Sonntag, 30. März 2008

Barbaras Flucht - brutal aber wahr

Meine Geschichte ist nur eine von vielen, die sich zugetragen haben. Sie ist nicht wertvoller als andere Schicksale, doch will ich sie erzählen als ein Zeugnis dessen, was der Glaube an den Allmächtigen in einem Herzen zu bewirken vermag, dem jegliche menschliche Hoffnung geraubt wird.

Vor etwa 10 Jahren schrieb ich für eine Anthologie über den schwäbischen Liederdichter Philipp Friedrich Hiller (Gott ist mein Lobgesang) einen recht nüchternen Text über eine wahre Begebenheit im Jahr 1862, die mit seinen Liedern zu tun hat. Nüchtern und unblutig, weil der Verlag die fromme Leserschaft nicht mit den brutalen Tatsachen konfrontieren wollte. Der obige Einstieg ist aus diesem Text.

Gleichzeitig schrieb ich aber anhand der historischen Dokumente, die mir damals vorlagen, auch auf, was wirklich geschehen war. Diesen zweiten, ungeschminkten Text mit dem gleichen Einstieg habe ich heute beim Stöbern wieder gefunden. Er ist auf meinem anderen, dem textlastigen Blog zu finden. Darin finden sich dann auch solche Passagen:
Ich mußte mit ansehen, wie die Köpfe von Kleinkindern und Neugeborenen von den Kriegern an Hausmauern zerschmettert wurden. Manch ein Opfer lebte noch, wurde jedoch achtlos beiseite geworfen, um eines grausamen Todes zu sterben.
Nach dieser Warnung: Bitteschön, hier geht es lang: Mein geteiltes Buch - die Geschichte der Barbara Manz

P.S.: Logisch: Kommentare nur dort, nicht hier.

Samstag, 29. März 2008

Kein Klo weit und breit...

Nächste Woche werde ich abtauchen, um an einem älteren Manuskript zu arbeiten und es wenn irgend möglich fertig zu stellen.

Ich habe heute bereits ein bisschen meine Erinnerung an das eigene Werk aufgefrischt und dabei den Anhang angeschaut, den ich vor etwa acht Jahren zu dem Roman geschrieben habe. Das Nachwort, in dem ich erste Leseerlebnisse als Kind schildere, wird wohl die Bearbeitung nicht überleben. Diese Passage will ich jedoch nicht so sang- und klanglos ins Datennirvana schicken, sondern die Sache mit der Unmöglichkeit, eine Toilette zu besuchen, mir (und den Blogbesuchern, die trotz der Überschrift diesen Eintrag lesen) hiermit aufbewahren:

Manches in den Werken, die mir gut gefielen, störte mich dennoch. Bei der Lektüre der Abenteuerromane von Karl May hatte ich mich schon als Kind häufig gefragt, wie jemand tagelang gefesselt irgendwo verbringen konnte, ohne ein einziges Mal auf die Toilette zu müssen. Wenn er doch gemusst, aber laut der Erzählung nicht gedurft hatte - warum war dann nicht die Rede davon, dass er nach der Befreiung aus der Hand der Bösewichte die Kleidung wechselte? Stattdessen war der Held sofort bereit, sich feiern zu lassen oder neue Abenteuer zu bestehen. Ich hätte mich jedenfalls mit am Hintern festgetrocknetem Kot und dem beißenden Geruch von Urin im Schritt ungern von einem ganzen Indianerstamm hochleben lassen.
Man kommt, je nachdem wie aufmerksam und wie viel man liest, früher oder später dahinter, dass es in Büchern genau wie im Leben zugeht: Erstens wird nicht unbedingt die Wahrheit erzählt und zweitens wird manches weggelassen. Das Weglassen mag darin begründet sein, dass der Autor über den Sachverhalt nicht nachgedacht hat. Es mag auch daran liegen, dass er es dem Leser überlassen möchte, sich etwas auszumalen oder nicht.
Auch der Geschmack ändert sich, heute ist es nicht ungewöhnlich, in einem Buch, das man zweifellos zur gehobenen Literatur zählen kann, anschauliche Schilderungen der geschlechtlichen Vereinigung in zahlreichen Variationen zu finden. Noch vor sagen wir 30 Jahren war - in »anständigen Büchern« - höchstens die Rede davon, dass ein Paar sich in seine privaten Gemächer zurückzog...
Natürlich ist nicht jeder Besuch des Abortes erzählenswert – aber wenn der Held einer Erzählung mehrere Tage und Nächte an einen Marterpfahl gefesselt bleibt, dann interessierte es mich als Kind bereits durchaus, ob er eine Gelegenheit bekommt, sich zu säubern und die Kleidung zu wechseln, auch wenn der Vorgang nicht in Einzelheiten geschildert werden brauchte. Zumindest eine zeitliche Lücke in der Erzählung sollte vorhanden sein, damit ich mir sagen konnte: Ach ja, diese halbe Stunde hat Old Shatterhand (oder wer eben gerade der Held war) genutzt, um wieder präsentabel zu werden.

P.S.: Dieser kleine Text wird auch hier ganz ulkig kommentiert: Kurzgeschichten-Forum

Kunst aus Rauch

Der kann was, der Sam. Sam(uel) ist mein älterer Sohn, und wenngleich er nicht schreibt, muss er doch eine kreative Ader geerbt zu haben. Den Beruf (Multimedia-Producer) hat er passend gewählt und ist darin sehr erfolgreich, aber auch über seine privaten Produktionen staune ich immer wieder. Zum Beispiel hat er Rauch fotografiert und daraus entstanden diese beiden Bilder, Fliegender Schwan und Wartende Braut:


(Klick aufs Bild bringt Sams Kunstsammlung zutage. Sehenswert, finde ich, aber natürlich bin ich da voreingenommen...)

Übrigens: Sam hat auch unsere freiberufliche Internetseite neu gestaltet und programmiert. Ganz hervorragend sogar. Zu besichtigen unter MatMil.de

Freitag, 28. März 2008

Tödlicher Glaube...

Gottesdienst täglich? Versammlung wöchentlich? Heilungsgottesdienste unbiblisch? Don Ralfo macht sich so seine Gedanken:


Was mir beim Lesen einfiel: In der Memminger Kleinstadtgemeinde, in der ich meine ersten ernsthaften Glaubensschritte machte, hieß es (damals zumindest) wirklich Versammlung statt Gottesdienst, was so am Sonntag stattzufinden pflegte.

Vielleicht ließen sich manche Katastrophen vermeiden, wenn wir alle eher die Bibel lesen und der Bibel glauben würden, als irgend einem Prediger oder Pastor oder sonst einem Menschen ungeprüft abzunehmen, was sie uns verkünden? Ich meine solche Ereignisse:


Natürlich heilt Gott, natürlich ist Gebet wirksam. Aber ein 11jähriges Kind aus lauter (völlig missverstandener) Bibeltreue sterben lassen...

Manchmal meine ich, dass es so langsam Zeit wäre, dass Jesus kommt und das häufiger als nur gelegentlich unerträgliche Verhalten seiner Gemeinde beendet. Andererseits sind da so viele Menschen, die noch keine Chance hatten, ihn überhaupt kennen zu lernen. Und wir sind nun mal diejenigen, die ihn hier und jetzt vorstellen könnten und sollten.
Wir Christen haben allerdings häufig so viel Wichtigeres zu tun, als denen, die verloren gehen, die einzige Möglichkeit der Errettung bekannt zu machen...

Donnerstag, 27. März 2008

Siegfried Hitler

Vor etlichen Monaten unterhielt ich mich mit zwei Männern aus unserem Hausbibelkreis über Literatur. Dabei erzählte einer der beiden von einem Buch, das er für unbedingt lesenswert hielt. »Siegfried - eine schwarze Idylle« von Harry Mulisch. Ich bekundete Interesse – und vor zwei Wochen hat er es tatsächlich ausgebuddelt und mir geliehen. »Endlich!« muss ich sagen, nachdem ich es nun gelesen habe.

Zwei alte Menschen, vor langer Zeit Hausangestellte in der Bergfestung Hitlers auf dem Obersalzberg, jetzt Bewohner eines ärmlichen Altersheimes, erzählen dem holländischen Schriftsteller Rudolf Herter, der Wien zu einer Lesung besucht, eine unglaubliche Geschichte: Adolf Hitler und Eva Braun hatten einen Sohn.

Wenn dieses Buch ein Deutscher verfasst hätte, wäre die erzählerische Begegnung Auge in Auge mit den Kerngfiguren des Naziregimes kaum - oder nicht so direkt - zustande gekommen. Der Autor Harry Mulisch aber ist Holländer, Sohn eines ehemaligen österreichischen Offiziers und einer Frankfurter Jüdin - das heißt, er kann sich literarisch so ziemlich alles trauen, ohne in falschen Verdacht zu geraten. Und er ist ein ganz hervorragender Autor, der seine Ideen so lebensnah und nachvollziehbar zu erzählen vermag, dass man ihm einfach folgen will und muss. In seiner Figur des Rudolf Herter fand ich mich übrigens gelegentlich wieder, etwa an solchen Stellen:
Sein Gedächtnis für die Ereignisse in seinem Leben war eher schlecht, und des öfteren musste er Maria oder Olga fragen, wie sich irgendwelche Dinge genau zugetragen hatten...
Wie oft geht es mir doch genau so! Ich berichte ein Ereignis und die beste aller Ehefrauen, die auch dabei war, schüttelt den Kopf zu meinem Bericht...

Doch zurück zur Geschichte von Siegfried Hitler, dem verheimlichten Kind. Herter schwört dem alten Ehepaar Verschwiegenheit bis zu deren Tod, bevor er die Einzelheiten erfährt. Die Geschichte, die er dann hört, ist so unglaublich, dass er zu folgendem Schluss kommt:
...Und überhaupt. Wer würde ihm glauben? Und nach dem Tod der Falks, ohne Zeugen würde seine Geschichte noch unglaubwürdiger sein. Man würde ihn wegen seiner Phantasie loben, und vielleicht bekäme er wieder einen Literaturpreis, doch glauben würde ihm niemand.
Damit hat der Autor etwas geschafft, was wir alle, die wir Geschichten erzählen, gerne vollbringen möchten: Der Leser ist im Zweifel, ob er Fiktion oder Tatsachen liest, oder eine Mischung - aber in welchem Verhältnis? Genial eingefädelt von Mulisch. Der Mann hat Phantasie. Und daher schreibt er auch:
Die Phantasie kann es nicht mit der Wirklichkeit aufnehmen, die Wirklichkeit schlägt die Phantasie bewusstlos und krümmt sich vor Lachen.
Solchermaßen auf das Glatteis geführt erlebt der Leser mit, was dem Kind zustößt. Bis zum bitteren Ende und darüber hinaus, denn die letzten Seiten des Buches sind Tagebuchnotizen von Eva Braun, die nach der gespenstischen Hochzeit im Führerbunker in ihren letzten Lebensstunden Eva Hitler hieß. Da war Siegfried allerdings schon tot.

Ein Buch, das ich verschlungen habe, wenn ich auch bei den gelegentlich etwas ausschweifenden Ausflügen in die Geschichte der Philosophie gedacht habe: Wann geht es endlich weiter? Doch andererseits ist der Hitler, den Harry Mulisch portraitiert, untrennbar mit Nietzsche, Heidegger, Wagner und anderen verbunden.

Sprachlich ist das Buch in der deutschen Fassung makellos, dem Übersetzer zolle ich Hochachtung vor seiner Leistung.

Mein Fazit: Tatsächlich unbedingt lesenswert!

Ein interessantes Gespräch mit dem Autor: Hitler war ein schwarzes Loch

Das Buch: Harry Mulisch: »Siegfried. Eine schwarze Idylle«
Taschenbuch: 190 Seiten
Verlag: Rowohlt Taschenbuch (Oktober 2003)
Euro 7,95
ISBN-10: 3499232960
ISBN-13: 978-3499232961
Zum Beispiel erhältlich bei Amazon: Siegfried: Eine schwarze Idylle (rororo)

Mittwoch, 26. März 2008

Geschafft! Block C! Sitzplätze!

Nur so als Vorankündigung: Am 30. August 2008 bin ich abends nicht erreichbar. Da sind wir, die beste aller Ehefrauen und ich, in der Waldbühne im Block C und hören dem vermutlich letzten Konzert mit Leonard Cohen in Berlin zu.

Nach 15 Jahren in der Zurückgezogenheit hat sich der 73jährige, wohl nicht zuletzt wegen der begeisterten Reaktionen weltweit nach der Aufnahme in die Hall of Fame, zu einer Konzertreise entschlossen.

Die besten Plätze waren bereits wenige Minuten nach der Ankündigung des Konzertes ausverkauft, aber immerhin... Block C. Immerhin...

The Race - traut sich was!

Das Magazin »The Race« bringt in der aktuellen Ausgabe 03/2008 (noch nicht online zu finden, aber überall, wo es christliche Zeitschriften gibt, erhältlich) einen kontroversen Artikel aus meiner Feder. Die trauen sich was, die Herausgeber...

Geist statt Diskussionsforum

»Ich muss warnen vor dieser Irrlehre!« »Haltet euch fern von diesem Verführer!« »Diese Lehre ist nicht bibeltreu!«
Solche Sätze las ich häufig, als ich vor einigen Jahren noch die Diskussionen in einem »christlichen« Internetforum, das sogar das Gebet im fremdsprachigen Namen trägt, verfolgte und als Moderator versuchte, das schlimmste an Verleumdungen und Anklagen zu verhüten. Neulich habe ich aus Neugierde mal wieder reingeschaut - es geht immer noch so entsetzlich zu wie damals...
Hitzig wird dort nach wie vor von manchen Zeitgenossen dargelegt, warum Charismatiker keine richtigen Christen sein können oder warum nur Charismatiker richtige Christen sein können. Es hagelt Argumente, warum Gott heute nicht mehr heilt und warum er heute noch heilt. Wer sich nicht taufen lässt, ist nicht bibeltreu (weil nur das Untertauchen gilt), und wer sich taufen lässt, ist auch nicht bibeltreu (weil er ja schon als Baby besprenkelt wurde und sich nicht zwei mal taufen lassen darf). Wer Weihnachten / Ostern feiert ist Opfer einer Irrlehre (weil Weihnachten / Ostern heidnisch ist) und wer Weihnachten / Ostern nicht feiert, ist auch Opfer einer Irrlehre (weil er gesetzlich ist).

Der kurze Brief des Judas gibt uns einen Schlüssel zum Gebet in die Hand, der auch bei der Frage, was Irrlehre ist und was nicht, hilft. Judas beschreibt die Menschen, die sich aus falschen Motiven mit ihren Irrlehren in die Gemeinde eingeschlichen hatten. Er sagt zwei Mal »Ihr aber...«, um den Unterschied zwischen den Nachfolgern Christi und denen, die ihre eigenen Wege verfolgen, deutlich zu machen. Noch bevor er das Gebet erwähnt, schreibt er:
Ihr aber, Geliebte, gedenkt der von den Aposteln unseres Herrn Jesus Christus vorausgesagten Worte! (Judas 17)
Er erinnert damit an die Lehre derer, die tatsächlich von Gott beauftragt sind. Dann schreibt er:
Ihr aber, Geliebte, erbaut euch auf eurem heiligsten Glauben, betet im Heiligen Geist, erhaltet euch in der Liebe Gottes, indem ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus erwartet zum ewigen Leben. (Judas 20-21)
Betet im Heiligen Geist – unmissverständlich formuliert Judas diese Aufforderung. Es geht in seinem Brief, wie gesagt, um die Entlarvung von falschen Lehren und Lebensweisen – und dazu ist der Heilige Geist der richtige Helfer.
Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe (Johannes 14, 26),
hatte Jesus gesagt, und das gilt auch (oder gar vor allem?) im Gebet.

Auch hier im Judasbrief wird deutlich, dass der Heilige Geist beim Gebet Erkenntnis schenkt: Auch über Irrtümer und falsche Wege, die unser Verstand möglicherweise gar nicht sehen würde.

Ich bleibe dabei, dass ein Christ, der nicht im Heiligen Geist betet, kein schlechterer oder geringerer Gläubiger ist als andere. Meine ganz persönliche Erfahrung mit evangelikalen
Gläubigen, die Geistesgaben nicht praktizieren, ist in einem Satz zusammenzufassen: Ich wurde in einer solchen Gemeinde körperlich, seelisch und geistig wieder gesund.
Heute gehöre ich einer Gemeinde an, in der die Gaben praktiziert werden und fühle mich wohl und zu Hause.
Ich sehe in unserer Unterschiedlichkeit die gegenseitige Ergänzung im Leib Christi und das Potential, von einander zu lernen und mit einander zu beten. Und ich werde mich nicht mit anderen Christen in die Haare kriegen, welche Gemeinde, Kirche oder Gruppe denn nun im Besitz der endgültigen Weisheit und Wahrheit sein mag.

Dienstag, 25. März 2008

Bilder sind wie Erzählungen

Wenn ich male und selbst nicht begreife, was ich male, so bedeutet das noch lange nicht, daß diese Bilder keine Bedeutung haben.
Dieses Zitat stand als Motto über einer Ausstellung, die wir am letzten Samstag besucht haben: Dali. Mir geht es mit manchen Texten ähnlich. Wenn ich erzähle und selbst nicht begreife, was ich erzähle, so bedeutet das noch lange nicht, dass diese Texte keine Bedeutung haben.
Ich weiß nicht, ob es dem Dali wiederum ging wie mir: Wenn etwas fertig erzählt ist, erschließt sich mir manchmal die Bedeutung.

Samstag, 22. März 2008

Sophia, Angelina oder Sabrina?

Demnächst habe ich eine Woche ohne Büro vor mir, im Volksmund nennt man so was Urlaub. Da möchte ich zumindest anfangen, einen von drei Romanen so weit in Form zu bringen, dass ich einem Verlagslektor ohne schamroten Kopf den Text überlassen kann.
Ich weiß bloß nicht, welche Geschichte. Die von Sophia? Oder doch Angelina? Oder womöglich Sabrina?

Sophias Geschichte fängt so an:
Feuchtes Laub raschelte unter den Füßen der beiden Spaziergänger im Berliner Tiergarten. Beide waren 13 Jahre alt, das Mädchen wirkte jedoch älter. Ihr Gesicht ließ ahnen, daß sie ihre Kindheit nicht ohne Wunden und Schmerzen hinter sich gebracht hatte. Dunkle Locken fielen bis auf die Schultern, sie trug weiße Jeans und ein schwarzes T-Shirt mit dem Hard Rock Café Logo auf der Brust. Ihr Begleiter war hochgewachsen, schlank, dunkelblond, ein vergnügtes Lächeln spielte auf seinem Gesicht.
Sie schlenderten schweigend den Weg am Kanal entlang. In der Ferne hörte man, wenn man die Ohren spitze, Verkehrsgeräusche. Die beiden nahmen auf einer Bank Platz und sahen auf das träge dahinfließende Wasser des Landwehrkanals.

Der Junge brach nach etwa zehn Minuten das Schweigen. »Sophia, weißt du, was mir an dir besonders gefällt?«
»Nein. Aber du wirst es mir gleich sagen.« Sie lächelte erwartungsvoll.
»Daß man mit dir auch schweigen kann. Stundenlang, wenn es paßt. So was ist selten.«
»Danke, Manfred.«
Sie saßen auf der Bank, sahen den Enten zu, die ohne Eile über das Wasser glitten, beobachteten müßige Spaziergänger. Sophia genoss den Nachmittag. Sie hatten gemeinsam die Arbeiten für die Schule erledigt und waren anschließend mit der U-Bahn zum Bahnhof Zoo gefahren. Von dort aus durchwanderten sie den Tiergarten und sammelten Blätter für den Biologieunterricht. Der Park wirkte nach dem Gewitter, das am Mittag gewütet hatte, wie frisch gewaschen in der wärmenden Sonne.
Schließlich standen sie auf und schlenderten weiter. Der Junge sagte, als hätte es die lange Gesprächspause nicht gegeben: »Du kannst andererseits reden wie ein Wasserfall, wenn es paßt. Je nach Bedarf dummes Zeug oder kluge Einsichten.« Manfred blickte auf die herbstlich verfärbten Baumkronen. Dann fuhr er fort: »Du bist wie ein Baum, der einem geben kann, was man braucht. Schatten in der Hitze, Schutz beim Regen, Früchte gegen den Hunger.«
»Und wenn es dann paßt, holzt du mich ab und verheizt mich in deinem Kamin, ja?«, fragte sie grinsend.
Manfred lachte. »Okay, Ende der Philosophiestunde. Laß uns ein Eis essen gehen, am Ku'damm. Okay?«
»Okay. Eis kann aber auch philosophisch sein. Ich esse Eis, also bin ich.«
»Nee, ich bin, also esse ich Eis.«
Sophia schüttelte den Kopf. »Nein, Manfred. Ich weiß nicht, welches Eis ich essen werde, also weiß ich nicht, wer ich sein werde. Bin. War.«
Sie beschleunigten ihre Schritte und verließen den Tiergarten. Quer über den Hardenbergplatz strebten sie dem Europacenter zu.

Sophia wußte tatsächlich nicht, wer sie war. Es sollten noch zwei Jahre vergehen, bis die Erinnerung zurückkehrte.
Angelinas Geschichte beginnt wie folgt:
Diese Augen. Dieser Strudel des Lebens, der in ihnen wirbelte. Die unendliche Tiefe, in die ihr Blick mich hineinzog. »Fenster der Seele« hatte mal ein kluger Mensch die Augen des Menschen genannt, aber Angelinas Augen waren mehr. Ich konnte in ihnen versinken. Ich wollte in ihnen versinken. Und wenn ich dort ertrank... konnte es ein angenehmeres Ende des irdischen Daseins geben?
Ich war immer wagemutig gewesen, nahm Herausforderungen an, ging lieber ein paar Schritte zu weit, als vorsichtig zurückzuweichen, wenn ich unbekanntes Gelände betrat. Risiken nahm ich gerne in Kauf, schließlich ist das ganze Leben ein Risiko. Man muss eben das Bestmögliche herausholen. Ich überließ das große Kuchenstück nicht anderen, wenn ich es selbst bekommen konnte, schließlich schenkte mir auch niemand etwas. Ich war nicht rücksichtslos, handelte nie auf Kosten anderer Menschen, aber wenn ich eine Chance bekam, nutzte ich sie, während andere noch zögern mochten.
Als ich Angelina zum ersten Mal sah, dachte ich nicht an ein erotisches Abenteuer, wollte sie vielmehr mit meinen Farben auf der Leinwand verewigen und sie dabei kennen lernen. Portraits malte ich am liebsten, denn ich hatte dabei Gelegenheit, stundenlang mit dem Menschen, der vor mir saß, zu reden, meine Eindrücke von seinem Wesen in das Bild hineinfließen zu lassen. Malerei ist mehr als Fotografie, so stimmungsvoll die Produkte guter Lichtbildkünstler auch sind. Ein Foto kann aber nie mehr zeigen als das, was vor der Linse ist. Natürlich haben Fotografen im digitalen Zeitalter Möglichkeiten, von denen frühere Generationen nicht einmal geträumt haben. Ob digital bearbeitete Fotos noch ein ehrliches Werk sind, sei dahingestellt... Ich hielt meine Kunst für aufrichtig, denn ich gab von vorne herein durch meine Bilder mit Pinsel und Farbe nicht Spiegelbilder der Wirklichkeit wieder, sondern meine sehr persönliche Interpretationen des Gesehenen.
Sie mochte ungefähr fünfundzwanzig sein, ihre glatten Haare flossen in weichen schwarzen Wellen über die Schultern. Verspielt zauberte der schwache Wind mit den Spitzen der Fransen, die ihr über die harmonisch geschwungenen Augenbrauen fielen, immer neue Muster auf ihre Stirn. Ich sah sie, als ich einen Platz an den Tischen vor dem kleinen Eiscafé am Marktplatz suchte.
Fehmarn wurde von einem Bilderbuchsommer verwöhnt. Sonnenhungrige Touristen bevölkerten die glühend heißen Strände, in meiner Heimatstadt Burg auf Fehmarn wimmelten sie in den Geschäften und Restaurants. Ich saß gerne dicht am Gewühl und beobachtete die geschäftig hin und her strömenden Massen, fertigte gelegentlich Bleistiftskizzen und verstand nie all die Hektik. Obwohl sie doch Urlaub hatten, schienen sie die Betriebsamkeit des Alltags nicht hinter sich lassen zu können, sie drängelten vor den Geschäften, sie eilten durch die Straßen, sie zogen quengelnde Kinder hinter sich her und sie schleppten halbe Haushaltsausrüstungen zu den Stränden, wo sie sich dann ihre weißen Bäuche verbrennen ließen.
Angelina saß auf meinem Lieblingsplatz nahe am unermüdlichen Strom der Touristen. Es gab zwar einen zweiten Stuhl an dem kleinen runden Tisch, aber da noch andere Plätze frei waren, setzte ich mich nicht zu der Fremden. Aufdringlich wollte ich natürlich nicht wirken. Allerdings wählte ich meinen Sitzplatz so, dass ich sie beobachten konnte.
Und Sabrinas Geschichte wiederum hat diesen Anfang:
Der Volkswagen hatte mehr als zwanzig Jahre seinen Dienst getan. Er erfuhr ganz offensichtlich regelmäßige Pflege, sein Lack glänzte in der Nachmittagssonne, man hätte meinen können, das Fahrzeug sei gerade vor wenigen Tagen vom Band gerollt. Von weitem betrachtet war der Käfer, der die Fahrbahn zur Hälfte blockierte, ein Schmuckstück. Als ich am 17. Juli 1998 um 16:48 Uhr auf die Unfallstelle zufuhr, ging mir der Gedanke so schlimm kann es gar nicht sein durch den Kopf. In der Aufregung hatte ich das kurze Telefonat wohl missverstanden.
Ich war auf dem Heimweg vom Büro, als mir einfiel, dass wir vergessen hatten, ein paar Flaschen guten Wein für den Abend zu kaufen. Wir erwarteten Gäste und eigentlich war alles für einen gemütlichen Abend besorgt – bis auf das passende Getränk.
Der Verkehr war, etwas anderes konnte man um diese Zeit in Berlin auch nicht erwarten, mehr als zähflüssig, er stand beinahe still. Zwei Polizeifahrzeuge und ein Notarztwagen hatten sich vor einer viertel Stunde auf der engen Straße am Stau, in dem ich mich mit zahlreichen anderen Verkehrssteilnehmern befand, vorbei gequält. Es ging nur sehr mühsam voran und ich hoffte, dass die Behinderungen bald aus dem Weg geräumt sein würden, damit noch etwas Zeit blieb, Sabrina zu Hause den Tisch decken zu helfen und das Essen vorzubereiten, bevor unser Besuch kam.
Als mir der Gedanke an den vergessenen Wein kam, rief ich Sabrinas Mobiltelefon an, denn es mochte ja immerhin sein, dass sie das Versäumte bereits erledigt hatte. Sie hatte solche Angelegenheiten besser im Griff als ich. Anstelle meiner Frau antwortete eine unbekannte männliche Stimme mit einem »Ja bitte?« Verwählt haben konnte ich mich nicht, da ich die Speichertaste benutzt hatte.
»Wer ist da«, fragte ich, »und warum haben Sie das Telefon meiner Frau?«
Der Mann behauptete, Polizist zu sein und fragte, wo ich mich gerade befinden würde. Ich erklärte etwas verwundert, dass ich auf dem Weg nach Hause gerade die Osdorfer Straße passiert habe und bestand darauf, zu erfahren, was der Polizist, wenn er wirklich einer war, mit dem Telefon meiner Frau zu tun hatte.
Ich ahnte in jenem Moment, dass ich gleich eine schlechte Nachricht bekommen würde. Wenn die Polizei einen Anruf an einem privaten Mobiltelefon beantwortet, dann sicher nicht, um über das Wetter oder die Verkehrslage zu plaudern.
Kennen Sie das Gefühl, wenn einem an einem warmen Sommertag plötzlich eiskalt wird? Wenn man nicht weiß, wohin der schneller werdende Herzschlag und der Schweißfilm auf der Stirn den Körper führen werden? Ob man im nächsten Moment noch Herr seiner Sinne sein wird? So fühlte ich mich, während ich zuhörte.
Ein Verkehrsunfall sei geschehen, erklärte die Stimme, der Polizist habe das Telefon aus der Handtasche meiner Frau genommen als es läutete. Ich möge bitte zur Kreuzung Ostpreußendamm / Wismarer Straße kommen. Mehr könne er mir am Telefon nicht sagen. Ich war nur wenige Minuten von der Unfallstelle entfernt. Minuten, in denen Hoffnung und Angst um meine Gedanken stritten.
Eine Verwechslung. Warum hatte die Polizei dann das Telefon? Nur eine Schramme, meinetwegen ein gebrochenes Bein. Sie kann nicht schwer verletzt sein. Warum nimmt dann ein Fremder den Anruf entgegen? Weil sie stirbt oder tot ist. Unsinn, warum sollte sie tot sein. Außerdem kann das gleiche Unglück nicht zwei Mal den gleichen Menschen treffen. Ach nein? Wo steht das geschrieben? Der Blitz schlägt nicht zwei Mal in den gleichen Baum. So schlimm ist es nicht. Gleich wird sich alles aufklären.
Ich hielt hinter einem Polizeifahrzeug an. Die Mine des Polizisten, der auf mein Fahrzeug zukam, verhalf der Angst zum Sieg über die Hoffnung. Doch, es ist schlimm. Noch viel schlimmer.
Zögernd öffnete ich die Türe und stieg aus.
Frage an meine Blogbesucher: Von welcher der drei Personen würdet Ihr / würden Sie gerne mehr erfahren? Ich freue mich auf Kommentare...


P.S.: Frohe Ostertage allen Leserinnen und Lesern.