Sonntag, 9. März 2008

Im Sachsenland...

...fanden wir eine malerische Altstadt in Zwickau.

...ist auch das Englisch, wenn man es vorfindet, anders als sonstwo. Wir würden sagen: »Free as a bird.« Die Sachsen formulieren abweichend:

...hat man auch ganz bezaubernden Fassadenschmuck zu bieten. Zum Beispiel diese drei amerikanischen Gesellen:

...fand ich aufmerksame Zuhörer bei meiner Lesung. Sie waren eher spärlich erschienen, was die Anzahl betrifft, aber die Gespräche im Anschluss zeigten mir, dass zugehört und mitempfunden wurde.


Ich komme gerne einmal wieder nach Sachsen, denn die Menschen, die ich kennen gelernt habe, waren ausnahmslos sehr liebenswürdige, freundliche und wunderbare Zeitgenossen. Vom Personal in der Pension über die Kellnerin im Restaurant und die Veranstalter meiner Lesung bis zu den Zuhörern ein herzliches Dankeschön von mir. Ich habe mich wohl gefühlt.

Freitag, 7. März 2008

Türme, Schwäne und ein Mohr

Am Wochenende bin ich in der Stadt, deren Wappen um 1500 drei Schwäne, drei Türme und einen Mohren zeigte, um vorzulesen. Daher bleibt der Blog sich selbst überlassen. Ich wünsche allerseits ein schönes Wochenende und bin gespannt, ob bei der Lesung vielleicht sogar Blogbesucher auftauchen. Wenn ja: Gebt Euch ruhig zu erkennen, ich würde mich freuen.

Hier nochmal Zeit und Ort: Veranstalter ist Lightbound in Zwickau, Beginn 19 Uhr in der Rudolph-Breitscheidt-Str. 11, 08112 Wilkau-Hasslau. Dort findet man sicher leicht das Diakonat der Michaeliskirche. Der Ort Wilkau-Haslach liegt südlich von Zwickau, über die E441 gut zu erreichen. Ich bin gespannt und freue mich auf die Lesung.

Die eingeschränkte Allmacht

Gott ist allmächtig, aber er kann nicht tun, was er will. Eine gewagte These? Nein, eine biblische Tatsache. Mit dem scheinbaren Widerspruch zwischen dem souveränen Gott und der Tatsache, dass sein Wille nicht geschieht, beschäftigt sich Storch am Beispiel von Heilung (=Gottes Wille) und Krankheit (=tatsächlicher Zustand).

Der Zustand der Welt ist keine Offenbarungsquelle für uns, sondern ein Auftrag. Wir sind nicht hier, weil Gottes Wille geschieht, sondern damit er geschieht. Gottes Absichten sind klar, im Himmel wird es wieder mindestens so gut sein wie im Paradies. Da wird sein Wille völlig geschehen, hier aber nicht. Würde Gottes Wille hier immer geschehen, müssten wir im Vaterunser nicht beten, dass er geschehen soll! Was hätte es für einen Sinn, für etwas zu beten, was sowieso immer passiert?
Tatsächlich entspricht sehr wenig von dem, was in dieser Welt geschieht, Gottes Willen. Das meiste entsteht aus der Entscheidung der Menschen und nicht, weil Gott es so will. Es wäre absurd, hinter allem, was geschieht oder nicht, immer Gottes Willen zu vermuten. Psalm 115,16 sagt:

Der Himmel ist der Himmel des HERRN, die Erde aber hat er den Menschenkindern gegeben.

Aus dem Zustand dieser Welt kann man recht gut auf den Charakter ihrer Besitzer, der Menschen, Rückschlüsse ziehen, denn ihr Wille geschieht hier. Zusätzlich ist auch noch der Teufel der „Gott dieser Welt“ (2.Korinther 4,4). Nicht Gott lässt den Hunger in der Welt zu, sondern die Menschen. Nicht Gott trägt die Verantwortung für Krankheit, sondern eine Kirche, die den Heilungsdienst seit Jahrhunderten sträflich vernachlässigt, obwohl Gott ihr den Auftrag dazu gab. Es ist unser Auftrag, dafür zu beten und zu arbeiten, dass Gottes Wille hier immer mehr umgesetzt wird, bis Jesus wiederkommt.

Ich möchte noch eine Bibelstelle nennen, die völlig klar macht, dass Gottes Wille nicht ausschlaggebend dafür ist, was hier passiert:

(Gott) will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. (1.Timotheus 2,4)

Offensichtlich passiert das nicht. Obwohl Gott will, dass jeder gerettet wird, wird nicht jeder gerettet, denn es gibt einen Teil, den der Mensch dazu beitragen muss. Er muss die ausgestreckte Hand annehmen, die Gott ihm entgegenhält. Heißt das, dass Gott nicht allmächtig ist? Nein, er könnte alles anders machen und jeden Menschen zwingen, seinen Willen zu tun, aber er tut es nicht. Der freie Wille begrenzt Gottes praktische Allmacht. Das ist eine der Grundtatsachen des christlichen Glaubens. Alles andere wäre islamische Schicksalsgläubigkeit.

Hier geht's zum kompletten Text mit dem etwas sperrigen Titel: Zwei Bereiche, die dem Heilungsdienst im Wege stehen I - Gottes Souveränität

Der Traum von Salz und Licht

Noel Richards wurde von der Redaktion der Zeitschrift »Come« vor der Veranstaltung »Calling all Nations« im Berliner Olympiastadion gefragt, welche Impulse er sich für die deutsche christliche Musikszene erhoffe. Seine Antwort überraschte manchen Leser, denn eigentlich war sie ein Widerspruch zum Gedanken, der christlichen Musikszene Impulse geben zu wollen.
Manchmal setzen wir das Wort »christlich« vor bestimmte Wörter und schaffen so eine Art Subkultur. Viel lieber wäre es mir, wenn Christen zum Mainstream in der Kunst- und Musikkultur durchbrechen würden. Es gibt in Deutschland viele christliche Verlage und Produzenten … die machen ihre Sache wirklich gut. … Sie werden gebraucht, um die Bedürfnisse der Menschen innerhalb der Kirchen wahrzunehmen. Aber wir sollten darüber nicht vergessen, den Blick nach draußen zu richten … Christen ermutigen, das fromme Ghetto zu verlassen.

Noel Richards sprach von »Subkultur«. Ich meine, dass in vielen Kirchen und Gemeinden sogar eine christliche Parallelgesellschaft existiert, die wenig oder keine Berührungspunkte mit unserer Umgebung kennt. Wir haben christliche Romane, christliche Musik aller Geschmacksrichtungen und christliches Spielzeug, sogar christliche Kleidung und vieles mehr. Es gibt biblische Kochbücher genauso wie Kerzen mit Bibelsprüchen und christliche Kugelschreiber oder Notizbücher. Christliche Internetseiten, Foren und Chaträume sind Legion, auch christliche Frauen- und Männerzeitschriften oder Nachrichtenmagazine muss man nicht lange suchen. Manches ist missionarisch gemeint. Aber wer nimmt außerhalb unserer Parallelgesellschaft Notiz davon?

Anders gefragt: Würde den Menschen in unserer Nachbarschaft irgend etwas fehlen, würden sie es überhaupt bemerken, wenn unsere Gemeinde / Kirche plötzlich nicht mehr da wäre? Wäre da eine Lücke im gesellschaftlichen, kulturellen, politischen Leben? Oder würde alles ohne uns Christen genau so weiterlaufen wie bisher?

Die Parallelgesellschaft hat sich etabliert, um die Gläubigen vor der bösen Welt zu schützen, um ihnen saubere und sündlose Alternativen zu bieten. Die Gemeinschaft der Gläubigen wurde zu einer Burgfeste, die es zu verteidigen gilt. Und je länger der Kriegszustand gegen die Welt dauert, desto mehr entfernt sich das Salz aus der Welt. Um so mehr ist das Licht ausschließlich in der Burg sichtbar.

Die Kleinstadtgemeinde, in der ich als junger Christ zu Hause war, veranstaltete einmal im Jahr eine Evangelisationswoche. Ein Prediger wurde eingeladen, Handzettel gedruckt und verteilt, ein Rahmenprogramm gestaltet und dann sollten die Menschen in Scharen in den Gemeindesaal strömen und sich bekehren. Sie strömten nicht, sie tröpfelten höchstens. Die meisten Besucher bekehrten sich nicht, sondern wunderten sich und gingen wieder. Von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen.

Viele Christen verstehen heute noch immer ihren Auftrag genau so und nicht anders. Die Gemeinde ist für sie eine Burg, in die man einlädt, weil da das Licht und das Salz zu finden sind. Samt christlicher Musik, christlichen Finanzkursen, christlichen Fahrradausflügen, christlichen Büchern und christlichen Jugendgruppen. Evangelistische Abende oder Wochen werden durchgeführt, die Gemeindeglieder gedrängt, doch Nachbarn und Kollegen einzuladen, mitzubringen in die sichere Burg. Das Problem wird heute immer deutlicher: Die Nachbarn und Kollegen kommen nicht. Oder sie kommen nicht wieder, weil sie nur Befremdliches erlebt haben.

Jesus hatte keinen Gemeindesaal. Die Jünger bauten keine Kirche. Paulus druckte keine Handzettel. Petrus predigte nicht im Rahmen einer Evangelisationswoche.

Natürlich stimmt es: Jesus lehrte am Sabbat in der Synagoge, die erste Generation der Gemeinde war im Tempel anzutreffen. Natürlich stimmt es, dass die Gläubigen auch heute noch einen Ort, einen Rahmen brauchen, wo sie zusammen Gott loben, aus der Bibel lernen, ihre Fragen stellen und gemeinsame Lasten tragen sowie sich miteinander freuen können. Jesus nahm sich immer wieder Zeit, um mit seinen Jüngern auszutauschen, sie zu lehren, ohne dass diejenigen dabei waren, die noch nicht zum Kreis der Gläubigen zählten. Die Gemeinde der Apostelgeschichte versammelte sich zum gemeinsamen Gebet, Austausch, Lob Gottes und zur Lehre.

Selbstverständlich ist der Gottesdienst, ob nun im Gemeindesaal, der Kirche oder sonst irgendwo, zu hundert Prozent notwendig und richtig. Aber wenn sich das Gemeindeleben darin erschöpft, sich in der sicheren Burg zu versammeln, höchstens noch zu bestimmten evangelistischen Gelegenheiten dazu einzuladen, in die heiligen Hallen zu kommen und sich zu bekehren, dann kann von Salz und Licht nicht die Rede sein. Dann spielt es für die Nachbarschaft, ob nun Dorf oder Stadtviertel, keine Rolle, ob es die Gemeinde vor Ort gibt oder nicht. Dann ist der lokale Kegelverein wichtiger für die Nachbarn als die lokale Kirche.

Wo sind die Kirchen- und Gemeindevorstände, die es wagen, ihre Burgfeste einzureißen? Die nicht einen größeren sakralen Versammlungssaal planen, sondern einen Ort, an dem die Nachbarn sich zur Freizeitgestaltung treffen, die Kinder nach der Schule Hilfe bei den Hausaufgaben finden, die Armen Speise oder Kleidung bekommen, die kulturell interessierten Mitbürger Kammermusik, Blues- oder Jazz-Sessions oder literarische Lesungen veranstalten, und das alles ohne frommen Unterbau und christliche Stempel?

Ich träume von einer Gemeinde Jesu Christi, die keine Fußangeln auslegt, in denen sich Ungläubige verfangen sollen, damit man sie in die Burgfeste ziehen kann. Ich träume von einer Gemeinde Jesu Christi, die sich mit Menschen und Ressourcen verschenkt. Es ist nichts Frommes an einem Skatverein oder einer Hausaufgabenhilfe für moslemische Kinder zu finden. Beim Seniorensport wird sich kein Teilnehmer bekehren. Die Organisation eines Stadtteilfestes zusammen mit anderen Bürgern ist keine missionarische Aktion.

Meine Vision ist keine versteckte Evangelisation durch die Hintertüre, sondern eine Gemeinde, die fragt: »Was können wir für die Menschen tun? Wo können wir helfen? Wie können wir dienen? Wem können wir uns und unsere Möglichkeiten, Begabungen, Fähigkeiten verschenken?« Ohne Angelhaken und Gegenleistung. Einfach nur, weil wir die Welt so lieben, wie Gott sie geliebt hat. Er hat seinen Sohn gegeben. Für alle Menschen, für die Frommen wie die Ungläubigen.

Ihr habt nicht mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibe, damit, was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, er euch gebe. (Johannes 15, 16)

Hingehen. Frucht bringen. Und daraus folgt: Der Vater gibt, was wir im Auftrag Jesu bitten. Nicht umgekehrt.

P.S.: Foto vom Myfest 2007 in Berlin. Christen, Moslems, Atheisten, Politiker, Kulturschaffende... - alle arbeiten zusammen für einen friedlichen Tag.

Donnerstag, 6. März 2008

Die zerstückelte Frauenleiche

Nein, das ist keine weitere Horrorgeschichte aus meiner Feder, sondern eine Predigt eines wunderbaren Freundes in zwei Teilen. Hörens- und bedenkenswert.
Der Titel hat mich natürlich neugierig gemacht - und die Neugier wurde belohnt.

Es gibt bei der Josua Gemeinde noch mehr hörenswerte Predigten, nicht für 1,99 Euro (und damit so erheblich preiswerter als auf CD für 3,60 Euro!) wie mancherorts Predigten angeboten werden, sondern für ganze 0,00 Euro. Inclusive Mehrwertsteuer.

Hier geht's zur Übersicht:

P.S.: Das Bild ist von SXC und zeigt nicht den predigenden Freund...

Danger, Doctors & Birds

Das Ferdervieh habe ich noch nicht gehört, aber immerhin schon (über das doofe Rapidshare) heruntergeladen und auf den MP3-Player geschaufelt. So gesehen freue ich mich auf die Heimfahrt vom Büro im Streik-bedingten Stau. Ich werde hören:
  • Intro
  • The Rooster Song - Fats Domino
  • Cooing To The Wrong Pigeon - Merrill Moore
  • Bluebird - Buffalo Springfield
  • Chicken - Mississippi John Hurt
  • The Coo-Coo Bird - Clarence Ashley
  • Bird On The Wire - Leonard Cohen
  • Red, Red Robin - Al Jolson
  • Buzzard Pie - Rudy Green & His Orchestra
  • Daffy Duck's Rhapsody - Mel Blanc
  • Ice Cream For Crow - Captain Beefheart
  • Great Speckled Bird - Roy Acuff & His Crazy Tennesseans
  • Night Owl - Tony Allen & The Champs
  • Wings of a Dove - Blues Busters
  • Shake A Tail Feather - The Five Du-Tones
  • Outro
Die beiden letzten Shows über Doctors und Danger waren besonders hörenswert. Beide mit einem gut gelaunten Gastgeber, vergnüglich-lehrreichen Anekdoten und selbstverständlich viel Musik, die mir Freude macht. Jetzt weiß ich auch, was Danger ist: Anger with a »D«. Und Bob erklärt, warum Gospelmusik für ihn (und viele andere) etwas besonderes ist. Kann man hier anhören: Bob Dylan über Gospel Music.
»Wings of a Dove« - ist das der Gospelsong »On the wings of a snow white dove, God sends his pure sweet love...« - oder ein gleichnamiger anderer Titel? Nun, ich bin gespannt. Sicher ist auch unser Freund Croz in den nächsten Stunden in der Lage, die Vögel ohne Rapidshare anzubieten.

Out of Office

Wer ein internationales Umfeld hat oder sich aus sonstigen Gründen für wichtig hält, sollte seine Abwesenheitsnotiz auch in Englisch verfassen, damit gegebenenfalls ein des Deutschen nicht mächtiger E-Mail-Schreiberling über die Abwesenheit Bescheid weiß. Mancher tut sich ja schwer mit solchen fremdsprachigen Formulierungen, daher biete ich heute eine kostenlose Hilfestellung an:
  1. I am currently out of the office at a job interview and will reply to you if I fail to get the position. Please be prepared for my mood.
  2. You are receiving this automatic notification because I am out of the office. If I was in, chances are you wouldn't have received anything at all.
  3. Sorry to have missed you, but I'm at the doctor's having my brain and heart removed so I can be promoted to our management team.
  4. I will be unable to delete all the emails you send me until I return from vacation. Please be patient, and your mail will be deleted in the order it was received.
  5. Thank you for your email. Your credit card has been charged $5.99 for the first 10 words and $1.99 for each additional word in your message.
  6. The email server is unable to verify your server connection. Your message has not been delivered. Please restart your computer and try sending again.*
  7. Thank you for your message, which has been added to a queuing system. You are currently in 352nd place, and can expect to receive a reply in approximately 19 weeks.
  8. Hi, I'm thinking about what you've just sent me. Please wait by your PC for my response.
  9. I've run away to join a different circus.
  10. I will be out of the office for the next two weeks for medical reasons. When I return, please refer to me as 'Lucille' instead of Steve.
*Wer sich für die Abwesenheitsnotiz Nummer 6 entscheidet, hat übrigens bei seiner Rückkehr eine Menge Spaß zu erwarten. Er kann sehen, wer die Anweisung tatsächlich befolgt hat und wie oft...

Gefunden in der English Lounge

Sprachlogik

Wer gerne liest ist ein Leser.
Wer gerne musiziert, ist ein Musiker.
Wer gerne fernsieht, ist ein Fernseher.

Der Tisch kommt vom Tischler.
Der Schuh kommt vom Schuster.
Das Bett kommt vom Bettler.

Wer ein Haus hat, richtet sich häuslich ein.
Wer eine Wohnung hat, richtet sich wohnlich ein.
Wer ein Heim hat, richtet sich heimlich ein.

Mittwoch, 5. März 2008

Warten...

...auf Godot den »Kleinen«. Er ist bestellt. Seit Montag. Er ist ausverkauft. Seit Wochen. Der Auftrag ist bestätigt, aber es gibt noch keinen Liefertermin. Mit Marianne Rosenberg möchte ich singen: »O wann kommst du?«

Vorfreude ist ja auch was Feines, der Volksmund behauptet gar, es sei die schönste aller Freuden.
Aber was weiß der Volksmund schon von Ungeduld und »jetzt-haben-wollen«. Nichts, denn der Volksmund hat sich nie einen Asus Eee PC bestellt.

Dienstag, 4. März 2008

Fragment - Die erste Fortsetzung


Wie gestern angekündigt hier die Fortsetzung einer Geschichte (Fragment), die unversehens zum Leben erwacht ist. Ich beginne mit dem letzten Satz des bisherigen Textes.

...
Sie hört sich sagen: „Wenn du es möchtest, ja.”



Er tritt in ihr Zimmer und bleibt am Fenster stehen. Die Klarinette liegt auf dem ungemachten Bett, ein offenes Buch auf dem Nachttisch. Er erkennt es, ohne den Umschlag zu sehen. Er blickt hinaus auf das Meer, forscht nach Anzeichen eines kommenden Geschickes, doch die Weite des Wassers verrät nichts.
„Ich meine, gespürt zu haben, dass die Erde bebt“, beginnt er, „aber es mag auch sein, dass nichts daran im Hier und Jetzt geschieht. Ich bin gefangen. Irgendwo.“
„Du träumst. Du bist nicht gefangen, sondern die Welt ist gefangen in deinem Traum.“
Konstaninos legt die Fingerspitzen an die Fensterscheibe und spürt das leichte Vibrieren, das Pulsieren, das nicht vom Wind, sondern irgendwo aus der Tiefe kommt. Er träumt nicht, nein, er will sie warnen und sie mit sich nehmen in die Sicherheit, die doch zu finden sein muss, solange Zeit noch bleibt. „Susanne, wir sollten aufbrechen. Zusammenpacken, was notwendig ist und diesen Ort verlassen.“
Sie stellt sich zu ihm an das Fenster. Sie blickt ihm in die Augen, die durch all die Jahre jung geblieben sind, es sind noch immer die Augen des Jungen am See, der ihrem Spiel lauscht und ihren Körper betrachtet, auf dem die Sonne sich der Wassertropfen bedient, um Blitze in seine Augen zu senden.
Er will etwas sagen, aber sie legt ihm sanft den Finger auf die Lippen. Er liest in ihren Augen Liebe, die nicht müde geworden ist in all den Jahren.
Susanne flüstert: „Die Träumenden führen Krieg gegen die Handelnden. Schau doch, wie die Handelnden zurückweichen, wie sie bluten, wie sie unterliegen.“

4

Er spürt den Sog zurück in die Vergangenheit. Sie waren damals jung, sehr jung. Sie waren damals alt, sehr alt. Alt wie die Sonne, die vom wolkenlosen Himmel schien, jung wie Rosenblüte, die sich gerade öffnete. Er und sie. Sie und er. Damals. Dort. Heute. Hier.



Er ist seit heute vierzehn Jahre alt. Ein griechischer Junge, geformt und gegerbt von der Küste. Der Nachmittag ist gerade angebrochen, er radelt in den Wald, zu seinem geheimen Ort. Der See gehört nur ihm, normalerweise. Die Touristen sind am Meer, oder in ihren Hotels, denn mittags ist es viel zu heiß für sie in diesem windgeschützten Tal, das von dichten Bäumen bewacht abseits der staubigen Landstraße von niemandem Beachtung findet.
Sein Vater nur scheint zu verstehen. Die Mutter, Griechin wie sie im Buche steht, viel zu sehr im Diesseits gefangen, Haushalt, Familie, Gäste, Tradition und Beständigkeit. Sie wäscht, sie kocht, sie räumt sein Zimmer auf, sie fragt ihn nach den Hausaufgaben, sie kühlt die Stirn wenn Fieber tobt, ist immer da, so will ihm scheinen, unermüdlich, pausenlos beschäftigt für ihre Familie.
Der Vater – anders. Irgendwie. Ein Deutscher, ganz anders als die Männer aus dem Dorf. Der Vater, der selten nur das Wort ergreift, der lieber nichts sagt, als im Streit ein Wort zu erwidern. Der träumen kann, und der dem Sohn das Träumen gönnt. Der Vater, der dieses Tal kennt und nicht betritt, wenn er den Sohn darin weiß. Weil der Vater versteht, dass ein geheimer Ort etwas Heiliges ist.
Er schiebt das Fahrrad durch die letzten Büsche vor der Wiese und bleibt stehen. Aus seinem Heiligtum erklingt Musik.



Sie steht im Schatten eines großen alten Baumes und lässt die Töne kommen, wie sie wollen. Woher kommen sie? Aus ihr? Wer hat sie in ihre Seele hineingelegt? Warum kommen sie nur manchmal so hervor wie jetzt – als spiele jemand mit ihren Fingern, Lippen, Lungen, als höre sie sich selber zu wie einer anderen Person? Spielt sie für sich? Für Gott? Für den Schwan, der dort reglos auf dem See verharrt? Ist dieser Schwan ein Gott? Ist er real? Er scheint nicht in dieses Tal zu gehören, genau wie sie nicht hier zu Hause ist, sie ist nicht einmal sicher, dass er wirklich da ist. Ein Schwan in Griechenland. In einem Felsental, das ihr der Zufall nur gezeigt.
Sie setzt die Klarinette ab und legt sie behutsam auf den Teppich aus weichen Halmen. Sie möchte diesen See erschwimmen, dem Schwan behutsam nahe kommen. Kein Mensch scheint hier zu sein, sie blickt noch einmal in die Runde und schlüpft dann aus dem Leinenkleid, streift ihre Wäsche ab und tritt mit beiden Füßen in das klare Wasser. Es ist kalt, erschreckend kalt in der griechischen Sommerhitze.



Er tritt aus dem Schatten und lehnt sein Fahrrad an den Baum, unter dem Klarinette und Mädchenkleidung liegen. Er ist nicht sicher, ob er träumt oder wacht. Er entledigt sich des Hemdes und der Hose, zögert kurz, und beschließt dann, es ihr gleich zu tun. Falls er nicht träumt, dann sind sie Adam und Eva im Paradies, wo man nichts zu verbergen braucht, was der Schöpfer für gut erachtet hat. Und sollte er nur träumen, dann wäre sowieso sein Handeln nicht von seinem Willen zu bestimmen.
Soll er sich bemerkbar machen? Nein. So wie es ist, so scheint es sein zu sollen. Zu müssen. Zu dürfen.
Das Mädchen geht behutsam einen weiteren Schritt, er weiß um die Kälte, die am Ufer herrscht. Ein wenig weiter wird das Wasser wärmer, doch hier speist eine unterirdische Quelle den See mit frischem Wasser aus der Tiefe. Er tritt neben sie. Sie erschrickt nicht, sondern schenkt ihm ein Lächeln.



Sie hat ihn kommen hören. Oder hat ihn gespürt. Hat kurz nur überlegt, ob sie fliehen, sich bedecken soll, sich umschauen, wer außer ihr zugegen sein mag. Aber irgendwie weiß sie, dass es der Junge sein muss, den sie am Vortag bei der Anreise kurz im Garten sah.
„Es ist sehr kalt“, sagt sie auf Griechisch, „trotz der Sonne.“
„Vier Meter weiter wird es wärmer“, antwortet er auf Deutsch.

Er schreitet aus und lässt sich dann ins Wasser gleiten. Sie folgt ihm schnell und wirklich ist die Wärme da, wo er gesagt hat.
Sie blickt hinüber an das andere Ufer. „Der Schwan ist verschwunden.“
„Man sieht ihn nur, wenn er es will.“



Später liegt er ihr zu Füßen, während die Zukunft offen ist. Sie spielt für ihn, lässt eine Melodie sich selbst erschaffen. Er fragt sie nicht nach ihrem Namen, sie will seinen nicht erfahren. Es genügt, dass sie da sind, an diesem See, zu dieser Stunde. Er darf ihre Schönheit betrachten, sie darf seinen Körper sehen. Die Blicke forschen, entdecken bisher Ungesehenes, Geahntes, Geträumtes. Dann liegen sie neben einander und blicken empor zum Dach der Zweige, brauchen keine Worte, um einander zu verstehen. Der Schwan treibt heran, trägt eine Rose im Schnabel. Am Ufer legt er sie ab und fliegt davon.
Konstantinos steht auf und hebt die Rose auf. Ein Dorn sticht ihn in den Daumen, sein Blut hat die Farbe der Blüte. Er bückt sich und holt aus seiner Hose das Taschenmesser, schneidet sorgsam die Dornen ab, bevor er dem Mädchen den Stengel reicht. Sein Blut tropft auf ihre bleiche Haut, ein Tropfen unter der rechten Brust, einer dicht am Nabel, ein dritter im Flaum, der ihr Delta umspielt.
Sie lächelt, nimmt die Rose entgegen und führt seinen blutenden Daumen zum Mund. Sie saugt das Blut, bis die Wunde versiegt.
„Ich habe heute Geburtstag“, sagt sie, ich bin jetzt Fünfzehn.“



Sie ziehen sich an, unwissend, wie viel Zeit vergangen ist. Die Sonne verschwindet hinter den Wipfeln. Sie verstaut ihr Instrument in einem kleinen ledernen Behältnis. Er schiebt sein Fahrrad, teilt sorgsam das Gebüsch für sie, bis sie den staubigen Weg ins Dorf erreicht haben. Bei den ersten Häusern fragt er: „Sehen wir uns wieder?“
„Ja“, sagt sie, „das hat der Schwan versprochen und dein Blut hat es besiegelt.“
„Morgen?“
„Nein. Ich muss dich verlassen, meine Eltern sind mit mir auf der Flucht. Aber behalte meinen Körper, bis wir uns eines Tages einander schenken werden. Behalte auch den Schwan. Die Rose. Wir werden, wir müssen uns finden.“
„Zu einem anderen Geburtstag?“, fragt er.
„Wir werden sehen.“



5

Noch immer stehen sie am Fenster. Dreißig Jahre sind vergangen, morgen, am Geburtstag. Unter ihren Füßen bebt es erneut.


Fortsetzung folgt