Freitag, 28. August 2015

»Johannes. Und weiter?«

Jessika musterte den Fremden, der ihr immer noch freundlich schmunzelnd gegenüber saß. Was willst du von mir? Wie werde ich dich los?

»Du siehst jünger aus als ich dachte«, sagte der Mann leise, als wäre das ein mildernder Umstand. »Jedenfalls nicht wie sechsundzwanzig Jähre alt.«

»18 ‘til I die«, erklärte Jessika.

»Aha. Du hörst gerne Bryan Adams?«

»Auch. Unter anderem.«

Er zwinkerte ihr zu und meinte: »Von mir aus kannst du jung bleiben. Ich kann mir eine Jessika fortgeschrittenen Alters sowieso nicht recht vorstellen. So um die fünfundzwanzig, okay, das scheint mir irgendwie angemessen. Aber achtzehn ist denn doch zu jung …«

Clipboard01Sie griff nach der Beretta und fragte: »Bekomme ich meine Munition eigentlich irgendwann wieder? Und was willst du überhaupt von mir?«

»Ich will dich erst mal besser kennen lernen. Du bist mir noch viel zu rätselhaft. Dann sehen wir weiter.«

»Du bist mir erst recht rätselhaft.«

»Eben.«

Sie runzelte die Stirn: »Was eben? Wie eben?«

»Bevor ich übereilte Entscheidungen treffe, was aus dir werden soll, möchte ich, dass wir uns besser kennen lernen«, erklärte der Mann.

Kennen lernen? Jessika witterte ihre Chance. Beim Sex wurden alle Männer fahrlässig, unvorsichtig; und mit dem Begriff Kennenlernen meinten Männer in der Regel kaum etwas anderes als dass ihr Penis aktiv werden durfte. Diesbezüglich hatte sie einige Finessen auf Lager, vor ein paar Stunden erst war Signore Giuseppe Di Stefano in den Genuss ihrer Künste gekommen. Dass sein Herz bei diesem Kennenlernen den Pumpdienst aufgegeben hatte, nun ja, das war eine ganz andere Sache. Immerhin hatte er sich in einem Augenblick höchsten Genusses von dieser Erde verabschiedet. So wie damals ihr Bernd. Ach Bernd, wenn ich dich zurückholen könnte

»Kennenlernen finde ich gut«, antwortete sie und schenkte ihrem Gegenüber ein erstes Lächeln. »Aber gehört dazu nicht auch und zuerst, dass man einander beim Namen nennen kann?«

Er nickte zustimmend. »Meinetwegen kannst du mich Johannes nennen. Oder wie auch immer du willst, falls dir der Name nicht gefällt. Ich bin da nicht wählerisch.«

»Johannes. Und weiter?«

»Nichts weiter. Name ist Schall und Rauch, und unsren kranken Nachbarn auch, um mit Hans-Dieter Hüsch zu sprechen. Du heißt ja auch nur Jessika.«

Sie schwieg. Sie war unschlüssig, wie es nun weitergehen sollte. Was er wirklich wollte, hatte er nicht verraten, und dass es ihm nur um Sex ging, hielt sie für unwahrscheinlich. Sie wusste außerdem nicht, ob er womöglich bewaffnet war, welche anderen Personen er in sein Wissen eingeweiht haben mochte. Es war ein ungewohntes und sehr unangenehmes Gefühl für Jessika, vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben die Zügel nicht selbst in der Hand zu halten.

»Ich gehe jetzt«, sagte Johannes schließlich, als das Schweigen anhielt. »Wir sehen uns bald wieder. Die Munition findest du in deinem Nachttisch.«

Er stand auf und nahm seinen Mantel vom Bett. Jessika kalkulierte, ob sie schnell genug die Waffe laden und ihn einholen konnte, bevor er die Pension verließ. Es war unwahrscheinlich. Außerdem wollte sie nach wie vor jedes Aufsehen vermeiden, wenn es irgend ging. Sie musste auf eine andere Gelegenheit warten, bei der sie besser vorbereitet sein würde.

Johannes setzte seinen Hut auf und streckte ihr die Hand entgegen.

»Gute Nacht, Jessika.«

Zögernd stand sie auf und reichte ihm die Hand. Sie blickte in seine Augen, die noch immer freundlich und auf sonderbare Weise vertraut wirkten. Sein Händedruck war fest. Er nickte ihr noch einmal zu und verließ dann das Zimmer. Die Tür zog er hinter sich zu.

Jessika stellte sich ans Fenster und sah ihn kurz darauf durch die Grünanlage in Richtung Via Giuseppe Verdi verschwinden. Er blickte sich nicht um. Sie hätte ihn vom Fenster aus erschießen können.

»Wir werden sehen«, murmelte sie, »wer von uns beiden am Ende seelenruhig davonschreitet. Noch ist nicht aller Tage Abend, Johannes. Oder wie immer du auch wirklich heißt.«

Sie setzte sich auf ihr Bett und öffnete die Schublade des Nachttisches. Die Patronen lagen neben der obligatorischen Gideon Bibel. Unter der Bibel sah sie einen Umschlag. Danke für den Gruß, stand darauf geschrieben. Sie nahm den Umschlag in die Hand und öffnete ihn. Einen Moment lang wusste sie nichts mit dem anzufangen, was sie sah: Eine Postkarte, die eine sonnendurchflutete Landschaft zeigte. Sie drehte die Karte um und erblickte ihre eigene Schrift.

Liebe Grüße, Jessika stand unter einem roten Herz.

Entgeistert starrte sie die Postkarte an.

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Wer mehr über Jessika oder mit wem sie sich da warum unterhält wissen will, darf sich gerne die Lektüre besorgen:

Taschenbuch, 190 Seiten; € 8,83 als gedruckte Ausgabe; € 3,51 als E-Book für den Kindle
ISBN-13: 978-1508936626 / ISBN-10: 1508936625;

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Foto der Waffe: „Beretta950JetfireandClip-Shut“ von AuburnPilot - Eigenes Werk. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.

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Donnerstag, 27. August 2015

Ihr Menschen, ihr sagt solche Sachen!

Jessika war bleich, in sich zusammengesunken. Sie starrte auf das Wasser. Ihre Hände waren zu Fäusten verkrampft.

»Die Kinder, die machen mir meine Aufgabe zur Last«, sagte sie schließlich. Es waren ihre ersten Worte, seit wir den černá věž hinter uns gelassen hatten.

»Warum hast du das Mädchen nicht am Leben gelassen?«, fragte ich.

»Dann hätte Jana, so hieß die Kleine, ihre Schmerzen noch ein halbes Jahr lang aushalten müssen, vielleicht noch länger, immer schlimmer, immer unerträglicher, bis sie dann irgendwann qualvoll an ihrem Gehirntumor gestorben wäre.«

»Hat sie dir das erzählt?«

jessika front cover»Nein. Das wusste ich schon, als ich sie in den Arm nahm. Fast immer, wenn ich einen Auftrag habe, sehe ich beim Kontakt den Anlass. Sie hat mir nur gesagt, dass sie auf den Turm gestiegen ist, um sich in die Tiefe zu stürzen. Aber der Mut hatte sie verlassen, weil man ihr gepredigt hat, dass Selbstmörder in der Hölle landen. Das Leiden hier abzukürzen, um dann eine Ewigkeit in einem feurigen Pfuhl zu schmoren, das konnte sie nicht schaffen.«

Ich war entsetzt. »Wer sagt denn so etwas zu einem Kind?«

Jessika sah mir in die Augen. »Ihr Menschen, ihr sagt solche Sachen.«

»Ich nicht. Niemals.«

»Ihr Menschen, ihr sagt solche Dinge. Ihr steuert auch Flugzeuge in Hochhäuser, baut Konzentrationslager, erfindet Waffen, die ihr gar nicht kontrollieren könnt. Ihr lasst Sklaven schuften und daran zugrunde gehen, auch heute noch, in fernen Ländern, damit ihr billige Textilien in euren Geschäften habt. Ihr lasst in Afrika Menschen verhungern und kippt hier tonnenweise Lebensmittel auf den Müll. Und zur Beruhigung bastelt ihr euch ein Bild von Gott, ob er nun Allah heißt oder Jehova, Zeus oder Krishna, das es sanktioniert oder sogar gebietet, so zu handeln. Damit seid ihr dann nämlich die Verantwortung los. Ganz billig. Zu billig!«

Ich sah keinen Anlass, zu widersprechen. Das abgedroschene Argument, dass man nicht alle in einen Topf werfen kann, dass es immer Menschen gegeben hatte, die nicht mitmachten, die sogar aufbegehren, war für diesen Moment viel zu schal. Die Menschheit hatte über Jahrtausende bewiesen, dass sie zu einem friedlichen und gerechten Miteinander nicht fähig war. Nicht willens war. Ich schwieg.

Jessika streckte die Hand ins Wasser, ein Entenküken paddelte eilig herbei. Sie nahm das kleine Wesen behutsam heraus. Endlich sah ich wieder ein Lächeln in ihrem Gesicht. Sie strich dem Küken mit den Fingerspitzen über den Kopf, flüsterte ihm etwas zu und ließ es wieder in den Fluss gleiten.

»Ihr habt Gott nie verstanden«, fuhr sie fort, »aber das ist euch nicht einmal vorzuwerfen. Das kleine Entenbaby versteht mich ja auch nicht, wenn ich ihm etwas ins Ohr sage.«

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Wer mehr über Jessika oder mit wem sie sich da warum unterhält wissen will, darf sich gerne die Lektüre besorgen:

Taschenbuch, 190 Seiten; € 8,83 als gedruckte Ausgabe; € 3,51 als E-Book für den Kindle
ISBN-13: 978-1508936626 / ISBN-10: 1508936625;

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    Mittwoch, 26. August 2015

    Jessika ist da.

    Taschenbuch: Kindle:

    Früher …

    abc… gab es »Druckfahnen« von der Druckerei und »Aushänger« vom Verlag, wenn man als Autor die Freigabe für ein neues Buch erteilen sollte.

    Heute gibt es ganz viele Nullen und Einsen – aus mehr besteht ja eine Computerdatei nicht. Solche Nullen und Einsen sind schneller hin- und hergeschickt als Druckfahnen und Aushänger, außerdem spart man Papier (wodurch der Baumbestand geschont wird) und kein LKW muss Dieselkraftstoff verbrennen, um die Unterlagen vom Verlag zum Autor und wieder zurück zu transportieren.

    Andererseits: Je weniger Papier verbraucht wird, desto gefährdeter sind die Arbeitsplätze in der Papierindustrie, von den LKW-Fahrern und –Herstellern ganz zu schweigen.

    Alles hat zwei Seiten, sogar eine Druckfreigabe.

    Wie auch immer: Jessika kommt. Unaufhaltsam. Ich habe freigegeben.

    Und selbstverständlich erfahren meine geschätzten Blogbesucher dann auch, ab wann das Buch lieferbar ist.

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    Montag, 24. August 2015

    Vom Rumflattern und vom Nestbau

    Es ist, dachte ich mir, mal wieder an der Zeit, meine treuen Leser an meiner gesundheitlichen Entwicklung teilhaben zu lassen. Dass davon länger nicht die Rede war, abgesehen von einer kurzen Notiz bezüglich der letzten Krebsnachsorgeuntersuchung, ist durchaus als gutes Zeichen zu verstehen: Es gab und gibt keine besorgniserregenden Symptome oder Ergebnisse. Das heißt, dass es mir gut geht, und es gibt Grund genug zur Freude und Dankbarkeit.

    Nun ist das mit dem »gut gehen« wie so vieles im Leben relativ. Gerade die Leser, die selbst vom Krebs betroffen sind oder Krebspatienten unter den Verwandten und Freunden haben, wissen um diese Relativität. Dass es mir gut geht, heißt nicht, dass die Schäden und deren Folgen durch den Krebs, die beiden Operationen und die Chemotherapie verschwunden wären. Das ist nicht der Fall und auch nicht zu erwarten. Ein um die Hälfte verkürzter Dickdarm wächst nicht nach. Durch Chemotherapie zerstörte Nervenzellen werden nicht - oder nur sehr langsam - ersetzt, diesbezüglich forscht die Wissenschaft noch fleißig. Das durch die Krebserkrankung ausgelöste Fatigue Syndrom ist hartnäckig, die meisten Mediziner gehen davon aus, dass eine Heilung auch bei langjähriger Krebsfreiheit nicht möglich oder sehr unwahrscheinlich  ist.

    Würde ich also fortwährend betrachten, was nicht in Ordnung ist, hätte ich schnell einiges zusammengestellt, worüber ich klagen könnte. Statt dessen richte ich aber meine Achtsamkeit viel lieber auf all das, woran ich mich erfreuen kann. Und das ist immer noch, trotz der unleugbaren Schäden, jeden Tag eine ganze Menge.

    Clipboard01Es lässt sich nicht verhindern, soll Martin Luther sinngemäß gesagt haben, dass die Vögel (womit er dunkle Sorgen und Ängste gemeint haben soll) den Kopf umkreisen. Das heißt aber nicht, dass sie auch ein Nest bauen dürfen.

    Ich kann es nicht verhindern, dass oft unvermittelt und ohne erkennbaren Anlass Ängste auftauchen:

    • Demnächst habe ich Geburtstag. Von den geladenen Gästen habe ich mir gewünscht, dass sie, soweit sie mich beschenken möchten, Amazon-Gutscheine oder Bargeld wählen, damit ich mir einen langjährigen größeren Wunsch erfüllen kann: Ein spezielles Objektiv für meine Kamera. Als ich beim Schreiben der Einladungen war, kam prompt der Gedanke angeflogen: Lohnt sich das denn überhaupt noch? Vielleicht bist du ja bald tot und hast dann gar nichts mehr davon.
    • In den nächsten Monaten möchte ich mich, da der Roman »Jessika« jetzt endlich fertig ist (und Anfang September erhältlich sein wird), einem weiteren Buchprojekt widmen. Und prompt flatterte, als ich darüber nachdachte und die ersten Vorbereitungen erledigte, der Gedanke herbei: Das wird ja sowieso nicht zu deinen Lebzeiten fertig. Warum willst du dir die Mühe machen?
    • Beim Aufwachen vor ein paar Tagen meinte ich (wohl ein Restüberhang aus einem Traum), im Krankenhaus zu liegen und auf eine Lungenoperation zu warten, weil bei einer Röntgenkontrolle Metastasen entdeckt wurden.

    Ja, so sind sie, die Vögel der dunklen Sorgen und Ängste. Sie kommen angeflogen, ohne dass man sie eingeladen hätte. Es hat keinen Sinn, ihr Flattern und Kreisen zu leugnen. Wer einmal an Krebs erkrankt war, wird solche Gedanken vermutlich nicht mehr oder nur sehr langsam los. Aber ich kann wirklich verhindern, dass derartiges Federvieh sich häuslich einrichtet und bequeme Nester baut, indem ich mich in solchen Momenten immer wieder bewusst entscheide, mich positiven Gedanken zuzuwenden. Denn es gibt Grund genug, Grund in Hülle und Fülle, dankbar und froh zu sein.

    Und dann fliegen sie in der Regel auch zügig wieder davon, die Sorgenvögel.

    Foto von rgbstock

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    Samstag, 8. August 2015

    Freude und Dankbarkeit … wieder einmal!

    Wäre ich ein Freund der leider unsäglich zahlreich gewordenen Anglizismen, die oft genug zum Denglisch verkommen, würde ich diesen Beitrag »Update« nennen. Statt dessen hat er eine Überschrift bekommen, die zusammen mit dem Foto eigentlich schon eine Menge aussagt, zumindest für meine treuen regelmäßigen Blogbesucher.

    2015-08

    Auch bei der Nachsorgeuntersuchung am gestrigen Freitag hat mein Arzt wieder keinerlei Anzeichen für Rezidive gefunden – seit nunmehr rund zwei Jahren ist mein Körper frei von Krebs. Das ist Grund zur Freude für uns beide und zur Dankbarkeit für die verliehene Gesundheit.

    Die Blutwerte sind so vorbildlich wie nie zuvor seit im März 2012 der Darmkrebs gefunden und operiert wurde. Auch die Leber hat sich inzwischen vollständig von der Operation im Oktober 2013 erholt.

    Das hat eine Menge mit der krebsfeinlichen Ernährung [Blogbeitrag 1 / Blogbeitrag 2] und dem regelmäßigen Ausdauersport [Einer von vielen Beiträgen] zu tun, aber letztendlich weiß ich, wissen wir, dass es keine Garantie gegen den Krebs gibt und dass ich mir die anhaltende Gesundheit nicht irgendwie verdienen oder erkaufen kann. Sie bleibt ein Geschenk und dafür sage ich gerne und aus tiefstem Herzen: Gott sei Dank!

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