Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, behauptet der Volksmund. Manchmal dauert es allerdings ein wenig, bis sich Gewohnheiten entwickelt haben. Gestern beim Wochenendeinkauf im Supermarkt an der Kasse griff ich ganz selbstverständlich nach der Packung Tiefkühlspinat, um sie auf das Band zu legen … einen lauten Schmerzensschrei konnte ich gerade noch zurückhalten (es wurde ein vernehmliches Stöhnen daraus), als meine Hand behauptete, ich hätte in eine offene Flamme gegriffen oder etwas ähnlich törichtes angestellt.
Meine Onkologin in der Rehabilitationsklinik konnte mir am Mittwoch, als ich wieder in der Lage war, am Programm teilzunehmen, leider, was das Kälte-Schmerz-Syndrom betrifft, keine großen Hoffnungen machen. Sie war (wie ich selbst) überrascht, dass der Nervenschaden so schnell und so vehement eingetreten ist. Es kann, so meinte sie aus langjähriger Erfahrung, eigentlich während der sechs Monate nur schlimmer werden, bestenfalls gleich bleiben, aber eine Besserung während der Behandlung ist nicht zu erwarten.
Nun gut. Ich habe ja Zeit, was das Berühren kühler Gegenstände betrifft, zum Gewohnheitstier zu werden. Zu Hause klappt das schon ganz gut. Neben dem Kühlschrank hängt ein Geschirrhandtuch, mit dessen Hilfe ich zugreifen kann, Joghurt wird etwa eine Stunde vor dem geplanten Verzehr aus dem Kühlschrank genommen, in den Saft zum Frühstück kommt ein Schuss heißes Wasser …
Am Mittwoch, dem Tag 3, ging es mir abgesehen von den Kälteschmerzen und Restschmerzen im rechten Arm recht passabel. Und was den Arm betrifft, so erfuhr ich von meiner Ärztin, dass der Schmerz keineswegs normal oder zu erwarten ist. Es handelte sich offensichtlich um eine Paravasation - fälschlicherweise ist wohl ein wenig Chemie nicht in die für die Infusion vorgesehene Vene gelaufen, sondern in das umgebende Armgewebe. Womöglich ist etwas verrutscht, als ich mit der Infusion im Arm zur Toilette unterwegs war … bei der nächsten Infusion soll ich mich jedenfalls sofort melden, wenn ich bemerke, dass da etwas brennt oder schmerzt.
Am Donnerstag, dem Tag 4, stellte sich dann Übelkeit ein. Darauf war ich vorbereitet, hatte zwar gehofft, verschont zu bleiben, aber was nicht ist, ist eben nicht. Ohne Übelkeit würde ich mir die Einnahme weiterer Medikamente neben dem chemischen Kampfstoff gegen den Krebs ersparen können – aber andererseits muss, brauche und soll ich die Übelkeit gar nicht bis zum Erbrechen anwachsen lassen, denn das würde zu einem weiteren Gewichtsverlust führen. Ich habe seit Beginn der Chemotherapie, obwohl ich reichlich esse und mich bisher kein einziges Mal übergeben musste, schon wieder 1,5 Kilogramm abgenommen. Am kommenden Montag werde ich hoffentlich von meiner Ärztin erfahren, ob und wie ich gegensteuern kann. Vielleicht reguliert der Körper das auch irgendwie ohne weitere Hilfestellung?
Der gestrige 5. Tag, Freitag der 11. Mai, brachte ab Nachmittag dann noch leichten Durchfall in den bunten Strauß der Nebenwirkungen hinein, hoffentlich nur vorübergehend. Heute morgen (Samstag) ist davon bisher nichts zu spüren und auch die Übelkeit scheint sich bisher ohne Medikamente irgendwo im Hintergrund aufhalten zu wollen. Mal sehen, wie es nach dem Frühstück weiter geht.
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