Der Baum begann sein Dasein als unscheinbarer Spross, der mit einigen Blättern aus der Erde hervorbrach. Man vermochte noch nicht mit Sicherheit zu sagen, ob da Unkraut wuchs oder ein guter Baum.
Umgeben von größeren Bäumen, geschützt auf seiner Lichtung, wuchs er dem Licht entgegen. Er wurde größer und stärker, wobei er zwar seine Biegsamkeit mehr und mehr verlor, aber die Festigkeit des Stammes konnte nun den Stürmen widerstehen, die ihn zuvor niedergebeugt hatten, ohne zu zerbrechen.
Er gedieh und gab bald seinerseits Schatten, Schutz, Obdach für Tiere und Pflanzen. Er war wichtig in diesem Mischwald, denn er hatte ganz spezielle Eigenschaften, die andere Bäume nicht hatten. Manche Tiere brauchten ihn, andere brauchten andere Bäume. Er gedieh und schien in seiner Größe und Pracht unbezwingbar, überragte viele andere. So manche Unwetter zogen über ihn hinweg, ohne dauerhaften Schaden anzurichten.
Der Baum wurde alt. Unter seinem Geäst brachen neue Sprösslinge aus dem Boden, denen er das Licht streitig machte, Nährstoffe entzog, Wasser wegsaugte. Eines Tages stürzte er, innerlich morsch geworden und unbeweglich in seiner Erstarrung, weil ein Windstoß ihn traf. Ein Windstoß, der ihn in der Blüte seines Lebens nicht einmal hätte erschüttern können.
Nun war Licht, Wasser, Nahrung, Platz für die jungen Bäume da. Er hatte seinen Zweck erfüllt, jetzt war ihre Zeit gekommen. Zuerst noch unstet, hierhin und dorthin gebeugt, noch nicht fähig, den Tieren gleichen Schutz und Heimat zu bieten wie der alte Baum - aber sie wuchsen und wurden kräftig, wie einst der Baum, unter dessen Dach sie aus der Erde gebrochen waren.
Die Gemeinde A. in der Stadt B. begann ihr Dasein als unscheinbare Versammlung, die sich mit einigen Gläubigen zusammenfand…
2 Kommentare:
Prophetische Poesie?
Womöglich ja. Oder Beobachtung dessen, was vor sich geht?
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