitig vergeben. Ich bin überhaupt nicht böse darüber, im Gegenteil, jetzt muss ich mir nicht die übrigen 150 Seiten antun...

Damit sind wir beim zweiten Thema der Serie über das Schreiben:

Herausfinden, was man kann

Ich ernte nicht ungern Lob für meine Arbeiten und freue mich über zahlreiche Leser. Ob das Narzissmus ist, darüber schreibe ich demnächst eine Glosse, der Titel steht schon fest: Ein Narzisstenstrauß. Da geht es dann den Bloggern an den Kragen, und ich bin ein solcher. Mir schwant schon Schlimmes...
Doch zurück zum Thema dieser Zeilen. Eine angehende Autorin erklärte kürzlich zu einer misslungenen Kurzgeschichte:

Ich versuche rauszufinden, was ich überhaupt schreiben kann. Bei Krimis sollte immer eine Portion Sex drin sein, hat mal irgendwer gesagt. Ich komme aus Norddeutschland, da macht man das zwar, aber man spricht nicht drüber.


Ganz abgesehen davon, dass auch ein Krimi ohne eine Portion Sex die Leser durchaus fesseln kann, wenn er gut geschrieben ist, macht sie genau das Richtige: Sie testet sich, indem sie schreibt und das Ergebnis der kritischen Betrachtung von Fremden aussetzt. Nur so kann man besser werden und herausfinden, was man kann und was man lieber sein lassen sollte.

Ich habe viel hilfreiche Kritik in einem Kurzgeschichtenforum bekommen. Von sachlichen Hinweisen (vertauschte Namen im Lauf der Erzählung, Unmöglichkeiten auf der Zeitachse, Irrtümer geographischer Natur) bis zu der Erkenntnis, dass manche Kurzgeschichte misslungen war. Wenn ich nämlich den Lesern die Handlung hinterher erklären muss, dann taugt die Geschichte einfach nichts. Sie muss neu geschrieben oder verworfen werden.
Wer es ernsthaft mit Kurzgeschichten, ob nun Liebesgeschichte, Krimi oder sonst ein genre, versuchen möchte, dem kann ich das Forum und die zugehörige Geschichtensammlung nur empfehlen. Hier die Homepage mit Hinweisen, wie man eine Geschichte einreicht, dort das Forum, wo die Kritiker sich tummeln. Angemerkt sei lediglich, dass manche Mitglieder im Forum wirklich fundiert kritisieren, andere dagegen kaum Hilfreiches beizutragen wissen und trotzdem ihren Senf beisteuern. Wie im richtigen Leben eben.

Nach einer gewissen Probierphase kommt eigentlich jeder Autor bei sich selbst an. Das soll heißen, dass er seinen Stil und seine Inhalte findet, sich darin wohlfühlt und dann – fortgesetzte Belehrbarkeit vorausgesetzt - immer sicherer wird. Das heißt nicht, dass er sich künftig auf ein einziges Gebiet beschränkt, sondern dass er aus seinen eigenen schlechten Geschichten gelernt hat. Kreative Menschen werden immer wieder Neues ausprobieren.
Ich habe mit Science Fiction experimentiert und festgestellt, dass ich da nichts Ansehnliches zustande bringe. Auch kafkaeske Szenen liegen mir nicht. Anderes gelingt mir besser und macht mir Freude.

Mein Tipp Nummer 2 zum Schreiben: Verschiedenes Ausprobieren!

Man weiß nur, ob etwas gelingt, wenn man es ausprobiert hat. Wer nicht wagt, kann weder gewinnen noch verlieren.

Frage vornehmlich an die Leser, die selbst Autoren sind: Schon mal was ausprobiert und grandios gescheitert? Nichtautoren dürfen natürlich ebenfalls antworten, sie können ja über das grandiose Scheitern von Autoren plaudern...

Freitag, 14. September 2007

Konzert verkehrt herum


Gestern war ich im Einsatz und im Konzert, dadurch war das Konzert verkehrt herum. So was hatte ich früher öfter, um die Studentenkasse aufzufrischen, gestern war's ehrenamtlich.

Ich war ab 16 Uhr vor Ort, bekam einen schönen Ausweis der mir allerlei Türen öffnete und mich ermächtigte, ausweislosen Menschen allerlei Türen zu verbieten. Bis kurz vor 18:00 Uhr schlenderte ich prüfenden Blickes durch die zügig anwachsende Menschenmenge und wurde von jemandem angesprochen: "Sind Sie nicht Günter Matthia?" Ich war es, so weit meine Kenntnisse reichten. Er hatte mich anhand der Blogphotos erkannt. Und wollte tatsächlich, dass ich eine Widmung samt Autogramm in mein Buch für ihn schreibe. Das Buch hatte er in der Hoffnung mitgebracht, dass er mich (unter 3.500 Menschen) finden würde. Ich freute mich, dass wir uns ein paar Minuten unterhalten konnten und schrieb was ins Buch.
Ein paar Minuten später strahlte mich eine etwa 16jährige an: "Äh, Entschuldigung, ich bin xxx - wir kennen uns von Glaube.de und von deinem Blog." Nun ja, kennen ist wohl nicht ganz das richtige Wort, aber es machte Spaß, auch mit dem Mädchen ein paar Minuten zu plaudern. Und mit weiteren Besuchern, die mich nicht kannten.

Dann schlenderte ich in die Halle, während alle ausweislosen Menschen noch draußen bleiben mussten. Es war Zeit für den Soundcheck.
Der wurde so was wie ein Privatkonzert. Hillsong United in bester Spiellaune und ausser mir noch ein paar Tontechniker und meine vier Ordnerkollegen für den Abend, dazu ein paar andere Menschen, die irgend welche Gründe hatten, da zu sein. Wir bekamen vier ganze Songs und ein paar halbe, mir hat es nicht zuletzt in Erinnerung an eigene Zeiten auf Bühnen Spaß gemacht. Soundcheck ist was feines, wenn man nicht selbst aktiv sein muss.
Anschließend plauderte ich backstage ein bisschen mit einigen der Musiker, nichts Weltbewegendes, eben Fachsimpeleien über Gitarren, technische Tücken, Kaffee kurz vor dem Auftritt...

Dann, mit gehöriger Verspätung, wurden die Saaltüren geöffnet und meine Arbeit begann, die aus dem Auftritt von Hillsong United ein Konzert verkehrt herum machte. Ich stand nämlich am Bühnenrand um einerseits Besucher daran zu hindern, vor lauter Begeisterung auf die Bühne zu klettern und andererseits darauf zu achten, dass der Fluchtweg direkt vor der Bühne frei blieb. Ausserdem ständig aumerksam die Gesichter betrachten, um Schwächeanfälle rechtzeitig vorauszuahnen, bevor womöglich jemand in der Menge umkippt. Also zwei Stunden Konzert mit Blick aufs Publikum statt auf die Bühne. Verkehrt herum.
Ich konnte das Konzert trotzdem genießen. Ich bin kein Hillsong United Fan, aber mir hat die Musik gefallen. Das ausgesprochen junge Publikum war ausserordentlich diszipliniert, lieb, einfach toll, kaum Geschubse und Gedrängel, dafür viele nette Gespräche mit lauter Teenagern*, Overteenagern* und Underteenagern*.

Ein paar Sätze aus der kurzen Ansprache von Phil gefielen mir besonders, ich zitiere sinngemäß, da ich den Wortlaut nicht mitgeschrieben habe:

...and go find a church to go to. You say: "Well I've been there, it was boring." I tell you: It's up to you! You are the church, go ahead and make it interesting, exciting and fun!


Eben! Macht was aus der Kirche, wir alten und älteren Gläubigen brauchen euch!

*Ich hatte das Wort "Twentyager" erfunden, aber das stieß auf vehementen Widerspruch der besten aller Ehefrauen. Wer das Unwort "Handy" nicht benutzt, darf auch keine "Twentyager" erfinden. Nun gut, das sehe ich ein...

P.S.: Foto gegoogelt, Kameras waren tabu.

Donnerstag, 13. September 2007

Erfreuliches über Ben Becker

Ich bin erfreut, dass FOCUS-Online mit unverkennbarer Sympathie, ganz ohne Häme oder Sarkasmus, berichtet, wie Ben Becker gestern in Berlin sein Bibel-Projekt vorgestellt hat. Sogar sein zitiertes Psalmwort wird zitiert.
Zur Lektüre wärmstens empfohlen: Ben Becker wieder auf der Bühne.

Recht hat er, der M.R.R.

Marcel Reich-Ranicki über Menschen wie mich:

Die meisten Schriftsteller verstehen von der Literatur nicht mehr als die Vögel von der Ornithologie.

Über subjektives Leseempfinden:

Von 100 Büchern, die erscheinen, sind 98 schlecht. Das 99ste ist schwach. Und beim 100sten sind wir unsicher.

Über Kontaktpflege per Telefon:

Ich habe festgestellt, dass in vielerlei Hinsicht Menschen am Telefon aufrichtiger sind und manches sagen, was sie einem am Kaffeehaustisch nicht sagen würden.
Man sieht den anderen nicht, die Augen nicht, nicht, wie er reagiert. Frauen sind - und das ist ohne Vorwurf gesagt - zu intimen Bekenntnissen in der Regel am Telefon eher bereit als bei der persönlichen Begegnung. Der ist von mir patentiert, der Satz.

Über Beim Häuten der Zwiebel von Günter Grass, als die dumme Medienhetze losging:

Kein Wort!

Über den schnöden Mamon:

Geld macht nicht glücklich. Aber wenn ich traurig bin, weine ich lieber im Taxi als in der U-Bahn.

Die zehn Gebote für Literaturkritiker:


Du sollst nichts Wichtigeres haben neben dir als die Kritik.
Du sollst keinem anderen dienen als der Literatur und ihren Lesern.
Du sollst keinen Dichter anbeten und keinem gefällig sein.
Du sollst nicht langweilen.
Du sollst deiner Lust oder Unlust beim Lesen gehorchen und die Gründe für sie finden.
Du sollst Mut haben, dich deiner eigenen Urteilskraft zu bedienen,entschieden zu loben oder zu tadeln und in deiner Entscheidung zu fehlen, sollst Übertreibungen nicht meiden, Provokationen nicht scheuen und Feinde nicht fürchten.
Du sollst nicht unklares Zeugnis ablegen über ein Buch.
Du sollst das Verständnis für Literatur und das Vergnügen an ihr befördern.
Du sollst die Namen großer Dichter nicht mißbrauchen, indem du kleine mit ihnen vergleichst.
Du sollst nicht begehren, selbst zu dichten.

Ich mag ihn einfach, den M.R.R., und ich vermute, dass er beim zweiten Zitat mit dem 100sten eines von meinen gemeint hat.

P.S.: Foto von Rezensionsforum / Marcel Reich-Ranicki

Mittwoch, 12. September 2007

Ruhe

Heute schweigt der Blog. Wenn jemandem deshalb langweilig sein sollte, ein paar Tipps. Man kann, statt meinen Blog zu lesen, zum Beispiel:

Dienstag, 11. September 2007

Über das Schreiben 1

Mit diesem Beitrag starte ich eine kleine Serie über das Schreiben, in der ich häufig gestellte Fragen aufgreife. Das erste Thema:

Außen pfui, innen hui?

Am Sonntag nach dem Gottesdienst saßen meine Frau und ich so lange mit einer Autorin beim Kaffee, dass die Kinder unserer Gesprächspartnerin trotz Limonade und Süßigkeiten ungeduldig wurden. Wir waren ins Gespräch gekommen, weil ich eine Neuerscheinung aus einem Verlag auf dem Tisch liegen hatte, der permanent inhaltlich gute Bücher herausbringt, die sich durch handwerkliche Mängel auszeichnen. Das ist, mit Verlaub, leider bei frommen Publikationen häufig der Fall.

Nicole B., so heißt die Autorin, hat das an einem eigenen Werk erlebt. Daraus ein winziges Beispiel von leider sehr vielen:

Diese Lasten abzuwerfen, das ist es , was die Seele begehrt.

Dass es zwischen Wort und Satzzeichen in der deutschen Sprache unter keinen Umständen ein Leerzeichen gibt, egal ob Komma, Doppelpunkt, Semikolon, Ausrufe- oder Fragezeichen, sollte ein Verleger (oder zumindest sein Lektor) wissen. Und er sollte darauf achten, dass sich solche Schlampereien nicht in Büchern aus seinem Verlag finden lassen.

Nicole erzählte, dass sie keine Datei, sondern Papier abgeliefert habe. Sie beherrscht die deutsche Sprache. Irgendjemand, der das offenbar nicht von sich sagen kann, hat das Manuskript abgetippt und dabei den Text mit zahlreichen Fehlern garniert: Abstände zwischen Wort und Satzzeichen, Zeilenwechsel, wo keine hingehören, allerlei falsch geschriebene Worte... Sie bekam keine Gelegenheit, das Buch vor dem Druck noch einmal in Augenschein zu nehmen und war entsetzt, als sie das Ergebnis in Händen hielt.

Inzwischen publiziert sie über einen anderen Verlag und hat beachtliche Verkaufserfolge, eine eigene Radiosendung und viele künftige Projekte im Kopf.


Wir unterhielten uns über die Frage, ob guter Inhalt schlechte Form rechtfertigt beziehungsweise entschuldigt. Wir waren der gleichen Meinung: Nein. Ein gedrucktes Buch ist kein schnell mal eben hingetippter Beitrag in einem Internet-Forum oder Blog, und ein gedrucktes Buch, dessen Autor evangelistische Intentionen verfolgt, sollte erst recht ansprechend und handwerklich einwandfrei sein. Andernfalls wird ein Leser von vorne herein mit der Botschaft konfrontiert: Wir geben uns keine Mühe, ordentlich zu arbeiten, möchten aber, dass Du dich trotzdem für unseren Glauben interessierst.

Natürlich kostet mehr Qualität mehr Geld. Einen ehrenamtlichen Lektor, der Rechtschreibung und Ausdruck beherrscht, wird man mit der Lupe suchen müssen. Einen Layoutexperten, der auf Gestaltung und ansprechende Form achtet, muss man in der Regel entlohnen. Und angesichts leerer Kassen in christlichen Verlagen ist das oft nicht finanzierbar.

Also opfert man die Qualität, um überhaupt etwas publizieren zu können. Und daraus folgt der schlechte Ruf, den „fromme“ Produktionen zumindest bei denjenigen haben, denen es nicht egal ist, auf welche Weise ihnen der Inhalt präsentiert wird.

Es gibt bei aller Sparsamkeit jedoch Abhilfe. Je fehlerfreier der abgelieferte Text ist, desto entbehrlicher werden Korrekturen. (Nicole hat zwar ihr fehlerfreies Manuskript nicht geholfen, weil die Fehler alle vom Verlag stammten, aber sie hat daraus gelernt, darauf zu bestehen, dass sie persönlich vor dem Druck eines Textes die Freigabe erteilt.)

Mir unterlaufen Tippfehler, keine Frage. Ich bin dankbar, wenn Leser mich darauf hinweisen, denn ich bin daran interessiert, möglichst gute Qualität anzubieten. Manchen Fehler sieht man einfach selbst nicht, und wenn man den eigenen Text fünfmal liest. Einem Leser fällt dann sofort ins Auge, was der Aufmerksamkeit des Autors entgangen ist.

Daher mein Tipp Nummer 1 zum Schreiben: Lesen lassen!

Das beinhaltet, Kritik zu suchen und anzunehmen. Man sollte die Testleser ausdrücklich darum bitten, auf formale und inhaltliche Mängel zu achten und diese auch zu nennen, statt aus Angst, der Autor könne verletzt sein, nur Lobeshymnen anzustimmen.


Frage vornehmlich an die Leser, die selbst keine Autoren sind: Entschuldigt guter Inhalt schlechte Ausführung? Autoren dürfen natürlich ebenfalls antworten.

Montag, 10. September 2007

Eva Herman

Sie war ungeschickt, als sie die Nazizeit mit der Vorstellung ihres neuen Buches in Verbindung brachte. Kein Mensch interessiert sich dafür, dass sie seit langem mit Laut gegen Nazis unmissverständlich klar gemacht hat, dass ihre Sympathie dem braunen Sumpf nicht gehört. Eine ungeschickt formulierte Äußerung hat sie nun den Job beim NDR gekostet. Ich frage mich: Ist das Ursache oder Wirkung?

Eva Herman macht kein Hehl daraus, dass sie gläubig ist. Auf ihrer Homepage nennt sie unter Was mir wichtig ist an erster Stelle:

Das Gespräch mit dem Schöpfer. Seine Liebe und sein Geleit.

Die Frage Was ist Liebe? beantwortet sie:

Das größte Geschenk Gottes.

Eva Herman bezeichnete sich im Interview mit dem Christlichen Medienmagazin pro selbst als Christin. In ihren Texten spricht sie von einer „schöpfungsgewollten Aufteilung“ der Geschlechter. Würden diese Prinzipien eingehalten, habe das „in aller Regel dauerhafte Harmonie und Frieden in den Familien zur Folge“.

Da ich ihre Bücher nicht gelesen habe, weiß ich nicht zu sagen, inwieweit ich mich Eva Hermans Gedankengängen anschließen würde. Was ich über ihre Bücher gelesen habe, scheint mir richtig: Sie verweist auf Werte, die verloren gegangen sind.
Anstatt, wie so viele gerade im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, lauthals über Gewalt an den Schulen, Jugendkriminalität, Drogen- und Alkoholmissbrauch, Leistungsunfähigkeit und Ziellosigkeit zu lamentieren, bietet Eva Herman zumindest einen Weg an, der solch verpönte Dinge wie Mutterschaft, Verantwortung für die Kinder, Familienzusammenhalt und unterschiedliche Aufgaben für Mann und Frau in der Ehe einschließt.

Das darf man/frau als Angestellte eines öffentlich-rechtlichen Senders natürlich nicht ungestraft laut sagen. Das wäre ja unerhört, wenn jemand unter den Moderatoren eine eigene, öffentlich geäusserte Meinung hätte, die vom 68er Menschenbild abweicht...

Ich werde den Verdacht nicht los, dass die angebliche Ursache für den Hinauswurf nichts anderes war als ein vorgeschobener Grund. Es bleibt zu hoffen, dass gerade durch diesen mediengemachten „Skandal“ die Bücher um so mehr Leser finden.

Bob Cohen, Leonard Dylan

Mir geht's wie dem Herrn, der hier erneut abgebildet ist, Lieder und Musik haben mich immer inspiriert.


Bei dem Fragment ohne Titel habe ich das auf die Spitze getrieben und bin gelegentlich beängstigend nah an den Liedtexten geblieben. Ein Leser bat mich, für die jüngeren Zeitgenossen aufzuzählen, wo die Inspirationen (bisher) herkamen.

Ich nehme an, dass noch weitere Lieder auf Teil 1, Teil 2 und Teil 3 abgefärbt haben, ohne dass ich es bewusst so gewollt habe; hier die Titel, die ich identifizieren kann:

Ich überlasse es dem Spürsinn des interessierten Lesers, herauszufinden, welche Zeilen aus den Texten sich wo in meiner Erzählung niedergeschlagen haben. Lediglich zum Wigwam, das ausser la la la la la la la la la keinen Text hat, sei verraten: Die Melodie scheint mir der zu gleichen, die der Klarinette entweichend Erinnerung zurückholt.

Sonntag, 9. September 2007

Mitteilungsbedürfnis



In der Kirche St. Jakobi zu Lübeck habe ich im Sommer 2007 das reichlich bunte Mitteilungsbedürfnis der Besucher fotografiert. Eigentlich sollten Gebete auf das weiße Tuch geschrieben werden, aber mancher hat wohl eher, des Lesens unkundig oder unwillig, ein Gästebuch vermutet. So mischen sich Mitteilungen an Gott (Gebete) mit allerlei anderen Verlautbarungen.

Gott mit uns
Liebe das Leben und dann liebt es auch dich.
Free speech for the dumb!
Ich war hier am 4. 7. 07. Lena Deges
Jesus was a punk!
Der Baum der Zeit lässt uns nicht vergessen.
Danke fürs Leben!
Kettu!
Ich wünsche mir, dass die Menschen, die die Kraft aus der Stille und Langsamkeit schöpfen, zahlreicher werden.
Pax omnia rerum
Ingrid Wendt ist freggle friend
Der Baum ist die Flüssigkeit die uns erhält.
Lieber Gott, beschütze und erlöse unsere Mutti und Omi.
Das Leben kann schön sein ohne Krieg
...

Das hat mich daran erinnert, dass Gott, der zahlreiche Gebete und Äußerungen und Mitteilungen gleichzeitig hört, darunter auch meine, mit dem menschlichen Verstand nicht fassbar ist. Ich habe schon Verständnisprobleme, wenn zwei Menschen gleichzeitig Verschiedenes sprechen. Gott darf ich auch ansprechen, wenn gleichzeitig 10, 100, 1000, 10000, 100000 oder noch mehr Menschen mit ihm reden. Er versteht nicht nur, sondern handelt auch.

Samstag, 8. September 2007

108 Minuten Urlaub


Heute gönnte ich mir 108 Minuten Urlaub. Das geht so: DVD einlegen, Kopfhörer aufsetzen, auf dem Sofa hinflegeln und Start auf der Fernebdienung drücken. Und schon bin ich in New York beim Benefizkonzert für das Crossroads Center in Antigua. Zusammen mit Eric Clapton und Bob Dylan. Und Steve Gatt. Und Sheryl Crow. Und Mary J. Blige. Und vielen anderen.

Wer auch 108 Minuten Urlaub will, sollte sich die unbedingt sehens- und hörenswerte DVD zulegen: Eric Clapton & Friends in Concert

P,S,; Da bei Auftritten von His Bobness Kameras tabu sind, habe ich einfach ein Foto von meinem Fernseher gemacht. Das darf man doch, oder?

habemus fragmentum continuum

So, nun also geht das Experiment mit dem Fragment weiter. Oder zu Ende. Das, was hier folgt, kann sowohl als drittes Drittel die Erzählung (hier Teil 1 / dort Teil 2) beenden als auch die Türe für das Weiterschreiben öffnen.
Der aufmerksame Leser der Kommentare zu den ersten Teilen wird bemerken, dass ich mich durchaus habe von dieser und jener Anmerkung inspirieren lassen. Das war (und ist, falls es weiter geht) ja der Sinn des öffentlichen Schreibens.

So genug vorgeredet, hier ist der vorgestern und gestern entstandene Text, als Brücke wieder die letzten paar Worte aus dem vorigen Teil:

...Sie folgt den Spiralen der Stufen und erreicht das zweite Obergeschoss, will umkehren, zurück auf die Veranda, den Blick hinaus richten. Die Augen ihn erforschen lassen. Vergangenheit zurückholen, Zukunft ermöglichen.

Der schwere Schlüssel öffnet ihre Türe und ein leichtes Beben unter ihren Füßen fordert Aufmerksamkeit.

...

Er blickt auf seine Fingernägel und sieht sie brüchig. Sind all seine Schiffe verbrannt? Was ist ihm geblieben? Ein fremdes Land, kalt findet er es, klimatisch und auch sonst. Nicht, dass die Menschen unfreundlich wären, doch wird er nie zu Hause sein in Deutschland, und kann auch in die Heimat nicht zurück. Er löst sich von dem Blick aufs Meer und blickt hinauf zum zweiten Stock, wo sie ihr Zimmer hat.

...

„Konstantinos“, murmelt sie, „Konstantinos Sourvanos. Wer bist du?“ Sie mustert sein Gesicht, vergrößert durch die Linsen. Das Fernglas hat sie einst, in jenem anderen Leben, in jener nebelhaften Vergangenheit, im Laden ihres Vaters mitgenommen. Angeblich sei es einst das Eigentum von Carl Zeiss gewesen, hatte er erklärt, ein Einzelstück, von Hand gefertigt, dann verpfändet und nie eingelöst. Es gab auch einen Pfandschein aus dem Jahr 1849, ein August Löber hatte säuberlich quittiert, im Auftrag und mit Vollmacht seines Meisters Carl Zeiss zu handeln. Ihr Vater hatte ihr, zu größter Behutsamkeit mahnend, das Unikat für ein Wochenende anvertraut, sie konnte es jedoch nicht wieder in seine Hände legen. Es war das einzige Erinnerungsstück, das ihr ans Elternhaus geblieben war.

Er schaut hinauf zu ihr. Kann er sie sehen, wie sie ihn betrachtet? Forscht er in den Schatten seiner Vergangenheit nach ihr wie sie nach ihm?

...

Er meint, eine Silhouette wahrzunehmen, doch sicher ist er nicht, die Sonne spiegelt sich und verwehrt den Blick auf seine namenlose Göttin. Er wendet sich dem Eingang zu und fragt sich, ob das Beben unter seinen Füßen wirklich da gewesen war. In einer anderen Region, auf einem anderen Kontinent wäre seine Aufmerksamkeit erwacht, doch hier muss niemand damit rechnen, dass Festgefügtes auseinander bricht. Er tritt in die Lobby und nickt dem alten Herrn zu, der an der Rezeption auf irgend etwas warten mag.

Er lässt den Fahrstuhl unbeachtet und steigt in Gedanken tief verloren die vom Teppich weichen Stufen empor. Im zweiten Stock passiert er ihre Zimmertür und horcht, doch ist kein Laut vernehmlich. Er möchte klopfen, doch kann er keinen Grund ersinnen, ein solches Verhalten zu erklären. So geht er weiter, schließt die letzte Tür im Gang auf und meint erneut, ein Beben zu empfinden. Er blickt zurück, den Flur hinunter. Ihm ist, als sei der Kronleuchter in Bewegung. Soll er zurück, das Haus verlassen? Soll er verweilen und beobachten? Droht ihm Gefahr, droht ihr Gefahr? Er könnte nun mit gutem Grunde klopfen, die Göttin fragen, ob die Erde bebt. Er steht vor seiner Zimmertür und hört Musik.

...

Sie spielt auf ihrer Klarinette, improvisiert, lässt Töne kommen, wie sie möchten und entlässt sie in die Atmosphäre, wo sie sind und schon vergehen. Dennoch sind sie nicht flüchtig, verweilen im Gedächtnis, länger oder kurz, vielleicht für immer. Sie spielt seit ihrer Kindheit, und oft kommt eine Melodie zum Vorschein, die sie beim Hören wiedererkennt.

...

Er lauscht und weiß, wer seine Göttin ist. Erkennt die Folge der verspielten Klänge, sieht sich zu ihren Füßen sitzen. Ein stiller See, zwei Menschen bergen sich im Schatten eines Baumes. Er liegt entspannt, vom Bad noch feucht, sie steht und schaut ins Unbestimmte, die Klarinette scheint zu leben. Auf ihrer Haut sind Wasserperlen, ihre Haare tropfen, sein Blick kann sich nicht lösen. Spielt sie für ihn? Für sich? Für niemanden? Für die ganze Welt? Er sieht sie nur von hinten, doch er weiß, dass sie den Blick auf ihre Schönheit spürt. Er legt sich hin, die Augen lassen keinen Augenblick von ihr. Die Melodie spricht mehr als tausend Worte. Sie flüstert Liebe, sie haucht Zärtlichkeit.

Sein Leben lang hat sie ihn begleitet, ein Wunder, ein Phantom der Jugendzeit. Vergessen und doch immer da. Warum hat es so lang gedauert, sich zu erinnern? Warum bringt die Musik zurück, was das Gesicht, was die Gestalt nur ahnen ließ? Er hebt die Hand, um an die Tür zu klopfen. Dann zögert er erneut. Wie kann man solches Spiel der Töne und des Atems unterbrechen?

...

Sie schließt die Augen und sie sieht ihn hingestreckt im Gras. Wie lange ist es her, dass er zu ihren Füßen lag? Vor wie viel Tausenden von Atemzügen spielte sie für ihn, was sie mit Worten nicht zu sagen wusste?

Sie spürt den Blick, und nichts daran ist ihr zuwider. Er darf betrachten, er darf träumen, er darf fühlen. Er ist der erste, dem sie sich zu schenken wünscht, und sie weiß auch, dass sie und er an diesem Tag die Welt besitzen. Sie lässt die Melodie versiegen, die Klarinette sinken. Sie dreht sich zu ihm um. Adam und Eva, ohne Schuld und Scham im Garten. Sein Körper ledig aller Kleidung so wie ihrer. Sein Herz gefangen so wie ihres vom Moment. Zwei Seelen, die in ungetrübter Wahrheit zu einander streben.

...

Er klopft, als die Musik verklungen ist. Sie öffnet ohne Zögern, er sieht die Tränen, die sie wegzuwischen nicht für nötig hält.

„Susanne, wo warst du so viele Jahre?“ Seine Stimme zittert.

Sie haucht mehr, als dass sie spricht: „An keinem Ort, der erwähnenswert sein könnte.“

„Du hast dich verändert.“

„Vermutlich.“

„Du warst fort.“

„War das nicht unvermeidbar?“

Er hört sich sagen: „Bleibst du bei mir?“

...

Sie hört sich sagen: „Wenn du es möchtest, ja.“




Freitag, 7. September 2007

Endlich!

Wie lang wurde mir doch das Warten. Nun ist es so weit: Ab 19. September gibt es wieder die Theme Time Radio Hour. Heureka!

Wie lang wurde doch manchem das Warten. Nun ist es so weit: Morgen gibt es ein weiteres Fragmentstück. Also schnell noch mal Teil 1 und Teil 2 lesen und flugs die Messer wetzen, um über den Autor herzufallen. Oder die Blumen bereitstellen. Heureka!

P.S.: Bild gemopst von XM-Radio.
P.P.S.: Die ersten 50 Theme Time Radio Hours verpasst? Immer noch der Meinung, Bob Dylan ain't talking? Na so was. Hier gibt's Nachhilfe: Das Archiv

Erfüllte postchristliche Hoffnungen

Gestern und vorgestern war von meiner postchristlichen Hoffnung trotz diesem und jenem, was ich beobachte, die Rede. Ich habe eher von negativen Beobachtungen und Erlebnissen berichtet. Es gibt aber auch vieles, was die Hoffnung auf eine andere Kirche / Gemeinde nährt, oder sie bereits sichtbar macht. Im Fitnesscenter zu Köln zum Beispiel:

Da meinte der Typ zu mir: "Ist ja interessant, ich hab früher auch mal an Gott geglaubt!" Und plötzlich hör ich mich sagen: "Ja ich weiß, Du bist als Zeuge Jehova aufgewachsen und Deine Eltern sind da immer noch, stimmts?". Im selben Augenblick hätte ich bei mir am liebsten die Rückwärtstaste gedrückt. Wie komm ich denn bitte auf so eine Aussage? Aber der Typ sah mich genauso verdutzt an, wie ich ihn und meinte etwas fassungslos: "Ja das stimmt! Aber woher weißt du dass denn bitte?". "Äh, weis ich jetzt auch nicht. Äh, aber vielleicht hat mir das Jesus gerade gesagt?!" Naja, Du kannst Dir vorstellen, wir hatten danach ein superheftiges Gespräch über Gott, er hörte mit gebannten Ohren zu, wie ich meine Bekehrungsgeschichte erzählte und wie man Christ wird.

Der ganze Bericht ist bei Martin Dreyer zu finden, und zwar hier: ...im Fitnesscenter

Wäre ich ein Jesus-Freak, würde ich vermutlich in etwa kommentieren: "Wie geil ist denn das! Krass, mann! Oberhart!" ... oder so ähnlich. Damit ich mich nicht blamiere (man sollte eine Sprache beherrschen, in der man sich zu artikulieren wünscht), möchte ich lediglich meine Freude äußern und hoffen, dass so etwas mehr und mehr zum Alltag von uns allen wird. Ob Fitnesstudio oder Disco, Aldi oder Schulhof, Firma oder Urlaub.

Donnerstag, 6. September 2007

Weitere postchristliche Hoffnungen

Ein Beitrag von Don Ralfo hat mich daran erinnert, wie es damals war, als wir Jesus-People genannt wurden. Wir machten Fehler und wurden Opfer von Fehlern, das eine mag häufig das andere verursacht haben. Die Folgen waren leider manchmal unumkehrbar. Don Ralfo berichtet über Manfred; ich könnte zahlreiche ähnliche Begebenheiten erzählen.

Wir hatten Ambitionen, waren mit Wasser und Geist getauft und wollten unsere Generation für Jesus gewinnen. Dabei blieben etliche aus unseren Reihen auf der Strecke. Warum?
Ich meine, dass unser größtes Problem ein Vakuum war, wo geistliche Eltern hätten sein müssen. Geistliche Zuchtmeister und Lehrer gab es genug. Von den langen Haaren angefangen über die Kleidung bis zum Musikgeschmack wurden wir belehrt und kritisiert. Mit Argumenten, für die sogar Bibelzitate aus ihrem Zusammenhang gerissen als Beleg herhalten mussten.

Die Bibel sagt, dass Frauen keine Männerkleidung tragen dürfen. Wenn du als Junge lange Haare hast, ist das genau das selbe.

Mehr als einmal habe ich so etwas gehört. Noch und noch. Wieder und wieder. In vielen Varianten.

Ein Christ raucht nicht.
Ein Christ hört nicht die Beatles.
Ein Christ masturbiert nicht.
Ein Christ liest keine Bücher von XYZ.
Ein Christ...

Was unterscheidet Eltern von Zuchtmeistern und Lehrern? Doch wohl die Liebe, die sich auch in Annahme äußert. Trotz der Fehler, die ein Kind macht, trotz des unmöglichen Benehmens, trotz der Wissenslücken werden Eltern ihr Kind nicht hinauswerfen, sondern trotz und bei aller notwendigen Belehrung und aller berechtigten Kritik werden sie vermitteln: Du bist geliebt, so wie du bist, ohne Abstriche. Du musst nicht erst was leisten und beweisen, bevor du angenommen und geliebt wirst.

Es gab etliche Gemeinden und Kirchen, in denen wir nicht willkommen waren. Missbilligende Blicke, gerümpfte Nasen, demonstratives Abrücken waren noch die harmlosen Reaktionen. Selbst in Gemeinden, die etwas toleranter waren, blieben wir unter uns, als "Jugend" isoliert und selten ernst genommen.
Natürlich ist das nicht rundum verkehrt. Jugendliche wollen ja unter sich sein, Erwachsene sind nicht jederzeit willkommen, das ist auch gut so. Aber wenn es ringsum nur oder überwiegend abweisende, ablehnende Erwachsene gibt, dann ist das nicht mehr gut so. Dann kann man nämlich niemanden um Rat fragen, um Hilfe bitten. Einen Lehrer oder Zuchtmeister wird man nicht bezüglich innerer Nöte und quälender Ungewissheiten befragen, man würde ja doch nur eine weitere Moralpredigt zu hören bekommen.

Ich hatte einen Großvater, Pastor von Beruf, bei dem ich jederzeit in jedem Zustand willkommen war. Mit allen Fragen, Zweifeln, aller Rebellion und allem Frust. Mein Großvater hieß nicht alles gut, was ich dachte oder tat, aber ich wusste immer, dass seine Liebe nicht gemindert war, wie unmöglich ich mich auch aufführte.
Einige von uns blieben auf der Strecke, wie der Manfred, von dem Don Ralfo berichtet. Wären da geistliche Eltern gewesen, hätte manches Scheitern verhindert werden können. Aber da war niemand, der einen Ausweg geöffnet hätte.

Meine Hoffnung ist, dass wir, die Jesus-People von damals, nicht die Fehler wiederholen, die wir erlebt haben.
Zum Beispiel las ich neulich einen gehässigen Kommentar über die Jesus-Freaks, sinngemäß stand da, dass die Fäkalsprache dieser Leute ja wohl Indiz genug sei, dass sie einem "Geist von Unten" angehören würden. Ich hörte vor einigen Wochen, wie jemand nach dem Gottesdienst einem Jugendlichen mitteilte, er solle sich erst anständig kleiden, bevor er anderen von Gott erzählen will. Ich erinnere mich mit Grausen an den Kommentar "...also in meiner Bibel steht nichts von wilder Ehe" zum Bekehrungsbericht einer jungen Frau, die voller Freude erzählt hatte, wie sie und ihr Lebensgefährte Jesus kennen gelernt hatten - ohne verheiratet zu sein...

Wir brauchen in unserer postchristlichen Zeit eine Gemeinde, in der Menschen willkommen sind, so wie sie kommen. In der sie zunächst geistliche Milch, dann geistlichen Haferbrei, später geistliche Steaks oder Pizza bekommen, ob nun Harry Potter in ihrem Bücherregal steht oder nicht. Sie werden sich, Annahme und Liebe vorausgesetzt, früher oder später aus freien Stücken von ihm verabschieden. Ich hoffe, dass eine solche Gemeinde entsteht.

Mittwoch, 5. September 2007

Postchristliche Hoffnungen

Es wird langsam Zeit, dass eine christliche Gemeinde / Kirche entsteht. Die Menschen sind nicht mehr in der Lage, Christen von Ungläubigen zu unterscheiden. Meine postchristliche Hoffnung ist, dass dieser Zustand nicht endgültig bleibt.
Ein recht junges Beispiel sind Beiträge von Focus und Spiegel, die anhand einer amerikanischen Pressemitteilung geschrieben wurden. EurekAlert berichtet in der Presseerklärung dass die Psychologen unter der gesamten Ärzteschaft am wenigsten religiös sind. Hier das Original: Psychiatrists are the least religious of all physicians. Focus und Spiegel beschränken sich auf westentlich kürzere Meldungen und lassen manches weg, was eigentlich zum Verständnis der Studie wichtig wäre. Psychiater glauben am wenigsten an Gott und Psychiater glauben nicht an Gott sind die Schlagzeilen der beiden deutschen Nachrichtenmagazine. Doch ungeachtet der Verkürzungen fiel mir auch bei diesen Berichten etwas als symptomatisch auf:
Obwohl 61 Prozent aller Ärzte Katholiken oder Protestanten waren, waren es unter den Psychiatern nur 37 Prozent.

schreibt der Focus und der Spiegel meint:

So sind 39 Prozent aller amerikanischen Ärzte Protestanten, 22 Prozent Katholiken. Die Psychiater hingegen kommen laut der Studie weit weniger gläubig daher. Unter ihnen finden sich lediglich 27 Prozent Protestanten und 10 Prozent Katholiken.

Als wäre jemand Christ, weil er katholisch oder evangelisch ist. Als wäre es ein Kriterium für den Glauben an Gott, ob man als Säugling mit ein paar Tropfen lauwarmen Wassers besprenkelt wurde.

Es wird langsam Zeit, dass eine christliche Gemeinde / Kirche entsteht, in unserem Land und in anderen Ländern. Kein religiöser Verein, davon gibt es genug. Sondern die Gemeinde, von der die Bibel spricht.
...auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und des Hades Pforten werden sie nicht überwältigen.

Dienstag, 4. September 2007

Sprachlos

Gut Ding, sagt der Volksmund dem Vernehmen nach, will Weile haben. Das gilt auch oder sogar vor allem für Fragmente wie dieses und dieses.
Da die Geschichte, deren Fortsetzung wiederholt angemahnt wurde, wirklich noch nicht geschrieben ist, sind Leser wie Autor jener Muse ausgeliefert, die gelegentlich recht launisch ist. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, wann es weiter geht. Wie es weiter geht? Na ja, weder mit Gewitter noch mit Erdbeben, so viel sei verraten.

Über jene Muse, die neben akuter Zeitnot der Fortsetzung des Fragmentes wegen Abwesenheit beziehungsweise Kussunwilligkeit hinderlich ist, habe ich im folgenden Text vor ziemlich genau zwei Jahren gemutmaßt. Es handelt sich um eine Vorversion eines Textes, der - später überarbeitet - im Buch Gänsehaut und Übelkeit den Abschluss bildet. Wer es noch nicht hat, das Buch, der darf es flugs bestellen. Das Buch nicht bestellen sollten Zeitgenossen, die entweder Krimis nicht mögen oder nicht lesen wollen, wie Berlin nach dem Giftgas aussieht (und riecht) oder überhaupt nur Erbauungslektüre mögen.

Die Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte. Satzfetzen, Bruchstücke von Gedanken, Handlungsfäden, die richtungslos waren, literarische Sackgassen von erstaunlich kurzen Dimensionen waren alles, was der Autor finden konnte. Er wollte schreiben, aber er wusste nicht worüber.
Dies war in der Vergangenheit keine Hürde gewesen, die er als unüberwindlich empfunden hätte. Oft entstanden seine Geschichten aus einem einzigen Satz - entwickelten sich beim Schreiben. So waren Erzählungen entstanden, deren Verlauf und Ende ihn selbst überrascht hatten, engen Freunden sagte er dann oft, die Geschichte hätte "sich selbst geschrieben". Anderen Texten waren Überlegungen und Planungen vorausgegangen. Das Beunruhigende war jetzt, dass er zum ersten Mal, seit er zurückdenken konnte, weder einen Anfang fand noch irgendeine Vorstellung hatte, worüber er schreiben wollte.
Er sann über gelesene erste Sätze nach. The man in black fled across the desert... - hervorragend, aber nicht geeignet, denn gedanklich konnte er nichts an diese oder eine andere Flucht anschließen. Gustav Aschenbach oder von Aschenbach, wie seit seinem fünfzigsten Geburtstag amtlich sein Name lautete, hatte an einem Frühlingsnachmittag... auch keine Hilfe, denn wenn man nichts zu schreiben weiß, hat man keinen Namen, der am Anfang des Manuskriptes stehen kann. Jeden Morgen, wenn er das Funkhaus betreten hatte, unterzog sich Murke einer existentiellen Turnübung: er sprang in den Paternosteraufzug... doch woher einen Schauplatz wie das Funkhaus nehmen? Fest gemauert in der Erden steht die Form aus Lehm gebrannt... noch eine Sackgasse, aus der nur der Rückzug blieb.
Nichts wollte aus ihm heraus. Er war ein wortloser Autor. Er war ein sprachloser Schriftsteller. Der Begriff Schreibblockade tauchte mit zunehmender Häufigkeit in seinen Überlegungen auf. Er wies ihn zurück, verlachte ihn, zollte ihm keinerlei Respekt, doch ohne den gewünschten Erfolg. Aus Minuten wurden Viertelstunden, aus Viertelstunden ein schier endloser Vormittag. Schreibblockade. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.
Zum Trotz begann er, Sätze zu formen. Wie froh bin ich, dass ich hier bin! Schlimmster Feind, was ist das Herz des Menschen! Dich zu treffen, den ich so hasse... er hielt inne. Es war sinnlos, Goethe ins Gegenteil zu verkehren. Daraus würde nie eine Erzählung, die des Erzählens wert gewesen wäre. Schreibblocklade!
Die Frau im blauen Kleid floh über den Alexanderplatz und der Mechaniker folgte... mit Entsetzen betrachtete er dieses jämmerliche Plagiat und drückte erneut die Löschtaste. Schreibblockade. Du hast eine Schreibblockade.
Ich habe eine Schreibblockade. Er betrachtete den Satz und fand Gefallen an den vier Worten. Daher schreibe ich unter Nachkriegsbedingungen, leide Mangel an lebensnotwendiger Buchstabennahrung und unverzichtbarer Kapitelkleidung. Und doch werde ich überleben. Die Westmächte werden mir zu Hilfe eilen, mit Wortrosinenbombern und Satzüberlebensrationen.
Die Stirn gerunzelt las er die Zeilen, schüttelte den Kopf und schickte auch diesen Text ins unersättliche Datengrab. Die Westmächte nahmen ihn so wenig zur Kenntnis wie jene sprichwörtliche Muse, der er nie begegnet war, geschweige denn, dass er ihren Kuss auf den Lippen gespürt hätte. Oder küsste die Muse eher auf die Wange? Homer hatte eine Dreiheit von Musen gekannt, Hesiod sprach gar von neun verschiedenen Schutzgöttinnen der Künste. Mindestens drei von ihnen konnten einem Dichter zur notwendigen Inspiration verhelfen; vielleicht sollte er versuchen, Erato auf sich aufmerksam zu machen? Die Muse der Liebesdichtung ... Liebesdichtung? Erdichtete Liebe oder Dichtung über die Liebe? Und welche Liebe? Die verhinderte, die einseitige, die erfüllte, die schal gewordene, die unersättliche, die hoffnungsvolle? Wie wählte man die Liebe aus, die zu beschreiben sich lohnte?
Vielleicht konnte der weise König Salomo ihn inspirieren, ihm wenigstens einen Anfang, ein paar erste Sätze schenken? Er nahm die Bibel aus dem Regal und blätterte, bis er den gesuchten Text fand. Er küsse mich mit Küssen seines Mundes, denn deine Liebe ist köstlicher als Wein. An Duft gar köstlich sind deine Salben; ausgegossenes Salböl ist dein Name. Darum lieben dich die Mädchen ... konnte er die Bibelsprache übersetzen in einen zeitgemäßen Text? Köstlicher als Wein - das war auch heute noch verständlich. Die Sache mit dem Salböl schien schon schwieriger, doch das ausgegossene Salböl mit einem Namen zu verbinden schien ihm bereits unmöglich. Und überhaupt: Wieso stand da "er küsse mich" und im nächsten Halbsatz "deine Liebe"? Er las weiter. Zieh mich dir nach, lass uns eilen! Der König möge mich in seine Gemächer führen! Wir wollen jubeln und uns freuen an dir, wollen deine Liebe preisen mehr als Wein! Mit Recht liebt man dich ...
Erneut diese Verwirrung der Personen. "Der König" soll sie ziehen, aber "deine Liebe" ist des Rühmens wert. Er kapitulierte vor dem König Salomo und seiner Sulamith, vor dieser Liebe, die so geheimnisumwoben über acht Kapitel zu entbrennen schien und doch keine Erfüllung fand, denn schließlich bat die Liebende am Ende: Enteile, mein Geliebter, und tu es der Gazelle gleich oder dem jungen Hirsch auf den Balsambergen!
Er blickte auf die Uhr. Der viele Wein im Hohelied der Liebe brachte ihn auf den Gedanken, dass ein Glas Rotwein seine innere Verkrampfung lockern mochte. Es war 11 Uhr. Alkohol am Vormittag war ihm bisher fremd gewesen. So sollte es, befand er schließlich, auch bleiben.
Er stand auf und verließ sein Arbeitszimmer, stand dann unschlüssig im Flur. Die Küche lockte ihn nicht, er verspürte weder Hunger noch Durst. Im Wohnzimmer lud das Sofa zum entspannten Lesen ein, doch das hatte er schon in den letzten Wochen ausgiebig getan, ohne selbst eine einzige brauchbare Zeile zu schreiben. Musik hören - auch danach war ihm nicht zumute. Der Tag war nicht ungewöhnlich warm, doch fühlte er sich verschwitzt. Er ging schließlich ins Badezimmer und entledigte sich seiner Kleidung. Dann trat er unter die Dusche und überließ sich dem heißen Wasser, genoss das beinahe schmerzliche Brennen auf der Haut. Seinen verkrampften Schultermuskeln verschaffte die Hitze spürbare Erleichterung, tief atmete er die dampfgeschwängerte feuchte Luft. Er griff zum Duschgel und wusch gründlich seinen Körper, während seine Gedanken zurückeilten.
Vor nunmehr über zehn Jahren hatte seine Frau mit der Videokamera anlässlich einer Urlaubsreise das Ferienhaus aufgenommen und war just in dem Moment in das ländlich ausgestaltete Badezimmer gekommen, als er unter der Dusche stand. Sie hatte den Vorhang beiseite gezogen und ließ die Kamera langsam an seinem nassen Körper nach unten gleiten, hielt jedoch inne, bevor das Bild die Region erfassen konnte, die Dritten nicht zu zeigen war. Sie schwenkte die Kamera zurück zu seinem Gesicht und widmete sich dann weiteren Räumen ihres Domizils.
Er lächelte anlässlich der Erinnerung und schloss die Augen, um die Seife aus den Haaren zu spülen. Er verharrte noch einige Augenblicke mit geschlossenen Lidern im heißen Wasserstrahl, bevor er sich abtrocknete und das Fenster öffnete, damit die feuchte Luft entweichen konnte.
Vielleicht konnte er eine Kurzgeschichte über einen Mann in der Dusche schreiben? Eine Figur ersinnen, die wegen der Seife die Augen geschlossen hielt und nicht bemerkte, dass jemand das Badezimmer betreten hatte? Dies eröffnete zahlreiche Möglichkeiten. Von der schönen und liebeswilligen Unbekannten bis zum feindlichen Agenten, der einem Mordauftrag nachzukommen gedachte. Von der Dusche konnte die Erzählung in ein wahlweise modernes oder altertümlich eingerichtetes Schlafzimmer führen, oder nach blutigem Zweikampf die Flucht vor weiteren übel gesonnenen Zeitgenossen schildern. Natürlich konnte auch das Badezimmer der einzige Schauplatz bleiben, auf welchem sich Zärtlichkeit oder Brutalität ereignen würde.
Ohne sich anzukleiden ging er zurück zu seinem Arbeitsplatz und begann, zu schreiben: Der Mann stand mit zusammengekniffenen Augen unter der Dusche. Schaum glitt über seine Schultern am Körper hinab, das Rauschen des Wassers überlagerte das leise Knarzen der Klinke jenseits des Duschvorhangs. Behutsam wurde die Tür geöffnet und mit geräuschlosen Schritten trat eine Gestalt in den Raum. Als der Mann den Luftzug auf der nassen Haut verspürte, wischte er notdürftig den Schaum aus den Augen und blickte in ein fremdes Gesicht. Vor ihm stand
Weiter kam er nicht. Stand da eine Frau oder ein Mann? Jung oder alt? Bedrohlich oder anziehend? Schreibblockade! Du hast eine Schreibblockade.
Vor ihm stand eine junge Frau in einem leichten Sommerkleid, die mit verheißungsvollem Lächeln seine Blöße betrachtete.
Er löschte den Satz. Solch plumpe Formulierungen lagen ihm fern.
Vor ihm stand ein Herr mittleren Alters in einem tadellosen Abendanzug, der eine Pistole auf ihn gerichtet hielt.
Er tilgte auch diesen Satz und gab die Geschichte auf. Er war sprachlos. Wortlos. Satzlos. Inspirationslos. Musenlos.
Ein Spaziergang mochte Ablenkung bringen, so zog er sich schließlich wieder an und verließ ziellos das Haus. Aufmerksam musterte er die Menschen, die ihm begegneten, mochte doch aus einer zufälligen Begegnung eine Geschichte erwachsen, die zu erzählen lohnte. Ein Gesicht möglicherweise, dessen Ausdruck Rückschlüsse auf die erwartungsfrohe Stimmung zuließ, deren Grund Inhalt einer Geschichte sein konnte. Ein ungewöhnliches Bekleidungsstück, dessen Herkunft der Phantasie eine Erforschung gestattete. Ein Paar, dem die Liebe oder der Streit, deren Historie berichtenswert war, von weitem angesehen wurde. Eine einsame Person, deren Verlorenheit in der Welt er literarisch nachforschen konnte. Ein Kind, das Gedanken nachhing, die ungewöhnlich weit über sein Alter hinauswuchsen.
Er ging eine Stunde durch die Straßen, ohne dass auch nur die geringste Beobachtung ihn hätte interessieren oder gar inspirieren können.
Zurück am Schreibtisch öffnete er einige alte Dateien, überfolg sowohl gelungene als auch eher durchschnittliche Texte, die er geschrieben hatte. Doch auch das brachte ihn nicht weiter, führte nicht zu neuen Ideen oder alten Ideen, die er hätte frisch verpacken können. Im Grunde genommen gab es nicht viele Geschichten, es gab nur ein paar, die von vielen Autoren immer wieder in Variationen und mit unterschiedlichen Ausschmückungen erzählt wurden. Diese Handvoll Geschichten war nie langweilig geworden. Sicher gab es missglückte Ansätze und erbärmliche Versuche, peinliche Entgleisungen sowohl inhaltlicher als auch stilistischer Ausprägung. Daneben gab es aber die vielen hervorragenden Beispiele, wie man von der Liebe oder dem Kampf zwischen Gut und Böse berichten konnte, oder von Kombinationen dieser beiden Grundmuster. Eigentlich, überlegte er, gab es nur diese beiden Geschichten. Gut gegen Böse und die Liebe an und für sich - und das, was das Leben oder die Phantasie aus diesen Zutaten zu mischen vermochte.
Die Phantasie jedoch ließ ihn seit Wochen im Stich und das Leben mischte ebenfalls nichts, was er als Stoff für einen Text hätte erkennen können. Dabei warteten, das wusste er, zumindest seine treuen Leserinnen und Leser auf einen neuen Text. Er hatte in der Verlegenheit bereits ein Kapitel aus einem unvollendeten Buch als Auszug veröffentlicht, und dann noch ein Kapitel aus einem früheren Roman nachgeschoben, der inzwischen vergriffen war. Doch das waren Notlösungen, die ihn nicht zufrieden stellen konnten. Er wollte schreiben, aber er fand nur Dürre, wo sonst ein Brunnen der Inspiration gesprudelt hatte.
Er sah erneut auf die Uhr und befand, dass es nun angemessen spät war. Er schlenderte in die Küche, musterte das Weinregal und entkorkte schließlich eine Flasche französischen Rotwein, schenkte sich ein Glas ein und trank einen Schluck.
Dann ging er mit Glas und Flasche zurück zum Computer, öffnete entschlossen ein leeres Dokument und begann zu schreiben:
Die Finger bewegten sich nur Zentimeter über der Tastatur, doch fanden sie kein Ziel. Es mangelte an Befehlen vom Gehirn, weil dem Gehirn Worte mangelten, die niederzuschreiben sich gelohnt hätte...