Was war zuerst da? Eine etwas abgedroschene Frage. Drauf gebracht hat mich ein Beitrag beziehungsweise die darauf folgende Diskussion beim Wegbegleiter.
Menschen sitzen in einem Internet-Café und haben nur Augen und Ohren für ihr Notebook, bemerken und beachten nicht die übrigen Gäste, die übrigens genauso auf ihren eigenen Bildschirm fixiert sind. Ein Café sollte doch ein Ort der Geselligkeit, des Austausches sein, meint mancher und schiebt die Schuld an der offensichtlichen Vereinsamung und Vereinzelung der Menschen auf die Technik und das, was damit möglich wurde.
Was aber war zuerst da? Das Huhn in Gestalt von Internetforen, sogenannten sozialen Netzwerken, Spielen und anderen Angeboten oder das Ei, der diese Möglichkeiten nutzende Mensch?
Ich bin überzeugt, dass das eine ohne das andere nicht funktioniert. Wo kein Bedarf ist, wird ein Angebot früher oder später verschwinden. Wo kein Angebot für den Bedarf existiert, wird es zügig entstehen.
Die Frage, ob das Internet die Vereinsamung fördert, muss sicher individuell beantwortet werden. Ein Eigenbrötler wird durch Netzwerke oder Foren kaum im »richtigen Leben« zum geselligen Menschen werden. Wer nicht in der Lage ist, Zeit mit seinen Nachbarn, Bekannten und Verwandten zu verbringen und zu genießen, der wird durch 200 »Freunde« bei Facebook nicht weniger einsam als er schon ist. Wird er aber noch einsamer? Kaum.
Der aktive, kommunikative Mensch dagegen wird durch Internetangebote nicht vereinsamen, sondern sie als Bereicherung betrachten. Und er wird beizeiten den Computer ausschalten, die Schuhe anziehen und sich unter die »echten« Menschen begeben, da er zu unterscheiden weiß zwischen Freundschaft und Vernetzung.
Man kann sich ins Internet vergraben, genauso wie in Bücher und Zeitschriften oder Fernsehprogramme, Schallplatten und CDs, zweifellos. Aber ist das der Literatur, den Herausgebern, Fernsehsendern oder den Musikern anzulasten?
Ich meine, nein. Was meinen die geschätzten Blogbesucher?
8 Kommentare:
Ich meine dasselbe. Oder meinetwegen auch das Gleiche. Ich kann das nicht unterscheiden, das ist meine persönliche Variante der Rechts-Links- oder Grün-Rot-Schwäche.
Huhu!
Mit demselben Argument redet sich auch das Fernsehen und die Werbung raus - ach, wieso, wir sind doch unschuldig, wir bedienen doch nur die Interessen der Menschen. Aber beide haben auch prägende Funktion! Natürlich reagieren sie auf bereits vorhandene Sehnsüchte oder auch Schieflagen der Zuschauer - aber sie verstärken sie eben massiv. Und somit sind sie meines Erachtens mit in der Verantwortung. Natürlich ist auch der Seher solcher Programme kein reines Opfer! Insofern ist es wohl eine sich gegenseitig verstärkende Spirale. Auch beim Internet. Da es aber so etwas wie Onlinesucht gibt und ich genug Jugendliche kenne, die längst ihre (vorher vorhandenen!) realen Beziehungen nur noch virtuell weiter führen und 3-4 Stunden pro Tag in StudiVZ verbringen, kann ich das nicht achzelzuckend hinnehmen und gutheißen nach der Mache: so ist das hat, die waren vorher schon anfällig. Gerade Kinder und Jugendliche sind noch formbar und prägbar - und das nutzen Medien und sind in der Verantwortung.
Kurz: wenn ein Kind nur Schrott frisst, wird es nicht zum Genießer. Ist das nun das Kind schuld, oder die Verantwortlichen für das Kind?
Nachtrag: beim Frühstück hat es weiter gearbeitet...;-D. Wahrscheinlich ist die Problematik noch eine Ebene tiefer angesiedelt. Ein reifer, reflektierter und erwachsener Mensch wird so handeln können, wie du es beschreibst, er wird nicht nur Medien verändert oder verdorben. Doch leben wir in einer zunehmen infantilen Gesellschaft, in der viele Erwachsene genau das nicht mehr können, reflektieren und Nein sagen zu ihren Impulsen aufgrund einer höheren Motivation. Ich habe auch durchaus Bereiche, in denen mir das schwer fällt. Diese Erwachsenen reagieren also kindlich und damit hochgradig verführbar auf Medien... sind diese Menschen zu schützen? Müssen sie sich selbst schützen - auch wenn sie es nicht mehr können? Ich habe kein Patentrezept...
Im Grunde genommen hat dann bereits die Erziehung bei solchen infantilen Menschen versagt, also das Elternhaus eine Generation zuvor? Die Schulen? Vermutlich.
Kann man, muss man diese Menschen also vor sich selbst schützen, indem man ihnen das wegnimmt, womit sie ihren Tag verplempern? Sei es nun das Internet oder die Privat-TV-Sender... - ich glaube, das würde nicht gelingen.
Wenn eine Veränderung möglich ist, dann muss die im Inneren des Menschen beginnen und sich dann auf das Verhalten auswirken.
Man kann aber doch nicht dem Knollenblätterpilz die Schuld geben, oder dem Schöpfer des Knollenblätterpilzes, wenn jemand am Pilzgericht zugrunde geht.
Puh, also dürfen Medien schamlos jede Schwäche des Menschen ausnutzen und man kann immer noch sagen: selber schuld, lieber Mensch? Auf die Spitze getrieben könnte man mit der Argumentation Pornos im öffentlich-rechtlichen zeigen, denn jeder ist ja wohl reif genug, sie nicht anzuschauen! Sorry - aber ich finde es wichtig, beide Seiten im Blick zu haben. Medien sind nicht moralisch neutral (so scheint fast deine Wertung zu sein), sondern werden Grenzen und Abgründe des Menschen immer schamlos erweitern und ausnutzen.
Nee, so nun auch wieder nicht. Das sei ferne! Es gibt mit gutem Grund moralische und ethische Werte einer / unserer Gesellschaft.
Womit wir wieder bei Henne und Ei sind: Werden die aufgeweicht und ungültig, weil die Menschen so sind oder sind die Menschen so, weil Werte verloren gehen?
Beides - sag ich doch, hihi...;-D. Im Prinzip steckt dann auch die Frage dahinter: haben sowas wie die 10 Gebote auch einen Wert jenseits des Glaubens und über die Glaubenden hinaus? Ich denke ja, auch wenn sie keinen Glauben erzeugen und vielleicht sogar aus falschen Motiven gehalten werden (zum Beispiel aus Angst vor Strafe), haben sie dochSchutzfunktion und Sinn und Berechtigung...
Wünschenswert und das Ziel jedoch ist immer die Herzensveränderung des Einzelnen, absolut!
Der Spiegel hat einen interessanten Beitrag zum Thema.
Verlust der Phantasie
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